Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes

A. Problem und Ziel

I. § 52 Absatz 1 Nummer 2 BZRG

Die Verwertung im Register getilgter oder tilgungsreifer Eintragungen über frühere Verurteilungen durch einen Sachverständigen bei Erstattung eines Gutachtens über die Merkmale der Sicherungsverwahrung ( § 66 des Strafgesetzbuches [StGB]) insbesondere über die Feststellung eines Hanges im Sinne der Sicherungsverwahrung - ist bereits mehrfach vom Bundesgerichtshof (BGH) beanstandet worden (BGH, Beschlüsse vom 04. Oktober 2000 - 2 StR 352/00, vom 27. Juni 2002 4 StR 162/02, vom 12. September 2007 - 5 StR 347/07). Nur der 4. Strafsenat des BGH meldete mit seinem Beschluss vom 08. März 2005 (4 StR 569/04) Zweifel an dieser Rechtsprechung an. Mit Beschluss vom 28. August 2012 (3 StR 309/12) führte der BGH hingegen klarstellend aus, dass ein Gutachten zum Bestehen eines Hanges im Sinne der Sicherungsverwahrung ( § 66 StGB) kein Gutachten über den Geisteszustand im Sinne des § 52 Absatz 1 Nummer 2 des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG) ist und damit eine Verwertung von getilgten oder tilgungsreifen Verurteilungen gegen das in § 51 Absatz 1 BZRG normierte Verwertungsverbot verstößt. Mit dieser Begründung hob der BGH ein Urteil des Landgerichts Mönchengladbach auf, mit welchem der Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt und die Sicherungsverwahrung angeordnet worden war.

Grundsätzlich gilt in § 51 Absatz 1 BZRG ein Vorhalte- und Verwertungsverbot für getilgte oder tilgungsreife Eintragungen über Verurteilungen. Ausnahmen zu diesem Grundsatz enthält die Regelung des § 52 BZRG. Konkret sieht § 52 Absatz 1 Nummer 2 BZRG vor, dass eine frühere Tat abweichend von § 51 Absatz 1 BZRG verwertet werden darf, wenn in einem neuen Strafverfahren ein Gutachten über den Geisteszustand des Betroffenen zu erstatten ist. Die Gesetzesmaterialien geben keinen Aufschluss darüber, was unter dem Begriff des Geisteszustandes zu verstehen ist. Der Begriff des "Geisteszustandes" findet sich weder in den Regelungen über die Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB) noch in den Regelungen über die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ( § 63 StGB) oder über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ( § 64 StGB) und auch nicht in den Regelungen über die Sicherungsverwahrung ( § 66 StGB) wieder.

Die Verwertung getilgter oder tilgungsreifer Verurteilungen bei der Erstattung eines Gutachtens in einem neuen Strafverfahren ist erforderlich.

Zu einer Persönlichkeitsanamnese gehört die Kenntnis aller wesentlichen Einzelheiten aus dem Vorleben ­ auch strafrechtlichen Vorleben - einer Person. Dürfte ein Sachverständiger bei Erstattung des Gutachtens frühere Straftaten nicht verwerten, käme er unter Umständen zu lückenhaften Ergebnissen, die nicht überzeugen können und daher als Grundlage für eine Urteilsfindung ausscheiden (Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BT-Drucksache 0VI/1550, S. 23; Götz/Tolzmann, Kommentar zum Bundeszentralregistergesetz, 4. Auflage, 2000, § 52 Rnr. 8).

II. § 60 Absatz 1 Nummer 3 BZRG

Ein Schuldspruch nach § 27 Jugendgerichtsgesetz (JGG) wird grundsätzlich zunächst im Zentralregister eingetragen (§ 4 Nummer 4 BZRG). Bei dem Schuldspruch handelt es sich um eine jugendgerichtliche Entscheidung, bei der die Schuld des Jugendlichen oder Heranwachsenden im Urteil festgestellt und eine endgültige Entscheidung über die Verhängung einer Jugendstrafe aber von dem Verhalten des Betroffenen während einer Bewährungszeit abhängig gemacht wird. Wenn nach Ablauf der Bewährungszeit die Voraussetzungen für die Verhängung einer Jugendstrafe nicht vorliegen, wird der Schuldspruch nach § 30 Absatz 2 JGG getilgt sowie nach § 13 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 BZRG die Eintragung des Schuldspruchs im Zentralregister entfernt. Eine Eintragung in das Erziehungsregister erfolgt in diesen Fällen nicht. Die nach § 30 Absatz 2 JGG getilgten Schuldsprüche werden von der Eintragungspflicht im Erziehungsregister nicht erfasst. Dies ergibt sich aus § 60 Absatz 1 Nummer 3 BZRG. In der Praxis bedeutet das, dass der Jugendrichter in einem späteren Jugendstrafverfahren in diesen Fällen keine Kenntnis von dem nach § 27 JGG ergangenen Schuldspruch und den dem Schuldspruch zugrundliegenden Taten erlangt.

Hingegen erfolgt nach § 60 Absatz 1 Nummer 3 BZRG eine Eintragung des aus dem Zentralregister entfernten Schuldspruchs in das Erziehungsregister, wenn der Schuldspruch in eine neue Entscheidung einbezogen wurde und diese neue Entscheidung in das Erziehungsregister einzutragen ist (§ 13 Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 BZRG). So werden beispielsweise die Anordnung von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln in das Erziehungsregister eingetragen (§ 60 Absatz 1 Nummer 2 BZRG). Selbst die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft gemäß § 45 JGG, durch die von der Verfolgung abgesehen wird, sowie die Verfahrenseinstellungen durch die Richterin bzw. den Richter gemäß § 47 JGG werden in das Erziehungsregister eingetragen (§ 60 Absatz 1 Nummer 7 BZRG).

Vor diesem Hintergrund ist der Umstand, dass die nach § 30 Absatz 2 JGG getilgten Schuldsprüche ( § 27 JGG) von der in § 60 BZRG normierten Eintragungspflicht ins Erziehungsregister nicht erfasst werden, widersprüchlich. Systematisch ist der Schuldspruch nach § 27 JGG zwischen den Zuchtmitteln und der Verhängung einer Jugendstrafe zur Bewährung einzuordnen (vgl. Ostendorf, Kommentar zum Jugendgerichtsgesetz, 9. Auflage, 2013, Grdl. z. den §§ 27 bis 30 Rnr. 1). Häufig liegen der Entscheidung nach § 27 JGG mehrere Straftaten zu Grunde, die nicht nur Bagatellcharakter haben. Bei einem nach § 27 JGG ergangenen Schuldspruch kann jedoch nicht sicher beurteilt werden, ob schädliche Neigungen von einem Umfang hervorgetreten sind, dass eine Jugendstrafe erforderlich ist. Unter schädlichen Neigungen werden solche Mängel verstanden, die ohne längere Gesamterziehung die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten in sich bergen, die nicht nur gemeinlästig sind oder den Charakter von Bagatelldelikten haben (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 20). Wenn die aus dem Bundeszentralregister gelöschten Schuldsprüche nicht in das Erziehungsregister eingetragen werden, stellt dies im Vergleich zu niedrigschwelligeren Ahndungen wie Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel eine nicht gerechtfertigte Besserstellung dar, denn diese werden in der Regel gemäß § 60 Absatz 1 Nummer 2 BZRG von Anfang an in das Erziehungsregister aufgenommen.

Gleichzeitig steht die gegenwärtige Regelung dem Zweck des Erziehungsregisters entgegen, indem für das erkennende Jugendgericht in einem späteren Strafverfahren ein nach § 30 Absatz 2 JGG getilgter Schuldspruch nach § 27 JGG nicht mehr sichtbar ist. Dies ist nicht sachgemäß. Zwar soll eine Stigmatisierung der Jugendlichen durch die angeordneten Maßnahmen weitgehend vermieden werden. Aus diesem Grunde werden nicht alle getroffenen Entscheidungen im Bundeszentralregister eingetragen, um der Gefahr einer Verfestigung und Verstärkung bestehender Sozialisationsdefekte entgegenzutreten. Gleichzeitig ist es aber auch von großer Bedeutung, die Entwicklung der Jugendlichen zu verfolgen, um sie bei der Wahl der einzusetzenden, erzieherisch wirksamen Mittel richtig beurteilen zu können. So müssen bei einem rückfälligen Straffälligen andere Maßnahmen ergriffen werden als bei den Jugendlichen, die sich eine einmalige Verfehlung haben zuschulden kommen lassen. Zur richtigen Einschätzung dieser Fragen bedarf es einer Registrierung sowohl der Straftaten als auch der Folgen im Erziehungsregister. Nur auf diese Weise kann den am Jugendstrafverfahren Beteiligten ein vollständiges Bild verschafft werden (vgl. Götz/Tolzmann, Kommentar zum Bundeszentralregistergesetz, 4. Auflage, § 59 Rnr. 4). Die gegenwärtige Rechtslage, die eine Eintragung der nach § 30 Absatz 2 JGG getilgten Schuldsprüche nach § 27 JGG im Erziehungsregister ausschließt, lässt dies nicht zu.

B. Lösung

Mit der Änderung des § 52 Absatz 1 Nummer 2 BZRG wird die Ausnahmeregelung in geringem Umfang auf die Erstattung der Gutachten über das Vorliegen der Merkmale der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) und der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) erweitert. Im Übrigen hat die Änderung klarstellende Funktion.

Mit der Änderung des § 60 Absatz 1 Nummer 3 BZRG wird die Eintragung des Schuldspruchs in das Erziehungsregister ermöglicht, wenn nach Ablauf der Bewährungszeit der Schuldspruch getilgt sowie die Eintragung im Zentralregister entfernt worden ist.

I. Zu § 52 Absatz 1 Nummer 2 BZRG

Der Gesetzentwurf sieht in § 52 Absatz 1 Nummer 2 BZRG vor, dass im ersten Halbsatz die Wörter "über den Geisteszustand des Betroffenen" durch die Angabe "zu §§ 20, 21, 63, 64 und 66 des Strafgesetzbuches" ersetzt und im zweiten Halbsatz die Wörter "seines Geisteszustandes" gestrichen werden. Mit der Änderung wird ausdrücklich festgelegt, wann ein Sachverständiger bei Erstattung seines Gutachtens in einem späteren Strafverfahren gegen den Betroffenen die früheren getilgten oder tilgungsreifen Verurteilungen verwerten darf. Die Ausnahmeregelung des § 52 Absatz 1 Nummer 2 BZRG erfasst dabei auch die Gutachten im Rahmen einer Prüfung der Fortdauer der Unterbringung oder der Sicherungsverwahrung.

Bezüglich der Gutachten zu den Merkmalen der §§ 20, 21, 63 StGB handelt es sich um eine Klarstellung. Wie der BGH in seinem Beschluss vom 28. August 2012 (3 StR 309/12) ausgeführt hat, legt der Wortlaut des § 52 Absatz 1 Nummer 2 BZRG es nahe, dass mit "Geisteszustand" der psychische Zustand des Angeklagten zum Zeitpunkt der Tatbegehung gemeint ist, über den im Rahmen der Schuldfähigkeitsprüfung gegebenenfalls ein Sachverständiger sein Gutachten zu erstatten hat. Unter Zugrundlegung dieser Ausführungen ist bereits gegenwärtig die Verwertung getilgter und tilgungsreifer Verurteilungen bei der Erstattung eines Gutachtens zur Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB) möglich. Dieses gilt auch bei Gutachten über die Merkmale der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB).

In Bezug auf die Erstattung eines Gutachtens über die Merkmale der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) und der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) sieht der Gesetzentwurf eine Erweiterung der Ausnahmeregelung des § 52 Absatz 1 Nummer 2 BZRG in geringem Umfang vor. Damit wird sichergestellt, dass das vollständige strafrechtliche Vorleben des Betroffenen bei Erstellung des Gutachtens berücksichtigt werden kann. Lückenhafte Ergebnisse, die als Grundlage für die Urteilsfindung ausscheiden müssen, können dadurch vermieden werden. Dies gilt ebenso für die Erstattung von Gutachten im Rahmen der Prüfung der Fortdauer der Unterbringung oder der Sicherungsverwahrung.

Die geringfügige Erweiterung der Ausnahmeregelung des § 52 BZRG läuft der rechtspolitischen Zielsetzung des BZRG nicht zuwider. Das Gesetz will dem Gedanken der Resozialisierung in besonderem Maße Rechnung tragen. Das bedeutet, dass die Wiedereingliederung verurteilter Personen oder die Rehabilitation psychisch kranker Menschen durch Registereintragungen und Auskunftserteilungen aus dem Register nicht oder nicht unnötig lange erschwert wird. Diesen Interessen des Betroffenen stehen begründete öffentliche und zum Teil auch private Interessen an einem möglichst umfassenden und lückenlosen Register gegenüber (Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BT-Drucksache 0VI/1550 S. 1). Die im Gesetzentwurf vorgesehene Änderung bewegt sich in diesem Spannungsfeld. Soweit die Verwertung getilgter oder tilgungsreifer Verurteilungen bei Erstattung eines Gutachtens über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) oder der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) die Interessen des Betroffenen nachteilig berührt, überwiegt das begründete öffentliche Interesse der Allgemeinheit an einem effektiven und dauerhaften Schutz vor schweren Straftaten.

II. Zu § 60 Absatz 1 Nummer 3 BZRG

Durch die Streichung der Angabe "Nummer 2" in § 60 Absatz 1 Nummer 3 BZRG erstreckt sich die Eintragungspflicht in das Erziehungsregister auch auf gemäß § 30 Absatz 2 JGG getilgte Schuldsprüche nach § 27 JGG.

Dadurch wird gewährleistet, dass Zentral- und Erziehungsregister zusammen den Beteiligten in einem späteren Jugendstrafverfahren ein möglichst vollständiges Bild über die straf- und erziehungsrechtliche Vergangenheit des Jugendlichen oder Heranwachsenden geben. Damit wird das entscheidende Jugendgericht in die Lage versetzt, eine erzieherisch sinnvolle Entscheidung zu treffen.

Vor diesem Hintergrund erscheint auch die mögliche Gefahr einer größeren Stigmatisierung des verurteilten Jugendlichen oder Heranwachsenden durch die längere Eintragung eines Schuldspruchs hinnehmbar. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine Stigmatisierung nach außen ausgeschlossen werden kann, da der Schuldspruch nach § 27 JGG gemäß § 32 Absatz 2 Nummer 2 BZRG nicht in das Führungszeugnis aufgenommen wird und nur die in § 41 BZRG aufgezählten Institutionen (Gerichte, Staatsanwaltschaften etc.) eine unbeschränkte Auskunft aus dem Zentralregister erhalten würden.

C. Alternativen

Keine

D. Finanzielle Auswirkungen für die öffentlichen Haushalte

Keine

E. Sonstige Kosten

Keine

F. Bürokratiekosten

Keine

Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes

Der Bundesrat hat in seiner 929. Sitzung am 19. Dezember 2014 beschlossen, den beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.

Anlage
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Bundeszentralregistergesetzes

Das Bundeszentralregistergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1984 (BGBl. I S. 1229, 1985 I S. 195), das durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. § 52 Absatz 1 Nummer 2 wird wie folgt geändert:

2. In § 60 Absatz 1 Nummer 3 wird die Angabe "Nummer 2" gestrichen.

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Anlass und Zielsetzung des Gesetzentwurfs

Zu § 52 Absatz 1 Nummer 2 BZRG

Die Verwertung im Register getilgter oder tilgungsreifer Eintragungen über frühere Verurteilungen durch einen Sachverständigen bei Erstattung eines Gutachtens über die Merkmale der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) - insbesondere der Feststellung eines Hanges im Sinne der Sicherungsverwahrung - ist bereits mehrfach vom Bundesgerichtshof (BGH) beanstandet worden (BGH, Beschlüsse vom 04. Oktober 2000 - 2 StR 352/00, vom 27. Juni 2002 - 4 StR 162/02, vom 12. September 2007 5 StR 347/07). Nur der 4. Strafsenat des BGH meldete mit seinem Beschluss vom 08. März 2005 (4 StR 569/04) Zweifel an dieser Rechtsprechung an. Mit Beschluss vom 28. August 2012 (3 StR 309/12) führte der BGH hingegen klarstellend aus, dass ein Gutachten zum Bestehen eines Hanges im Sinne der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) kein Gutachten über den Geisteszustand im Sinne des § 52 Absatz 1 Nummer 2 des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG) ist und damit eine Verwertung von getilgten oder tilgungsreifen Verurteilungen gegen das in § 51 Absatz 1 BZRG normierte Verwertungsverbot verstößt. Mit dieser Begründung hob der BGH ein Urteil des Landgerichts Mönchengladbach auf, mit welchem der Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt und die Sicherungsverwahrung angeordnet worden war.

Grundsätzlich gilt in § 51 Absatz 1 BZRG ein Vorhalte- und Verwertungsverbot für getilgte oder tilgungsreife Eintragungen über Verurteilungen. Ausnahmen zu diesem Grundsatz enthält die Regelung des § 52 BZRG. Konkret sieht § 52 Absatz 1 Nummer 2 BZRG vor, dass eine frühere Tat abweichend von § 51 Absatz 1 BZRG verwertet werden darf, wenn in einem neuen Strafverfahren ein Gutachten über den Geisteszustand des Betroffenen zu erstatten ist. Die Gesetzesmaterialien geben keinen Aufschluss darüber, was unter dem Begriff des Geisteszustandes zu verstehen ist. Der Begriff des "Geisteszustandes" findet sich in den Regelungen über die Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB), über die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB), über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) sowie in den Regelungen über die Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) nicht wieder.

Mit der Änderung des § 52 Absatz 1 Nummer 2 BZRG wird die Ausnahmeregelung in geringem Umfang auf die Erstattung der Gutachten über das Vorliegen der Merkmale der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) und der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) erweitert. Im Übrigen hat die Änderung klarstellende Funktion.

Dadurch wird dem Sachverständigen bei Erstattung seines Gutachtens die Verwertung getilgter oder tilgungsreifer Eintragungen über frühere Verurteilungen ermöglicht. Dies ist erforderlich, denn zu einer Persönlichkeitsanamnese gehört die Kenntnis aller wesentlichen Einzelheiten aus dem Vorleben - auch strafrechtlichen Vorleben - einer Person. Dürfte ein Sachverständiger bei Erstattung des Gutachtens frühere Straftaten nicht verwerten, käme er unter Umständen zu lückenhaften Ergebnissen, die nicht überzeugen können und daher als Grundlage für eine Urteilsfindung ausscheiden (Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BT-Drucksache 0VI/1550, S. 23). Dies gilt für die Erstattung von Gutachten im Rahmen der Prüfung der Fortdauer der Unterbringung oder der Sicherungsverwahrung gleichermaßen.

Zu § 60 Absatz 1 Nummer 3 BZRG:

Ein Schuldspruch nach § 27 Jugendgerichtsgesetz (JGG) wird grundsätzlich zunächst im Zentralregister eingetragen (§ 4 Nummer 4 BZRG). Bei dem Schuldspruch handelt es sich um eine jugendgerichtliche Entscheidung, bei der die Schuld des Jugendlichen im Urteil festgestellt und eine endgültige Entscheidung über die Verhängung einer Jugendstrafe aber von dem Verhalten des Betroffenen während einer Bewährungszeit abhängig gemacht wird. Wenn nach Ablauf der Bewährungszeit die Voraussetzungen für die Verhängung einer Jugendstrafe nicht vorliegen, werden der Schuldspruch nach § 30 Absatz 2 JGG getilgt sowie die Eintragung des Schuldspruchs im Zentralregister entfernt (§ 13 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 BZRG). Eine Eintragung in das Erziehungsregister erfolgt in diesen Fällen nicht. Die nach § 30 Absatz 2 JGG getilgten Schuldsprüche werden von der Eintragungspflicht ins Erziehungsregister nicht erfasst. Dies ergibt sich aus § 60 Absatz 1 Nummer 3 BZRG. In der Praxis bedeutet das, dass das Jugendgericht in einem späteren Jugendstrafverfahren in diesen Fällen keine Kenntnis von dem nach § 27 JGG ergangenen Schuldspruch und den dem Schuldspruch zugrundliegenden Taten erlangt.

Mit der Änderung des § 60 Absatz 1 Nummer 3 BZRG wird die Eintragung des Schuldspruchs in das Erziehungsregister ermöglicht, wenn nach Ablauf der Bewährungszeit der Schuldspruch getilgt sowie die Eintragung im Zentralregister entfernt worden ist.

II. Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Regelung des Strafregisterwesens ergibt sich aus Artikel 74 Nummer 1 des Grundgesetzes, da diese Materie zu dem Gebiet des Straf- und Strafverfahrensrechts gehört.

III. Gesetzesfolgen

Finanzielle Auswirkungen sind durch das beabsichtigte Gesetz nicht zu erwarten.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Bundeszentralregistergesetzes)

Zu Nummer 1 (§ 52 Absatz 1 Nummer 2 BZRG)

In § 52 Absatz 1 Nummer 2 BZRG werden im ersten Halbsatz die Wörter "über den Geisteszustand des Betroffenen" durch die Angabe "zu §§ 20, 21, 63, 64 und 66 des Strafgesetzbuches" ersetzt und im zweiten Halbsatz die Wörter "seines Geisteszustandes" gestrichen.

Bezüglich der Gutachten zu den Merkmalen der §§ 20, 21, 63 StGB handelt es sich um eine Klarstellung. Wie der BGH in seinem Beschluss vom 28. August 2012 (3 StR 309/12) ausgeführt hat, legt der Wortlaut des § 52 Absatz 1 Nummer 2 BZRG es nahe, dass mit "Geisteszustand" der psychische Zustand des Angeklagten zum Zeitpunkt der Tatbegehung gemeint ist, über den im Rahmen der Schuldfähigkeitsprüfung gegebenenfalls ein Sachverständiger sein Gutachten zu erstatten hat. Unter Zugrundlegung dieser Ausführungen ist bereits gegenwärtig die Verwertung getilgter und tilgungsreifer Verurteilungen bei der Erstattung eines Gutachtens zur Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB) möglich. Dieses gilt auch bei Gutachten über die Merkmale der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB).

Hingegen sind Gutachten über die Merkmale der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB), bei denen die Beurteilung eines Hanges und einer darauf beruhenden Gefährlichkeit im Vordergrund steht, keine Gutachten über den Geisteszustand (Beschluss des BGH vom 21. August 2012, 4 StR 247/12). Gleiches gilt für Gutachten zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB), bei denen es ebenfalls auf die Beurteilung eines Hanges und einer darauf beruhenden Gefährlichkeit ankommt. Durch die Änderung kann der Sachverständige auch bei Erstattung von Gutachten zu §§ 64, 66 StGB getilgte oder tilgungsreife Verurteilungen berücksichtigen. Dadurch soll vermieden werden, dass der Sachverständige möglicherweise zu falschen oder nicht belastbaren Aussagen gelangt, weil er bei der Persönlichkeitsanamnese auf bedeutsame Erkenntnisse verzichten musste, die für die Beurteilung von Bedeutung gewesen wären. Dies gilt für die Erstattung von Gutachten im Rahmen der Prüfung der Fortdauer der Unterbringung oder der Sicherungsverwahrung gleichermaßen.

Die geringfügige Erweiterung der Ausnahmeregelung des § 52 BZRG läuft der rechtspolitischen Zielsetzung des BZRG nicht zuwider. Das Gesetz will dem Gedanken der Resozialisierung in besonderem Maße Rechnung tragen. Das bedeutet, dass die Wiedereingliederung verurteilter Personen oder die Rehabilitation psychisch kranker Menschen durch Registereintragungen und Auskunftserteilungen aus dem Register nicht oder nicht unnötig lange erschwert wird. Diesen Interessen des Betroffenen stehen allerdings begründete Allgemeininteressen an einem möglichst umfassenden und lückenlosen Register gegenüber (Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BT-Drucksache 0VI/1550 S. 1). Soweit die Verwertung getilgter oder tilgungsreifer Verurteilungen bei Erstattung eines Gutachtens über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) oder der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) die Interessen des Betroffenen nachteilig berührt, überwiegt das begründete öffentliche Interesse der Allgemeinheit an einem effektiven und dauerhaften Schutz vor schweren Straftaten.

Im Übrigen bleiben die bisherigen Grundsätze bestehen: Die Zulässigkeit der Verwertung bezieht sich nur auf die Tatumstände, die zur Erstellung des Gutachtens erforderlich sind. Die Gerichte und die Staatsanwaltschaften dürfen den Sachverständigen beispielsweise das Gutachten zur Verfügung stellen, das im Rahmen eines der getilgten Eintragung zugrunde liegenden früheren Strafverfahrens erstellt worden ist, sowie die noch nicht getilgten Verurteilungen bekanntgeben. Die Kenntnis von etwaigen getilgten Eintragungen müssen sich die Sachverständigen von den Betroffenen selbst im Rahmen der Exploration oder auf sonstige Weise beschaffen (vgl. Götz/Tolzmann, Kommentar zum Bundeszentralregistergesetz, 4. Auflage, 2000, § 52 Rnr. 8). Haben die Sachverständigen Verurteilungen, deren Eintragungen bereits getilgt sind, in ihrem Gutachten verwertet, so dürfen diese - obwohl sie nun gerichtsbekannt sind - jedoch vom Gericht nicht bei der Strafzumessung zum Nachteil der Betroffenen verwertet werden (Urteil des BGH vom 08. November 1972 - 3 StR 85/72).

Zu Nummer 2 (§ 60 Absatz 1 Nummer 3 BZRG)

In § 60 Absatz 1 Nummer 3 BZRG wird durch die Streichung der Angabe "Nummer 2" die Eintragungspflicht in das Erziehungsregister auch auf die nach § 30 Absatz 2 JGG getilgten Schuldsprüche erstreckt.

Dadurch wird gewährleistet, dass das Zentral- und Erziehungsregister zusammen den Beteiligten in einem späteren Jugendstrafverfahren ein möglichst vollständiges

Bild über die straf- und erziehungsrechtliche Vergangenheit des Jugendlichen oder Heranwachsenden gibt. Damit wird das entscheidende Jugendgericht in die Lage versetzt, eine erzieherisch sinnvolle Entscheidung zu treffen.

Die Erfassung der nach § 30 Absatz 2 JGG getilgten Schuldsprüche (§ 27 JGG) im Erziehungsregister steht auch im Einklang mit dem Zweck des Erziehungsregisters. Zwar soll eine Stigmatisierung der Jugendlichen oder Heranwachsenden durch die angeordneten Maßnahmen weitgehend vermieden werden. Aus diesem Grunde werden nicht alle getroffenen Entscheidungen im Bundeszentralregister eingetragen, um der Gefahr einer Verfestigung und Verstärkung bestehender Sozialisationsdefekte entgegenzutreten. Gleichzeitig ist es aber auch von großer Bedeutung, die Entwicklung der Jugendlichen oder Heranwachsenden zu verfolgen, um sie bei der Wahl der einzusetzenden, erzieherisch wirksamen Mittel richtig beurteilen zu können. So müssen bei einem wiederholt Straffälligen andere Maßnahmen ergriffen werden als bei den Jugendlichen, die sich eine einmalige Verfehlung haben zuschulden kommen lassen. Zur richtigen Einschätzung dieser Fragen bedarf es einer Registrierung sowohl der Straftaten als auch der Folgen im Erziehungsregister. Nur auf diese Weise kann den am Jugendstrafverfahren Beteiligten ein vollständiges Bild verschafft werden (vgl. Götz/Tolzmann, Kommentar zum Bundeszentralregistergesetz, 4. Auflage, § 59 Rnr. 4).

Die mögliche Gefahr einer größeren Stigmatisierung des verurteilten Jugendlichen oder Heranwachsenden durch die längere Eintragung eines Schuldspruchs kann dabei als eher gering eingestuft werden.

Zu berücksichtigen ist nämlich, dass eine Stigmatisierung nach außen ausgeschlossen werden kann, da der Schuldspruch gemäß § 27 JGG nach § 32 Absatz 2 Nummer 2 BZRG nicht in das Führungszeugnis aufgenommen wird und nur die in § 41 BZRG aufgezählten Institutionen (Gerichte, Staatsanwaltschaften etc.) eine unbeschränkte Auskunft aus dem Zentralregister erhalten.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.