Antrag des Landes Schleswig-Holstein
Entwurf eines Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung

Punkt 44 der 886. Sitzung des Bundesrates am 23. September 2011

Der Bundesrat möge beschließen, zu dem Gesetzentwurf wie folgt Stellung zu nehmen:

Zu Artikel 3 Nummer 2 (§ 33b Absatz 2 bis 6 JGG), Nummer 3 (§ 108 Absatz 3 Satz 3 JGG), Nummer 4 (§ 121 Absatz 2, 3 JGG)

Artikel 3 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Die vorgesehene (redaktionelle) Änderung des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) trägt dem Anliegen Rechnung, den §§ 33a und 33b JGG jeweils eine amtliche Überschrift voranzustellen.

Die im Übrigen vorgesehenen Änderungen des JGG, die die (Neu-)Regelungen zur Möglichkeit einer Besetzungsreduktion bei der großen Jugendkammer betreffen, sind indes entbehrlich.

§ 33b Absatz 1 Halbsatz 1 JGG sieht vor, dass die große Jugendkammer mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen besetzt ist. In Abweichung von dieser Grundregelung sieht § 33b Absatz 2 JGG in seiner aktuellen Fassung, eingeführt durch Artikel 7 Nummer 2 des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 (BGBl. I S. 50), seit dem 1. März 1993 die Möglichkeit vor, dass die große Jugendkammer unter bestimmten Voraussetzungen in geeigneten Fällen in reduzierter Besetzung mit zwei statt drei Berufsrichtern und zwei Jugendschöffen verhandelt (Besetzungsreduktion). Diese zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 7. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2348) verlängerte Möglichkeit läuft am 31. Dezember 2011 aus.

Es ist erforderlich, dass jedenfalls Strafverfahren vor einer großen Jugendkammer erstinstanzlich und in der Berufungsinstanz entsprechend der Grundregelung mit drei Berufsrichtern verhandelt werden.

Abgesehen davon, dass eine Dreierbesetzung aus den im Gutachten der Großen Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes (vgl. Ergebnisse der Sitzung vom 3. bis 8. August 2009) im Einzelnen dargelegten Gründen mit Blick auf eine Qualitätssicherung grundsätzliche strukturelle Vorteile aufweist, trägt diese auch der großen Bedeutung Rechnung, die Strafverfahren gerade gegen Jugendliche und Heranwachsende in heutiger Zeit zukommt.

Strafverfahren gegen Jugendliche bzw. Heranwachsende sind darüber hinaus wegen der notwendigen Erforschung von Ursachen und Folgen der Straftaten sowie wegen der Bestimmung der angemessenen Sanktionen (in der Regel mit Hilfe von Sachverständigen) überaus komplexe Verfahren mit ausgeprägten tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten.

Im Übrigen kann eine Hauptverhandlung nur dann strukturiert in der gebotenen Schnelligkeit und Gründlichkeit durchgeführt werden, wenn neben dem die Hauptverhandlung leitenden Vorsitzenden und dem die Ergebnisse der Beweiserhebung notierenden Beisitzer ein dritter Berufsrichter präsent ist, der sich um die prozessualen Förmlichkeiten kümmert.

Dies kommt auch dem richterlichen Nachwuchs zu Gute, der sich den Umgang mit dem Beweisantragsrecht wie auch eine ordnungsgemäße Verhandlungsführung nur in Zusammenarbeit mit den Kollegen erschließen kann.

Die Zweierbesetzung, die lediglich den fiskalischen Interessen dient, führt wegen der Personaleinsparungen dazu, die vorgeblich frei gewordene Richterarbeitskraft für andere Spruchkörper zu nutzen. Sie verfehlt damit die Intention einer Zweierbesetzung, nämlich die Freistellung von Arbeitskraft innerhalb des Spruchkörpers.

Da die aktuelle Regelung in § 33b Absatz 2 JGG zum 31. Dezember 2011 ausläuft, bedarf es zur Wiederherstellung des im Jugendstrafverfahren bis zum 28. Februar 1993 geltenden - vorzugswürdigen - Rechtszustandes (uneingeschränkte Vollbesetzung der großen Jugendkammer ohne die Möglichkeit einer Besetzungsreduktion) keiner weiteren gesetzgeberischen Initiative.