Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 4. September 2008 zu dem Thema Müttersterblichkeit im Vorfeld der hochrangigen Veranstaltung der Vereinten Nationen zur Überprüfung der Millenniums-Entwicklungsziele am 25. September 2008

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 117789 - vom 19. September 2008.

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 4. September 2008 angenommen.

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass im Vergleich zu den anderen Millenniums-Entwicklungszielen im Bereich der Gesundheit von Müttern (5. Millenniums-Entwicklungsziel) die geringsten Fortschritte zu verzeichnen sind und es daher eines der Ziele ist, deren Erreichen bis 2015 am wenigsten wahrscheinlich ist, insbesondere in Afrika südlich der Sahara und in Südasien,

B. in der Erwägung, dass jährlich mehr als eine halbe Million Frauen während der Schwangerschaft oder bei der Geburt sterben und 99 % dieser Todesfälle in Entwicklungsländern zu verzeichnen sind, in der Erwägung, dass sich die Sterblichkeitsrate innerhalb von 20 Jahren in den afrikanischen Staaten südlich der Sahara jährlich um lediglich 0,1 Prozent verringert hat und in dieser Region statistisch eine von sechzehn Frauen während der Schwangerschaft oder der Geburt stirbt, und in der Erwägung, dass die Müttersterblichkeit eines der dramatischsten Zeichen für die weltweiten Ungleichheiten bei der Gesundheitsversorgung ist,

C. in der Erwägung, dass, abgesehen von den geografischen Unterschieden, die Erkenntnisse über die Müttersterblichkeit und die damit verbundenen Forschungsarbeiten erhebliche Ungleichheiten bei der Sterblichkeitsrate von Müttern aufzeigen, die bedingt sind durch den Wohlstand, die Rasse und ethnische Zugehörigkeit, den Wohnort (Stadt/Land), den Alphabetisierungsgrad und sogar durch sprachliche oder religiöse Unterschiede innerhalb von Ländern, auch den Industrieländern, und diese Ungleichheit bei Betrachtung aller Statistiken zum öffentlichen Gesundheitswesen die höchste ist,

D. in der Erwägung, dass die G8-Staaten ein Gesundheitspaket angenommen haben, durch das die Ausbildung und Anwerbung von 1,5 Millionen Fachkräften im Gesundheitswesen in Afrika unterstützt und sichergestellt werden soll, dass 80 % der Mütter bei der Geburt von einer medizinischen Fachkraft betreut werden, in der Erwägung, dass dies die Verpflichtung einschließt, in den 36 afrikanischen Ländern, in denen ein drastischer Fachkräftemangel herrscht, die Zahl der medizinischen Fachkräfte je 1000 Einwohner auf 2,3 zu erhöhen, und in der Erwägung, dass die Bereitstellung der 10 Mrd. US-Dollar, die die Aktivisten der Zivilgesellschaft für erforderlich halten, um sechs Millionen Mütter und Kinder pro Jahr vor dem Tod zu bewahren, dennoch keine Erwähnung findet,

E. in der Erwägung, dass die Krankheit und Sterblichkeit von Müttern weltweit ein akutes Gesundheitsproblem ist, da Schätzungen zufolge jedes Jahr etwa 536 000 Frauen bei der Geburt sterben und bei einer von zwanzig Frauen erhebliche Komplikationen, von chronischen Infektionen bis hin zu bleibenden Leiden wie Scheidenfisteln oder lebenslange Behinderung, auftreten,

F. in der Erwägung, dass es kein Geheimnis ist, warum Frauen während der Schwangerschaft oder bei der Geburt sterben - die Ursachen der Müttersterblichkeit wie auch die Möglichkeiten zu ihrer Bekämpfung liegen auf der Hand und sind wohlbekannt,

G. in der Erwägung, dass sich die Ursachen für die Müttersterblichkeit durch zuverlässige Betreuung der Mütter und Zugang zu sicherer Empfängnisverhütung sowie zu legalen und unbedenklichen Abtreibungen vermeiden ließen,

H. in der Erwägung, dass die hohe Müttersterblichkeit durch einen verbesserten Zugang und die Anwendung von Methoden zur Familienplanung, durch den Zugang zu und die Bereitstellung von sicherer und hochwertiger Mütterbetreuung, insbesondere während der Schwangerschaft, der Geburt, einschließlich Notversorgung bei der Geburt, und in der Zeit nach der Geburt sowie durch die Verbesserung des Gesundheitszustands der Frauen, ihrer Ernährung und ihrer gesellschaftlichen Stellung, vermieden werden könnte,

I. in der Erwägung, dass zu diesem präventiven Ansatz gehört, dass die Frauen und das medizinische Personal darauf vorbereitet werden, mit Komplikationen während der Schwangerschaft und bei der Geburt umzugehen und die entsprechende Betreuung in Anspruch zu nehmen, und dass dazu ein Netz entsprechender Gesundheitseinrichtungen erforderlich ist, die, unter der Voraussetzung vorhandener Infrastrukturen und Verkehrsmittel, in einer vertretbaren Zeit erreichbar sind, die effizient verwaltet werden, in denen eine angemessene Betreuung durch ausgebildetes Personal bereitgestellt wird und in denen, auch in ländlichen Gebieten, sowohl Strom und Wasser als auch medizinische Ausrüstungen vorhanden sind,

J. in der Erwägung, dass die vermeidbaren Sterbefälle bei Müttern einer Verletzung des in zahlreichen internationalen Menschenrechtsverpflichtungen, einschließlich der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, festgelegten Rechts auf Leben für Frauen und weibliche Jugendliche gleichkommen und dass zu den Ursachen für die Krankheits- und Sterbefälle bei Müttern auch die Verletzung anderer Menschenrechte, einschließlich des Rechts eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit und des Rechts auf diskriminierungsfreien Zugang zu medizinischer Grundversorgung, gehören können,

K. in der Erwägung, dass das Recht auf sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung das Recht auf Eheschließung, das Recht auf Gründung einer Familie, das Recht der freien Wahl des Sexualpartners und das Recht auf Schutz vor sexueller Gewalt und Nötigung umfasst,

L. in der Erwägung, dass es in der Verantwortung der Regierungen liegt, selbst oder durch Dritte Gesundheitsdienste, auf die ein Anspruch besteht, bereitzustellen, und in der Erwägung, dass auch Regierungen mit beschränkten Mitteln Sofortmaßnahmen treffen können, die sich auf die Gesundheit von Müttern auswirken,

M. in der Erwägung, dass die Ursachen für die Müttersterblichkeit und die geburtsbedingten Verletzungen weniger praktischer oder struktureller Natur sind, sondern symptomatisch für den geringen Wert und geringen Status, der den Frauen, die im Allgemeinen in der Gesellschaft benachteiligt werden, zugebilligt wird, und in der Erwägung, dass in Ländern mit ähnlichem wirtschaftlichen Entwicklungsstand zu beobachten ist, dass die Sterblichkeitsrate von Müttern abnimmt, je höher der Status von Frauen ist,

N. in der Erwägung, dass Frauen während der Schwangerschaft und bei der Geburt aufgrund verschiedener Formen der Diskriminierung, einschließlich Ungleichgewichte bei der Verteilung der Haushaltsaufgaben zwischen Männern und Frauen, traditionelle für Frauen gesundheitsgefährdende Praktiken, Gewalt gegen Frauen, mangelnde Selbstbestimmung für Frauen in Bezug auf reproduktive Gesundheit und einschlägige Rechte, Ablehnung weiblicher Nachkommen und Festlegung der Rolle der Frau auf ihre vorrangige Aufgabe als Mutter und Betreuerin, besonders schutzbedürftig sind, und in der Erwägung, dass das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau (CEDAW) von allen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert wurde,

O. in der Erwägung, dass die Generalversammlung der Vereinten Nationen den universellen Zugang zu reproduktiver Gesundheit bis zum Jahr 2015 als Teilziel in den Katalog der Millenniums-Entwicklungsziele aufgenommen hat, und zwar im Rahmen des 5. Millenniums-Entwicklungsziels - Bekämpfung der Müttersterblichkeit,

P. in der Erwägung, dass die internationale Gemeinschaft auf der Internationalen Bevölkerungs- und Entwicklungskonferenz (ICPD) neue Mittel zugesagt und dadurch die reproduktive Gesundheit (einschließlich Familienplanung und Gesundheitsvorsorge für Mütter) zum zentralen Schwerpunkt für die internationalen Entwicklungsanstrengungen erklärt hat,

Q. in der Erwägung, dass die Geberhilfe im Bereich der Familienplanung nicht nur keinen Anstieg verzeichnet, sondern insgesamt viel niedriger ausfällt als noch im Jahr 1994 und absolut gerechnet, von 723 Millionen US-Dollar 1995 auf 442 Millionen US-Dollar 2004 gesunken ist,

R. in der Erwägung, dass die Europäische Union regelmäßig und beständig Verpflichtungen eingegangen ist, zuletzt mit der oben genannten Aktionsagenda für die Millenniums-Entwicklungsziele, um das 5. Millenniums-Entwicklungsziel zu erreichen,

S. in der Erwägung, dass der Gesundheitsvorsorge für Mütter trotz der bedenklichen Lage und der Verletzung der Menschenrechte auf der internationalen Bühne weiterhin geringe Beachtung geschenkt wird, dass sie von krankheitsspezifischen Eingriffen überschattet wird, dass dies zur Marginalisierung der Müttersterblichkeit geführt hat und dass die hohen HIV-Raten dazu beigetragen haben, dass die Fortschritte hinsichtlich der Verringerung der Krankheits- und Sterbefälle bei Müttern stagnieren oder sogar Verschlechterungen der Situation zu verzeichnen sind,