Beschluss des Bundesrates
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine wirksamere Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und zur Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts - COM (2017) 142 final; Ratsdok. 7621/17

Der Bundesrat hat in seiner 957. Sitzung am 12. Mai 2017 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:

Der Bundesrat begrüßt die Bemühungen der Kommission um die wirksame Durchsetzung der Wettbewerbsregeln der EU. Er teilt die Einschätzung, dass das unionsrechtliche System paralleler Zuständigkeiten, in dessen Rahmen sowohl die Kommission als auch die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten tätig werden können, ein in den Grundzügen abgestimmtes Instrumentarium zur Rechtsdurchsetzung voraussetzt.

Allerdings darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass für die Durchsetzung der Wettbewerbsregeln in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedliche Systeme bestehen. Die Regeln des Wettbewerbsrechts sind in den Mitgliedstaaten nicht allein an den Desideraten einer möglichst effizienten Wettbewerbspolitik auszurichten, sondern müssen auch der berechtigten Erwartung Rechnung tragen, dass Straftäter im Rahmen der Gesetze verurteilt und einer gerechten Strafe zugeführt werden. Sie sind Teil des jeweiligen nationalen Sanktionensystems und dürfen sich - insbesondere im Lichte der in Artikel 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierten Gleichheit aller Personen vor dem Gesetz - zu dessen grundlegenden Prinzipien nicht in Widerspruch setzen.

Kriminalstrafe muss insbesondere dem verfassungsrechtlich vorgegebenen Schuldprinzip folgend an das individuelle Verschulden und den Wert eines individuellen Aufklärungsbeitrags anknüpfen. Dabei ist einerseits die ungerechtfertigte Benachteiligung an sich kooperationswilliger Personen in Abhängigkeit von der Verfahrenstaktik des Unternehmens zu vermeiden. Andererseits dürfen keine ungerechtfertigten Besserstellungen gegenüber anderen Wirtschaftsstraftätern erfolgen.

Zu bedenken ist nämlich, dass bei Submissionsabsprachen regelmäßig eine Sanktion nicht nur wegen der schlichten Beteiligung am Kartell in Betracht kommt. Mit Submissionsabsprachen gehen vielfach Betrugstaten einher, gelegentlich sogar schwerwiegende Korruptionsdelikte.

Der Bundesrat hält deshalb die vollständige Straflosigkeit natürlicher Personen im Rahmen von wettbewerbsrechtlichen Kronzeugenregelungen grundsätzlich nur für angebracht, wenn die beschuldigte Person

Er bittet die Bundesregierung, im Rahmen der weiteren Verhandlungen auf eine Fassung der Richtlinie hinzuwirken, die diesen Bedenken Rechnung trägt.