Verordnung der Bundesregierung
Vierte Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung

A. Problem und Ziel

Anpassung der Berufskrankheiten-Verordnung sowie der Berufskrankheiten-Liste an neue medizinischwissenschaftliche Erkenntnisse auf der Basis wissenschaftlicher Empfehlungen des Ärztlichen Sachverständigenbeirats "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

B. Lösung

Mit der Verordnung werden in die Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung fünf Krankheiten neu aufgenommen:

Leukämie durch 1,3-Butadien, Harnblasenkrebs durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Fokale Dystonie bei Instrumentalmusikern, Ovarialkarzinom (Eierstockkrebs) durch Asbest und Kehlkopfkrebs durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe.

C. Alternativen

Keine. Werden die neuen Krankheiten nicht in die Berufskrankheiten-Verordnung aufgenommen, besteht für Versicherte, Arbeitgeber, Unfallversicherungsträger und Sozialgerichte Rechtsunsicherheit über Anerkennungsfähigkeit, Voraussetzungen und Entschädigung dieser Erkrankungen als Berufskrankheit.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Durch die Verordnung entstehen für Bund, Länder und Gemeinden in den ersten Jahren Mehrkosten von rund 1,15 Millionen Euro jährlich für die Berufskrankheit fokale Dystonie. Da zu erwarten ist, dass nach den ersten fünf Jahren nur noch Leistungen für neu auftretende Krankheiten zu erbringen sind, sinken die Mehrkosten langfristig auf rund 0,75 Millionen Euro jährlich. Bei den übrigen neuen Berufskrankheiten handelt es sich um Erkrankungen, die im Bereich der Unfallversicherung der öffentlichen Hand gar nicht oder lediglich vereinzelt auftreten.

Der auf den Bund entfallende Anteil, der sehr geringfügig ist und deshalb nicht näher beziffert werden kann, wird im Rahmen der bestehenden Haushaltsansätze des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales gegenfinanziert.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Für Bürgerinnen und Bürger wird eine neue Informationspflicht eingeführt (§ 6 Absatz 1). Diese Informationspflicht kommt nur in wenigen Ausnahmefällen zum Tragen. Der dadurch entstehende geringfügige Erfüllungsaufwand wird im Einzelfall auf 15 Minuten geschätzt.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Für Unternehmen werden keine Informationspflichten neu eingeführt, geändert oder aufgehoben. Bei den bestehenden Anzeige- und Meldepflichten erhöhen sich die Fallzahlen durch die neuen Berufskrankheiten geringfügig. Dadurch erhöht sich der Erfüllungsaufwand um 12,40 Euro im Einzelfall.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Für die Verwaltung werden keine Informationspflichten neu eingeführt, geändert oder aufgehoben.

Der jährliche Erfüllungsaufwand der Unfallversicherungsträger für die neuen Berufskrankheiten beläuft sich rechnerisch in den ersten Jahren auf durchschnittlich knapp 1,6 Millionen Euro mit stark abnehmender Tendenz. Da zu erwarten ist, dass nach den ersten fünf Jahren ausschließlich neu auftretende Erkrankungen zu bearbeiten sind, sinkt der langfristig auftretende Erfüllungsaufwand dann auf rund 0,7 Millionen Euro jährlich. Die bei der Unfallversicherung Bund und Bahn - Teilhaushalt 1 gegebenenfalls anfallenden geringfügigen Mehrkosten werden im Rahmen der bestehenden Ansätze gegenfinanziert.

Allerdings ist der tatsächliche Erfüllungsaufwand in der Praxis geringer, da die fünf neuen Berufskrankheiten bereits als "Wie-Berufskrankheiten" anzuerkennen sind und die Unfallversicherungsträger bereits nach geltendem Recht gemäß § 9 Absatz 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) Verwaltungsverfahren über die Entschädigung durchführen.

F. Weitere Kosten

Die Leistungsausgaben der gewerblichen Berufsgenossenschaften werden in den ersten Jahren um durchschnittlich rund 34 Millionen Euro jährlich ansteigen mit sinkender Tendenz. Die kurzfristige Steigerung liegt damit bei rund 0,35 Prozent der jährlichen Gesamtleistungsaufwendungen in Höhe von rund 9,5 Milliarden Euro. Da zu erwarten ist, dass nach den ersten fünf Jahren ausschließlich Leistungen für neu auftretende Krankheiten zu erbringen sind, sinken die langfristig auftretenden Leistungsausgaben auf rund 16 Millionen Euro jährlich.

Allerdings ist der durch die Verordnungsänderung bewirkte Leistungsaufwand tatsächlich geringer, da die fünf aufgenommenen Berufskrankheiten bereits als "Wie-Berufskrankheiten" anzuerkennen und von den Unfallversicherungsträgern bereits nach geltendem Recht gemäß § 9 Absatz 2 SGB VII zu entschädigen sind.

Verordnung der Bundesregierung
Vierte Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung

Bundesrepublik Deutschland
Berlin, 24. Mai 2017
Die Bundeskanzlerin

An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Malu Dreyer

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
hiermit übersende ich die von der Bundesregierung beschlossene Vierte Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung mit Begründung und Vorblatt.

Ich bitte, die Zustimmung des Bundesrates aufgrund des Artikels 80 Absatz 2 des Grundgesetzes herbeizuführen.

Federführend ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel

Vierte Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung

Vom ...

Auf Grund des § 9 Absatz 1 Satz 1 und 2 und Absatz 6 Nummer 3 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) verordnet die Bundesregierung:

Artikel 1
Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung

Die Berufskrankheiten-Verordnung vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2623), die zuletzt durch Artikel 164 des Gesetzes vom 29. März 2017 (BGBl. I S. 626) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. § 6 wird wie folgt geändert:

2. Die Anlage 1 wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am [Einsetzen: Datum des ersten Tages des auf die Verkündung dieser Verordnung folgenden Kalendermonats] in Kraft.

Der Bundesrat hat zugestimmt.

Berlin, den ... 2017

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

§ 9 Absatz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung solche Erkrankungen als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Mit der Ergänzung der Berufskrankheiten-Liste trägt die Bundesregierung dem wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt Rechnung. Durch die Bezeichnung der Krankheiten in der Berufskrankheiten-Verordnung wird für die Betroffenen und die Rechtsanwender (Unfallversicherungsträger und Sozialgerichte) Rechtssicherheit über die grundsätzliche Anerkennungsfähigkeit und die spezifischen Voraussetzungen der einzelnen Berufskrankheiten-Tatbestände geschaffen. Außerdem werden die Beteiligten für eine mögliche berufliche Verursachung dieser Erkrankungen im Einzelfall sensibilisiert. Dies führt in verstärktem Maß zu entsprechenden Berufskrankheiten-Verdachtsanzeigen bei den Unfallversicherungsträgern sowie zur Entschädigung der Betroffenen.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

Mit der vorliegenden Verordnung werden in der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung fünf Krankheiten neu bezeichnet bzw. neu aufgenommen. Die Änderungen beruhen auf Empfehlungen des Ärztlichen Sachverständigenbeirats "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales, die einschließlich der wissenschaftlichen Begründungen jeweils veröffentlicht worden sind.

Im Einzelnen handelt es sich um Nummer 1320 Chronischmyeloische oder chronischlymphatische Leukämie durch1,3-Butadien bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von mindestens 180 Butadien-Jahren (ppm x Jahre)

(veröffentlicht im Gemeinsamen Ministerialblatt Ausgabe Nr. 033/34 vom 26. August 2016 S. 650 ff.)

Nummer 1321 Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von mindestens 80 Benzo(a)pyren-Jahren [(µg/m3) x Jahre]

(veröffentlicht im Gemeinsamen Ministerialblatt Ausgabe Nr. 033/34 vom 26. August 2016 S. 659 ff.)

Nummer 2115 Fokale Dystonie als Erkrankung des zentralen Nervensystems bei Instrumentalmusikern durch feinmotorische Tätigkeit hoher Intensität

(veröffentlicht im Gemeinsamen Ministerialblatt Ausgabe Nr. 033/34 vom 26. August 2016 S. 666 ff.)

Nummer 4104 Ovarialkarzinom (Eierstockkrebs)

(veröffentlicht im Gemeinsamen Ministerialblatt Ausgabe Nr. 2 vom 31. Januar 2017 S. 15 ff.)

Nummer 4113 Kehlkopfkrebs durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von mindestens 100 Benzo(a)pyren-Jahren [(µg/m3) x Jahre]

(veröffentlicht im Gemeinsamen Ministerialblatt Ausgabe Nr. 033/34 vom 26. August 2016 S. 653 ff.)

Mit Aufnahme in die Anlage 1 zur Verordnung steht rechtlich fest, dass die betreffenden Einwirkungen generell geeignet sind, die bezeichneten Erkrankungen zu verursachen. Für die Anerkennung als Berufskrankheit im Einzelfall bedarf es zusätzlich der Feststellungen über die individuellen Ursachenzusammenhänge, das heißt die Erkrankung der Versicherten durch die schädigende Einwirkung muss auf ihre konkrete Tätigkeit zurückzuführen sein.

III. Alternativen

Keine. Werden die neuen Krankheiten nicht in die Berufskrankheiten-Verordnung aufgenommen, besteht für Versicherte, Arbeitgeber, Unfallversicherungsträger und Sozialgerichte Rechtsunsicherheit über Anerkennungsfähigkeit, Voraussetzungen und Entschädigung dieser Erkrankungen als Berufskrankheit.

IV. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen

Diese Verordnung ist mit dem Recht der Europäischen Union und den völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland geschlossen hat, vereinbar.

V. Verordnungsfolgen

1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung

Diese Verordnung sieht keine Regelungen zu Rechts- und Verwaltungsvereinfachungen vor.

2. Nachhaltigkeitsaspekte

Diese Verordnung steht im Einklang mit der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung. Durch die Entschädigung ihres Gesundheitsschadens wird das Einkommen von Berufserkrankten gesichert. Die Aufnahme der fünf Krankheiten in die Berufskrankheiten-Verordnung ist daher mit der Zielstellung finanzieller Nachhaltigkeit zu vereinbaren.

3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Durch die Verordnung entstehen für Bund, Länder und Gemeinden in den ersten Jahren Mehrkosten von rund 1,15 Millionen Euro jährlich für die Berufskrankheit fokale Dystonie. Da zu erwarten ist, dass nach den ersten fünf Jahren nur noch Leistungen für neu auftretende Krankheiten zu erbringen sind, sinken die Mehrkosten langfristig auf rund 0,75 Millionen Euro jährlich. Bei den übrigen neuen Berufskrankheiten handelt es sich um Erkrankungen, die im Bereich der Unfallversicherung der öffentlichen Hand gar nicht oder lediglich vereinzelt auftreten.

Der auf den Bund entfallende Anteil, der sehr geringfügig ist und deshalb nicht näher beziffert werden kann, wird im Rahmen der bestehenden Haushaltsansätze des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales gegenfinanziert.

4. Erfüllungsaufwand

4.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Für Bürgerinnen und Bürger wird in § 6 Absatz 1 eine neue Informationspflicht eingeführt. Grundsätzlich werden die Anerkennungsverfahren über Berufskrankheiten von Amts wegen durchgeführt; es bedarf keines Antrages der Versicherten. Die neue Informationspflicht beschränkt sich auf die wenigen Einzelfälle, in denen ein Bescheid über eine der neu aufgenommenen Berufskrankheiten in der Vergangenheit bestandskräftig ergangen ist. Nur in diesen Fällen ist ein Antrag der Betroffenen erforderlich. Hinsichtlich der Fallzahlen wird auf die Ausführungen zu Punkt 4.3 verwiesen. Darüber hinaus beschränkt sich der formlose Antrag inhaltlich auf eine bloße Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens und ist damit für die Bürgerinnen und Bürger nur mit geringem Aufwand verbunden. Der Zeitaufwand beläuft sich in diesen Fällen entsprechend der Zeitwerttabelle für Informationspflichten der Bürgerinnen und Bürger nach dem Leitfaden zur Ermittlung des Erfüllungsaufwandes auf insgesamt 15 Minuten pro Fall. Es handelt sich entsprechend dem Schwierigkeitsgrad um einfache Aktivitäten.

4.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Für Unternehmen werden keine Informationspflichten neu eingeführt, geändert oder aufgehoben. Bei den bestehenden Anzeige- und Meldepflichten erhöhen sich die Fallzahlen durch die neuen Berufskrankheiten geringfügig (siehe 4.3).

Der überwiegende Teil der Verdachtsmeldungen auf das Vorliegen einer Berufskrankheit wird von Ärztinnen und Ärzten erstattet. Das Statistische Bundesamt hat für die einzelne Meldung Kosten in Höhe von rund 12,40 Euro ermittelt. Damit steigt die Gesamtbelastung der bereits bestehenden Informationspflichten nur in geringem Umfang. Im Übrigen erhalten die Ärztinnen und Ärzte für die Verdachtsanzeige eine kostendeckende Vergütung, wenn sie ihrer Meldepflicht nachkommen.

4.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Für die Verwaltung werden keine Informationspflichten neu eingeführt, geändert oder aufgehoben.

Der jährliche Erfüllungsaufwand der Unfallversicherungsträger für die neuen Berufskrankheiten beläuft sich rechnerisch in den ersten Jahren auf durchschnittlich knapp 1,6 Millionen Euro mit stark abnehmender Tendenz. Da zu erwarten ist, dass nach den ersten fünf Jahren ausschließlich neu auftretende Erkrankungen zu bearbeiten sind, sinkt der langfristig auftretende Erfüllungsaufwand dann auf rund 0,7 Millionen Euro jährlich. Die bei der Unfallversicherung Bund und Bahn - Teilhaushalt 1 ggf. anfallenden geringfügigen Mehrkosten werden im Rahmen der bestehenden Ansätze gegenfinanziert.

Allerdings ist der tatsächliche Erfüllungsaufwand in der Praxis geringer, da die fünf aufgenommenen Berufskrankheiten bereits als "Wie-Berufskrankheiten" anzuerkennen sind und die Unfallversicherungsträger bereits nach geltendem Recht gemäß § 9 Absatz 2 SGB VII Verwaltungsverfahren über die Entschädigung durchführen.

Der Erfüllungsaufwand berechnet sich im Einzelnen wie folgt:

Grundsätzlich sind Schätzungen im medizinischen Bereich mit relativ großen Unsicherheiten behaftet.

Auf der Grundlage von Erfahrungswerten der gesetzlichen Unfallversicherungsträger über die Bearbeitung bei neuen Berufskrankheiten wird der Erfüllungsaufwand je Fall von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. auf rund 1 250 Euro geschätzt. Dieser Betrag berechnet sich im Einzelnen wie folgt:

Durchschnittliche
Bearbeitungszeit in
Stunden
Lohnkosten je Stunde
Sachbearbeiter BK gehobener Dienst1036,30 Euro363,00 Euro
Präventionsdienst höherer Dienst1558,90 Euro883,50 Euro
Durchschnittlicher Erfüllungsaufwand je Fall251.246,50 Euro

Auf Basis statistischer und wissenschaftlicher Angaben über das allgemeine Auftreten der Erkrankungen in der Bevölkerung, statistischer Daten über potentiell betroffene Arbeitsplätze, Annahmen über den Anteil hinreichend exponierter Personen, ergänzender Plausibilitätsannahmen sowie unter Berücksichtigung des zu erwartenden Anzeigeverhaltens werden unter Beteiligung der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. die Anzahl der zu erwartenden jährlichen Berufskrankheiten-Anzeigen in den ersten fünf Jahren nach dem Inkrafttreten der Verordnung auf rund 1 270 je Jahr geschätzt. Darin sind für den gesamten Fünfjahreszeitraum rund 3 675 Bestandsfälle enthalten (jährlich rund 735 Fälle). Danach wird sich die Zahl der Anzeigen langfristig bei rund 535 je Jahr stabilisieren. Damit liegt der gesamte Erfüllungsaufwand in den ersten fünf Jahren bei rund 1,6 Millionen Euro (1 270 Anzeigen x 1 250 Euro) und langfristig bei rund 0,7 Millionen Euro (535 Anzeigen x 1 250 Euro).

Im Einzelnen wird die Zahl der jährlich erstatteten Berufskrankheiten-Anzeigen in den ersten fünf Jahren wie folgt geschätzt:

Leukämie durch 1,3-Butadienrund 650 Anzeigen
Harnblasenkrebs durch PAKrund 150 Anzeigen
Fokale Dystonierund 70 Anzeigen
Ovarialkarzinomrund 325 Anzeigen
Kehlkopfkrebs durch PAKrund 75 Anzeigen
Insgesamtrund 1.270 Anzeigen

Langfristig wird die Zahl der jährlich erstatteten Berufskrankheiten-Anzeigen wie folgt geschätzt:

Leukämie durch 1,3-Butadienrund 250 Anzeigen
Harnblasenkrebs durch PAKrund 75 Anzeigen
Fokale Dystonierund 30 Anzeigen
Ovarialkarzinomrund 150 Anzeigen
Kehlkopfkrebs durch PAKrund 30 Anzeigen
Insgesamtrund 535 Anzeigen

Für alle neuen Listenkrankheiten gilt, dass der tatsächliche Erfüllungsaufwand in der Praxis geringer ausfällt, da die fünf aufgenommenen Berufskrankheiten bereits als "Wie-Berufskrankheiten" anzuerkennen sind und die Unfallversicherungsträger daher bereits nach geltendem Recht gemäß § 9 Absatz 2 SGB VII

Verwaltungsverfahren über die Entschädigung durchführen.

5. Weitere Kosten

Die neuen Berufskrankheiten führen bei den Unfallversicherungsträgern nicht zu neuen Leistungspflichten. Denn diese Krankheiten sind aufgrund der veröffentlichten wissenschaftlichen Empfehlungen des Ärztlichen Sachverständigenbeirats bereits jetzt nach § 9 Absatz 2 SGB VII wie eine Berufskrankheit zu entschädigen. Die rechtsförmliche Aufnahme der Erkrankungen in die Verordnung schreibt die bestehende Entschädigungspflicht lediglich fest. Allerdings ist hierdurch mit einer Zunahme der Fallzahlen zu rechnen. Die Manifestation der Erkrankungen in der Berufskrankheiten-Verordnung führt erfahrungsgemäß zu einem höheren Informationsgrad bei den Betroffenen und in den jeweiligen medizinischen Fachkreisen über die potentielle arbeitsbedingte Verursachung der Erkrankungen und damit zu einer Zunahme der Berufskrankheiten-Anzeigen.

Die aus den Anerkennungen resultierenden Leistungsaufwendungen werden sich bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften in den ersten Jahren auf jährlich insgesamt rund 34 Millionen Euro belaufen und liegen damit bei knapp 0,35 Prozent der jährlichen Gesamtleistungsaufwendungen in Höhe von rund 9,5 Milliarden Euro. Da zu erwarten ist, dass nach den ersten fünf Jahren nur noch Leistungen für neu auftretende Krankheiten zu erbringen sind, sinken die langfristig auftretenden Leistungsausgaben auf rund 16 Millionen Euro jährlich. Die Leistungsaufwendungen der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau verändern sich nicht, da die Erkrankungen aufgrund der besonderen Einwirkungen im landwirtschaftlichen Bereich nicht auftreten.

Der Berechnung liegen im Einzelnen folgende Annahmen zugrunde:

Auf Basis statistischer und wissenschaftlicher Angaben über die zu erwartende Zahl der Berufskrankheiten-Anzeigen, erfahrungsgestützter Annahmen über den Anteil der Anerkennungen sowie über die im Einzelfall zu erbringenden Aufwendungen für Heilbehandlung, Rehabilitation und Renten sind in Abstimmung mit den Einschätzungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. in den ersten fünf Jahren nach Inkrafttreten der Verordnung im Mittel jährlich folgende Leistungsaufwendungen für die neuen Berufskrankheiten zu erwarten; darin sind die Leistungsaufwendungen für die Bestandsfälle enthalten:

Leukämie durch 1,3-Butadienrund 3,9 Mio. Euro
Kehlkopfkrebs durch PAKrund 0,6 Mio. Euro
Harnblasenkrebs durch PAKrund 1,7 Mio. Euro
Fokale Dystonierund 0,4 Mio. Euro
Ovarialkarzinomrund 27,3 Mio. Euro
Insgesamtrund 33,9 Mio. Euro

Langfristig werden die jährlichen Leistungsaufwendungen wie folgt geschätzt:

Leukämie durch 1,3-Butadienrund 2,2 Mio. Euro
Kehlkopfkrebs durch PAKrund 0,3 Mio. Euro
Harnblasenkrebs durch PAKrund 0,9 Mio. Euro
Fokale Dystonierund 0,3 Mio. Euro
Ovarialkarzinomrund 12,4 Mio. Euro
Insgesamtrund 16,1 Mio. Euro

Allerdings ist der durch die Verordnungsänderung bewirkte Leistungsaufwand tatsächlich geringer, da die fünf aufgenommenen Berufskrankheiten bereits als "Wie-Berufskrankheiten" anzuerkennen und von den Unfallversicherungsträgern bereits nach geltendem Recht gemäß § 9 Absatz 2 SGB VII zu entschädigen sind.

Die Verordnung hat aus diesen Gründen keine Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau.

6. Weitere Verordnungsfolgen

- Gleichstellungspolitische Relevanz

Die Erweiterung der Berufskrankheiten-Liste schafft für Frauen und Männer in gleichem Maße die Rechtsgrundlage für Leistungsansprüche gegen die gesetzliche Unfallversicherung. Gleichstellungspolitische Aspekte sind durch die Verordnung deshalb nicht berührt.

VI. Befristung; Evaluation

Eine Befristung kommt wegen der Ziele der Verordnung nicht in Betracht. Die Regelungen der Verordnung schaffen nicht nur Rechtsklarheit, sondern bilden die Rechtsgrundlage für unmittelbare Entschädigungsansprüche der Berufserkrankten nach § 9 Absatz 1 SGB VII. Die Erkrankungen werden trotz verbesserter Präventionsmaßnahmen auch künftig eintreten; eine zeitliche Begrenzung der Anerkennungsfähigkeit der Erkrankungen als Berufskrankheit ist deshalb ausgeschlossen.

Die Aufnahme der neuen Berufskrankheiten in die Berufskrankheiten-Verordnung beruht auf den Empfehlungen des Ärztlichen Sachverständigenbeirats "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Die Frage, ob die beabsichtigten Wirkungen der Regelungen erreicht worden sind, Erfahrungen aus der praktischen Umsetzung der Regelungen sowie Erkenntnisse für mögliche Präzisierungen oder Weiterentwicklungen fließen in die ständige Beratungsarbeit dieses Gremiums ein. Aus diesem Grund bedarf es keiner gesonderten Evaluation der Verordnung.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Berufskrankheiten-Verordnung)

Zu Nummer 1 (§ 6)

Zu Buchstabe a

Nach ständiger Rechts- und Verwaltungspraxis sind die Berufskrankheiten, die durch diese Änderungs-Verordnung in der Anlage 1 neu bezeichnet werden, bereits als "Wie-Berufskrankheiten" nach § 9 Absatz 2 SGB VII grundsätzlich anerkannt. Grundlage hierfür ist die jeweilige wissenschaftliche Empfehlung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Der Zeitpunkt der Anerkennung als "Wie-Berufskrankheit" richtet sich nach dem Zeitpunkt der jeweiligen Beschlussfassung des Sachverständigenbeirats. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Erkrankung im Einzelfall bereits vor der Beschlussfassung oder erst danach eingetreten ist: Alle von der Krankheit Betroffenen können Ansprüche auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung geltend machen.

Mit dem neuen Absatz 1 werden für die Betroffenen die möglichen Ansprüche auch nach der rechtsförmlichen Bezeichnung der Krankheit in der Berufskrankheiten-Verordnung aufrechterhalten und damit die Gleichbehandlung aller Versicherten unabhängig vom Zeitpunkt der Erkrankung fortgeführt. Seit der Dritten BKV-Änderungsverordnung vom 22. Dezember 2014 wird der Rückwirkungsregelung daher nicht mehr das ehemals regelmäßig praktizierte sog. Stichtagsprinzip zugrunde gelegt, wonach bei Eintritt der Erkrankung vor einem bestimmten Stichtag eine Entschädigung durch die Unfallversicherung ausgeschlossen ist. Vielmehr soll das Risiko, dass es viele Jahre dauern kann, bis eine Erkrankung nach wissenschaftlichen und rechtlichen Maßstäben als Berufskrankheit anerkannt wird, bei neuen Berufskrankheiten nicht mehr allein von einzelnen Betroffenen getragen werden. Insoweit wird mit der Regelung das Eintreten des Versicherungsfalls auf einen Zeitpunkt vor der Listenaufnahme fingiert. Hierzu gehören die Fälle, in denen die Erkrankung bereits vor der Aufnahme in die Anlage 1 eingetreten war, eine ärztliche Berufskrankheiten-Verdachtsanzeige aber erst nach dem Inkrafttreten der Verordnung gestellt wurde oder dem Unfallversicherungsträger erst nach diesem Zeitpunkt auf sonstige Weise bekannt wurde.

Leistungen werden entsprechend den allgemeinen sozialrechtlichen Vorschriften rückwirkend längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren erbracht. Dies gilt auch, wenn über eine Anerkennung in der Vergangenheit bereits durch bindende Bescheide oder rechtskräftige Entscheidungen der Unfallversicherungsträger oder der Sozialgerichte entschieden worden ist; die Regelung entspricht insoweit dem bisherigen Recht. Um einen übermäßigen Verwaltungsaufwand in solchen Fällen zu vermeiden, sind die Anerkennungen im Einzelfall von einem Antrag abhängig.

Zu Buchstaben b und c

Redaktionelle Folgeänderung zu Buchstabe a.

Zu Nummer 2 (Anlage 1)

Zu Buchstabe a

Zu Berufskrankheit Nummer 1320

Unter der Nummer 1320 wird als neue Berufskrankheit in die Anlage 1 zur Verordnung die Erkrankung "Chronischmyeloische oder chronischlymphatische Leukämie durch 1,3-Butadien bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von mindestens 180 Butadien-Jahren (ppm x Jahre)" aufgenommen.1,3-Butadien ist ein farbloses Gas mit einem aromatischen Geruch. Neben der unmittelbaren Herstellung wird 1,3-Butadien insbesondere zur Weiterverarbeitung bei der Herstellung verschiedener Kunst-Kautschuksorten sowie in anderen Bereichen der Kunststoffindustrie verwendet.1,3-Butadien wird inhalativ aufgenommen und im menschlichen Körper in andere Substanzen um- bzw. abgebaut (Metabolisierung). Solche Metaboliten sind für die krebserzeugende Wirkung verantwortlich. Sie werden über den Harn ausgeschieden und eignen sich für das Biomonitoring. Nachweise von Metaboliten über Blutproben sind technisch ebenfalls möglich.

Der kausale Zusammenhang zwischen der Einwirkung von 1,3-Butadien und der Entstehung von chronischmyeloischer und von chronischlymphatischer Leukämie ist wissenschaftlich eindeutig belegt. Sowohl die Internationale Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation als auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft haben 1,3-Butadien als krebserzeugend beim Menschen eingestuft. In Tierversuchen zeigte sich dosisabhängig eine krebserzeugende Wirkung bei Mäusen und Ratten.

Die krebserzeugende Wirkung wird durch epidemiologische Erkenntnisse bestätigt. In verschiedenen Auswertungen einer umfangreichen und validen Kohortenstudie zeigte sich eine lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen der kumulativen 1,3-Butadien-Dosis und einem erhöhten Leukämierisiko. Oberhalb einer 1,3-Butadien-Dosis von etwa 180 (ppm x Jahre) ergab sich signifikant ein mehr als 2-fach erhöhtes Erkrankungsrisiko. Ferner bestand ein signifikanter Zusammenhang zwischen der 1,3-Butadien-Dosis und der Mortalität durch chronischlymphatische Leukämie und chronischmyeloische Leukämie.

Als besondere Personengruppe im Sinne des § 9 Absatz 1 SGB VII werden Beschäftigte angesehen, die einer kumulativen 1,3-Butadien-Dosis von mindestens 180 Butadien-Jahren (ppm x Jahre) ausgesetzt waren.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und der zugrunde gelegten wissenschaftlichen Literatur wird auf die wissenschaftliche Empfehlung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales verwiesen, veröffentlicht im Gemeinsamen Ministerialblatt Ausgabe Nr. 033/34 vom 26. August 2016 S. 650 ff.

Zu Berufskrankheit Nummer 1321

Unter der Nummer 1321 wird als neue Berufskrankheit in die Anlage 1 zur Verordnung die Erkrankung "Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von mindestens 80 Benzo(a)pyren-Jahren [(µg/m3) x Jahre]" aufgenommen.

PAK entstehen vor allem in Kokereien und Teerraffinerien, in der Elektrographitindustrie, im Straßenbau sowie bei der Schornsteinreinigung. Darüber hinaus kann es auch in anderen Produktionsprozessen, bei denen insbesondere Steinkohlenteerpech verarbeitet wird, wie z.B. bei der Aluminiumherstellung oder in Eisengießereien, zu einer hohen Emission von PAK kommen. Als Leitkomponente für die toxikologische Bewertung und die messtechnische Überwachung dient Benzo(a)pyren (BaP).

PAK werden inhalativ und über die Haut aufgenommen. Als Maß für die innere Einwirkung kann im Rahmen des Biomonitorings die Konzentration von 1-Hydroxypyren im Harn bestimmt werden.

Die Verursachung von Harnblasenkrebs durch PAK ist durch toxikologische, tierexperimentelle sowie epidemiologische Erkenntnisse eindeutig belegt.

Die Internationale Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation hat festgestellt, dass aufgrund der vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnislage ausreichende Evidenz für eine krebserzeugende Wirkung von BaP und zwölf anderen PAK besteht. Dies gelte unabhängig von der Art der Aufnahme. BaP habe sowohl lokale als auch systemische krebserzeugende Wirkungen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat BaP und zehn andere PAK ebenfalls als für den Menschen krebserzeugende Stoffe eingestuft.

Epidemiologische Erkenntnisse haben den kausalen Zusammenhang zwischen PAK und der Entstehung von Harnblasenkrebs bestätigt. Bei Beschäftigten mit einer hohen beruflichen PAK-Einwirkung fand sich ein signifikant erhöhtes Erkrankungsrisiko. Bei einer kumulativen BaP-Dosis von mindestens 80 BaP-Jahren war das relative Risiko für die Entwicklung eines Harnblasenkarzinoms um mehr als das 2-fache erhöht.

Als besondere Personengruppe im Sinne des § 9 Absatz 1 SGB VII gelten Beschäftigte, die einer beruflichen Einwirkung mit einer kumulativen Dosis in Höhe von mindestens 80 [(µg BaP/m3) x Jahre] ausgesetzt waren.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und der zugrunde gelegten wissenschaftlichen Literatur wird auf die wissenschaftliche Empfehlung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales verwiesen, veröffentlicht im Gemeinsamen Ministerialblatt Ausgabe Nr. 033/34 vom 26. August 2016 S. 659 ff.

Zu Buchstabe b

Zu Berufskrankheit Nummer 2115

Unter der Nummer 2115 wird als neue Berufskrankheit in die Anlage 1 zur Verordnung die Erkrankung "Fokale Dystonie als Erkrankung des zentralen Nervensystems bei Instrumentalmusikern durch feinmotorische Tätigkeit hoher Intensität" aufgenommen.

Feinmotorische Tätigkeit im Sinne dieser Berufskrankheit ist in der Regel langjähriges Musizieren mit hoher Intensität auf Musikinstrumenten, das mit repetitiven stereotypen feinmotorischen Bewegungen einhergeht. Unter Musizieren "hoher Intensität" wird in der Regel professionelles Instrumentalmusizieren unter besonderer Konzentration und Anspannung im Solo- oder Konzertbetrieb verstanden. Anhaltspunkt hierfür ist, dass den größeren Teil des Jahres ein solches Instrument in der Regel mehrstündig arbeitstäglich gespielt wird. Betroffen sind insbesondere Spieler von - Tasteninstrumenten,

Der kausale Zusammenhang zwischen dem intensiven Musizieren im Sinne dieser Berufskrankheit und der Entstehung einer fokalen Dystonie ist wissenschaftlich belegt.

In umfassenden Fallserien, in denen das Auftreten fokaler, aufgabenspezifischer Dystonien bei professionellen Musikern untersucht wurde, zeigte sich eine instrumentenspezifische Häufigkeit der Erkrankung. Dies begründet die Schlussfolgerung, dass die hohen Anforderungen an feinmotorische Präzision und Komplexität der beim Musizieren erforderten Bewegungen Risikofaktoren für die Entwicklung der Musikerdystonie darstellen.

Diese Feststellung wird durch die Erkenntnisse aus klinischen und experimentellen Studien sowie aus Fallberichten gestützt. Danach ist wesentlicher und dominierender externer Faktor für den Eintritt der Erkrankung das intensive Musizieren. Zwischen der Lokalisation der fokalen Dystonie und dem gespielten Instrument besteht eine sehr hohe Korrelation, zwischen der Einwirkung und der Erkrankung eine starke Assoziation, die im Vergleich zu einem nichtexponierten Kollektiv ungefähr um den Faktor 100 anstieg. Das heißt, dass fokale Dystonien unter Berufsinstrumentalmusikern grob um den Faktor 100 häufiger auftreten als in der Normalbevölkerung. Dabei ist das Körperteil, welches die Hauptlast an feinmotorischer Anforderung und Präzision trägt, am häufigsten von dystonen Symptomen betroffen. Die Beziehung zwischen repetitiver feinmotorischer manueller Betätigung und der Entstehung einer fokalen, aufgabenspezifischen Dystonie wurde auch tierexperimentell bestätigt.

Nach den Fallberichten ist die Mehrzahl der Erkrankungen nach einer summierten Spieldauer von mehr als 10 000 Stunden nach dem 18. Lebensjahr eingetreten, zumindest nach einer Spieldauer im höheren vierstelligen Bereich (> ca. 5 000 Stunden) nach dem 18. Lebensjahr. Diese Stundenzahlen stellen deshalb nur ein Orientierungsmaß für die erforderliche Gesamtdauer der Spielzeit dar; sie sind keine feste Untergrenze im Sinne einer Mindestvoraussetzung. Je nach den Verhältnissen im Einzelfall können für die anzustellende Gesamtbetrachtung auch Spielzeiten vor dem 18. Lebensjahr berücksichtigt werden, wenn es sich um versicherte Zeiten in der gesetzlichen Unfallversicherung gehandelt hat.

Als besondere Personengruppe im Sinne des § 9 Absatz 1 SGB VII werden daher professionelle Instrumentalmusiker angesehen, bei denen eine fokale Dystonie diagnostiziert ist und die ihre Tätigkeit langjährig, repetitiv und mit hoher feinmotorischer Intensität ausgeübt haben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und der zugrunde gelegten wissenschaftlichen Literatur wird auf die wissenschaftliche Empfehlung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales verwiesen, veröffentlicht im Gemeinsamen Ministerialblatt Ausgabe Nr. 033/34 vom 26. August 2016 S. 666 ff.

Zu Buchstabe c

Folgeänderung zu Buchstabe d.

Die Bezeichnung des Vierten Abschnitts der Berufskrankheiten-Liste wird um die Erkrankung "Eierstockkrebs" ergänzt.

Zu Buchstabe d
Zu Berufskrankheit Nummer 4104

Die Berufskrankheit Nummer 4104 der Anlage 1 zur Verordnung "Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs

wird um die Erkrankung "Eierstockkrebs" erweitert.

Hinsichtlich der chemischphysikalischen und der biologischen Charakteristika sowie der gefährdenden Arbeitsplätze wird grundsätzlich auf die Merkblätter zu den Berufskrankheiten Nr. 4103, 4104 und 4105 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung verwiesen. Von der neuen Berufskrankheit betroffen sein können Frauen, die früher in asbestverarbeitenden Betrieben tätig waren. Dies war insbesondere in der Asbesttextilindustrie wie z.B. in Asbestspinnereien, Asbestwebereien oder anderen Betrieben der Fall, in denen asbesthaltige Garne, Schnüre, Gewebe, Tücher etc. oder auch Hitzeschutzkleidung hergestellt wurden.

Eingeatmete Asbestfasern besitzen für den Menschen gesichert lokal tumorerzeugende Eigenschaften. Die grundsätzlich kanzerogene Wirkung von Asbestfasern ist für die Zielorgane Lunge und Kehlkopf seit vielen Jahren gesichert. Dies gilt aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse auch für das Ovar (Eierstock). Die Aufnahme von Asbestfasern erfolgt in erster Linie inhalativ mit der Atemluft. Durch den Selbstreinigungsmechanismus der Bronchien wird der größte Teil der deponierten Fasern zunächst in den Magen-Darm-Trakt überführt und von hier aus offenbar teilweise in die Bauchhöhle. Darüber hinaus werden neben einem Transport über die Lymphwege auch ein Transport über die Blutwege sowie das Eindringen von Asbestfasern in die serösen Höhlen des Brust- und Bauchraumes diskutiert.

Der Ursachenzusammenhang zwischen Asbestfasern und der Entstehung von Eierstockkrebs wird durch Erkenntnisse aus validen epidemiologischen Studien bestätigt. Die Internationale Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation hat nach Sichtung hierzu veröffentlichter Kohorten- und Fall-Kontroll-Studien Asbest als erwiesenes Humankarzinogen mit dem Zielorgan "Ovar" eingestuft. Dabei seien alle Formen von Asbest (Chrysotil, Krokydolit, Amosit, Tremolit, Aktinolit und Anthophyllit) karzinogen für den Menschen. Diese Einstufung wurde in nachfolgenden systematischen Übersichtsarbeiten zum Zusammenhang zwischen beruflicher Asbestexposition und Ovarialkarzinom bestätigt.

Bei Beschäftigten mit einer hohen Asbeststaub-Einwirkung fand sich ein signifikant erhöhtes Erkrankungsrisiko. In mehreren Studien finden sich Belege für eine positive Dosis-Wirkungs-Beziehung.

In der geltenden Berufskrankheit Nummer 4104 sind für die arbeitsbedingte Verursachung von Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs durch Asbest drei alternative Kriterien festgelegt:

Diese Kriterien können aus folgenden Gründen auch für die Verursachung von Eierstockkrebs festgelegt werden:

Nach den epidemiologischen Studien wird ein verdoppeltes Erkrankungsrisiko für Eierstockkrebs bei beruflich Asbest-Exponierten erreicht bzw. überschritten

Als besondere Personengruppe im Sinne des § 9 Absatz 1 SGB VII werden daher Beschäftigte angesehen, die an ihrem Arbeitsplatz Asbestfasern ausgesetzt waren und eines der oben genannten drei Kriterien erfüllen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und der zugrunde gelegten wissenschaftlichen Literatur wird auf die wissenschaftliche Empfehlung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales verwiesen, veröffentlicht im Gemeinsamen Ministerialblatt Ausgabe Nr. 2 vom 31. Januar 2017 S. 15 ff.

Zu Buchstabe e

Zu Berufskrankheit Nummer 4113

Die Berufskrankheit Nummer 4113 der Anlage 1 zur Verordnung "Lungenkrebs durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von mindestens 100 Benzo[a]pyren-Jahren [(µg/m3) x Jahre]" wird um die Erkrankung "Kehlkopfkrebs" erweitert.

Hinsichtlich der Arbeitsplätze, an denen Beschäftigte der Einwirkung von Polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) ausgesetzt sind, und der grundsätzlich krebserzeugenden Wirkung von Benzo(a)pyren (BaP) als Leitkomponente für die toxikologische Bewertung der PAK kann auf die Ausführungen in der Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1321 (s.o. zu Buchstabe a) verwiesen werden.

Für die Erweiterung der Berufskrankheit Nummer 4113 maßgebend ist die inhalative Aufnahme von PAK und deren Deponierung auf der Schleimhaut des Kehlkopfs. Nach den Feststellungen der Internationalen Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation hat BaP im Tierversuch sowohl lokale als auch systemische krebserzeugende Wirkungen. BaP wirke nach inhalativer und intratrachealer Aufnahme beim Hamster dosisabhängig krebserzeugend u.a. im Bereich des Kehlkopfs.

Diese Feststellungen werden durch Erkenntnisse aus validen epidemiologischen Studien bestätigt. Bei Beschäftigten mit einer hohen beruflichen PAK-Einwirkung fand sich ein signifikant erhöhtes Erkrankungsrisiko. In mehreren Studien finden sich Belege für eine positive Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen der Dauer der beruflichen BaP-Einwirkung und dem Risiko für die Entwicklung eines Kehlkopfkarzinoms.

In der geltenden Berufskrankheit Nummer 4113 ist für die arbeitsbedingte Verursachung des Lungenkrebses eine kumulative BaP-Dosis von mindestens 100 BaP-Jahren festgelegt, da dann das relative Erkrankungsrisiko um mehr als das 2-fache erhöht ist.

Diese kumulative Dosis wird aus folgenden Gründen auch für die Verursachung von Kehlkopfkrebs festgelegt:

Es liegen keine Erkenntnisse vor, denen zufolge die PAK-haltige Staubfraktion, die sich im Bereich des Kehlkopfs niederschlägt, einen anderen PAK-Gehalt aufweisen würde als der Bronchial- und Alveolarstaub.

Als besondere Personengruppe im Sinne des § 9 Absatz 1 SGB VII werden daher Beschäftigte mit einer Einwirkung einer kumulativen Dosis von mindestens 100 BaP-Jahren [(µg/m3) x Jahre] angesehen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und der zugrunde gelegten wissenschaftlichen Literatur wird auf die wissenschaftliche Empfehlung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales verwiesen, veröffentlicht im Gemeinsamen Ministerialblatt Ausgabe Nr. 033/34 vom 26. August 2016 S. 653 ff.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten der Verordnung.

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Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKRG: NKR-Nr. 4162, BMAS: Entwurf einer Entwurf einer vierten Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung

Der Nationale Normenkontrollrat hat den Entwurf des oben genannten Regelungsvorhabens geprüft.

I. Zusammenfassung

Bürgerinnen und Bürger
Jährlicher Erfüllungsaufwand:
Im Einzelfall:
geringfügig 15 Minuten (nur bei Antrag nach bestandskräftiger Ablehnung)
Wirtschaft
Erfüllungsaufwand: Im Einzelfall
geringfügig 12,40 Euro
Verwaltung
Jährlicher Erfüllungsaufwand:
in den ersten 5 Jahren: 1,6 Mio. Euro
danach: 0,7 Mio. Euro
Der Nationale Normenkontrollrat hat im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.

II. Im Einzelnen

Die vorliegende Änderungs-Verordnung erweitert die Liste der Berufskrankheiten der Berufskrankheiten-Verordnung um fünf Krankheiten auf Basis der wissenschaftlichen Empfehlungen des Ärztlichen Sachverständigenbeirats "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Damit w i.d.R. chtssicherheit für die Anerkennungsfähigkeit, Leistungsvoraussetzungen und Entschädigung für folgende fünf Krankheiten geschaffen:

II.2 Erfüllungsaufwand

Bürgerinnen und Bürger

Das Regelungsvorhaben erhöht den Erfüllungsaufwand der Bürgerinnen und Bürger, die nach bestandskräftiger Ablehnung erneut einen Antrag auf Anerkennung ihrer Berufskrankheit stellen. Die Zahl aller Bestandsfälle wird auf Basis statistischer und wissenschaftlicher Angaben über das allgemeine Auftreten dieser Krankheiten auf jährlich 735 in den ersten 5 Jahren geschätzt. Da der Großteil der möglichen erneuten Anträge erfahrungsgemäß ebenfalls von Seiten der Ärzte kommen wird, stellte der formlose Antrag durch Bürger einen seltenen Ausnahmefall dar.

Der Erfüllungsaufwand hierfür wird nach der Zeitwerttabelle des Leitfadens auf 15 Minuten pro Antrag geschätzt (sich vertraut machen mit gesetzlicher Verpflichtung 1 Minute, fachliche Beratung in Anspruch nehmen 10 Minuten, Schriftstücke aufsetzen oder Telefonat mit Unfallversicherung (formloser Brief, Fax, Mail bzw. Telefonat): 3 Minuten, Unterlagen abheften, abspeichern: 1 Minute).

Wirtschaft

Durch die Aufnahme der genannten fünf weiteren Krankheiten in die bestehende Berufskrankheiten-Liste erhöht sich der jährliche Erfüllungsaufwand für Ärzte geringfügig. Die Verdachtsmeldung verursacht pro Einzelfall Kosten von durchschnittlich 12,40 Euro (Statistisches Bundesamt).

Verwaltung (Bund, Länder, Kommunen)

Krankheiten, die nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen schon als Versicherungsfall gelten und (noch) nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet sind, gelten als "Wie-Berufskrankheiten" gemäß § 9 Absatz 2 SGB VII. Patienten, die unter solchen "Wie-Berufskrankheiten leiden, können erneut einen Antrag auf Anerkennung ihrer Berufskrankheit stellen. Die Zahl aller Bestandsfälle wird auf Basis statistischer und wissenschaftlicher Angaben über das allgemeine Auftreten dieser Krankheiten auf zusätzliche 735 Fälle jährlich in den ersten 5 Jahren geschätzt.

In den ersten fünf Jahren erhöht sich deshalb der jährliche Erfüllungsaufwand der Unfallversicherungsträger um durchschnittlich 1,6 Mio. Euro. Die Berechnung basiert auf einer geschätzten Fallzahl von 1.270 Anzeigen, wovon gut 50% allein auf Leukämie durch 1,3 Butadien und weitere gut 25% auf das Ovarialkarzinom entfallen. Die geschätzten Kosten pro Fall betragen 1.246,50 Euro (10 Stunden gD: 36,30 Euro, 15 Stunden hD: 58,90 Euro).

Danach (d.h. nach Abarbeitung dieser erneuten Anträge, die zuvor bestandskräftig abgelehnt wurden) wird der jährliche Erfüllungsaufwand für die Verwaltung auf 0,7 Mio. Euro geschätzt (ca. 535 Fälle jährlich).

III. Votum

Der Nationale Normenkontrollrat macht im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrages keine Einwände gegen die Darstellung der Gesetzesfolgen im vorliegenden Regelungsvorhaben geltend.

Dr. Ludewig Dr. Dückert
Vorsitzender Berichterstatterin