Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen
Entschließung des Bundesrates zur Weiterentwicklung des Bundesfreiwilligendienstes

Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen
Düsseldorf, den 26. Juni 2012

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Horst Seehofer

Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten Antrag für eine Entschließung des Bundesrates zur Weiterentwicklung des Bundesfreiwilligendienstes zuzuleiten.

Ich bitte, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 6. Juli 2012 aufzunehmen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Hannelore Kraft

Entschließung des Bundesrates zur Weiterentwicklung des Bundesfreiwilligendienstes

Nach der Aussetzung des Wehr- und damit auch des Zivildienstes ist seit dem Sommer 2011 der Bundesfreiwilligendienst (BFD) neben die Jugendfreiwilligendienste Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) und Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) und die vielfältigen internationalen Freiwilligendienste getreten. Die Einführung des BFD war verbunden mit einem Anstieg der Bundesförderung für Freiwilligendienste und mit einem großen Zuwachs an Einsatzstellen und Freiwilligen.

Derzeit beteiligen sich in Deutschland so viele Menschen wie nie zuvor an einem Freiwilligendienst. Die Nachfrage ist so groß, dass das Bundesfamilienministerium Anfang 2012 eine Kontingentierung der BFD-Plätze vorgenommen hat, die dazu führt, dass viele Interessierte abgewiesen werden müssen.

Die Länder, die seinerzeit dem Bundesfreiwilligendienstgesetz (BFDG) zum Teil nicht ohne Bedenken zugestimmt haben, erkennen den Erfolg an. Gleichwohl sehen sie noch erheblichen Nachsteuerungs- und Veränderungsbedarf.

Der Bedarf an Freiwilligendienstplätzen ist zurzeit auch deshalb besonders hoch, weil es in vielen Bundesländern doppelte Abiturjährgänge gibt. Um diesen aktuellen Engpass zu bewältigen, sollten die Bundesmittel für den Bundesfreiwilligendienst zumindest für einige Jahre aufgestockt werden, damit Schulabgängerinnen und Schulabgänger die Möglichkeiten zum Abschluss einer Vereinbarung für die Teilnahme am BFD bekommen. Die große Bereitschaft, sich im Rahmen eines Bundesfreiwilligendienstes für die Gemeinschaft zu engagieren und das damit verbundene Potenzial bürgerschaftlichen Engagements müssen genutzt werden.

Rechte und Pflichten der Träger sind im Gesetz nicht verankert. Die Träger sind als Vertragspartner nicht vorgesehen. Dies entspricht in keiner Weise ihrer wichtigen Rolle in der Praxis, denn sie übernehmen so zentrale Aufgaben wie die Sicherung der Qualität der Freiwilligendienstplätze in den Einrichtungen und die Organisation der pädagogischen Begleitung. Gleichzeitig sind sie wichtige Ansprechpartner für die Teilnehmenden. Eine Verankerung des Trägerprinzips im BFDG ist daher angemessen.

Anders als das Freiwillige Soziale und das Freiwillige Ökologische Jahr ist der Bundesfreiwilligendienst altersoffen gestaltet. Derzeit sind rund ein Drittel der Teilnehmenden älter als 27 Jahre. Bildungskonzepte für junge Freiwillige können nicht ohne Weiteres auf die Gruppe der über 27Jährigen übertragen werden. Notwendig ist vielmehr die Entwicklung eigenständiger Bildungskonzepte, die an vorhandene berufliche Kompetenzen und Lebenserfahrungen anknüpfen. Viele Träger haben bereits damit begonnen. Mit ihnen gemeinsam muss eine Entwicklung und Festlegung von Mindeststandards vorangetrieben werden, um auch für die lebensälteren Teilnehmenden im BFD ein qualitätvolles Bildungsangebot sicherzustellen.

Nicht nur beim BFD für Lebensältere muss eine klare Abgrenzung zu arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitischen Maßnahmen wie auch zum Niedriglohnbereich erfolgen. Die Freiwilligendienste dürfen nicht zum Ersatz für soziale Arbeit, für arbeitsmarktpolitische oder Wiedereingliederungsmaßnahmen werden. Die Betätigungsfelder müssen arbeitsmarktneutral ausgestaltet sein und dürfen kein Ersatz für reguläre Arbeitsverhältnisse werden. Auch muss das Prinzip der Freiwilligkeit gewahrt sein. Die Länder erwarten hier eindeutigere und konsequentere Maßgaben seitens des Bundes, um den Missbrauch zu verhindern.

Das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) ist eine dem BMFSFJ nachgeordnete Behörde. Im Zusammenhang mit dem Bundesfreiwilligendienst nimmt das Amt vor allem zwei unterschiedliche Aufgaben wahr: Zum einen ist es Vertragspartner der Zentralstellen, denen es Aufgaben zur eigenständigen Wahrnehmung überträgt. Es ist unter anderem verantwortlich für die Anerkennung von Einsatzstellen bzw. Einsatzplätzen und schließt im Auftrag des Bundes mit den Freiwilligen die BFD-Vereinbarung ab. Zudem organisiert es in den Bildungszentren des Bundes (den früheren Zivildienstschulen) die politische Bildung sowie andere Bildungsmaßnahmen für die Teilnehmenden. Es verwaltet die gesamten Zuschüsse an die zivilgesellschaftlichen Zentralstellen und die ihnen angeschlossenen Träger bzw. Einsatzstellen. Zum anderen ist das BAFzA aber auch selbst Zentralstelle und tritt in dieser Eigenschaft in Konkurrenz zu den Zentralstellen der Verbände und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Die Doppelrolle des BAFzA, die in der Praxis zu erheblichen Konflikten und Problemen führt, bedarf einer kritischen Überprüfung. Diese muss jedoch nach Auffassung der Länder zeitnah und nicht erst nach Abschluss der Evaluierung des Bundesfreiwilligendienstes erfolgen.

Der Bundesrat fordert vor diesem Hintergrund die Bundesregierung auf,