Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Stärkung der Führungsaufsicht

A. Rechtslage und Problem

Die Führungsaufsicht gewährleistet eine nachsorgende Betreuung von Täterinnen und Tätern, deren gesellschaftliche Wiedereingliederung nach ihrer Entlassung aus dem Straf- oder Maßregelvollzug aus unterschiedlichen Gründen gefährdet erscheint und die daher im Besserungs- und im Sicherungsinteresse in besonderem Maße kontrollierender Begleitung und Unterstützung bedürfen. Die Führungsaufsicht hat damit eine erhebliche kriminalpolitische und praktische Bedeutung. Ihre Regelungen bedürfen der Weiterentwicklung. Das bisherige Höchstmaß der Freiheitsstrafe soll von drei Jahren auf ein Höchstmaß von fünf Jahren angehoben werden.

Das ausdifferenzierte System der Führungsaufsicht soll mit seinen vielfältigen Möglichkeiten von Weisungen gewährleisten, dass der hiervon erfasste Personenkreis von der Begehung weiterer Straftaten abgehalten wird. Dies erfordert, dass ein hinreichend abschreckendes und wirksames Sanktionssystem im Fall der Nichteinhaltung der Weisungen vorhanden ist. Dabei ist besonders zu bedenken, dass es sich bei den Probandinnen und Probanden in aller Regel um hafterfahrene Personen handelt, die durch kurzzeitige Freiheitsstrafen oder gar lediglich eine Geldstrafe nicht in ausreichendem Maß davon abgehalten werden können, gegen die für notwendig erachteten und gerichtlich festgesetzten Weisungen zu verstoßen. Ein Weisungsverstoß, beispielsweise die Missachtung eines Kontaktverbots mit Kindern durch einen verurteilten Sexualstraftäter, kann in vielen Fällen der erste Schritt hin zur Begehung von weiteren erheblichen Straftaten sein. Die bisherige Strafandrohung in § 145a Satz 1 Strafgesetzbuch (StGB) wird der Bedeutung der Führungsaufsicht als Schutzinstrument vor neuen Straftaten nicht hinreichend gerecht.

Die in Baden-Württemberg eingerichtete "Kommission Kinderschutz" hat u.a. auch die Vorschriften zur Führungsaufsicht einer Bewertung unterzogen. Die "Kommission Kinderschutz" war im Zusammenhang mit dem so genannten "Staufener Missbrauchsfall" eingerichtet worden. Im Herbst 2017 wurde bekannt, dass ein damals neunjähriger Junge nicht nur von seiner Mutter und ihrem Freund auf schwerste Weise sexuell missbraucht, sondern auch über das "Darknet" weiteren Männern gegen Geld zu diesem Zweck angeboten und von diesen in der Folge missbraucht worden war. Der Haupttäter und damalige Lebensgefährte der Mutter stand vor und während der Missbrauchstaten unter Führungsaufsicht. Die führungsaufsichtsrechtliche Weisung, zu Kindern keinen unbeaufsichtigten Kontakt aufzunehmen, befolgte er nicht. Dieser Kontakt führte letztendlich zu den zahlreichen Missbrauchstaten zu Lasten des Jungen. Auch eine im Zeitraum der Missbrauchstaten erfolgte Verurteilung des Haupttäters wegen Verstoßes gegen das im Rahmen der Führungsaufsicht erteilte Kontaktverbot mit Kindern gemäß § 145a Satz 1 StGB hielt ihn von weiteren Missbrauchshandlungen nicht ab. Dieser Fall zeigt beispielhaft, dass die bestehende Strafandrohung nicht ausreicht, um die Probandinnen und Probanden anzuhalten, die Weisungen, die zum Schutz der Allgemeinheit und vielfach von Kindern, erteilt worden sind, einzuhalten. Die Weisungsverstöße können dann den ersten Schritt auf dem Weg zum (erneuten) Missbrauch von Kindern und Jugendlichen darstellen. In ihrem Abschlussbericht vom Februar 2020 hat sich die "Kommission Kinderschutz" für eine Verschärfung der Strafandrohung des § 145a StGB ausgesprochen.

Mit der vorgesehenen Anhebung des Höchstmaßes der Freiheitsstrafe wird durch den Gesetzgeber nach der zuletzt durch das Gesetz vom 13. April 2007 (BGBl. I S. 513 ff.) erfolgten Anhebung des Höchstmaßes von damals einem Jahr auf drei Jahre nochmals deutlich gemacht, dass es sich bei den Verstößen gegen Weisungen der Führungsaufsicht nicht um Taten im unteren Kriminalitätsbereich handelt. Das Höchstmaß der Freiheitsstrafe von fünf Jahren wird zudem dem Charakter des Delikts als konkretes Gefährdungsdelikt besser gerecht.

B. Lösung

Der Gesetzentwurf sieht die Erhöhung des Strafrahmens in § 145a Satz 1 StGB von drei auf fünf Jahre vor. Mit dieser Regelung soll erreicht werden, dass die überwiegend hafterfahrenen Probandinnen und Probanden angehalten werden die ihnen zum Schutz der Bevölkerung auferlegten Weisungen auch tatsächlich einzuhalten. Dadurch sollen die Probandinnen und Probanden motiviert werden, künftig ein straffreies Leben zu führen. Es soll zudem der Schutz potentieller Opfer vor erneuten

Straftaten der Probandinnen und Probanden erhöht werden.

C. Alternativen

Beibehaltung des bisherigen, unbefriedigenden Zustands.

D. Haushaltsaufgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Keiner.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Keiner.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Keiner.

F. Weitere Kosten

Durch die Erhöhung des Strafrahmens können den Länderhaushalten Verfahrens- und Vollzugskosten in überschaubarem Umfang entstehen, deren Höhe sich nicht näher beziffern lässt.

Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Stärkung der Führungsaufsicht

Der Bundesrat hat in seiner 993. Sitzung am 18. September 2020 beschlossen, den beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen

Anlage
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Stärkung der Führungsaufsicht

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Strafgesetzbuches

In § 145a Satz 1 des Strafgesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird das Wort "drei" durch das Wort "fünf" ersetzt.

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung des Entwurfs und Notwendigkeit der Änderungen

Die Führungsaufsicht gewährleistet eine nachsorgende Betreuung von Täterinnen und Tätern, deren gesellschaftliche Wiedereingliederung nach ihrer Entlassung aus dem Straf- oder Maßregelvollzug aus unterschiedlichen Gründen gefährdet erscheint und die daher im Besserungs- und im Sicherungsinteresse in besonderem Maße kontrollierender Begleitung und Unterstützung bedürfen. Die Führungsaufsicht hat damit eine erhebliche kriminalpolitische und praktische Bedeutung. Ihre Regelungen bedürfen der Weiterentwicklung. Das bisherige Höchstmaß der Freiheitsstrafe soll von drei Jahren auf ein Höchstmaß von fünf Jahren angehoben werden.

Das ausdifferenzierte System der Führungsaufsicht soll mit seinen vielfältigen Möglichkeiten von Weisungen gewährleisten, dass der hiervon erfasste Personenkreis von der Begehung weiterer Straftaten abgehalten wird. Dies erfordert, dass ein hinreichend abschreckendes und wirksames Sanktionssystem im Fall der Nichteinhaltung der Weisungen vorhanden ist. Dabei ist besonders zu bedenken, dass es sich bei den Probandinnen und Probanden in aller Regel um hafterfahrene Personen handelt, die durch kurzzeitige Freiheitsstrafen oder gar lediglich eine Geldstrafe nicht in ausreichendem Maß davon abgehalten werden können, gegen die für notwendig erachteten und gerichtlich festgesetzten Weisungen zu verstoßen. Ein Weisungsverstoß, beispielsweise die Missachtung eines Kontaktverbots mit Kindern durch einen verurteilten Sexualstraftäter, kann in vielen Fällen der erste Schritt hin zur Begehung von weiteren erheblichen Straftaten sein. Die bisherige Strafandrohung in § 145a Satz 1 StGB wird der Bedeutung der Führungsaufsicht als Schutzinstrument vor neuen Straftaten nicht hinreichend gerecht.

Die in Baden-Württemberg eingerichtete "Kommission Kinderschutz" hat u.a. auch die Vorschriften zur Führungsaufsicht einer Bewertung unterzogen. Die "Kommission Kinderschutz" war im Zusammenhang mit dem so genannten "Staufener Missbrauchsfall" eingerichtet worden. Im Herbst 2017 wurde bekannt, dass ein damals neunjähriger Junge nicht nur von seiner Mutter und ihrem Freund auf schwerste Weise sexuell missbraucht, sondern auch über das "Darknet" weiteren Männern gegen Geld zu diesem Zweck angeboten und von diesen in der Folge missbraucht worden war. Der Haupttäter und damalige Lebensgefährte der Mutter stand vor und während der Missbrauchstaten unter Führungsaufsicht. Die führungsaufsichtsrechtliche Weisung, zu Kindern keinen unbeaufsichtigten Kontakt aufzunehmen, befolgte er nicht. Dieser Kontakt ermöglichte letztendlich die zahlreichen Missbrauchstaten zu Lasten des Jungen. Auch eine im Zeitraum der Missbrauchstaten erfolgte Verurteilung des Haupttäters wegen Verstoßes gegen das im Rahmen der Führungsaufsicht erteilte Kontaktverbot mit Kindern gemäß § 145a Satz 1 StGB hielt ihn von weiteren Missbrauchshandlungen nicht ab. Dieser Fall zeigt beispielhaft, dass die bestehende Strafandrohung nicht ausreicht, um die Probandinnen und Probanden anzuhalten, die Weisungen, die zum Schutz der Allgemeinheit und vielfach von Kindern, erteilt worden sind, einzuhalten. Die Weisungsverstöße können dann den ersten Schritt auf dem Weg zum (erneuten) Missbrauch von Kindern und Jugendlichen darstellen. In ihrem Abschlussbericht vom Februar 2020 hat sich die "Kommission Kinderschutz" für eine Verschärfung der Strafandrohung des § 145a StGB ausgesprochen.

Mit der vorgesehenen Anhebung des Höchstmaßes der Freiheitsstrafe wird durch den Gesetzgeber nach der zuletzt durch das Gesetz vom 13. April 2007 erfolgten Anhebung des Höchstmaßes von damals einem Jahr auf drei Jahre nochmals deutlich gemacht, dass es sich bei den Verstößen gegen Weisungen der Führungsaufsicht nicht um Taten im unteren Kriminalitätsbereich handelt. Das Höchstmaß der Freiheitsstrafe von fünf Jahren wird zudem dem Charakter des Delikts als konkretes Gefährdungsdelikt besser gerecht.

Es besteht gesetzgeberischer Handlungsbedarf.

Der Gesetzentwurf sieht die Erhöhung des Strafrahmens in § 145a Satz 1 StGB von drei auf fünf Jahre vor. Mit dieser Regelung soll erreicht werden, dass die überwiegend hafterfahrenen Probandinnen und Probanden angehalten werden, die ihnen zum Schutz der Bevölkerung auferlegten Weisungen auch tatsächlich einzuhalten. Dadurch sollen die Probandinnen und Probanden motiviert werden, künftig ein straffreies Leben zu führen. Es soll zudem der Schutz potentieller Opfer vor erneuten Straftaten der Probandinnen und Probanden erhöht werden.

II. Gesetzgebungskompetenz; Vereinbarkeit mit EU-Recht

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Nummer 1 des Grundgesetzes (Strafrecht).

Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar.

III. Auswirkungen

Auswirkungen auf den Bundeshaushalt sind durch den Gesetzentwurf nicht zu erwarten. Durch die Erhöhung des Strafrahmens können den Länderhaushalten Verfahrens- und Vollzugskosten in überschaubarem Umfang entstehen, deren Höhe sich nicht näher beziffern lässt.

Für Bürgerinnen und Bürger entsteht kein Erfüllungsaufwand.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Strafgesetzbuches)

Die Änderungen sollen gewährleisten, dass unter Führungsaufsicht stehende Probandinnen und Probanden die ihnen auferlegten Weisungen, die dem Schutz der Bevölkerung vor neuen Straftaten durch diese Personen dienen, einzuhalten.

Der Empfehlung der "Kommission Kinderschutz" folgend wird die Strafandrohung für Verstöße gegen Führungsaufsichtsweisungen in § 145a Satz 1 StGB auf fünf Jahre erhöht. Bei erheblichen Verstößen gegen Weisungen der Führungsaufsicht ist es durch die Änderung möglich, auch längere Freiheitsstrafen zu verhängen und im anschließenden Strafvollzug nachhaltiger auf die teilweise sehr hafterfahrenen Probandinnen und Probanden einzuwirken. Die Probandinnen und Probanden werden so motiviert, die ihnen auferlegten Weisungen einzuhalten. Die höhere Strafobergrenze wertet das Institut der Führungsaufsicht auch nach außen hin sichtbar auf.

Die Erhöhung des Strafrahmens ist verhältnismäßig. Neben dem Weisungsverstoß ist weiterhin erforderlich, dass dadurch der Zweck der Maßregel gefährdet wird. Es handelt sich um die Verschiebung der Strafobergrenze. Bei der konkreten Sanktionierung von Verstößen sind weiterhin die jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.