Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches
(... Strafrechtsänderungsgesetz - ... StRÄndG)

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

E. Sonstige Kosten

Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches (... Strafrechtsänderungsgesetz - ... StRÄndG)

Der Bundesrat hat in seiner 846. Sitzung am 4. Juli 2008 beschlossen, den beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.

Anlage
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches (... Strafrechtsänderungsgesetz - ... StRÄndG)

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Strafgesetzbuches

Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Inkrafttreten

Begründung:

A. Allgemeiner Teil

1. Allgemeines Strafrecht

Das allgemeine Strafrecht in seiner bisherigen Ausgestaltung bringt das an alle staatliche Gewalt gerichtete zentrale Gebot des Grundgesetzes, jedweder Form der Missachtung der Menschenwürde entgegenzutreten, in den Fällen, in denen Personen auf Grund einer menschenverachtenden Motivation oder Zielsetzung Opfer von Straftaten werden, nur unzureichend zum Ausdruck.

Die Menschenwürde der Opfer ist in Form von brutaler Gewaltkriminalität, der Verherrlichung von Rassenwahn, der Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen wegen ihrer Zugehörigkeit zu anderen Kulturen und Schichten oder ihres sonstigen "Anders-Seins" Angriffsziel menschenverachtender und fremdenfeindlich motivierter krimineller Handlungen. Diese Kriminalität fügt den Opfern schwerste physische und psychische Verletzungen zu und ist darüber hinaus geeignet, in weiten Kreisen der Bevölkerung Angst und Schrecken zu verbreiten. Auch wenn solche Gewalttaten kein auf Deutschland beschränktes Phänomen sind, so haben diese hier sowohl quantitativ als auch qualitativ eine besondere Bedeutung. Gegen diese Ausbreitung einer menschenverachtenden Vorurteils- und Gewaltkriminalität gilt es, im Verständnis von Strafrecht als sozialem Schutzrecht (Artikel 1 Abs. 1 GG) durch den Gesetzgeber deutliche Signale zu setzen. Auf die Missachtung von Werten zum Schutz der Menschenwürde, die in einer derart motivierten (Gewalt-) Kriminalität regelmäßig zum Ausdruck kommt, ist in verhaltensbildender, normverdeutlichender Weise zu reagieren. Bei der Bekämpfung dieser Straftaten gebietet die Verteidigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung die Ausschöpfung der vom Strafgesetzbuch zur Verfügung gestellten repressiven Instrumentarien. Der Rechtsstaat muss auch mit den Mitteln des Strafrechts unmissverständlich zum Ausdruck bringen dass er derartige kriminelle, menschenverachtende Angriffe nicht toleriert.

Andernfalls wird das Vertrauen der rechtstreuen Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts zunehmend schwer erschüttert.

Der Gesetzentwurf enthält dazu Erweiterungen im allgemeinen Sanktionenrecht des StGB.

Ein wesentliches Element liegt dabei in der Konkretisierung und Ergänzung des § 46 StGB, indem die menschenverachtenden, fremdenfeindlichen oder rassistischen Beweggründe oder Ziele darin als für die Strafzumessung bedeutsam nunmehr ausdrücklich benannt werden. § 46 StGB gilt grundsätzlich für alle Straftaten nach dem Besonderen Teil des Strafgesetzbuches sowie der strafrechtlichen Nebengesetze gleichermaßen. Die Neuregelung hat auch - zumindest als Reflex - Auswirkungen auf die Strafzumessung im Jugendstrafverfahren.

Denn auch im Jugendstrafrecht wird die Strafdauer nach höchstrichterlicher Rechtsprechung von der Schwere des verschuldeten Tatunrechts mitbestimmt, die neben dem Erziehungszweck zu berücksichtigen ist. Auch bei der Bemessung der Jugendstrafe dürfen durch Art und Umfang der Schuld bestimmte Gründe des Schuldausgleichs und der gerechten Sühne angemessen neben dem Erziehungszweck berücksichtigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 28. August 1996 - 3 StR 205/96 -, NStZ-RR 1997, 21; BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Februar 1992 - 2 BvR 1667/91).

Das Gebot strafschärfender Sanktionierung in den genannten Fällen bringt der Gesetzentwurf weiter dadurch in Ansatz, dass er mit Ergänzungen in den §§ 47 und 56 StGB die Verhängung und die Vollstreckung auch kurzer Freiheitsstrafen erleichtert.

Nach der bisherigen Regelung des § 47 Abs. 1 StGB darf eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten nur verhängt werden, wenn besondere in der Tat oder der Täterpersönlichkeit liegende Umstände die Verhängung zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen.

Zwar erscheint es danach schon auf dieser Grundlage denkbar, im Falle der hier genannten menschenverachtenden, fremdenfeindlichen oder rassistischen Beweggründe oder Ziele zu einer (auch kurzen) Freiheitsstrafe zu gelangen. Eine gesetzgeberische Grundentscheidung, dass dies hier regelmäßig der Fall sein soll ist daraus indessen nicht ableitbar. Wenngleich die Abwehr derart extremistisch beeinflusster Handlungsweisen sich als Gebot der Verteidigung der Rechtsordnung darstellt, fehlt bislang eine besondere Heraushebung dieser Zielsetzung.

Der Gesetzentwurf will durch einen ausdrücklichen Handlungsbefehl klarstellen dass bei Vorliegen solcher Taten, die von einem der genannten Beweggründe oder Ziele des Täters mitbestimmt sind, die Strafe regelmäßig auch dem Zweck der Verteidigung der Rechtsordnung dienen soll und deshalb auch kurze Freiheitsstrafen unter sechs Monaten verhängt werden können.

Es soll letztlich erreicht werden, dass bei diesen Delikten die Regel umgekehrt wird wonach Geldstrafe an Stelle kurzer Freiheitsstrafe tritt.

Aus eben diesen Gründen, nämlich weil die Verteidigung der Rechtsordnung dies gebietet, soll schließlich in § 56 Abs. 3 StGB verankert werden, dass bei einer verhängten Freiheitsstrafe von über sechs Monaten die Aussetzung der Vollstreckung in der Regel nicht erfolgt. Da diese von Menschenverachtung, Fremdenfeindlichkeit oder Rassismus mitbestimmten Taten - anders als dies üblicherweise bei sonstigen Straftaten der Fall ist - auf Zustimmung und Nachahmung angelegt sind, soll den Tätern und potenziellen Nachahmern mit den Mitteln der Verhängung kurzer Freiheitsstrafen ( § 47 StGB) und der regelmäßigen Vollstreckung von Freiheitsstrafen über sechs Monaten das Riskante ihres Tuns verdeutlicht werden. Ihnen soll klar gemacht werden, dass sie selbst bei einer ersten Tat nicht zwangsläufig mit Geld- oder Bewährungsstrafe rechnen können.

Gerade Letztgenannte wird oft in diesen Kreisen nicht als spürbare Sanktion, sondern wie ein Freispruch empfunden.

2. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte und sonstige Kosten

Die mit dem Entwurf gewollte Verschärfung des Sanktionenrechts kann zu einer Erhöhung der Belegungszahlen im Strafvollzug führen. Eine Abschätzung, in welchem Umfang dies der Fall sein wird, ist wegen der nicht vorhersehbaren Urteilspraxis der unabhängigen Gerichte nicht möglich. Erhebliche Kostensteigerungen dürften sich wegen der im Besonderen vom Gesetzentwurf erfassten Tätergruppe rechtsextremer Gewalttäter, für die die Verhängung von Freiheitsstrafen (mit oder ohne Bewährung) in erster Linie verstärkt in Betracht kommen wird nicht ergeben. Denn im Vergleich zum allgemeinen Straftäteraufkommen ist diese Tätergruppe - trotz steigender Tendenz und trotz der von ihren Taten ausgehenden Gefahren für das demokratische Gemeinwesen - noch nicht von herausragendem Gewicht. Darüber hinaus sind etwaige Mehrkosten im Rahmen eines Abwägungsvorgangs zu Gunsten des Rechtsgüterschutzes der Opfer hinzunehmen.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Strafgesetzbuches)

Zu Nummer 1 (§ 46 Abs. 2 Satz 2 StGB)

Gemäß § 46 Abs. 2 StGB hat das Gericht bei der Strafzumessung die Umstände abzuwägen die für und gegen den Täter sprechen. Dabei enthält § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB eine Zusammenfassung von Umständen, die namentlich bei der Zumessung zu berücksichtigen sind. Genannt werden hierbei unter anderem die Beweggründe und die Tatziele sowie die Gesinnung, die aus der Tat spricht und der bei der Tat aufgewendete Wille. Auch wenn bereits diese Formulierungen den Gerichten auferlegen, dass menschenverachtende Beweggründe oder Ziele der hier genannten Art im Rahmen des Strafzumessungsvorganges strafschärfende Berücksichtigung finden, so entbehrt es jedoch einer ausdrücklichen gesetzlichen Anweisung hierfür.

Diese Lücke will der Gesetzentwurf schließen, indem er in § 46 StGB diese Beweggründe oder Ziele ausdrücklich benennt und ihnen strafschärfenden Gehalt beimisst.

Dieser Normbefehl verdeutlicht den besonderen, mit der Werteordnung des Grundgesetzes unvereinbaren Unwert einer von menschenverachtenden Beweggründen oder Zielen beeinflussten Tat. Darüber hinaus liegt darin eine Handlungsanweisung des Gesetzgebers an die zur Anwendung des Gesetzes berufenen Gerichte, ausdrücklich auf fremdenfeindliches, rassistisches oder sonst menschenverachtendes Handeln im Rahmen der Strafzumessung zu reagieren. Schließlich werden schon im Vorfeld die Ermittlungsbehörden auf Grund des expliziten Handlungsbefehls nachdrücklich dazu angehalten, sich mit den fraglichen Beweggründen und Zielen rechtzeitig auseinanderzusetzen und die notwendigen Beweise umfassend zu sichern.

Zu Nummer 2 (§ 47 Abs. 1 Satz 2 - neu - StGB)

§ 47 Abs. 1 StGB bestimmt, dass eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten nur als ultima ratio verhängt werden darf, namentlich wenn dies auf Grund besonderer Umstände, die in der Tat oder der Täterpersönlichkeit liegen, entweder zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich scheint. Taten, die aus den genannten Beweggründen und Zielen begangen werden, sind nachhaltig geeignet die Rechtsordnung der Bundesrepublik zu beeinträchtigen:

Die Folgen solcher sich wiederholender Straftaten gehen über die Verletzung der Rechtsgüter einzelner Personen hinaus, weil die Opfer als Repräsentanten einer den Tätern verhassten Menschengruppe angegriffen werden und sich die Taten auch gegen die auf Toleranz gegenüber Menschen unterschiedlicher Rassen, Sprachen sowie religiöser und politischer Anschauungen aufbauende Wertentscheidung des Grundgesetzes richten. Dadurch wird das friedliche Zusammenleben von Deutschen und Ausländern empfindlich gestört. Hinzu kommt, dass durch Taten dieser Art in der Öffentlichkeit, insbesondere unter den in Deutschland lebenden Ausländern, ein allgemeines Klima der Angst und Einschüchterung hervorgerufen wird und Zweifel aufkommen ob die Sicherheitsorgane in ausreichendem Maße fähig und entschlossen sind die ausländischen Mitbürger zu schützen. Durch diese Umstände wird die innere Sicherheit beeinträchtigt. Die vorbeschriebenen Auswirkungen rassistisch motivierter Gewalttaten sind den Angehörigen der rechtsextremistischen Szene allgemein bekannt ... und lösen einen Nachahmungseffekt aus." (So der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof, zitiert bei OLG Naumburg, Urteil vom 30. August 2000 - I 1/00).

Diese Ausführungen betrafen den im Juni 2000 aus fremdenfeindlicher Gesinnung -Ausländerhass - begangenen gemeinschaftlichen Mord an einem dunkelhäutigen Mosambikaner. Sie lassen sich trotz der Schwere jenes Verbrechens auch auf alle anderen von der vorgeschlagenen Gesetzesänderung erfassten Fälle übertragen.

Auf Grund der besonderen Bedeutung der Auswirkungen der in Rede stehenden Taten bedarf es einer ausdrücklichen Hervorhebung im Gesetz. Erforderlich ist auch hier ein deutlicher gesetzgeberischer Handlungsbefehl an die Rechtsprechung. Das Schutzgut ist darin zu erkennen, solchen (Gewalt-) Taten entschieden auch durch Verhängung kurzer Freiheitsstrafen entgegenzuwirken.

Zu Nummer 3 (§ 56 Abs. 3 Satz 2 - neu - StGB)

Eine entsprechende Klarstellung und Anordnung eines ausdrücklichen gesetzgeberischen Handlungsbefehls wird mit der Änderung des § 56 Abs. 3 StGB verfolgt. Bei der Frage der Strafaussetzung zur Bewährung muss deutlich werden, dass in den genannten Fällen bei Freiheitsstrafen von mindestens sechs Monaten auch bei positiver Sozialprognose eine Strafaussetzung zur Bewährung regelmäßig nicht in Betracht kommt. § 56 Abs. 3 StGB normiert, dass eine Aussetzung der Vollstreckung unter Würdigung der schwerwiegenden Besonderheiten der entsprechenden Taten das Vertrauen der Bevölkerung in den Schutz der Rechtsordnung vor solchen kriminellen Eingriffen regelmäßig zu erschüttern geeignet ist. Die Ergänzung von § 56 Abs. 3 StGB um einen Satz 2 hat in diesem Sinne eine Klarstellungsfunktion mit Signalwirkung.

Durch die vorgeschlagene Regelung kann deutlich zum Ausdruck gebracht werden, dass der Gesetzgeber für die in Rede stehenden Taten den Einsatz einer freiheitsentziehenden und auch zu vollstreckenden Sanktion regelmäßig für angemessen erachtet.

Nach Erfahrungen der Praxis kommt § 56 Abs. 3 StGB kaum noch zur Anwendung.

Die Vorschrift "zur Verteidigung der Rechtsordnung" erscheint derart abstrakt, dass sie in der Rechtspraxis kaum angewandt wird. Es ist folglich Aufgabe des Gesetzgebers, die Reichweite der Vorschrift des § 56 Abs. 3 StGB klarzustellen und das gesetzgeberische Signal zu setzen, dass bei oben erwähnten Straftaten die Verbüßung einer verhängten Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung in der Regel geboten ist. Dies hätte zur Folge, dass die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung in diesen Fällen die Ausnahme darstellen würde und einer besonderen Darlegung im Urteil bedürfte, die auch mit der Revision überprüft werden könnte.

Der Begründungsaufwand für die Nichtaussetzung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe würde - im Gegenzug - geringer.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Artikel 2 regelt das Inkrafttreten.