Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments zur behaupteten Nutzung europäischer Staaten durch die CIA für die Beförderung und das rechtswidrige Festhalten von Gefangenen - Halbzeitbilanz des Nichtständigen Ausschusses (2006/2027(INI))

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 6. Juli 2006 angenommen.

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass das Hauptziel der Tätigkeit des Nichtständigen Ausschusses darin besteht, festzustellen, ob im Rahmen der erhobenen Vorwürfe die Handlungen der Europäischen Union (EU) und ihrer Mitgliedstaaten die in Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) genannten Gründungsprinzipien wahren und insbesondere den Schutz der Grundrechte gewährleisten, wie sie u. a in der vom Europarat am 4. November 1950 angenommenen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) definiert sind,

B. in der Erwägung, dass die Charta der Grundrechte der Europäischen Union3, die vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission anlässlich der Tagung des Europäischen Rates vom 7. Dezember 2000 in Nizza proklamiert und in Teil II des Vertrags über eine Verfassung für Europa aufgenommen wurde, einer der Bezugstexte nicht nur für den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, sondern auch für die Verfassungsgerichte und sonstigen Gerichte in den Mitgliedstaaten ist,

C. in der Erwägung, dass der Kampf gegen den Terrorismus nicht gewonnen werden kann, indem genau die Prinzipien geopfert werden, die der Terrorismus zu zerstören versucht, und dass insbesondere der Schutz der Grundrechte niemals aufs Spiel gesetzt werden darf; ferner in der Erwägung, dass der Terrorismus mit legalen Mitteln bekämpft und vernichtet werden muss, wobei das Völkerrecht und innerstaatliches Recht einzuhalten ist und sowohl die Regierungen als auch die Öffentlichkeit verantwortungsbewusst handeln,

D. in der Erwägung, dass der Grundsatz der Unantastbarkeit der Würde des Menschen in Artikel 1 der Charta der Grundrechte verankert ist und die Voraussetzung für alle weiteren Grundrechte ist, insbesondere das Recht auf Leben (Artikel 2), das Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (Artikel 4), den Schutz bei Abschiebung, Ausweisung und Auslieferung (Artikel 19) sowie das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht (Artikel 47), und in der Erwägung, dass dieser Grundsatz selbst aus Sicherheitserfordernissen weder in Friedens- noch in Kriegszeiten eingeschränkt werden darf,

E. in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten gemäß den internationalen Menschenrechtsstandards, wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und den dazugehörigen Instrumenten festgelegt sind, und insbesondere gemäß der EMRK verpflichtet sind, dafür zu sorgen, dass für alle ihrer Gerichtsbarkeit unterstehenden Personen die international gewährleisteten Grundrechte gelten, darunter auch das Verbot von Überstellungen dorthin, wo die Gefahr der Folter oder sonstiger grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe besteht,

F. in der Erwägung, dass die europäische und internationale Menschenrechtsgesetzgebung das gewaltsam verursachte Verschwinden von Personen, ohne dass ein gerichtliches Verfahren durchgeführt würde, untersagt, darunter auch die Inhaftierung an geheimen Orten, bei der Personen in Isolationshaft gehalten und weder die Familie noch die Öffentlichkeit über ihr Schicksal oder ihren Aufenthaltsort informiert werden,

G. in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten aufgrund der erhobenen Vorwürfe nicht nur aufgrund der Bestimmungen der EMRK, sondern auch als Vertragspartner folgender Abkommen zur Verantwortung gezogen werden können:

H. in der Erwägung, dass eine möglichst enge Zusammenarbeit zwischen der europäischen und der amerikanischen Regierung sowie allen Regierungen weltweit, die sich für die gleiche Sache einsetzen, notwendig ist, um den Terrorismus zu bekämpfen,

I. in der Erwägung, dass eine möglichst enge Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen dem Nichtständigen Ausschuss und dem Europarat, dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte sowie den Behörden der Mitgliedstaaten und insbesondere den nationalen Parlamenten erforderlich ist,

J. in der Erwägung, dass bei dieser Abstimmung und Zusammenarbeit die bereits ergriffenen Maßnahmen und durchgeführten Untersuchungen berücksichtigt werden sollten, insbesondere:

K. in der Erwägung, dass unter diesem Gesichtspunkt auch dem Zwischenbericht des Generalsekretärs des Europarates8, der im Rahmen der Anfrage gemäß Artikel 52 EMRK ausgearbeitet wurde, besondere Bedeutung beizumessen ist, ebenso den Erklärungen des Generalsekretärs anlässlich der Pressekonferenz vom 12. April 2006, die sich an die von den Mitgliedstaaten des Europarates, darunter den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, übermittelten detaillierten Antworten anschließen9; ferner in der Erwägung, dass der Generalsekretär erklärt hat, dass offensichtlich Überführungsflüge stattfanden und dass kaum einer der Mitgliedstaaten über die notwendigen rechtlichen Bestimmungen verfüge, um Personen wirksam vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen, die von Agenten befreundeter ausländischer Sicherheitsdienste, die auf ihrem Hoheitsgebiet operierten, verübt würden, und dass er eine Antwort erhalten hat, in der offiziell eingeräumt wird, dass Personen mittels Verfahren an ausländische Agenten überstellt wurden, die nicht mit den in der EMRK und anderen Rechtsinstrumenten des Europarates geforderten Normen und Schutzmaßnahmen in Einklang stehen10,

L. in der Erwägung, dass in dieser ersten Phase der Tätigkeit des Nichtständigen Ausschusses ein kohärentes Informationsdossier zusammengestellt werden konnte, resultierend insbesondere aus:

M. in der Erwägung, dass der Nichtständige Ausschuss ungeachtet der Tatsache, dass er nicht über quasigerichtliche Untersuchungsbefugnisse verfügt und dass die einzelstaatlichen Behörden die mutmaßliche Tätigkeit der Nachrichtendienste geheim halten, übereinstimmende Informationen dahingehend gesammelt hat, dass auf europäischem Hoheitsgebiet einige rechtswidrige Verfahren stattgefunden haben, die die Bürger und Bewohner Europas betreffen, womit es nun an den europäischen Regierungen ist, nachzuweisen, ob sie ihre Menschenrechtsverpflichtungen gemäß Artikel 6 EUV und der EMRK erfüllt haben,

N. in der Erwägung, dass die bisherige Tätigkeit des Nichtständigen Ausschusses die Berechtigung seines Beschlusses vom 18. Januar 2006 über dessen Einsetzung stärkt, gleichzeitig jedoch die Notwendigkeit offenbart, weitere Überprüfungen vorzunehmen und ergänzende Informationen zu sammeln, weshalb die Fortführung seiner Tätigkeit notwendig ist, damit er das ihm übertragene Mandat uneingeschränkt erfüllen kann,

O. in der Erwägung, dass sein Beschluss vom 18. Januar 2006 in Ziffer 3 vorsieht, dass der Nichtständige Ausschuss ihm einen Zwischenbericht mit detaillierten Vorschlägen darüber vorlegen muss, wie er seine Arbeit fortsetzen wird,

P. in der Erwägung, dass in dieser Entschließung "europäische Länder" verstanden werden sollten als Mitgliedstaaten sowie Beitritts-, Bewerber- und assoziierte Länder, wie in dem am 18. Januar 2006 beschlossenen Mandat des Nichtständigen Ausschusses vermerkt,

Q. in der Erwägung, dass sich die vorliegende Entschließung auf drei verschiedene Vorgehensweisen bezieht, die von den Vereinigten Staaten anscheinend praktiziert werden:

Vom Nichtständigen Ausschuss bislang gesammelte Informationen

Rechtswidrige Verhaftungen, Abschiebungen, Festnahmen, Entführungen, außerordentliche Überstellungen und geheime Inhaftierungen durch die CIA, sonstige US-Agenturen oder -Dienste oder andere Sicherheitsdienste von Drittländern

Mögliche aktive oder passive Verwicklung von Mitgliedstaaten sowie Beitritts- und Bewerberländern in Festnahmen, rechtswidrige Verhaftungen, Abschiebungen, Entführungen, Ausweisungen, außerordentliche Überstellungen und Inhaftierungen an geheimen Orten

Einsatz von Folter

Nutzung des europäischen Luftraums und europäischer Flughäfen durch die CIA

Künftige Tätigkeit des Nichtständigen Ausschusses