Antrag des Landes Rheinland-Pfalz
Entschließung des Bundesrates zur Absicherung eines europarechtskonformen Entgeltschutzes bei öffentlichen Auftragsvergaben

Der Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz Mainz, den 16. April 2008

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ersten Bürgermeister
Ole von Beust

Sehr geehrter Herr Präsident,

die rheinlandpfälzische Landesregierung hat beschlossen, beim Bundesrat den in der Anlage mit Begründung beigefügten


einzubringen.
Ich bitte Sie, diesen Entschließungsantrag gemäß § 36 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der 843. Sitzung des Bundesrates am 25. April 2008 aufzunehmen und eine sofortige Entscheidung in der Sache herbeizuführen.


Mit freundlichen Grüßen
Kurt Beck

Entschließung des Bundesrates zur Absicherung eines europarechtskonformen Entgeltschutzes bei öffentlichen Auftragsvergaben

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung zu einer Gesetzesinitiative auf, damit die Länder bei öffentlichen Auftragsvergaben Mindestentgeltstandards gewährleisten können, oder bundesweit entsprechende Standards sicherzustellen. Dies ist durch die gesetzliche Regelung eines flächendeckend geltenden Mindestlohns möglich, wie er in 22 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bereits gilt.

Das Gesetz soll die Voraussetzungen dafür schaffen, dass private Auftragnehmer bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufträge soziale Standards einhalten. Das dient auch der Verhinderung von Wettbewerbsnachteilen besonders mittelständischer Unternehmen.

Die Länder, die bereits Tariftreuegesetze erlassen haben oder vorbereiten, sollen europarechtlich Sicherheit erhalten. Es bedarf zumindest einer ergänzenden bundesrechtlichen Regelung, weil die Bestimmung von Mindestarbeitsbedingungen für öffentliche Auftraggeber materielles Arbeitsrecht betrifft.

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, auch in dieser Frage in der Europäischen Union auf eine umfassende Verwirklichung der sozialen Dimension hinzuwirken.

Die Gewährleistung angemessener Grundrechtsstandards auf europäischer Ebene ist nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG eine zentrale Grundverpflichtung der Bundesrepublik Deutschland.

Begründung

Der Bundesrat sieht einen länderübergreifenden Regelungsbedarf. Er hält es für nicht vertretbar dass die öffentliche Hand Aufträge an Private vergibt, ohne Gewähr dafür, dass keine Entgelte unterhalb des Existenzminimums gezahlt werden. Tatsächlich liegen die Löhne teilweise unterhalb des Existenzminimums und deshalb fallen zusätzliche Transferleistungen aus Mitteln der Allgemeinheit für die in Deutschland ansässigen Beschäftigten an. Der Einsatz von untertariflich Beschäftigten kann zudem zu Wettbewerbsnachteilen für kleine und mittelständische Unternehmen führen.

Der Bundesrat sieht sich an einer ausschließlich landesspezifischen Umsetzung der vorbeschriebenen Regelungsabsicht durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-346/06 ("Rüffert") vom 3.4.2008 gehindert. Der Europäische Gerichtshof hat in dieser Entscheidung den Standpunkt bezogen, dass sowohl die Richtlinie 96/71/EG vom 16.12.1996 als auch Art. 49 EG einer nationalen Regelung entgegenstehen die öffentliche Auftragsvergaben an andere örtliche Entgeltstandards binden als sie in Mindestlohngesetzen oder -Verordnungen bzw. in allgemeinverbindlichen Tarifverträgen statuiert sind.

Der Bundesrat weist dazu auf die vom Frühjahrsgipfel der EU-Staats- und Regierungschefs am 13. und 14. März 2008 hervorgehobene besondere Qualität der sozialen Dimension der Lissabon-Strategie der Europäischen Union hin. Ferner nimmt er Bezug auf die Übereinkunft der die Bundesregierung tragenden Parteien CDU, CSU und SPD vom 11.11.2005 zur Beschäftigungsförderung auf dem Arbeitsmarkt. Außerdem verweist er auf die Gefahr von Disparitäten europäischer und nationaler Grundrechtsstandards.

Das Bundesverfassungsgericht sah im Beschluss vom 11.7.2006 (1 BvL 4/00) in der landesgesetzlichen Tariftreueverpflichtung Berlins - unter Zubilligung gesetzgeberischer Einschätzungsprärogative - ein legitimes und verhältnismäßiges Mittel zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit, von Lohnverdrängungswettbewerben und zur Stabilisierung tarifgetragener Sozialstandards. Dagegen erkannte der Europäische Gerichtshof in der Rs. C-346/06 in der Tariftreueverpflichtung Niedersachsens gerade kein geeignetes Mittel zur Verfolgung ähnlich lautender legitimer Zwecke.

Im Interesse der Förderung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung und um Wettbewerbsnachteile für kleine und mittelständische Unternehmen zu vermeiden müssen im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts neue EU-konforme Regelungen gefunden werden.