Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Ein europäischer Raum der Straßenverkehrssicherheit - Leitlinien für die Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit 2011 - 2020 KOM (2010) 389 endg.

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet


Hinweis: vgl.
Drucksache 113/10 (PDF) = AE-Nr. 100144


Europäische Kommission
Brüssel, den 20.7.2010
KOM (2010) 389 endgültig

Einleitung

Sicherheit im Straßenverkehr ist ein wichtiges gesellschaftliches Anliegen. Im Jahr 2009 sind auf den Straßen der Europäischen Union mehr als 35 000 Menschen gestorben (dies entspricht der Einwohnerzahl einer mittelgroßen Stadt), und nicht weniger als 1 500 000 Menschen wurden verletzt. Die damit verbundenen Kosten für die Gesellschaft (ca. 130 Mrd. EUR im Jahr 2009) sind immens1.

In ihrer Mitteilung "Europa 2020 - Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum"2 hat die Kommission die Bedeutung des sozialen Zusammenhalts, einer umweltfreundlicher gestalteten Wirtschaft, von Bildung und Innovation hervorgehoben. Diese Ziele sollten sich in den verschiedenen Aspekten der europäischen Verkehrspolitik widerspiegeln und auf die nachhaltige Mobilität für alle Bürger, auf die Senkung der CO₂-Emissionen im Verkehrssektor und auf die uneingeschränkte Nutzung des technischen Fortschritts gerichtet sein. Die Sicherheit im Straßenverkehr wird in dem nächsten Weißbuch zur Verkehrspolitik 2010-2020 eine wichtige Rolle spielen, da die Senkung der Zahl der Straßenverkehrstoten von zentraler Bedeutung dafür ist, dass die Gesamtleistung des Verkehrssystems verbessert und den Erfordernissen und Erwartungen der Bürger und Unternehmen Rechnung getragen wird.

Daher ist ein kohärenter, ganzheitlicher und integrierter Ansatz erforderlich, der Synergien mit anderen politischen Zielen berücksichtigt. Die Politik für Straßenverkehrssicherheit auf lokaler, nationaler, europäischer oder internationaler Ebene sollte die relevanten Ziele anderer staatlicher Politikfelder einbeziehen und umgekehrt.

Die vorgeschlagenen Leitlinien berücksichtigen in vollem Umfang die während des dritten europäischen Aktionsprogramms für Straßenverkehrssicherheit 2001-2010 erzielten Ergebnisse, die zeigen, dass trotz der großen Fortschritte im Bereich der Straßenverkehrssicherheit die Anstrengungen fortgesetzt und weiter intensiviert werden müssen.

Mit den Leitlinien für die Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit bis 2020 sollen ein allgemeiner Regelungsrahmen und ambitionierte Ziele vorgegeben werden, nach denen sich die nationalen oder lokalen Strategien richten sollten. Die beschriebenen Maßnahmen sollten gemäß dem Subsidiaritätsprinzip auf der jeweils zweckmäßigsten Ebene und mit den jeweils geeignetesten Mitteln nach dem Grundsatz der geteilten Verantwortung durchgeführt werden.

Nach Auffassung der Kommission sollten im Rahmen dieser Leitlinien die drei folgenden Maßnahmen vorrangig durchgeführt werden:

2. Ex-Post-Evaluierung des dritten Europäischen Aktionsprogramms für Straßenverkehrssicherheit

Die Kommission hat am 2. Juni 2003 ihr drittes europäisches Aktionsprogramm für Straßenverkehrssicherheit verabschiedet. Dieses enthielt u. a. das ehrgeizige Ziel, die Zahl der Unfalltoten im Straßenverkehr bis 2010 zu halbieren, sowie 62 Vorschläge für konkrete Maßnahmen im Bereich der Fahrzeugsicherheit sowie der Sicherheit der Infrastruktur und der Verkehrsteilnehmer. Um die Wirkung, den Umsetzungsstand und die Effektivität des Aktionsprogramms für Straßenverkehrssicherheit analysieren zu können, wurde es einer Expost-Evaluierung unterzogen (Unterlage erhältlich unter: http://ec.europa.eu/roadsafety). Obwohl das ursprüngliche Ziel vor Ende 2010 nicht erreicht werden dürfte, hat das Aktionsprogramm eine Katalysatorwirkung auf die Anstrengungen der Mitgliedstaaten zur Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit gehabt.

3. Grundsätze und Zielvorgaben

3.1. Grundsätze

Die höchsten Standards für die Straßenverkehrssicherheit in ganz Europa anstreben

Die Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit muss die Bürger in den Mittelpunkt ihres Handelns stellen: Sie muss sie dazu anhalten, die Verantwortung für ihre Sicherheit und für die Sicherheit anderer in erster Linie selbst zu übernehmen. Ziel der EU-Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit ist es, die Straßenverkehrssicherheit zu verbessern und eine sichere und umweltfreundliche Mobilität für die Bürger in ganz Europa zu gewährleisten. Sie sollte durch zielgerichtete Anstrengungen zur Verbesserung der Sicherheit schwächerer Verkehrsteilnehmer für gleiche Bedingungen für alle Straßenverkehrsteilnehmer sorgen.

Ein integriertes Konzept für Sicherheit im Straßenverkehr

Die künftige Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit sollte in den anderen Politikfeldern der EU berücksichtigt werden und ebenfalls deren Zielen Rechnung tragen. Die Politik für Sicherheit im Straßenverkehr ist eng mit der Politik u. a. in den Bereichen Energie, Umwelt, Beschäftigung, Bildung, Jugend, öffentliche Gesundheit, Forschung, Innovation und Technologie, Justiz, Versicherungswesen3, Handel und Außenbeziehungen verbunden.

Subsidiarität, Verhältnismäßigkeit und geteilte Verantwortung

Die Frage der politischen Führung ist hier von grundlegender Bedeutung: Gemäß den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, die sich auf dem Gebiet der Straßenverkehrssicherheit in dem Begriff der geteilten Verantwortung niederschlagen, werden Zusagen und konkrete Maßnahmen der europäischen Behörden, der Mitgliedstaaten, regionaler und lokaler Gremien sowie von Akteuren der Zivilgesellschaft in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich erforderlich sein. Die Europäische Charta für die Straßenverkehrssicherheit ist ein gutes Beispiel für die von den relevanten Akteuren eingegangenen Verpflichtungen.

3.2. Zielvorgabe

Um das Ziel "Schaffung eines gemeinsamen Raums der Straßenverkehrssicherheit" erreichen zu können, schlägt die Kommission vor, die Zielvorgabe beizubehalten, nach der gegenüber 2010 die Gesamtzahl der Unfalltoten im Straßenverkehr in der Europäischen Union bis 2020 halbiert werden soll4. Eine solche gemeinsame Zielvorgabe bedeutet angesichts der in den vergangenen zehn Jahren bereits erzielten Fortschritte mehrerer Mitgliedstaaten einen gegenüber der nicht erreichten Zielvorgabe des Aktionsprogramms für Straßenverkehrssicherheit erheblich höheren Anspruch, von dem ein klares Signal in Bezug auf den Einsatz Europas für die Sicherheit im Straßenverkehr ausgeht.

Die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, durch ihre nationalen Strategien für die Straßenverkehrssicherheit zu dem Erreichen des gemeinsamen Ziels unter Berücksichtigung ihrer spezifischen Ausgangslagen, Erfordernisse und Gegebenheiten beizutragen. Sie sollten ihre Anstrengungen auf die Bereiche konzentrieren, in denen sie am schlechtesten abschneiden, wobei die Ergebnisse der Staaten mit den jeweils besten Ergebnissen als Indikator heranzuziehen ist. So könnten spezifische nationale Ziele festgelegt werden, etwa das Ziel, dass eine bestimmte Zahl von Straßenverkehrstoten pro eine Million Einwohner nicht überschritten werden soll. Dieser Ansatz dürfte die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten verringern und für die Bürger zu einem einheitlicheren Stand der Straßenverkehrssicherheit in der EU führen.

Was die Festlegung einer Zielvorgabe für die Senkung der Zahl der schweren Verletzungen im Straßenverkehr betrifft, die im Rahmen der öffentlichen Konsultation5 angeregt wurde, ist die Kommission der Ansicht, dass sie ein interessanter Vorschlag ist. Allerdings ist eine solche Festlegung im jetzigen Stadium nicht möglich, da es keine gemeinsame Definition der Begriffe "schwere Verletzungen" und "leichte Verletzungen" gibt. Sobald hier ausreichende Fortschritte erzielt werden, wird die Kommission vorschlagen, dass eine gemeinsame "Zielvorgabe für die Senkung der Zahl der Verletzten" in die europäischen Leitlinien für die Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit bis 2020 aufgenommen wird.

4. Strategische Ziele

Die Straßenverkehrsteilnehmer sind das erste Glied in der Kette der Straßenverkehrssicherheit. Unabhängig von den vorhandenen technischen Maßnahmen hängt die Wirksamkeit der Politik für Sicherheit im Straßenverkehr letztlich vom Verhalten der Verkehrsteilnehmer ab. Daher sind Maßnahmen in den Bereichen Verkehrserziehung, Fahrausbildung/Fahrtraining und Durchsetzung unerlässlich. Im System für die Sicherheit im Straßenverkehr müssen jedoch auch menschliches Versagen und unangemessene Verhaltensweisen berücksichtigt und möglichst wirksame Abhilfemaßnahmen vorgesehen werden - 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht. Alle Komponenten, insbesondere Fahrzeuge und Infrastruktur, sollten daher "verkehrsteilnehmerfreundlich" ausgelegt sein, um Fehlverhalten zu vermeiden bzw. die Folgen eines solchen Fehlverhaltens für die Verkehrsteilnehmer, vor allem für die schwächeren Verkehrsteilnehmer, zu begrenzen.

Für die nächsten zehn Jahre wurden sieben Ziele benannt. Für jedes dieser Ziele werden Maßnahmen auf EU-Ebene und auf nationaler Ebene vorgeschlagen werden. Die Kommission wird die Kontinuität mit dem dritten Aktionsplan für Straßenverkehrssicherheit gewährleisten, insbesondere in den Fällen, in denen im Rahmen der Expost-Evaluierung Maßnahmen benannt wurden, die fortgeführt werden sollen.

Ziel 1: Verkehrserziehung und Fahrausbildung/Fahrtraining der Straßenverkehrsteilnehmer verbessern

Im Zuge des dritten Aktionsprogramms für Straßenverkehrssicherheit wurden wichtige Rechtsvorschriften eingeführt, die die Führerscheine sowie die Fahrausbildung und das Fahrtraining von Berufskraftfahrern betreffen. Die Wirkung dieser neueren Maßnahmen wird in den nächsten Jahren gemessen werden. Während der Konsultation von Fachleuten und der Öffentlichkeit wurde jedoch betont, dass das System für den Führerscheinerwerb sowie die Fahrausbildung und das Fahrtraining verbessert werden müssen, wobei das Augenmerk vor allem auf junge Fahranfänger zu legen ist.

Das jetzige Konzept der Fahrausbildung und des Fahrtrainings ist nach wie vor zu fragmentiert und spezialisiert. Die Kommission schlägt vor, ein breiter gefasstes Konzept zu fördern und die Verkehrserziehung sowie die Fahrausbildung und das Fahrtraining als Gesamtprozess, als lebenslanges Lernen zu begreifen. Interaktive Methoden und die Entwicklung der Eigenständigkeit sollten gefördert werden, wobei gleichzeitig zu berücksichtigen ist, dass die Führerscheinkosten vertretbar bleiben müssen.

- Lernen vor der Führerscheinprüfung

Ziel ist es, die Fahrpraxis vor der Führerscheinprüfung unter größtmöglichen Sicherheitsbedingungen zu fördern. Die Kommission wird mehrere Optionen prüfen, vor allem, ob begleitetes Fahren vor dem Erwerb des Führerscheins in die Fahrausbildung aufgenommen werden kann. Die Einführung harmonisierter Mindestanforderungen für am Lernprozess beteiligte Personen wie Begleitpersonen und Fahrschullehrer wird geprüft werden.

- Führerscheinprüfung

Die Führerscheinprüfung sollte sich nicht darauf beschränken, die Kenntnisse der Straßenverkehrsordnung oder die Fähigkeit des Fahrschülers, bestimmte Fahrmanöver durchzuführen, zu überprüfen. Die Kommission wird der Frage nachgehen, wie auch umfassendere Fahrkenntnisse einbezogen werden können, oder sogar eine Evaluierung von Werten und Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Straßenverkehrssicherheit (Risikobewusstsein) und einer defensiven, energieeffizienten Fahrweise (Stärkung der Schlüsselelemente umweltbewussten Fahrens in den Lehrplänen für die theoretische und praktische Prüfung) in Erwägung ziehen.

- Fahrtraining nach dem Führerscheinerwerb

Fortlaufende Trainingsmaßnahmen für Nichtberufskraftfahrer nach dem Führerscheinerwerb sollten geprüft werden, zumal die Frage der Aufrechterhaltung der Fahreignung älterer Menschen mit der Alterung der europäischen Bevölkerung immer wichtiger werden wird. Mögliche Maßnahmen in diesem Bereich müssen Menschen mit Behinderungen, das Recht älterer Menschen auf Mobilität sowie die Einführung von Alternativlösungen berücksichtigen.

Maßnahme:

Die Kommission wird, gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten, an der Entwicklung einer gemeinsamen Strategie für Straßenverkehrssicherheit in den Bereichen Verkehrserziehung sowie Fahrausbildung und Fahrtraining arbeiten, die insbesondere eine "Lehrzeit" vor dem Erwerb des Führerscheins sowie gemeinsame Mindestanforderungen für Fahrlehrer umfasst.

Ziel 2: Straßenverkehrsvorschriften verstärkt durchsetzen

Aus der Expost-Evaluierung des dritten Aktionsprogramms für Sicherheit im Straßenverkehr geht hervor, dass die Durchsetzung nach wie vor ein zentraler Faktor ist, wenn es darum geht, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Zahl der Toten und Verletzten erheblich gesenkt wird. Dies gilt insbesondere, wenn die Durchsetzung massiv erfolgt und umfassend publik gemacht wird. Die öffentliche Konsultation hat ebenfalls bestätigt, dass das Thema "Durchsetzung" in den neuen Leitlinien für die Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit einen großen Raum einnehmen sollte. Während des vorherigen Programms konnte das Potenzial einer europäischen Strategie im Bereich der Durchsetzung nicht voll ausgeschöpft werden, vor allem wegen fehlender Fortschritte bei dem Kommissionsvorschlag für die grenzüberschreitende Durchsetzung.

Eine solche Strategie sollte auf folgenden Eckpunkten aufbauen:

- Grenzüberschreitender Informationsaustausch auf dem Gebiet der Straßenverkehrssicherheit

Die 2008 begonnenen Arbeiten am Vorschlag für eine Richtlinie für die leichtere Durchsetzung im Bereich der Straßenverkehrssicherheit sollten fortgesetzt werden. Der Vorschlag6 sieht einen leichteren Austausch von Informationen über Verstöße gegen die Straßenverkehrssicherheit vor und stellt einen Schritt hin zu einem einheitlicheren Umgang mit Verkehrssündern dar.

- Durchsetzungskampagnen

Eine verstärkte Koordinierung und gemeinsame Anwendung bester Praktiken tragen dazu bei, dass die Durchsetzung und Kontrollen erheblich effizienter werden. Der Grundsatz gezielter Kontrollkampagnen, die bereits in und zwischen mehreren Mitgliedstaaten organisiert werden, sollte gefördert werden und allgemeine Verbreitung finden. Darüber hinaus hat die Erfahrung gezeigt, dass die wirksamsten Ergebnisse erreicht werden, wenn die Kontrollpolitik mit der Aufklärung der Verkehrsteilnehmer gekoppelt wird. Die Kommission wird daher Aufklärungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen, insbesondere für junge Menschen, weiter unterstützen.

- Fahrzeugtechnik zur Unterstützung der Durchsetzung

Technische Entwicklungen wie bordseitige Systeme, die in Echtzeit über die aktuellen Geschwindigkeitsbeschränkungen informieren, könnten zur besseren Durchsetzung der Einhaltung von Tempolimits beitragen. Da die Zahl der leichten Nutzfahrzeuge auf den Straßen immer mehr zunimmt, was auch das Risiko vergrößert, dass sie in Unfälle verwickelt werden, sollte auch der Einbau von Geschwindigkeitsbegrenzern in solche Fahrzeuge entsprechend den von der Kommission7 bereits aufgezeigten Linien geprüft werden, wobei auch die positiven Nebeneffekte für Umwelt und Klima zu berücksichtigen sind. Was Alkohol am Steuer betrifft, so sollten Sanktionen von präventiven Maßnahmen flankiert werden. Daher wird die Kommission prüfen, inwieweit Maßnahmen angebracht sind, um den Einbau von alkoholempfindlichen Wegfahrsperren in Fahrzeugen zwingend vorzuschreiben, etwa für die gewerbliche Beförderung (z.B. Schulbusse).

- Nationale Durchsetzungsziele

Die Wirksamkeit der Politik für Sicherheit im Straßenverkehr hängt zu einem großen Teil von der Intensität der Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung von Sicherheitsvorschriften ab.

Die Kommission unterstützt die Festlegung nationaler Kontrollziele, die in "nationale Umsetzungspläne" Eingang finden sollen8.

Maßnahmen:

Ziel 3: Sicherere Straßenverkehrsinfrastruktur

Die meisten tödlichen Unfälle passieren auf Landstraßen und innerstädtischen Straßen (56 % bzw. 44 % im Jahr 2008 gegenüber 6 % auf Autobahnen). Daher sollten Möglichkeiten gefunden werden, um die relevanten Grundsätze der sicheren Infrastrukturbewirtschaftung unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips schrittweise auf das Netz der Straßen zweiter Ordnung der Mitgliedstaaten auszudehnen.

Die Kommission wird dafür sorgen, dass Anträge auf eine finanzielle Förderung aus EU-Mitteln, die die Straßenverkehrsinfrastruktur in den Mitgliedstaaten betreffen, Sicherheitsanforderungen enthalten. Ferner wird geprüft werden, ob dieser Grundsatz auf die Außenhilfe ausgedehnt werden kann.

Maßnahmen:

Die Kommission wird

Ziel 4: Sicherere Fahrzeuge

In dem vom dritten Aktionsprogramm für Straßenverkehrssicherheit erfassten Zeitraum waren erhebliche Fortschritte bei der Fahrzeugsicherheit zu verzeichnen. Wenngleich die Sicherheit von Personenkraftwagen, zum Teil durch die umfassende Nutzung passiver Sicherheitsvorrichtungen wie Sicherheitsgurte und Airbags sowie durch die Einführung elektronischer Sicherheitssysteme verbessert wurde, wurde anderen Fahrzeugen, insbesondere Motorrädern, weniger Aufmerksamkeit zuteil. Darüber hinaus müssen in den nächsten Jahren neue Sicherheitsprobleme angegangen werden, um der wachsenden Zahl von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben Rechnung zu tragen.

- Heutige Fahrzeuge

Zahlreiche technische Normen und Anforderungen im Bereich der Fahrzeugsicherheit sind in den letzten Jahren verabschiedet worden oder befinden sich in der Ausarbeitung9. Ihre Wirkung wird jedoch erst in den nächsten zehn Jahren voll zur Geltung kommen.

Nach dem Inverkehrbringen sollten Fahrzeuge die Sicherheitsnormen während der gesamten Lebensdauer erfüllen. Die Kommission wird, gegebenenfalls nach einer Folgenabschätzung, Maßnahmen im Bereich der Harmonisierung und allmählichen Verschärfung der EU-Rechtsvorschriften für die technische Überwachung10 und für technische Unterwegskontrollen11 bewerten und vorschlagen. Endziel könnte die gegenseitige Anerkennung der Fahrzeugüberprüfungen der Mitgliedstaaten sein.

Derzeit liegen die Fahrzeugdaten (Typgenehmigung, Zulassung, Ergebnisse der Fahrzeugüberprüfungen usw.) in jedem Mitgliedstaat in anderer Form vor. Die Kommission wird die Einrichtung einer europäischen elektronischen Plattform für einen leichteren Austausch dieser Daten untersuchen.

- Fahrzeuge der Zukunft

Wie in der Kommissionsmitteilung mit dem Titel "Eine europäische Strategie für saubere und energieeffiziente Fahrzeuge"12 dargelegt, sind die Entwicklung und Einführung alternativer Fahrzeugantriebe eine Hauptpriorität für die nächsten zehn Jahre, um die ökologischen Folgen des Straßenverkehrs zu verringern. Allerdings weisen einige dieser Fahrzeuge Merkmale auf, die sie radikal von herkömmlichen Fahrzeugen unterscheiden und Auswirkungen auf die Sicherheit haben können. Aus diesem Grund ist ein integrierter und koordinierter Ansatz unerlässlich, um die Wirkung auf alle betroffenen Faktoren (wie Infrastruktur und schwächere Verkehrsteilnehmer) und die notwendigen Lösungen (Forschung, Normung usw.) klar aufzuzeigen.

Einen erheblichen Beitrag zur Sicherheit im Straßenverkehr dürfte auch die Einführung sogenannter "kooperativer Systeme" leisten, bei denen Fahrzeuge Daten austauschen und mit der Infrastruktur sowie mit anderen Fahrzeugen in der Umgebung interagieren, um die Fahrer optimal zu informieren, die Gefahr von Unfällen zu verringern und überall für einen reibungslosen Verkehrsfluss zu sorgen.

Maßnahmen:

Die Kommission wird

Ziel 5: Nutzung moderner Technologie für mehr Sicherheit im Straßenverkehr fördern

Eine Reihe von Studien und Forschungstätigkeiten zu intelligenten Verkehrssystemen (IVS) wurden während des vom dritten Aktionsprogramm für Straßenverkehrssicherheit erfassten Zeitraums durchgeführt. IVS können eine erhebliche Rolle bei der Verbesserung der Verkehrssicherheit spielen, etwa durch die Einführung von Systemen zur Feststellung von Störungen und zur Verkehrsüberwachung, die den Verkehrsteilnehmern Informationen in Echtzeit übermitteln können.

Im Rahmen der Durchführung des Aktionsplans zur Einführung intelligenter Verkehrssysteme13 in Europa und dem Richtlinienvorschlag für intelligente Verkehrssysteme14 wird die Kommission insbesondere technische Spezifikationen vorschlagen, die für den Daten- und Informationsaustausch zwischen Fahrzeugen (V2V), zwischen Fahrzeugen und der Infrastruktur (V21) und zwischen Infrastrukturen (121) erforderlich sind. Ferner sollte weiter bewertet werden, ob die Anwendung fortschrittlicher Fahrerassistenzsysteme wie Spurhalteassistenten, Antikollisionssysteme oder Fußgängererkennungssysteme durch die Nachrüstung in bestehende gewerbliche und/oder private Fahrzeuge ausgeweitet werden kann. Eine schnellere Einführung und ein umfassender Markterfolg solcher sicherheitsverbessernden Anwendungen müssen unterstützt werden, damit sie ihr volles Potenzial entfalten können.

Innerhalb der nächsten sieben Jahre sollten intelligente Verkehrssysteme entscheidend zu effektiveren und schnelleren Rettungsmaßnahmen beitragen, insbesondere durch die Einführung des bordseitigen europaweiten Notrufssystems (eCall)15. Zu prüfen sind die Wirkung des Systems eCall sowie die Möglichkeiten, seine Anwendung auszudehnen, insbesondere um Rettungsmaßnahmen für Motorradfahrer, schwere Nutzfahrzeuge und Busse zu verbessern.

Schließlich sind mit der Entwicklung intelligenter Verkehrssysteme, vor allem von bordeigenen Systemen und mobilen Geräten, trotz ihres positiven Beitrags zur Sicherheit im Straßenverkehr unter dem Sicherheitsaspekt eine Reihe von Problemen verbunden (Ablenkung, Auswirkungen auf die Fahrausbildung/das Fahrtraining usw.), die weitere Überlegungen erfordern.

Maßnahmen:

Im Rahmen der Durchführung des Aktionsplans zur Einführung intelligenter Verkehrssysteme und des Vorschlags für eine Richtlinie für intelligente Verkehrssysteme wird die Kommission mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um

Ziel 6: Notfalldienste und Dienste für die Betreuung von Verletzten verbessern

Während die Zahl der tödlichen Unfälle zwischen 2001 und 2010 zurückging, ist die Zahl der Verletzten nach wie vor sehr hoch (siehe Tabelle unten). Wie die Beteiligten im Rahmen der öffentlichen Konsultation betonten, sollte die Senkung der Zahl der Verletzten eine der vorrangigen Maßnahmen Europas in den nächsten zehn Jahren sein. Straßenverkehrsunfälle mit Verletzten wurden auf internationale Ebene ebenfalls als großes Problem für die öffentliche Gesundheit erkannt, und vor allem von der Weltgesundheitsorganisation16 im Rahmen der Dekade der Vereinten Nationen für Maßnahmen im Bereich der Straßenverkehrssicherheit als solches bestätigt.

Um den Schweregrad der Verletzungen infolge von Unfällen im Straßenverkehr zu verringern, müssen verschiedene Maßnahmen eingeleitet werden, die zum Beispiel die Fahrzeug- und Infrastruktursicherheit, IVS, die Verfügbarkeit sofortiger Hilfsmaßnahmen, die Geschwindigkeit und Koordinierung von Einsätzen, die Effizienz der ersten Hilfe und Rehabilitation usw. betreffen.

Die Kommission wird daher mit Hilfe einer Task Force aus Vertretern der relevanten Akteure, von internationalen Organisationen und Nichtregierungsorganisationen, von Regierungsfachleuten sowie der Kommission die Eckpunkte einer globalen Strategie für Maßnahmen entwickeln, die auf Straßenverkehrsunfälle mit Verletzen und die erste Hilfe abstellen.

Zunächst sollte sie zu einem gemeinsamen Verständnis der Definitionen und Konzepte im Zusammenhang mit Unfallopfern gelangen und Mittel und Wege zur Verbesserung der Prävention und Einsätze sowie deren sozioökonomische Folgen aufzeigen. Ausgehend davon könnten genaue Maßnahmen benannt werden, etwa der Austausch guter Praktiken, die Ausarbeitung von Einsatzleitfäden, ein gemeinsamer Ansatz für die Definition schwerer und leichter Verletzungen, die Förderung gemischter Rettungseinheiten mehrerer Mitgliedstaaten usw.

Maßnahme

Die Kommission wird in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und anderen an der Sicherheit im Straßenverkehr Beteiligten die Ausarbeitung einer globalen Strategie für Maßnahmen im Bereich der Straßenverkehrsunfälle mit Verletzten und der ersten Hilfe vorschlagen.

Ziel 7: Schwächere Straßenverkehrsteilnehmer schützen

Die Zahl der Unfälle mit Todesfolge und schweren Verletzungen, denen schwächere Verkehrsteilnehmer wie Motorrad- und Mopedfahrer, Radfahrer und Fußgänger zum Opfer fallen, ist hoch und steigt in einigen europäischen Staaten sogar weiter an. 2008 entfielen 45 % aller Todesfälle im Straßenverkehr auf diese Personengruppen. Statistiken (siehe nachstehendes Schaubild) zeigen, dass ihnen bislang nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt wurde.

Außerdem sind andere Verkehrsteilnehmer von Natur aus "anfälliger" (z.B. ältere Menschen, kleine Kinder, behinderte Menschen), unabhängig davon, welche Rolle sie im Verkehr einnehmen (Fußgänger, Fahrer, Fahrgast). In städtischen Gebieten sind sie besonders gefährdet17.

- Motorisierte Zweiräder

Bei dieser ständig wachsenden Gruppe von Verkehrsteilnehmern lässt sich eine signifikante Verringerung der Zahl der Unfälle und Todesfälle am schwierigsten realisieren. Wie aus dem folgenden Schaubild hervorgeht, ist der Rückgang der tödlichen Unfälle bei Motorradfahrern weniger stark als bei anderen Straßenverkehrsteilnehmern18.

Das Problem der Sicherheit von Motorradfahrern sollte durch eine Reihe von Maßnahmen angegangen werden, um

- Fußgänger und Radfahrer

2008 waren 27 % der Straßenverkehrstoten Fahrradfahrer und Fußgänger (47 % in städtischen Gebieten). Für viele potenzielle Fahrradfahrer sind die echten oder "gefühlten" Gefahren des Straßenverkehrs weiter ein entscheidendes Hindernis. Die nationalen und kommunalen Behörden fördern zunehmend den Fahrrad- und Fußgängerverkehr, sodass Fragen der Sicherheit im Straßenverkehr immer mehr Beachtung finden müssen.

Seit 2003 wurden Rechtsvorschriften auf der EU-Ebene eingeführt, um die Verletzungsrisiken zu verringern (z.B. energieabsorbierende Frontpartien bei PKW, fortschrittliche Bremssysteme, Tote-Winkel-Spiegel usw.). Weitere Maßnahmen (etwa bessere Sichtbarkeit, Geschwindigkeitsregelung, geeignete Infrastruktur für den nichtmotorisierten Verkehr, Trennung des gefährlichen gemischten Verkehrs usw.) müssen geprüft werden. Da das Problem hauptsächlich die Verwaltung von Städten betrifft, müssen die meisten Maßnahmen auf lokaler Ebene gemäß dem Subsidiaritätsprinzip durchgeführt werden, auf das im Aktionsplan "Urbane Mobilität"19 der Kommission erneut hingewiesen wird. Angesichts der beträchtlichen Vorteile, die das Fahrradfahren für Umwelt, Klima, Verkehrsentlastung und öffentliche Gesundheit hat, sollte darüber nachgedacht werden, ob in diesem Bereich nicht mehr getan werden könnte.

- Ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen

2008 betrafen 20 % der Straßenverkehrsunfälle mit tödlichem Ausgang ältere Menschen (40 % davon als Fußgänger). Angesichts der Alterung der Bevölkerung ist es dringend notwendig, die Anfälligkeit älterer Menschen im Verkehr zu bewerten. Auch Personen mit Behinderungen sind einem hohen Risiko ausgesetzt. Es liegen nach wie vor nur sehr wenige Erkenntnisse auf diesem Gebiet vor, und es sind gezielte Forschungsanstrengungen vonnöten, auch zu den medizinischen Kriterien für die Beurteilung der Fahrtüchtigkeit.

Maßnahmen

5. Umsetzung der Leitlinien für die Europäische Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit 2011-2020

5.1 Verbesserung des Einsatzes aller Beteiligten durch eine stärkere Regelung

- Vorrang für die Durchführung der EU-Rechtsvorschriften im Bereich der Straßenverkehrssicherheit

Mit mehr als einem Dutzend Rechtsvorschriften zur Straßenverkehrssicherheit ist der gemeinschaftliche Besitzstand im Wesentlichen gegeben. Die Kommission will der fortlaufenden Beobachtung der vollständigen und korrekten Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften im Bereich der Straßenverkehrssicherheit durch die Mitgliedstaaten Vorrang geben.

- Schaffung eines Rahmens für die offene Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission

Es sollte ein strukturierter Rahmen für die offene Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission geschaffen werden, um die EU-Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit durchzuführen und die erzielten Fortschritte zu beobachten. Diese würde Folgendes beinhalten:

5.2 Gemeinsame Instrumente für die fortlaufende Beobachtung und Bewertung der Effizienz der Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit

- Verbesserung der fortlaufenden Beobachtung durch Datenerhebung und -analyse

Nach einer Entscheidung des Rates aus dem Jahr 9320 müssen die Mitgliedstaaten der Kommission Daten zu Straßenverkehrsunfällen mit Personenschaden in ihrem Hoheitsgebiet zur Einrichtung einer gemeinschaftlichen Datenbank, der sogenannten CARE-Datenbank, übermitteln.

Qualität und Vergleichbarkeit der CARE-Daten sind insgesamt zufriedenstellend, bis auf die Vergleichbarkeit der Daten über Verletzte. Bei der Risikoexposition und den Leistungsindikatoren muss jedoch noch viel unternommen werden.

Die vorliegenden europäischen Daten und Erkenntnisse zur Straßenverkehrssicherheit wurden zusammengeführt und von der Europäischen Beobachtungsstelle für die Straßenverkehrssicherheit (European Road Safety Observatory, ERSO) im Internet öffentlich zugänglich gemacht. Ein solches integriertes Instrument ist für die fortlaufende Beobachtung der Anwendung der Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit, für die Bewertung ihrer Wirkung und für die Konzipierung neuer Initiativen unerlässlich. Die Kommission wird daher diese Beobachtungsstelle unter Einschluss von Kommunikations- und Informationsmaßnahmen zu Fragen der Straßenverkehrssicherheit im Interesse der Bürger weiter entwickeln.

- Das Verständnis von Unfällen und Risiken verbessern

Technische Untersuchungen nach einem Unfall können zu wertvollen Erkenntnissen führen, die für die künftige Entwicklung der Sicherheit im Straßenverkehr nützlich sind. Für den Luft-, Schienen- und Seeverkehr sieht ein EU-Rahmen vor, dass die Mitgliedstaaten unabhängige technische Untersuchungsgremien einrichten.

Die Kommission wird prüfen, inwieweit die Grundsätze und Methoden, die in anderen Verkehrssektoren für technische Untersuchungen nach Unfällen angewandt werden, unter Berücksichtigung der straßenverkehrstypischen Merkmale auf den Straßenverkehr übertragen werden könnten.

Der Mehrwert der Entwicklung und des Einbaus von Datenaufzeichnungsgeräten ("Black Boxes"), vor allem in gewerblich genutzte Fahrzeuge, die bereits im dritten Aktionsprogramm für Straßenverkehrssicherheit genannt wurden, wird unter Berücksichtigung der sozioökonomischen Folgen geprüft werden.

Maßnahmen:

6. Schlussfolgerung

Die vorgeschlagenen Leitlinien sehen einen Plan möglicher Maßnahmen für die nächsten zehn Jahre vor. Die betroffenen Akteure hoben vor allem während der Konsultation hervor, wie sehr Europa durch die Schaffung eines Rahmens für Maßnahmen und durch ehrgeizige Ziele Anstrengungen auf allen Ebenen gefördert und wichtige Ergebnisse ermöglicht hat.

Die vorgeschlagenen Leitlinien geben einen allgemeinen Rahmen vor, innerhalb dessen auf verschiedenen Ebenen - auf der europäischen, nationalen, regionalen oder lokalen Ebene - konkrete Initiativen ergriffen werden könnten. Die einzelnen Maßnahmen wären Gegenstand einer ordnungsgemäßen Folgenabschätzung entsprechend den EU-Grundsätzen der besseren Rechtsetzung. Aufgabe der Kommission wird es sein, Vorschläge zu Fragen mit EU-Zuständigkeit vorzulegen und in allen anderen Fällen Initiativen zu unterstützen, die auf verschiedenen Ebenen eingeleitet werden, den Informationsaustausch zu fördern, die besten Ergebnisse aufzuzeigen und zu fördern und die erzielten Fortschritte aufmerksam zu verfolgen.