Antrag des Freistaates Bayern
Entschließung des Bundesrates zur Weiterentwicklung des Vergütungsrechts für Krankenhäuser

Staatsministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten in der Bayerischen Staatskanzlei
München, den 31. Juli 2012

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Horst Seehofer

Sehr geehrter Herr Präsident,
gemäß dem Beschluss der Bayerischen Staatsregierung übermittle ich die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates zur Weiterentwicklung des Vergütungsrechts für Krankenhäuser mit dem Antrag, dass der Bundesrat diese fassen möge.

Ich bitte, die Entschließung gemäß § 36 Absatz 2 GOBR auf die Tagesordnung der 900. Sitzung am 21. September 2012 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Emilia Müller

Entschließung des Bundesrates zur Weiterentwicklung des Vergütungsrechts für Krankenhäuser

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, umgehend einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den

Begründung:

Die Sicherstellung einer flächendeckenden und qualitativ hochwertigen Krankenhausversorgung ist eines der wichtigsten gesundheitspolitischen Anliegen. Bislang ist das Versorgungsniveau in Deutschland hervorragend - und zwar sowohl in der wohnortnahen Grundversorgung als auch in der Spitzenmedizin.

Zunehmend wird jedoch die Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser gefährdet. Kliniken kämpfen seit Jahren mit einer Lücke zwischen Einnahmen- und Kostensteigerungen. Unabweisbar auftretende Kostensteigerungen (Tarifverträge, Energiepreise usw.) werden von den gesetzlich begrenzten Steigerungen der Vergütungen für die Krankenhausleistungen nicht hinreichend abgedeckt.

Zusätzlich wird auf die Krankenhäuser das mit der demographischen Entwicklung einhergehende Morbiditätsrisiko verlagert, weil die Summe der Leistungssteigerungen im Land zum einen bei der Vereinbarung des Landesbasisfallwerts absenkend berücksichtigt wird. Davon sind alle Krankenhäuser betroffen, gleichgültig, ob sie selber Mehrleistungen erbringen oder nicht. Der gleiche Tatbestand wird zum andern aber mindestens bis 2014 als sog. "Mehrleistungsabschläge" bei den individuellen Pflegesatzverhandlungen jedes Krankenhauses, das Mehrleistungen erbracht hat, noch einmal als Preisabschlag berücksichtigt.

Insgesamt führt dies zu einer erheblichen Differenz zwischen Kosten und Einnahmen. Vergleicht man die von der Deutschen Krankenhausgesellschaft jährlich für die Basisfallwertverhandlungen prognostizierten Personal- und Sachkostensteigerungen mit der vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) bekanntgemachten Veränderungsrate, ergibt sich allein für das Jahr 2012 eine Finanzierungslücke für die Krankenhäuser von rund 1,5 %, entsprechend 900 Mio. € bundesweit bzw. 130 Mio. € in Bayern. Dabei ist die hälftige Tarifkostenfinanzierung durch das PsychEntgG bereits berücksichtigt. Die Situation in den Vorjahren war keineswegs besser. Seit dem Ende der Konvergenzphase 2009 mussten die Krankenhäuser in der Summe eine Finanzierungslücke von insgesamt 6,5 % durch Einsparungen schließen, das entspricht etwa 3,8 Mrd. € bundesweit und in Bayern rund 600 Mio. €.

Nachdem viele Krankenhäuser aufgrund der in den vergangenen Jahren vorgenommenen Rationalisierungen insbesondere im Personalbereich keine weiteren Einsparungen realisieren können, führt das Auseinanderklaffen von Einnahmen und Ausgaben zunehmend zu Defiziten beim Krankenhausbetrieb.

Nach einer Umfrage der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG) vom Dezember 2011 meldeten für das Jahr 2010 etwa ein Viertel der bayerischen Krankenhäuser ein negatives Geschäftsergebnis. Für das Jahr 2011 erhöht sich diese Zahl auf gut ein Drittel. Für 2012 rechnet die BKG mit einem weiteren Anstieg auf etwa 40 %.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine aktuelle bundesweite Umfrage des Verbands der Krankenhausdirektoren Deutschlands e.V. (VKD) unter seinen Mitgliedern, wonach 43 % der Allgemeinkrankenhäuser für das Jahr 2012 ein Defizit erwarten.

Krankenhäuser der Grundversorgung im ländlichen Raum, die ein breites Versorgungsangebot zur wohnortnahen Versorgung aufrechterhalten müssen und daher keine Möglichkeit haben, sich einen größeren Einzugsbereich zu erschließen, indem sie sich auf planbare Operationen spezialisieren, sind umso härter von den geschilderten Unzuträglichkeiten des gegenwärtigen Vergütungssystems betroffen.

Das gilt insbesondere für die Abschläge beim Basisfallwert. Bei der vom BMG angenommenen Mengensteigerung von 2,7 % ergäben sich für die bayerischen Krankenhäuser über den kollektiven Haftungsmechanismus Abzüge im Landesbasisfallwert in Höhe von rund 50 Mio. € - zusätzlich zu den krankenhausindividuellen Mehrleistungsabschlägen. Dieser kollektive Abschlag trifft alle Krankenhäuser, obwohl die Hälfte von ihnen keine Leistungsausweitungen zu verzeichnen hat. Die Hälfte des kollektiven Abschlags (also rund 25 Mio. €) betrifft Häuser der Grund-und Regelversorgung im ländlichen Raum, obwohl diese nur etwa ein Drittel der Mehrleistungen erbringen.

Der im Gesetz zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen (Psych-Entgeltgesetz - PsychEntgG) enthaltene anteilige Tarifausgleich für das Jahr 2012 bringt den Krankenhäusern kurzfristige finanzielle Verbesserungen (laut Berechnungen des BMG in Höhe von 280 Mio. € jährlich, entsprechend 42 Mio. € für Bayern), beseitigt die strukturellen Finanzierungsschwierigkeiten der Krankenhäuser aber nicht.

Die im PsychEntgG vorgesehene künftige Anwendung des vom statistischen Bundesamt ermittelten Orientierungswertes ist unzureichend. Seine Refinanzierbarkeit ist auf einen Anteil von höchstens einem Drittel der Differenz zur bisherigen Grenze (Grundlohnrate = Steigerung der beitragspflichtigen Einnahmen in der GKV) beschränkt. Selbst dieses Drittel stellt nur die Obergrenze für eine entsprechende Vereinbarung durch die Selbstverwaltungspartner dar und wird daher angesichts deren widerstreitenden Interessen kaum jemals in voller Höhe ausgeschöpft werden.

Um negative Auswirkungen auf die Versorgungsstruktur und/oder die Behandlungsqualität zu vermeiden, sind vielmehr - wie in den vom Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren zum PsychEntgG beschlossenen, von Bundesregierung und Bundestag aber nicht aufgegriffenen Änderungsanträgen gefordert - nachhaltig wirkende Maßnahmen zur Sicherung einer auskömmlichen Finanzierung der von den Krankenhäusern erbrachten Leistungen notwendig.