Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Lage der Roma in der Europäischen Union

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 308157 - vom 7. Juni 2005. Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 28. April 2005 angenommen.

Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Lage der Roma in der Europäischen Union

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass der B. April zum Internationalen Roma-Tag erklärt wurde und als Feiertag der Roma sowie als eine Gelegenheit zur Stärkung des Bewusstseins über die größte ethnische Minderheit in Europa und das Ausmaß ihrer sozialen Ausgrenzung gilt,

B. in der Erwägung, dass die 12 bis 25 Millionen in Europa lebenden Roma, von denen 7 bis 9 Millionen in der Europäischen Union leben, aus rassistischen Gründen diskriminiert werden und viele von ihnen schwerer struktureller Diskriminierung, Armut, sozialer Ausgrenzung sowie Mehrfachdiskriminierungen aufgrund des Geschlechts, des Alters, der sexuellen Ausrichtung und einer Behinderung ausgesetzt sind,

C. unter Hinweis auf die Wichtigkeit, die fortgesetzten und gewaltsamen Tendenzen zum Rassismus und zur rassistischen Diskriminierung der Roma zu beseitigen, und im Bewusstsein, dass jede Form der Straffreiheit von rassistischen Angriffen, Hassparolen, körperlichen Angriffen durch Extremistengruppen, rechtswidrigen Räumungen und Schikanierung durch Polizeiangehörige aus Gründen der Romafeindlichkeit den Rechtsstaat und die Demokratie schwächt, die Wiederholung solcher Verbrechen fördert und entschiedene Bekämpfungsmaßnahmen erfordert,

D. im Bewusstsein, dass die mangelnde Bekämpfung von gegen Roma gerichteter rassistischer Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit, insbesondere seitens der Behörden, ein Faktor ist, welcher das Weiterbestehen dieser Probleme in der Gesellschaft fördert,

E. in der Erwägung, dass die Roma-Gemeinschaft immer noch nicht in allen Mitgliedstäaten und Beitrittsländern als eine ethnische oder nationale Minderheitengruppe angesehen wird und somit nicht in den Genuss der mit einem solchen Status einhergehenden Rechte kommt,

F. in der Erwägung, dass zwar viele Mitgliedstaaten die Richtlinie 2000/43/EG zügig in nationales Recht umgesetzt haben, aber einige Mitgliedstaaten dies noch nicht bzw. unvollständig oder mangelhaft getan haben,

G. unter Hinweis darauf, dass der Holocaust an den Roma entsprechend der Schwere der Nazi-Verbrechen, deren Ziel es war, die Roma in Europa physisch zu vernichten, voll anerkannt werden muss, und mit der Forderung an die Kommission und die Behörden, alle erforderlichen Schritte zu unternehmen, damit die Schweinemast auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Lety u Pisku eingestellt und eine würdige Gedenkstätte eingerichtet wird,

H. unter Hinweis darauf, dass eine große Anzahl von Roma Opfer des Kriegs und ethnischer Säuberungen in verschiedenen Teilgebieten des ehemaligen Jugoslawiens waren und dort weiterhin Opfer von Verfolgung sind;

I. ferner in der Erwägung. dass eine bedeutende Anzahl asylsuchender Roma aus den Aufnahmemitgliedstaaten abgeschoben wurde, die damit gegen den Grundsatz des nonrefoulement gemäß der Genfer Konvention aus dem Jahre 1951 und der zugehörigen Protokolle verstoßen haben,

J. bedauernd, dass die Roma auch weiterhin in den Regierungsstrukturen und Behörden der Mitgliedsstaaten und Beitrittsländer unterrepräsentiert sind, in denen sie einen erheblichen Anteil der Bevölkerung darstellen; in der Erwägung, dass die betreffenden Regierungen sich verpflichtet haben, die Anzahl der in den Entscheidungsstrukturen beteiligten Roma zu erhöhen, aber noch Fortschritte in diesem Bereich machen müssen,

K. in der Erkenntnis der Notwendigkeit, eine wirksame Beteiligung der Roma am politischen Leben sicherzustellen, insbesondere im Hinblick auf Entscheidungen, die das Leben und Wohlergehen der Roma-Gemeinschaften betreffen,

L. unter nachdrücklichem Hinweis darauf, dass in keinem Fall neue Staatsangehörigkeitsbestimmungen so gestaltet und umgesetzt werden dürfen, dass sie Personen, die legitime Staatsangehörigkeitsanträge stellen, diskriminieren oder seit langem in Mitgliedstaaten wohnhaften Roma die Staatsbürgerschaft vorenthalten,

M. in der Erwägung, dass es für eine Anzahl von Ländern deutliche Hinweise darauf gibt, dass Dienststellen der Polizei und anderer für die strafrechtliche Verfolgung zuständiger Behörden mit Vorurteilen gegen die Roma behaftet sind, was zu einer systematischen rassistischen Diskriminierung bei der strafrechtlichen Verfolgung führt,

N. in der Erwägung, dass die Roma im Gesundheits- und Sozialversicherungswesen regelmäßig diskriminiert werden; und mit Besorgnis darüber, dass Fälle von Segregation auf Entbindungsstationen sowie von Sterilisierungen von Roma-Frauen ohne deren nach ausreichender Information erteilte Einwillung zu verzeichnen sind,

0. in der Erwägung, dass die Lebensbedingungen weitgehend unter der Norm liegen und unhygienisch sind und offensichtlich weitgehend Ghettobildung besteht, wobei die Roma regelmäßig daran gehindert werden, aus solchen Zonen auszuziehen,

P. unter Hinweis auf die in mehreren Mitgliedstaaten bestehende Rassentrennung im Schulsystem, wobei die Roma-Kinder entweder in getrennten Klassen mit niedrigerem Niveau oder in Klassen für geistig Behinderte unterrichtet werden, in der Erkenntnis, dass ein verbesserter Zugang zu Bildung und Chancen auf akademische Abschlüsse von Roma für Fortschritte im Hinblick auf bessere Aussichten der Roma-Gemeinschaften wesentlich sind;

Q. in der Erwägung, dass die Roma-Gemeinschaften unannehmbar stark von Arbeitslosigkeit betroffen sind und daher spezifische Maßnahmen erforderlich sind, um ihren Zugang zum Arbeitsmarkt zu verbessern,

R. in der Erwägung, dass die Roma-Gemeinschaften bei der Anerkennung ihrer Kultur auf große Schwierigkeiten stoßen, und in der Erwägung, dass die wichtigen Medien in den meisten Mitgliedstaaten und Beitrittsländern die Roma in ihren Programmen weiterhin unterrepräsentieren und gleichzeitig ein negatives Stereotyp der Roma-Bevölkerung in Zeitungsartikeln sowie Fernseh- und Radiosendungen bestärken, sowie ferner

unter Hinweis darauf, dass die Nutzung neuer Kommunikationstechnologien, einschließlich des Internet, auch bei der Bekämpfung der Romafeindlichkeit dienen kann,

Kommentar zur Verabschiedung der Lissabon-Scorekarte V am 17. März 2005.

I Der Internationale Roma-Tag wurde 1971 auf dem Ersten Roma-Weltkongress eingeführt.
Z ABI. L 180 vom 19.7.2000, S. 22.
1 ABI. L 303 vom 2.12.2000, S. 16.
2 Die Charta der politischen Parteien in Europa für eine nichtrassistische Gesellschaft ist eine Empfehlung des beratenden Ausschusses der EU zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit an die politischen Parteien in der Europäischen Union. Der Wortlaut wurde von diesem Ausschuss am 5. Dezember 1997 angenommen.
3 Der Präsident der Europäischen Kommission Jose Manuel Barroso kündigte diese Initiative in seiner Rede vor dem Europäischen Parlament am 26. Oktober 2004 an und sagte, dass dieser Gruppe (in der er den Vorsitz führen wird) die Aufgabe zukommt, alle Maßnahmen und wichtigen Initiativen der Kommission in diesem Bereich zu überwachen und als treibende politische Kraft zu wirken.
a ABI. L 230 vom 21.8.1997, S.19.
5 "Die Situation der Roma in einem erweiterten Europa" wurde von der GD Beschäftigung und soziale Angelegenheiten in Auftrag gegeben und 2004 veröffentlicht.
6 Angenommene Texte, P6_TA(2005)0018.
7 Allgemeine Empfehlung Nr. 3 "Die Bekämpfung von Rassismus und Intoleranz gegenüber den Sinti und Roma".
1 ABl. C 153 vom 21.6.1989, S. 3.