Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts

Der Bundesrat hat in seiner 900. Sitzung am 21. September 2012 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

Zu Artikel 1 Nummer 7 ( Artikel 48 EGBGB)

Artikel 1 Nummer 7 ist zu streichen.

Folgeänderung:

Artikel 2 ist zu streichen.

Begründung:

Der Europäische Gerichtshof hat sich in den letzten Jahren in mehreren Entscheidungen mit der Bewertung hinkender Namensverhältnisse im europarechtlichen Kontext beschäftigt. So hat er u.a. in der Entscheidung vom 2. Oktober 2003 (Rs. 148/02 - Garcia Avello) in dem dort zugrundeliegenden namensrechtlichen Sachverhalt einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot aus Artikel 18 AEUV statuiert und in der Entscheidung vom 14. Oktober 2008 (Rs. C-353/06 - Grunkin und Paul) festgestellt, dass auch eine in einem anderen Mitgliedstaat eingetragene Namensführung Rechtswirkungen auf den deutschen Rechtsbereich entfalten kann. Die Nichtanerkennung einer in einem Mitgliedstaat der EU beurkundeten Namensführung führe zu einer unzulässigen Einschränkung des verbürgten Rechts auf Freizügigkeit aus Artikel 21 Absatz 1 AEUV.

Die mit dem Gesetzentwurf verfolgte Absicht, eine Regelung zur Vermeidung hinkender Namensverhältnisse zu treffen, die ansonsten als Beschränkung des Freizügigkeitsrechts aus Artikel 21 Absatz 1 AEUV zu werten wären, wird grundsätzlich begrüßt. Der vorgeschlagene Lösungsweg erscheint jedoch zu kurz gegriffen und wirft zahlreiche neue Fragen auf. Insgesamt ist eine den Interessen der betroffenen Bürger gerecht werdende Lösung anzustreben, mit der auch die Verwaltung, insbesondere die Standesämter, die in Rede stehenden namensrechtlichen Sachverhalte rechtsfehlerfrei umsetzen kann. Wie die intensive Diskussion in Schrifttum und Praxis zeigt, besteht dringender Klärungs- und auch Regelungsbedarf, die Rechtslage durch eine innerstaatliche normative Regelung wieder übersichtlich und vollziehbar zu gestalten.

Nach dem Sinn und Zweck der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung sollte Ziel einer gesetzlichen Regelung sein, nicht nur ein Teilproblem einer vermeintlichen Lösung zuzuführen, sondern die Problematik hinkender Namensverhältnisse insgesamt in einen größeren Kontext zu stellen. Grundlage für eine normative Regelung sollte dabei das Verständnis sein, dass es sich bei der Frage nach der Vermeidung hinkender Namensverhältnisse vorrangig um ein kollisionsrechtliches Problem handelt und nicht um ein sachrechtliches. Eine auf europäischem Recht fußende Regelung zur Namensführung müsste folglich kollisionsrechtlich im Kontext des Artikels 10 EGBGB angesiedelt werden. In der Umsetzung müsste dabei ausdrücklich das Kollisionsrecht des Erstregistrierungsstaats einbezogen werden.

Zu entscheiden ist die Frage, inwieweit als Folge der Entscheidungen des EuGH und der mittlerweile ergangenen Rechtsprechung nationaler Gerichte (beispielsweise OLG München, Beschluss vom 19. Januar 2010 - 31 Wx 152/09 -) das Gemeinschaftsrecht insoweit Anwendungsvorrang gegenüber dem nationalen Recht genießt, als eine nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates gebildete Namensführung unter Berücksichtigung des Willens der Betroffenen ohne weiteren Umsetzungsakt Rechtswirkungen entfaltet.

Hiervon abgesehen wirft aber auch die konkrete Ausgestaltung der vorgesehenen Regelung Probleme bzw. Fragen auf:

Zunächst sollten die zu regelnden Fallgestaltungen und die zu erwartenden rechtlichen Auswirkungen unter Einbeziehung der standesamtlichen Praxis gesammelt und aufbereitet werden, um im Anschluss daran an die rechtliche Umsetzung im deutschen Internationalen Privatrecht zu gehen. Bei dieser Gelegenheit könnten auch der Rechtsklarheit dienende Präzisierungen in den Artikeln 10 und 47 EGBGB vorgenommen werden.

Gegebenenfalls besteht die Möglichkeit, das vom Wissenschaftlichen Beirat des Bundesverbandes der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten initiierte Projekt "Europäisches Kollisionsrecht", mit dem Ziel, ein wissenschaftliches Diskussionspapier und einen Formulierungsvorschlag für ein Europäisches Kollisionsrecht auf dem Gebiet des Namensrechts zu erarbeiten, bei den weiteren Überlegungen miteinzubeziehen.