Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Nachhaftung für Rückbau- und Entsorgungskosten im Kernenergiebereich
(Rückbau- und Entsorgungskostennachhaftungsgesetz - Rückbau- und EntsorgungskostennachhaftungsG)

A. Problem und Ziel

Die Betreiber von Kernkraftwerken sind gemäß Atomgesetz verpflichtet, die Kosten für die Stilllegung und den Rückbau der Kernkraftwerke und die Entsorgung des von ihnen erzeugten radioaktiven Abfalls einschließlich der Endlagerung zu tragen. Nach dem schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie zur Stromerzeugung bis zum Jahr 2022 entfallen einerseits die Einnahmen aus dem Betrieb der Kernkraftwerke und andererseits entstehen die Kosten für Stilllegung, Rückbau und Entsorgung. Diese aus dem Vermögen der Betreiber zu tragenden Kosten werden in einem Zeitraum von mehreren Jahrzehnten anfallen.

Derzeit sind die Betreiber von Kernkraftwerken in Konzerne eingegliederte Betreibergesellschaften. Sie sind weitgehend durch Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträge innerhalb der Konzerne finanziell derart abgesichert, dass wirtschaftlich das gesamte Konzernvermögen zur Tragung der Kosten für Stilllegung, Rückbau und Entsorgung haftet. Es gibt jedoch keine gesetzlichen Regelungen, die sicherstellen, dass diese Situation fortbesteht. Das geltende Recht gestattet grundsätzlich die Kündigung von Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträgen und gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen mit der Folge einer Begrenzung dieser Haftung auf Teile des wirtschaftlichen Konzernvermögens. Wenn diese Möglichkeiten künftig genutzt werden sollten und es in der Folge zu einer Zahlungsunfähigkeit von Betreibergesellschaften kommt, sind erhebliche finanzielle Risiken für die öffentlichen Haushalte nicht ausgeschlossen.

Ziel des Gesetzentwurfs ist es daher, durch eine Neuregelung eine langfristige Nachhaftung jedes Unternehmens, das eine Betreibergesellschaft von Kernkraftwerken beherrscht, für die Kosten der Stilllegung und des Rückbaus dieser Kernkraftwerke und die Entsorgung der radioaktiven Abfälle zu gewährleisten und somit die Risiken für die öffentlichen Haushalte zu reduzieren.

B. Lösung

Der vorliegende Gesetzentwurf führt eine gesetzliche Nachhaftung von herrschenden Unternehmen für von ihnen beherrschte Betreibergesellschaften ein für die Kosten von Stilllegung und Rückbau ihrer Kernkraftwerke sowie Entsorgung einschließlich Endlagerung der radioaktiven Abfälle. Den Folgen möglicher gesellschaftsrechtlicher

Umstrukturierungen und Beendigungen von Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträgen innerhalb der Konzerne wird durch diese gesetzliche Sonder-Regelung für den Nuklearbereich entgegengewirkt. Wir werden im weiteren Verfahren klären, ob es Umgehungstatbestände des Gesetzes gibt und diese gegebenenfalls ausschließen.

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Für Bund, Länder und Kommunen entstehen durch dieses Gesetz keine Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand an.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Für Bürgerinnen und Bürger entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Für die Wirtschaft entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Für die Verwaltung entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.

F. Weitere Kosten

Auswirkungen auf Einzelpreise und das allgemeine Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Nachhaftung für Rückbau- und Entsorgungskosten im Kernenergiebereich (Rückbau- und Entsorgungskostennachhaftungsgesetz - Rückbau- und EntsorgungskostennachhaftungsG)

Bundesrepublik Deutschland
Berlin, 15. Oktober 2015
Die Bundeskanzlerin

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Volker Bouffier

Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Nachhaftung für Rückbau- und Entsorgungskosten im Kernenergiebereich (Rückbau- und Entsorgungskostennachhaftungsgesetz - Rückbau- und EntsorgungskostennachhaftungsG) mit Begründung und Vorblatt.
Fristablauf: 26.11.15

besonders eilbedürftige Vorlage gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 GG

Der Gesetzentwurf ist besonders eilbedürftig, um den Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens bis zum Ende des Jahres 2015 zu realisieren.

Federführend ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel

Entwurf eines Gesetzes zur Nachhaftung für Rückbau- und Entsorgungskosten im Kernenergiebereich (Rückbau- und Entsorgungskostennachhaftungsgesetz - Rückbauund EntsorgungskostennachhaftungsG)

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

§ 1 Nachhaftung

§ 2 Beherrschung eines Betreibers

§ 3 Fortbestand der Nachhaftung in besonderen Fällen

§ 4 Zeitliche Beschränkung der Haftung

Die Haftung nach § 1 endet zu dem Zeitpunkt, zu dem die ablieferungspflichtigen Stoffe des Betreibers vollständig an eine Anlage des Bundes zur Endlagerung radioaktiver Abfälle abgeliefert wurden und diese verschlossen ist.

§ 5 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

Das Gesetz bestimmt eine subsidiäre Haftung von Unternehmen, die die Betreibergesellschaften der Kernkraftwerke in Deutschland beherrschen für die finanziellen Verpflichtungen dieser Betreibergesellschaften bis zum Abschluss von Stilllegung und Rückbau ihrer Kernkraftwerke sowie Entsorgung und Endlagerung der radioaktiven Abfälle. Den Folgen gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierungen oder Beendigungen von Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträgen innerhalb der Konzerne für den Umfang des wirtschaftlich haftenden Vermögens wird durch diese gesetzliche Sonder-Regelung für den Nuklearbereich entgegengewirkt. Sie begrenzt dadurch die finanziellen Risiken der öffentlichen Haushalte insbesondere bei einer Insolvenz der Betreibergesellschaft im Hinblick auf die Erfüllung ihrer Verpflichtung, die Kosten der Stilllegung und des Rückbaus der Kernkraftwerke und der Entsorgung der radioaktiven Abfälle zu tragen.

Das geltende Recht basiert auf der Annahme dauerhafter Lebensfähigkeit der Betreibergesellschaft, d.h. der dauerhaften Werthaltigkeit und Ertragskraft des den Rückstellungen gegenüberstehenden Aktivvermögens, um die Stilllegungs- und Rückbau- sowie Entsorgungsverpflichtungen zu erfüllen. Weitergehende gesetzliche Vorkehrungen zur Gewährleistung der Erfüllung der vorgenannten Verpflichtungen durch die Betreibergesellschaft bestehen nicht.

Derzeit sind die Betreibergesellschaften jedoch in Konzerne eingegliederte Gesellschaften. Sie sind weitgehend durch Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträge innerhalb der Konzerne finanziell derart abgesichert, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht nur das Vermögen der Betreibergesellschaft, sondern das gesamte Konzernvermögen der herrschenden Unternehmen zur Tragung dieser Kosten haftet. Die Erfüllung der Stilllegungs- und Rückbau- sowie Entsorgungsverpflichtungen hat wegen der Gefahren der Radioaktivität und der hohen mit diesen Verpflichtungen verbundenen Kosten eine große Bedeutung für die Allgemeinheit. Deshalb besteht ein öffentliches Interesse daran, neben der Haftung der Betreibergesellschaften auch wirtschaftlich eine fortdauernde Haftung derjenigen Unternehmen für die vorstehend genannten Verpflichtungen zu erreichen, die die Betreibergesellschaften beherrschen.

Die derzeitige Rechtslage bietet jedoch nur begrenzten Schutz vor einer Verkleinerung des Haftungsvermögens. So ist gemäß § 303 Aktiengesetz eine konzernrechtliche Nachhaftung der Muttergesellschaften der Betreibergesellschaften im Fall der Beendigung eines Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrages für ihre Verbindlichkeiten nur sehr eingeschränkt gewährleistet. Einerseits ist der Anspruch lediglich auf Sicherungsleistung gerichtet und nicht auf Kostenübernahme. Andererseits ist die Dauer der Nachhaftung nach Rechtsprechung und Literatur begrenzt. Zudem besteht ein solcher Anspruch der Gläubiger einer Betreibergesellschaft nur gegen die der Betreibergesellschaft unmittelbar übergeordnete Konzerngesellschaft mit der der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bestand. Bei zwei- oder mehrstufigen Konzernverhältnissen besteht somit kein unmittelbarer Anspruch gegen die Gesellschaft an der Konzernspitze, die zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen bei wirtschaftlicher Betrachtung auf das gesamte Konzernvermögen der herrschenden Unternehmen zurückgreifen könnte.

Für den Fall einer umwandlungsrechtlichen Abspaltung gelten gemäß § 133 Umwandlungsgesetz vergleichbare Regelungen.

Ein Zeitraum der Nachhaftung von fünf Jahren greift ferner für die vorstehend genannten Verpflichtungen erheblich zu kurz. Bereits der Rückbau eines Kernkraftwerks beansprucht in der Regel einen deutlich längeren Zeitraum. Mit der Verfügbarkeit eines Endlagers für hochradioaktive Wärme entwickelnde Abfälle, in das die abgebrannten Brennelemente aus den Kernkraftwerken einzulagern sind, wird frühestens um das Jahr 2050 gerechnet. Für die anschließende Einlagerung und den Verschluss des Endlagers ist mit Jahrzehnten zurechnen.

Durch das Gesetz soll deshalb sichergestellt werden, dass bis zum Verschluss des Endlagers eine Nachhaftung aller die Betreibergesellschaften beherrschenden Unternehmen für deren Stilllegungs- und Rückbau- sowie Entsorgungsverpflichtungen besteht.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

Dieses Gesetz ordnet eine dauerhafte Nachhaftung der die Betreibergesellschaften beherrschenden Unternehmen für deren Stilllegungs- und Rückbau- sowie Entsorgungsverpflichtungen an und sichert dadurch bei wirtschaftlicher Betrachtung das gesamte Konzernvermögen der herrschenden Unternehmen als Haftungsmasse. Die finanziellen Interessen des Staates sind damit so lange gewahrt, wie die am Konzern beteiligten Gesellschaften nicht insgesamt insolvent werden.

Kern des Regelungsinhalts ist die Nachhaftung aller eine Betreibergesellschaft beherrschenden Unternehmen für öffentlichrechtliche Verbindlichkeiten und anstelle dieser erhobener Entgelte gemäß § 1 Absatz 1 sowie für die Kosten einer Ersatzvornahme gemäß § 1 Absatz 2. Ergänzende Regelungen gelten der näheren Bestimmung der Beherrschung eines Betreibers gemäß § 2, dem Fortbestand der Haftung in besonderen Fällen bei Erlöschen der Beherrschung und dem Ausschluss der Übertragbarkeit der Haftung auf Dritte gemäß § 3 und der zeitlichen Beschränkung der Haftung bis zum Verschluss des Endlagers gemäß § 4.

Allerdings bleibt vorrangig die Betreibergesellschaft selbst verpflichtet. Die Nachhaftung ist deshalb solange die Betreibergesellschaft besteht akzessorisch, das heißt sie hängt, solange die Betreibergesellschaft besteht, davon ab, dass eine entsprechende Verpflichtung der Betreibergesellschaft selbst existiert und - subsidiär, das heißt sie greift nur dann ein, wenn eine Betreibergesellschaft ihre Verpflichtungen selbst nicht erfüllt.

III. Alternativen

Alternativen bestehen nicht.

IV. Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich aus Artikel 73 Absatz 1 Nummer 14 des Grundgesetzes.

Der größte Teil der Regelungen betrifft die Stilllegung und den Rückbau der Kernkraftwerke und die Entsorgung der radioaktiven Abfälle und damit die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken. Die Regelung ist somit Gegenstand der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes gemäß Artikel 73 Absatz 1 Nummer 14 des Grundgesetzes.

V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen

Verträgen

Die Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und mit völkerrechtlichen Verträgen ist gegeben. Eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 AEUV ist nicht erkennbar. Die potentielle Haftungserstreckung auch auf Unternehmen mit Sitz im Ausland, die eine Betreibergesellschaft beherrschen, ist Ausdruck der unterschiedslosen Geltung der Regelung.

VI. Gesetzesfolgen

Wesentliche Folge des Gesetzes ist die subsidiäre Haftung von herrschenden Unternehmen für die finanziellen Verbindlichkeiten von Betreibergesellschaften für ihre Verpflichtungen zur Stilllegung und zum Rückbau von Kernkraftwerken und zur Entsorgung der radioaktiven Abfälle. Damit haftet wirtschaftlich das gesamte Konzernvermögen der herrschenden Unternehmen für die Erfüllung der vorgenannten Verpflichtungen, unabhängig insbesondere von gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen oder Beendigungen von Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträgen und auch für den Fall des Erlöschens einer Betreibergesellschaft.

1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung

Eine Vereinfachung oder Aufhebung von Verwaltungsverfahrensvorschriften erfolgt durch dieses Gesetz nicht.

2. Nachhaltigkeitsaspekte

Die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung ist von diesem Gesetz nicht betroffen.

3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Durch die Absicherung der Stilllegungs- und Rückbau- sowie Entsorgungsverpflichtungen der Betreibergesellschaften wird das Risiko von Belastungen der öffentlichen Haushalte verringert. Die Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen der Betreibergesellschaften wird durch Festlegung zusätzlicher Haftungsschuldner mit eigenem Vermögen besser abgesichert; gleiches gilt für die Tragung der Kosten etwa erforderlich werdender staatlicher Ersatzvornahmen. Finanzielle Belastungen der öffentlichen Haushalte sind nicht erkennbar.

4. Erfüllungsaufwand

Die Nachhaftung ist eine subsidiäre Haftung der Unternehmen, die eine Betreibergesellschaft beherrschen, für deren Stilllegungs- und Rückbau- sowie Entsorgungsverpflichtungen. Sie ist somit - bis auf den Sonderfall des Erlöschens einer Betreibergesellschaft - stets vom Umfang der Haftung der Betreibergesellschaft abhängig und begründet deshalb keine neuen, zusätzlichen Kosten für die Wirtschaft. Zusätzliche staatliche Aufgaben werden nicht begründet.

5. Weitere Kosten

Direkte oder indirekte Kosten für die Wirtschaft, insbesondere für mittelständische Unternehmen, sind wegen der grundsätzlichen Subsidiarität der Nachhaftung nicht zu erwarten. Ein Einfluss dieses Gesetzes auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, wird nicht erwartet.

6. Weitere Gesetzesfolgen

Keine.

VII. Befristung; Evaluation

Das Gesetz sieht in § 4 eine Befristung der Haftung bis zum Verschluss des Endlagers vor. Eine sichere Einschätzung, wann ein Endlager für die aus den Kernkraftwerken entstandenen nuklearen Abfälle verschlossen werden kann, ist gegenwärtig aber noch nicht möglich. Deshalb ist eine darüber hinausgehende Begrenzung der Geltungsdauer des Gesetzes abzulehnen.

B. Besonderer Teil

Zu § 1:

Die Norm ist Rechtsgrundlage für die Nachhaftung von Unternehmen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes eine Betreibergesellschaft eines Kernkraftwerks unmittelbar oder mittelbar beherrschen. Die Regelung schafft damit einen subsidiären Zahlungsanspruch der zuständigen öffentlichrechtlichen Körperschaft gegenüber allen der Betreibergesellschaft übergeordneten Konzerngesellschaften sowie ergänzend einen eigenständigen Zahlungsanspruch für den Fall des Erlöschens der Betreibergesellschaft.

Von diesem Zahlungsanspruch werden alle gegenwärtigen und zukünftigen öffentlichrechtlichen Zahlungsverpflichtungen der Betreibergesellschaften erfasst, die der Finanzierung der Stilllegung und des Rückbaus der Kernkraftwerke und der Entsorgung der radioaktiven Abfälle dienen. Dies können einerseits originäre Zahlungsverpflichtungen (wie etwa Gebühren und Beiträge nach §§ 21a und b Atomgesetz, Umlagen nach § § 21 Standortauswahlgesetz, Endlagervorausleistungen nach der Endlagervorausleistungsverordnung oder anstelle der vorgenannten Zahlungspflichten erhobene Entgelte) sein, andererseits aber auch Kosten, die einer öffentlichrechtlichen Körperschaft entstehen, weil sie die Pflichten aus dem Atomrecht anstelle der Betreibergesellschaften im Wege der Ersatzvornahme durchführen muss.

Die Haftung greift nur dann, wenn die Betreibergesellschaft ihren Pflichten, beispielsweise aufgrund von Insolvenz, nicht mehr nachkommt oder erloschen ist. Die atomrechtlichen Pflichten der Betreibergesellschaft werden durch das Gesetz nicht berührt.

Absatz 1 enthält in Satz 1 die zentrale Regelung des Gesetzes und normiert durch eine Generalklausel eine umfassende Haftung des einen Betreiber von Kernkraftwerken beherrschenden Unternehmens gegenüber der jeweils anspruchsberechtigten öffentlichrechtlichen Körperschaft für alle Kosten des Rückbaus der Kernkraftwerke und der Entsorgung der radioaktiven Abfälle. Diese Zahlungspflichten werden nicht abschließend aufgezählt, so dass auch gegebenenfalls künftig eingeführte Zahlungspflichten erfasst werden. Anknüpfungspunkt sind vielmehr die im zweiten Abschnitt des Atomgesetzes vorgesehenen Schritte der Stilllegung und des Rückbaus der Kernkraftwerke und der Entsorgung der radioaktiven Abfälle. Die derzeit bestehenden Zahlungspflichten, Gebühren und Beiträge nach dem Atomgesetz, Vorausleistungen auf Beiträge nach der Endlagervorausleistungsverordnung sowie die Umlage nach dem Standortauswahlgesetz werden lediglich beispielhaft genannt. Satz 1 enthält zudem eine Definition des Betreiberbegriffs. Wer herrschendes Unternehmen im Sinne des § 1 ist, ergibt sich aus § 2. Satz 2 erstreckt die Haftung auch auf Entgelte, die anstelle der von Satz 1 erfassten öffentlichrechtlichen Beiträge und Gebühren erhoben werden.

Absatz 2 stellt klar, dass das herrschende Unternehmen auch für die Kosten einer Ersatzvornahme haftet, die der Erfüllung von Verpflichtungen aus dem zweiten Abschnitt des Atomgesetzes dient. Bei den hier adressierten Pflichten handelt es sich originär nicht um Zahlungspflichten gegenüber dem Staat, sondern um Handlungspflichten der Betreibergesellschaften aus dem Atomrecht. Beispielhaft genannt sind Pflichten zu Stilllegung und Rückbau der Kernkraftwerke sowie zu Konditionierung, Zwischenlagerung und Transport von radioaktiven Abfällen. Aus diesen Pflichten entstehen erst dann Zahlungspflichten gegenüber der betroffenen öffentlichrechtlichen Körperschaft, wenn eine Behörde die Handlungspflicht im Wege der Ersatzvornahme durchsetzt, beispielsweise weil die Betreibergesellschaft insolvent ist. Diese Kostentragungspflicht wird in gleicher Weise abgesichert wie die originären, in Absatz 1 genannten Zahlungspflichten.

Absatz 3 trifft ergänzende Regelungen für den Fall des Erlöschens eines Betreibers. Satz 1 erstreckt die Nachhaftung auch auf Zahlungspflichten gemäß Absatz 1, die wegen Erlöschens eines Betreibers nicht mehr entstehen oder diesem, obwohl entstanden, wegen zwischenzeitlichen Erlöschens nicht mehr auferlegt werden können. Satz 2 betrifft den Fall, dass eine Handlungspflicht eines Betreibers nicht entsteht, weil er erloschen ist. In diesem Fall muss die zuständige Behörde die Handlungspflicht erfüllen. Das herrschende Unternehmen haftet gemäß Satz 2 in gleicher Weise, wie es bei Fortbestehen des Betreibers nach Absatz 2 für die Kosten einer Ersatzvornahme gehaftet hätte. Die Regelung soll insbesondere den Insolvenzfall erfassen. Es besteht ein nicht auszuschließendes Risiko, dass eine Betreibergesellschaft nach Abschluss des Insolvenzverfahrens im Handelsregister gelöscht wird und damit kein originär Verpflichteter im Sinne der Absätze 1 und 2 mehr existiert. Die Haftung des beherrschenden Unternehmens besteht gemäß dieser Regelung daher auch dann, wenn die eigentliche gesicherte Verbindlichkeit mangels Existenz der Betreibergesellschaft als Schuldnerin nicht mehr zur Entstehung gelangt.

Absatz 4 regelt das Verhältnis zwischen Betreibergesellschaft und herrschendem Unternehmen sowie mehrerer herrschender Unternehmen untereinander. Dieses richtet sich nach den Vorschriften für die Bürgschaft gemäß §§ 765ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs in dem Fall, dass der Bürge auf die Einrede der Vorausklage gemäß § 771 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verzichtet hat (so genannte selbstschuldnerische Bürgschaft). Das herrschende Unternehmen ist damit der öffentlichrechtlichen Körperschaft gegenüber zur Zahlung verpflichtet, ohne dass diese zuvor vergeblich die Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Betreibergesellschaft versucht haben muss. Die Betreibergesellschaft selbst bleibt zunächst weiterhin verpflichtet, wird jedoch durch Zahlung des herrschenden Unternehmens befreit. Das herrschende Unternehmen hat einen Rückgriffsanspruch gegen die Betreibergesellschaft. Mehrere herrschende Unternehmen haften der öffentlichrechtlichen Körperschaft gegenüber als Gesamtschuldner.

Zu § 2:

In § 2 ist geregelt, wer als herrschendes Unternehmen im Sinne des Gesetzes anzusehen ist. Die Norm definiert in Absatz 1 den Begriff des herrschenden Unternehmens und trifft in Absatz 2 eine ergänzende Regelung für Personenhandelsgesellschaften. Absatz 3 regelt schließlich den Fall des Erlöschens des Betreibers.

Absatz 1 Satz 1 stellt für den Beherrschungstatbestand darauf ab, dass ein Unternehmen mindestens die Hälfte der Anteile oder der Stimmrechte an einer Betreibergesellschaft innehat oder auf andere Weise allein oder gemeinschaftlich die Betreibergesellschaft beherrscht. Leitgedanke ist dabei, dass ein Unternehmen, das Einfluss auf die Geschäftstätigkeit einer Betreibergesellschaft nehmen kann, auch einer dauerhaften Nachhaftung unterliegen soll. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass ein Unternehmen, das die Mehrheit der Kapitalanteile oder Stimmrechte an einer Betreibergesellschaft hält,

maßgeblichen Einfluss auf die Möglichkeiten der Betreibergesellschaft haben dürfte, für ihre atomrechtlichen Verpflichtungen Vorsorge zu treffen.

Der Begriff des herrschenden Unternehmens wird in § 2 Absatz 1 Satz 1 selbständig für die Zwecke der Rückbau- und Entsorgungskostennachhaftung definiert, doch wird an etablierte Regelungen angeknüpft, für Mehrheitsbesitz und Mehrheitsbeteiligung an § 16 Absatz 1 Aktiengesetz, für sonstige Fälle der Ausübung eines beherrschenden Einflusses auf die Betreibergesellschaft an § 17 Absatz 1 Aktiengesetz sowie für Fälle der gemeinsamen Beherrschung an § 36 Absatz 2 Satz 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Im Unterschied zu § 16 Absatz 1 Aktiengesetz reicht allerdings die Hälfte der Anteile oder der Stimmrechte für eine Beherrschung im Sinne dieses Gesetzes aus. Auf diese Weise wird der Fall erfasst, dass eine Betreibergesellschaft jeweils zur Hälfte zwei Gesellschaftern gehört, die nicht, etwa durch Vereinbarungen, gemeinsam einen beherrschenden Einfluss ausüben. Auch in diesen Fällen dürfte wegen des faktischen Zwangs zur Einigung beim Betrieb eines Kernkraftwerks und es gleichgerichteten Interesses der Gesellschafter ein einer gemeinsamen Beherrschung vergleichbarer Einfluss der Gesellschafter auf eine Betreibergesellschaft bestehen.

Satz 2 knüpft für die Berechnung des Teils der Anteile oder Stimmrechte an die Regelungen des § 16 Absatz 2 und 3 Aktiengesetz an. Durch die Regelung des Satz 3 werden auch Fälle mittelbarer Beherrschung erfasst, indem an die Regelung des § 16 Absatz 4 Aktiengesetz angeknüpft wird. Auf diese Weise ist auch die Gesellschaft an der Konzernspitze mittelbar herrschendes Unternehmen, so dass wirtschaftlich das gesamte Konzernvermögen der herrschenden Unternehmen der Haftung nach § 1 unterliegt.

Absatz 2 Alternative 1 enthält eine ergänzende Regelung für den Fall, dass eine Betreibergesellschaft in der Form einer Personenhandelsgesellschaft organisiert ist. Jeder persönlich haftende Gesellschafter gilt dabei als herrschendes Unternehmen. Die Behörde kann als Haftungsschuldner nach § 1 auf den persönlich haftenden Gesellschafter zurückgreifen, denn dieser dürfte im Regelfall eine seiner Haftung entsprechende umfassende Einflussmöglichkeit auf die Betreibergesellschaft haben. Zudem hat der persönlich haftende Gesellschafter die Möglichkeit, die in Absatz 2 getroffene Vermutung der Behörde gegenüber zu wiederlegen.

Durch die zweite Alternative des Absatzes 2 wird sichergestellt, dass auch bei in einer Konzernhierarchie über der Betreibergesellschaft liegenden Gesellschaften das jeweils herrschende Unternehmen in die Haftung einbezogen werden kann.

Absatz 3 adressiert den Sachverhalt, in dem ein Betreiber nicht fortbesteht und ist somit vergleichbar mit dem in § 1 Absatz 3 zu Grunde gelegten Sachverhalt. Auch für diesen Fall soll die Haftung der herrschenden Unternehmen gewährleistet sein.

Zu § 3:

§ 3 Absatz 1 sieht vor, dass die einmal begründete Haftung nach § 1 auch dann fortbesteht, wenn das Beherrschungsverhältnis endet. Entsprechend dem Zweck des Gesetzes soll durch gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen der Umfang des für die atomrechtlichen Verpflichtungen der Betreibergesellschaft haftenden Vermögens nicht verringert werden können. Aber auch in anderen Fällen, etwa bei einem Verkauf der Betreibergesellschaft, soll es zu keiner Verringerung des der Haftung unterliegenden Vermögens kommen können.

§ 3 Absatz 2 bestimmt zudem, dass die Übertragung der Haftung nach § 1 auf einen Dritten für das herrschende Unternehmen, das die Haftung überträgt, keine befreiende Wirkung hat. Dies ist insbesondere erforderlich, damit im Falle einer nach dem Umwandungsrecht grundsätzlich zulässigen Übertragung auch öffentlichrechtlicher Verbindlichkeiten auf einen anderen Rechtsträger eine Enthaftung des bisher haftenden Unternehmens zu verhindern. Auf diese Weise kann eine Verringerung des der Haftung unterliegenden Vermögens vermieden werden.

Im Ergebnis können die Bestimmungen des § 3 eine kumulative Haftung mehrerer Unternehmen neben der Betreibergesellschaft zur Folge haben, etwa im Falle einer umwandlungsrechtlichen Abspaltung eine Haftung sowohl des übertragenden als auch des übernehmenden Unternehmens, oder im Falle eines Verkaufs der Betreibergesellschaft sowohl des Verkäufers als auch des Erwerbers. Damit wird dem Zweck des Gesetzes - der Sicherung des bestehenden Konzernvermögens der herrschenden Unternehmen als Haftungsmasse - Rechnung getragen, ohne die unternehmerische Freiheit des bisher herrschenden Unternehmens über das notwendige Maß hinaus zu beeinträchtigen. Denn das bisher herrschende Unternehmen, das als Folge der Regelung des § 1 Absatz 4 als Gesamtschuldner neben dem neuen herrschenden Unternehmen haftet, hat es selbst in der Hand, im Rahmen der Transaktion durch Einräumung von Rückgriffsansprüchen das neue herrschende Unternehmen im Innenverhältnis von der Nachhaftung freizustellen.

Zu § 4:

Erfasst von der Nachhaftung werden grundsätzlich sämtliche gegenwärtigen und zukünftigen Zahlungsverbindlichkeiten der Betreibergesellschaften. Die Frist zur Nachhaftung gemäß § 1 wird jedoch durch § 4 zeitlich beschränkt. Sie endet nach Einlagerung der radioaktiven Abfälle der Betreibergesellschaft in einem Endlager und dessen Verschluss.

Zu § 5:

§ 5 regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.