Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat
Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten

Der Bundesrat hat in seiner 914. Sitzung am 20. September 2013 beschlossen, zu dem vom Deutschen Bundestag am 27. Juni 2013 verabschiedeten Gesetz zu verlangen, dass der Vermittlungsausschuss gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes mit dem Ziel einberufen wird, das Gesetz grundlegend zu überarbeiten.

Begründung:

Das Gesetz wird dem Ziel, den Menschenhandel einzudämmen beziehungsweise zu bekämpfen sowie die erforderliche Überwachung von Prostitutionsstätten zu ermöglichen, nicht gerecht.

Das Gesetz, das der Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/Jl des Rates (ABl. L 101 vom 15.4.2011, S. 1) dienen soll, bleibt hinter den Vorgaben der Richtlinie zurück.

Menschenhandel in jeglicher Form ist eine besonders schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte und der Menschenwürde der Opfer, dem entschieden entgegengetreten werden muss. Das Gesetz hingegen beinhaltet lediglich eine Minimallösung und lässt die Gelegenheit ungenutzt, umfassende gesetzgeberische Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels zu ergreifen.

Die strafrechtliche Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU ist unzureichend, so bedürfen insbesondere die Änderungen der Straftatbestände des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, des Menschenhandels zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft und der Förderung des Menschenhandels der Ergänzung, um dem Schutzzweck der Richtlinie zu entsprechen.

Im Bereich der Bekämpfung des Menschenhandels wurde der grundsätzlichen Kritik von Fachleuten an den schwer beweisbaren Tatbestandsvoraussetzungen der Menschenhandelsparagrafen, die in der Praxis nur zu wenigen Verurteilungen führen (zum Beispiel: das Opfer "dazu bringen"), nicht Rechnung getragen.

Aus Sicht der Rechtspraxis und des Opferschutzes bedarf es einer grundlegenden Überarbeitung der Straftatbestände der §§ 232 ff. StGB, um die bisher geringe Zahl der Verurteilungen dem tatsächlichen Ausmaß der Kriminalitätsform des Menschenhandels anzupassen. Insbesondere gilt es, § 233 StGB, der ohnehin zur Umsetzung der Richtlinie überarbeitet werden muss, grundlegend zu reformieren. Eine Reform dieser Vorschrift ist dringend notwendig, um die Anwendung des Tatbestands, der bislang praktisch kaum zur Anwendung kommt, zu vereinfachen und zu erreichen, dass er aus seinem bisherigen Schattendasein heraustritt. Der Gesetzesantrag Niedersachsens (BR-Drucksache 528/13 (PDF) ) bietet hierfür eine Grundlage. In der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucksache 17/13706) werden die Mängel und die Kritik unter anderem aus der Strafverfolgungs- und Rechtspraxis zwar benannt, die Prüfung und Erarbeitung einer umfassenderen Regelung auch außerhalb des Strafrechts zur Verbesserung der Bekämpfung des Menschenhandels und zur Besserstellung seiner Opfer aber in unzureichender Weise erst für die nächste Wahlperiode angekündigt.

Lücken im Bereich der Opferentschädigung werden ebenfalls nicht geschlossen.

Ein weiterer wichtiger Baustein zur effektiven Bekämpfung des Menschenhandels ist die Stärkung der Opfer von Menschenhandel. Diesen Teilaspekt klammert das Gesetz aus.

Die Ausgestaltung dieses Aufenthaltsrechts muss den besonderen Erfordernissen der Situation Rechnung tragen, in der sich die Betroffenen befinden. So dürfen etwa aufenthaltsrechtliche Beschränkungen nicht an der Teilnahme an Zeugenschutzprogrammen hindern.

Das Gesetz kommt der Verpflichtung aus Artikel 19 der Richtlinie 2011/36/EU zur Schaffung einer nationalen Berichterstatterstelle oder der Einführung gleichwertiger Mechanismen, die Ergebnisse der Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels messen und bewerten, nicht nach. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Menschenhandel als bewährtes Vernetzungsgremium ist dafür nicht geeignet.

Auch das Ziel, die Situation und den Schutz von Prostituierten ausreichend zu verbessern, kann mit dem vorliegenden Gesetz nicht erreicht werden.

Das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz) hat einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, die Ausbeutung von Prostituierten zu bekämpfen, indem es das Thema aus einem gesellschaftlichen Graubereich geholt hat. Die weitere Regelungsbedürftigkeit der Prostitution ist gleichwohl spätestens seit der Evaluation des Prostitutionsgesetzes deutlich geworden. Neue, auf maximalen Profit ausgerichtete Betriebskonzepte sowie die Öffnung der EU nach Südosteuropa haben die Situation in der Prostitution zusätzlich verschärft.

Aus Sicht des Bundesrates bedarf eine sachgerechte Lösung der vielfältigen Probleme eines umfassenden Ansatzes. Er hält es daher für geboten, zeitnah entsprechende weitergehende gesetzgeberische Schritte zu unternehmen, die alle erforderlichen Lösungselemente bündeln.