Antrag der Freien und Hansestadt Hamburg
Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung

Punkt 17 der 903. Sitzung des Bundesrates am 23. November 2012

Der Bundesrat möge beschließen, zu dem Gesetz gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes die Einberufung des Vermittlungsausschusses aus folgendem Grund zu verlangen:

Zu Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe a (§ 67a Absatz 2 Satz 2 StGB)

In Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe a sind in § 67a Absatz 2 Satz 2 die Wörter "zur Durchführung einer Heilbehandlung oder Entziehungskur angezeigt ist," durch die Wörter "wegen einer schwerwiegenden psychiatrischen Erkrankung medizinisch notwendig ist," zu ersetzen.

Begründung:

Nach geltendem Recht (§ 67a Absatz 1 und 2 StGB) kann eine noch in der Strafhaft befindliche Person, gegen die Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist, nur dann in den Vollzug einer Maßregel gemäß den §§ 63, 64 StGB überwiesen werden, wenn die Resozialisierung der betroffenen Person dadurch besser gefördert werden kann und bei ihr der Zustand der Schuldunfähigkeit ( § 20 StGB) oder der eingeschränkten Schuldfähigkeit ( § 21 StGB) gegeben ist. Die Voraussetzung, wonach beim Betroffenen ein "Zustand nach § 20 oder § 21" StGB vorliegen muss, wird überwiegend als wenig praktikabel angesehen, so dass diese Vorschrift in der Praxis kaum zur Anwendung kommt.

Allerdings ist die im Gesetzesbeschluss vorgesehene Neuformulierung des § 67a Absatz 2 Satz 2 StGB als zu weitgehend abzulehnen, da sie nicht nur zu unangemessenen Belastungen in den psychiatrischen Krankenhäusern und in den Entziehungsanstalten, sondern dort auch zu Sicherheitsrisiken führen würde.

Nach dem Gesetzesbeschluss soll zukünftig eine Überweisung aus der Strafhaft in den Maßregelvollzug gemäß den §§ 63, 64 StGB bereits dann möglich sein, wenn sie "zur Durchführung einer Heilbehandlung oder Entziehungskur angezeigt ist". Die Begriffe" Heilbehandlung und Entziehungskur" sind zwar im StGB etabliert. Sie stellen jedoch im Gegensatz zur aktuellen Anforderung, dass bei dem Betroffenen ein Zustand nach § 20 oder § 21 StGB und damit eine psychische Erkrankung von besonderer Erheblichkeit vorliegen muss, eine deutlich geringere Schwelle dar. Denn es dürfte bei allen Straftätern, bei denen bereits im Urteil die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten wurde, zumindest eine dissoziale Persönlichkeitsstörung oder/und eine Suchtproblematik (Alkohol, Drogen) vorliegen, die grundsätzlich behandlungsbedürftig ist/sind. Dies ist auch vor dem Hintergrund, dass Studien zufolge die Prävalenz psychischer Störungen unter Strafgefangenen bei etwa 80 Prozent liegt, zu sehen.

Die Überweisung von Straftätern, die nicht an einer psychischen Störung mit Krankheitswert leiden, in den psychiatrischen Maßregelvollzug würde den therapeutischen Charakter dieser Einrichtungen beschädigen, im Widerspruch zu dem ihnen vom Gesetzgeber zugewiesenen Auftrag stehen und den Charakter zum Nachteil der bislang dort zu behandelnden Patienten verändern. Gerade die Unterbringung von Strafgefangenen mit "lediglich" dissozialen Persönlichkeitsstörungen würde in diesen Einrichtungen zu erheblichen Belastungen und zu hohen Sicherheitsrisiken führen.

Deshalb bedarf es einer einschränkenden Formulierung hinsichtlich der Voraussetzung für die Überweisung von Strafgefangenen, bei denen die Sicherungsverwahrung im Urteil angeordnet oder vorbehalten wurde, in den Maßregelvollzug gemäß den §§ 63, 64 StGB. Eine Überweisung soll nur möglich sein, wenn sie wegen einer schwerwiegenden psychiatrischen Erkrankung des Betroffenen medizinisch notwendig ist. Medizinisch notwendig ist eine Überweisung in der Regel dann, wenn bei dem Betroffenen zum Zeitpunkt der Überweisung eine krankhafte seelische Störung, eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung oder Schwachsinn oder eine schwere andere seelische Abartigkeit festgestellt wird, wodurch der Betroffene unfähig oder seine Fähigkeit erheblich vermindert wäre, das Unrecht einer künftigen Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Damit wird gewährleistet, dass nur Strafgefangene mit einer nicht unerheblichen psychiatrischen Erkrankung und daraus resultierender medizinischer Behandlungsbedürftigkeit bereits während des Strafvollzugs in ein psychiatrisches Krankenhaus oder in eine Entziehungsanstalt, deren Behandlungs- und Therapiekonzepte vor allem auf solche Personen ausgerichtet sind, überwiesen werden können.