Beschluss des Bundesrates
Entschließung des Bundesrates zur Flexibilisierung und Entbürokratisierung der Umsetzung des Arbeitssicherheitsgesetzes

Der Bundesrat hat in seiner 826. Sitzung am 13. Oktober 2006 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst.

Anlage
Entschließung des Bundesrates zur Flexibilisierung und Entbürokratisierung der Umsetzung des Arbeitssicherheitsgesetzes

Die Bundesregierung wird gebeten, sich weiter für eine moderne, zeitgemäße betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung in den Betrieben und Verwaltungen einzusetzen.

Leitlinien dabei sollen sein

Die Bundesregierung wird gebeten, ungeachtet der rechtlichen Möglichkeiten nach § 14 ASiG nachdrücklich darauf hinzuwirken, dass die Unfallversicherungsträger zeitnah Deregulierungs- und Verbesserungsvorschläge umsetzen und dadurch auch zu einer Kostenentlastung der Unternehmen beitragen. In diesem Zusammenhang sollte die für Betriebe mit bis zu 50 Beschäftigten geltende Musterunfallverhütungsvorschrift "BGV A2" überarbeitet werden. Dabei sollten auch für Betriebe mit bis zu 10 Beschäftigten weitere Erleichterungen und praktikable Vorgaben erfolgen.

Begründung:

Die Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit enthält u. a. allgemeine Grundsätze für die Verhütung berufsbedingter Gefahren, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz sowie die Ausschaltung von Risiko- und Unfallfaktoren. Dabei macht die Richtlinie auch Vorgaben zu den Diensten, die mit der Durchführung von Schutzmaßnahmen und Maßnahmen zur Gefahrenverhütung sowie der präventivmedizinischen Überwachung beauftragt sind.

Wesentliche Vorgaben dieser Richtlinie werden in Deutschland im Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Arbeitssicherheitsgesetz - ASiG) umgesetzt. Diese gesetzlichen Vorgaben werden wiederum von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherungen durch entsprechende Unfallverhütungsvorschriften näher bestimmt.

In der Praxis sind die Unfallverhütungsvorschriften zur betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Betreuung Anlass für Kritik. Vor dem Hintergrund der Überlegungen zur Entbürokratisierung der Arbeitswelt wurde wiederholt gefordert, diese Vorschriften daraufhin zu überprüfen, welche zur Erreichung unverzichtbarer Arbeitsschutzziele notwendig und welche Deregulierungen und Flexibilisierungen möglich sind. Die Konferenz der Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder hat daher auch im November 2003 einen entsprechenden Beschluss gefasst. Parallel dazu hat der Bundesrat im Rahmen einer Entschließung des Bundesrates zum Bürokratieabbau vom 26. November 2004 (BR-Drs. 710/04(B) HTML PDF ) die Bundesregierung aufgefordert Flexibilisierungen im Bereich des Arbeitssicherheitsgesetzes vorzunehmen.

Die Bundesregierung hat damals zwar keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf gesehen für den Bereich der gewerblichen Wirtschaft wurde jedoch im Hinblick auf die Kritik auf Veranlassung der Bundesregierung die sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung in einer neuen Musterunfallverhütungsvorschrift "BGV A2" für kleinere Betriebe bis 50 Beschäftigte neu konzipiert. Diese neue "BGV A2" wurde bereits von allen 26 gewerblichen Berufsgenossenschaften aufgegriffen, sukzessive in Kraft gesetzt und hinsichtlich der Regelbetreuung in Betrieben mit mehr als 10 Beschäftigten grundsätzlich bis zum 31. Dezember 2008 befristet.

Die neue BGV A2, die der Gefährdungsbeurteilung zentrale Bedeutung einräumt, verschlankt zwar die Vorschriften, befreit kleinere Betriebe von unpraktikablen Minieinsatzzeiten und bietet Betrieben mit bis zu 50 Beschäftigten mit dem Unternehmermodell eine Alternative zur Regelbetreuung. Die neue Musterunfallverhütungsvorschrift BGV A2 ist jedoch insgesamt kritisch zu beurteilen.

Der Musterentwurf kann durch seine Unübersichtlichkeit keinesfalls als ein Beitrag zur Entbürokratisierung angesehen werden. Zudem ermöglicht er in der Umsetzung durch die Berufsgenossenschaften und Betriebe eine kaum zu überschauende Zahl von Betreuungsmodellen.

Die betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung hat sich streng an dem Ziel zu orientieren, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz im Hinblick auf die Verhältnisse vor Ort zu gewährleisten sowie gesicherte arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Erkenntnisse zur Verbesserung des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung zu verwirklichen. Nur wenn entsprechend geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden kann von einer breiten Akzeptanz der Betreuung ausgegangen werden.

Die betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung hat insbesondere bei kleineren und mittleren Betrieben zu erheblichen Mehrkosten geführt. Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Situation vieler Betriebe muss alles getan werden um auch in diesem Bereich Kostenentlastungen zu ermöglichen.

Nach der Anhäufung der BGV A2 mit zahlreichen Varianten zum Unternehmermodell ist davon auszugehen, dass dieses von den Berufsgenossenschaften als bevorzugte Alternative behandelt wird. Dem ist entgegenzuhalten, dass das Unternehmermodell für den Unternehmer zeit- und arbeitsaufwändig ist. Besonders für Kleinbetriebe kann dies unter Kostengesichtspunkten problematisch sein. Deshalb sollten insbesondere auch für Betriebe mit bis zu 10 Beschäftigten weitere Erleichterungen und praktikable Vorgaben erfolgen. Für die unternehmerische Akzeptanz sind überwiegend an dem Gefährdungspotenzial ausgerichtete und nachvollziehbare Vorgaben zur arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Betreuung ausschlaggebend. Diese Sichtweise muss bei der Flexibilisierung und Entbürokratisierung des Arbeitssicherheitsgesetzes berücksichtigt werden.

Es ist bekannt, dass die gewerblichen Berufsgenossenschaften unter der Leitung des Hauptverbandes jetzt die Vereinheitlichung und Vereinfachung der Einsatzzeitenregelungen für die Regelbetreuung bei Betrieben mit mehr als 10 Beschäftigten eingeleitet haben. Der Bundesrat begrüßt zwar den begonnenen Reformprozess, es sollte aber nachdrücklich darauf hingewirkt werden, dass die Unfallversicherungsträger die genannten weitergehenden Deregulierungs- und Verbesserungsvorschläge zeitnah umsetzen. Die Umsetzung sollte möglichst bis Ende 2007 abgeschlossen sein.