Antrag des Landes Baden-Württemberg
Entschließung des Bundesrates - Stärkere Reglementierung des Betriebs von Prostitutionsstätten

Staatsministerium Baden-Württemberg Stuttgart, den 21. Mai 2010
Der Staatssekretär

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Bürgermeister Jens Böhrnsen
Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen

Sehr geehrter Herr Präsident,

die Regierung des Landes Baden-Württemberg hat beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte


zuzuleiten.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 23 Absatz 3 i.V.m. § 15 Absatz 1 und § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der 871. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2010 aufzunehmen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.


Mit freundlichen Grüßen
Hubert Wicker

Entschließung des Bundesrates - Stärkere Reglementierung des Betriebs von Prostitutionsstätten

Der Bundesrat möge beschließen:

I. Der Bundesrat stellt fest:

Prostitution wird nach den heutigen sozialethischen Wertvorstellungen überwiegend als nicht mehr sittenwidrig empfunden. Die Rechtsprechung berücksichtigt diesen Wandel und legt in neueren Entscheidungen durchweg den Maßstab zugrunde, dass die kommerzielle Ausnutzung sexueller Bedürfnisse oder Interessen nicht mehr als solche gegen die guten Sitten verstößt (BVerwG, Urteil vom 6. November 2002, 6 C 16.02; Beschluss vom 23. März 2009, 8(B) 2.09; BGH, Urteil vom 13. Juli 2006, I ZR 65/05). Dieser Wandel ist maßgeblich auf den Erlass des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz, ProstG, BGBl. I S. 3983) vom 20. Dezember 2001 zurückzuführen.

Die mit der Legalisierung der Prostitution notwendigerweise einhergehende Reduktion polizeilicher und ordnungsrechtlicher Eingriffsmöglichkeiten birgt für Prostituierte nicht hinnehmbare Gefahren für Leben, Gesundheit und körperliche oder seelische Unversehrtheit und begründet zudem das hohe Risiko starker wirtschaftlicher Abhängigkeit von Bordellbetreibern und Zuhältern. Die bestehenden Ermächtigungsgrundlagen für Polizei und Ordnungsbehörden reichen nicht aus, um Prostituierte vor menschenunwürdiger Behandlung zu schützen und ein effektives präventives, aber auch repressives Vorgehen gegen Menschenhandel, Zwangsprostitution und Schwarzarbeit im Rotlichtmilieu zu gewährleisten. Es besteht ein erhebliches strukturelles Machtgefälle zwischen Zuhältern und Bordellbetreibern auf der einen und Prostituierten auf der anderen Seite, welches sowohl die Bildung angemessener Marktpreise als auch zumutbarer Arbeitsbedingungen grundsätzlich verhindert.

Die Bundesregierung kommt in ihrem Bericht zu den Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes zu dem Ergebnis, dass die Ziele des Prostitutionsgesetzes, zu denen unter anderem auch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Zurückdrängung der Begleitkriminalität rechnen, nur zu einem begrenzten Teil erreicht werden konnten (Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten, 2007, S. 79 f.). Aus Sicht der Bundesregierung bedarf es deshalb eines insgesamt breiteren Ansatzes der Reglementierung der Prostitution, der insbesondere konsequent die Bekämpfung von Menschenhandel, Zwangsprostitution und Minderjährigenprostitution integriert und auf einen größtmöglichen Schutz von Prostituierten vor Gewalt und Ausbeutung abzielt.

Aufgrund der vorherrschenden Intransparenz und der Parallelstrukturen im Prostitutionsmilieu ist die Summe der dem Staat vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge und Steuern nicht sicher abzuschätzen. In der Gesetzesbegründung zum ProstG wird auf Schätzungen Bezug genommen, wonach in der Prostitution jährliche Gewinne in zweistelliger Milliardenhöhe erzielt werden (BT-Drs. 014/5958, S. 4).

II. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung,

eine gesetzliche Regelung für den Prostitutionsbereich mit folgenden Gesetzesinhalten zu erlassen:

1. Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten

Prostitutionsstätten bedürfen vor ihrer Eröffnung einer behördlichen Erlaubnis. Diese kann differenziert nach Betriebsarten mit einer Befristung und Auflagen verbunden werden. Sie ist zu versagen, wenn das Betriebskonzept erhebliche Nachteile oder Belästigungen für die Jugend, die Allgemeinheit oder die Umwelt befürchten lässt (beispielsweise weil eine Flatrate-Kalkulation vorgesehen ist) oder die Antragsteller wegen einschlägiger "Milieudelikte" vorbestraft sind. Die Erlaubnis hat für die Polizei und Ordnungsbehörden Rechte auf "Auskunft und Nachschau" zur Folge. Sie legt die Mindestanforderungen an die vorgesehenen Räumlichkeiten unter hygienischen und sicherheitsrelevanten Aspekten fest. Eine ohne Erlaubnis betriebene Prostitutionsstätte ist zu schließen.

2. Meldepflichten

Prostitutionsstätten unterliegen einem engmaschigen System an Meldepflichten. Der Betreiber muss der zuständigen Behörde

Außerhalb einer betreibergeführten Prostitutionsstätte tätige Prostituierte sind zur Anzeige ihrer Tätigkeit und - auf Verlangen - zum Vorzeigen entsprechender Nachweise zu verpflichten.

3. Prävention sexuell übertragbarer Krankheiten

Der Betreiber muss auf die Kondompflicht deutlich sichtbar hinweisen und darf ungeschützten Geschlechtsverkehr nicht zulassen.

4. Sanktionsmöglichkeiten

Der Betrieb einer Prostitutionsstätte ohne Erlaubnis sowie Verstöße gegen die in den Nummern 1 bis 3 genannten weiteren Pflichten stellen Ordnungswidrigkeiten dar und werden mit einem Bußgeld geahndet. Sie können zusätzliche Auflagen nach sich ziehen und im Wiederholungsfall bis hin zum Verlust der Betriebserlaubnis oder der strafrechtlichen Sanktionierung führen.

5. Vermutung abhängiger Beschäftigung und Präzisierung des Weisungsrechts

Bei Personen, die sexuelle Dienstleistungen in Prostitutionsstätten erbringen, wird vermutet, dass sie abhängig beschäftigt sind, es sei denn die Deutsche Rentenversicherung stellt positiv fest, dass die Beschäftigung nicht sozialversicherungspflichtig ist. Dies führt dazu, dass die Sozialversicherungs- und Arbeitsschutzgesetze einschlägig sind, dass Behörden und die Polizei Auskünfte erhalten und Kontrollen durchführen können und dass Lohnsteuer abgeführt wird.

Es ist dabei aber auch zu berücksichtigen, dass zu hohe Anforderungen an den Nachweis einer selbstständigen Tätigkeit die ungewollte Folge haben können, dass Prostituierte, die selbstbestimmt arbeiten möchten, auf den Straßenstrich oder Prostitutionsformen außerhalb von Prostitutionsstätten ausweichen.

Das in § 3 ProstG geregelte eingeschränkte Weisungsrecht für Betreiber von Prostitutionsstätten wird zur Stärkung der Weisungsfreiheit und der Vorbeugung wirtschaftlicher oder persönlicher Abhängigkeit der Prostituierten präzisiert.

6. Änderung des Jugendschutzgesetzes

In das Jugendschutzgesetz wird ein Anwesenheitsverbot für Minderjährige in Prostitutionsstätten eingefügt.

7. Änderung des Bundeszentralregistergesetzes

§ 41 Abs. 1 des Bundeszentralregistergesetzes wird dahingehend ergänzt, dass die für das Erlaubnisverfahren einer Prostitutionsstätte zuständigen Behörden uneingeschränkt Auskunft über Eintragungen von Antragstellern erhalten.