Empfehlungen der Ausschüsse
Entschließung des Bundesrates - Für ein Einwanderungsgesetz: Einwanderung offensiv gestalten und effektiv regeln - Antrag der Länder Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Thüringen und Bremen -

954. Sitzung des Bundesrates am 10. März 2017

Der federführende Ausschuss für Innere Angelegenheiten, der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik, der Ausschuss für Familie und Senioren und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, die Entschließung wie folgt zu fassen:

"Entschließung des Bundesrates - Für ein Einwanderungsgesetz: Einwanderung offensiv gestalten und effektiv regeln

Die Bundesrepublik Deutschland braucht Einwanderung. Aufgrund der demografischen Entwicklung ist absehbar, dass die Zahl der Erwerbsfähigen in Deutschland in den nächsten Jahrzehnten deutlich sinken wird. Daneben wird der Bedarf an - akademischen wie nichtakademischen - Fachkräften steigen.

Diese Umstände sind schon Grund genug, die Neuzuwanderung von Arbeitskräften aus dem nichteuropäischen Ausland in einem Gesetz mit realistischen und realisierbaren Anforderungen zu regeln.

Hinzu kommt, dass die bitteren Erfahrungen insbesondere im zweiten Halbjahr 2015 gezeigt haben, dass die für die Betroffenen oft lebensgefährliche irreguläre Asylmigration nach Europa kein geeigneter Weg sein kann, Einwanderung nach den Interessen und Bedürfnissen beider Seiten zu gestalten. Dabei steht außer Frage, dass Deutschland wie bisher zu seinen rechtlichen und moralischen Verpflichtungen gegenüber all jenen steht, die vor Krieg und Verfolgung geschützt werden müssen.

Eine Reduzierung irregulärer und damit nur sehr bedingt steuerbarer Migrationsströme ist jedoch nur möglich, wenn neben diesem Weg auch legale Zuwanderungsmöglichkeiten geschaffen werden. Dies liegt auch im ureigenen deutschen Interesse, um attraktiver zu werden für qualifizierte und talentierte Fachkräfte, die wir in Zukunft unabweisbar brauchen werden.

Ganz Europa ist ein alternder Kontinent, dessen Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter schrumpft und im nächsten Jahrzehnt voraussichtlich um 18 Millionen abnehmen wird. Die Mitgliedstaaten der EU können auf eine besser gesteuerte Arbeitskräftemigration nicht verzichten. Deutschland ist für Migrantinnen und Migranten eines der interessantesten Einwanderungsländer in Europa. Das ist auch eine Chance, die aber Gestaltung verlangt. Einwanderung orientiert sich neben arbeitsplatzbezogenen Kriterien auch an weiteren Faktoren, wie einem attraktiven kulturellen und sozialen Umfeld oder an Unterstützungsleistungen für die Integration, etwa beim Erlernen der Sprache.

Aktuell findet Einwanderung ganz überwiegend aus den Mitgliedstaaten der EU statt, die wegen der garantierten Freizügigkeit im europäischen Binnenraum allerdings nicht steuerbar ist. Auch wenn Deutschland in den vergangenen Jahren sein Arbeitsmigrationsrecht für Drittstaatsangehörige schrittweise liberalisiert und im Bereich der Hochqualifizierten bereits weitgehend geöffnet hat, sind zur Sicherung der Fachkräftebasis weitere Anstrengungen erforderlich. Die Öffnung des Arbeitsmarktes in definierten Engpassberufen ist dabei ein Schritt in die richtige Richtung gewesen. Für die Sicherung des Wohlstandes unseres Landes ist es unerlässlich, dass der Wirtschaft auch zukünftig die benötigten Arbeitskräfte zur Verfügung stehen.

Aus diesem Grund müssen die Bestimmungen über die Arbeitsmigration reformiert und transparent gestaltet werden.

Ein modernes Migrationsrecht kann sich aber nicht auf Veränderungen im Aufenthaltsrecht beschränken, sondern muss ebenfalls arbeitsmarkt- und sozialpolitische Regelungen definieren. Zudem muss durch die Schaffung legaler Einwanderungsmöglichkeiten im Rahmen gesteuerter Einwanderung das hochbeanspruchte Asylsystem entlastet werden. Menschen, die zwar nicht vor Verfolgung oder Bürgerkrieg, aber aus anderen menschenrechtlich bedenklichen Umständen fliehen, werden letztlich von der Nutzung lebensgefährlicher Fluchtrouten und ungesteuerter Einreise nur abgehalten werden können, wenn es Alternativen hierzu gibt.

Es bedarf einer umfassenden Abstimmung zwischen Bund und Ländern und einer breiten gesellschaftlichen Debatte über Einwanderung, Integration und die gesellschaftlichen Veränderungen, die damit einhergehen. Ein Grundverständnis in der Bevölkerung, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und Einwandererinnen und Einwanderer hier willkommen sind, ist notwendig. Es muss offensiv dafür geworben werden, dass sie auf Dauer gleichberechtigte Staatsbürgerinnen und -bürger werden, sich einbürgern lassen und aktiv an der Gestaltung der Gesellschaft mitwirken können.

Es gilt, die Rahmenbedingungen für Einwanderung sowie die gesellschaftliche Integration und Teilhabe von Eingewanderten klarer und attraktiver zu gestalten, damit gut ausgebildete Menschen zu uns kommen und dauerhaft mit ihren Familien bei uns verbleiben.

Der Bundesrat fordert vor diesem Hintergrund die Bundesregierung auf, einen Entwurf für ein Einwanderungsgesetz vorzulegen und dabei folgende Eckpunkte zu berücksichtigen: