Empfehlungen der Ausschüsse
Allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Passgesetzes
(Passverwaltungsvorschriften - PassVwV)

862. Sitzung des Bundesrates am 16. Oktober 2009

Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfiehlt dem Bundesrat, der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift gemäß Artikel 84 Absatz 2 des Grundgesetzes mit folgender Maßgabe zuzustimmen:

Zu Nummer 4.1.5.1 Satz 1 und 2 (zu § 4 Absatz 1)

Nummer 4.1.5.1 zu § 4 Absatz 1 ist wie folgt zu ändern:

Begründung

Die Änderung hat zum Ziel, die bisher bestehende Verwaltungspraxis, die sich seit Jahrzehnten bewährt hat, beizubehalten und damit eine einheitliche Handhabung im Pass-, Melde- und Personenstandswesen zu gewährleisten. Das von der Bundesregierung vorgesehene Verbot, entsprechende Zusätze im Pass aufzunehmen, könnte hingegen zu einer Änderung der bisher einheitlich im Personenstands-, Melde- und Passwesen geltenden Vorgaben führen.

Die Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz wird derzeit aufgrund des Personenstandsrechtsreformgesetzes vollständig überarbeitet. Nach einer Vorabstimmung wurde den Ländern im April 2009 vom Bundesministerium des Innern (BMI) ein Entwurf einer Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz (PStG-VwV-E) zur Abstimmung vorgelegt, nach der der genannte Zusatz noch zulässig war. Aufgrund der Kritik einiger Länder, insbesondere am strukturellen Aufbau des Entwurfs der PStG-VwV, wurde dieser vom BMI nochmals überarbeitet. In der den Ländern zwischenzeitlich zugeleiteten Neufassung des Entwurfs ist nunmehr erstmals vorgesehen, dass (nur) der zur Zeit des Eintritts des damaligen (vor der Umbenennung, dem Zusammenschluss oder der Eingliederung von Orten) Personenstandsfalls geltende Name einzutragen ist (und damit weitere Zusätze wie z.B. "Karl-Marx-Stadt jetzt Chemnitz" unzulässig sind). Der neue Entwurf soll nach Auskunft des BMI kurzfristig dem Kabinett vorgelegt werden.

Die Neuformulierung erfolgte auf Hinweis eines Landes im Rahmen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe und wurde vor allem mit technischen Gegebenheiten begründet ohne dass die Erforderlichkeit der in Frage stehenden Angabe in der Verwaltungspraxis überprüft wurde. Die zwischenzeitlich erfolgte Änderung im Bereich des Entwurfs der PStG-VwV könnte daher im Rahmen des Bundesratsverfahrens wieder rückgängig gemacht werden und würde dann wiederum zu unterschiedlichen Regelungen der gleichen Rechtsmaterie führen, was dem Grundsatz der einheitlichen Regelung gleicher Rechtsmaterien in unterschiedlichen Rechtsbereichen widerspräche.

Schwierigkeiten in der Verwaltungspraxis hat es mit der bisherigen Regelung nicht gegeben. Demgegenüber ist nicht auszuschließen, dass die neue Regelung der Bundesregierung bundesweit zu Problemen im Verwaltungsvollzug der Pass-, Personenstands- und Meldebehörden führen kann.

Der (vermeintliche) Grundsatz der Datensparsamkeit, der, in Verbindung mit dem Argument, der entsprechende Zusatz im Passrecht werde mangels Identifizierungsfunktion nicht benötigt, von der Bundesregierung zur Änderung der bisherigen Rechts- und Verwaltungspraxis angeführt wird, vermag vor dem Hintergrund der jahrelangen Rechts- und Verwaltungspraxis nicht zu überzeugen.

Weitere Unterscheidungsmerkmale erleichtern die Identifizierung von Personen. Zudem ist der Grundsatz bereits an mehreren Stellen durchbrochen (z.B. "Dr."-Titel; Künstlername; Möglichkeit der Hinzufügung eines Gemeindeteils, wenn dies personenstandsrechtlich [nach Landesrecht] vorgesehen ist; Deutsch-Polnische Passabsprache von 1976).

Die bislang geltenden Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Passgesetzes verwiesen in Ziffer 6.2.2.5 für die Bezeichnung des Geburts- und Wohnortes auf die entsprechende personenstandsrechtliche Regelung (§ 60 der Dienstanweisungen für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden).

Danach sollte bei Umbenennung im Inland bisher - einschließlich der PStG-VwV-E mit Stand vom April - neben dem Namen zum Zeitpunkt des Ereignisses der neue Name mit dem Verbindungswort "jetzt" angefügt werden.

Da der Inhalt der Personenstandsregister die Grundlage für das darauf aufbauende Urkundswesen darstellt und daher auch als Orientierung für die anderen Register dient, wird durch die vorgeschlagene Formulierung die Einheitlichkeit der Registerinhalte gewährleistet.

Die Diskussion zu der gestrichenen bisherigen Formulierung wird dann fachlichinhaltlich allerdings im Zusammenhang mit der Bundesratsbefassung zur PStG-VwV zu führen sein.

Zudem wird darüber hinaus durch die Änderung auch die Akzeptanz der Urkunden beim Bürger erhöht. Dies sei am Beispiel der Stadt Chemnitz verdeutlicht:

Am 1. Januar 1953 erklärte das Zentralkomitee der SED das neue Jahr zum Karl-Marx-Jahr. Anlässlich seines 135. Geburtstages plante man, den Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus mit einer Reihe von Maßnahmen zu ehren.

Den dauerhaftesten Eindruck des Karl-Marx-Jahres hinterließ der 10. Mai 1953. An diesem Sonntag wurden Stadt und Bezirk Chemnitz in Karl-Marx-Stadt umbenannt. Das Zentralkomitee der SED hat die Umbenennung in Karl-Marx-Stadt gegen den Willen der Bürger angeordnet, was auch daran zu erkennen ist dass bereits am 1. Juni 1990 die Stadt den Namen Chemnitz auf Wunsch der Bürger über ein Bürgerbegehren zurückerhielt.

Nach den bislang geltenden Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Passgesetzes wird derzeit, wenn ein Bürger zwischen dem 10. Mai 1953 und 1. Juni 1990 in Karl-Marx-Stadt geboren wurde, im Pass beim Geburtsort "Karl-Marx-Stadt jetzt Chemnitz" eingetragen wird.

In den neuen Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Passgesetzes wird festgelegt, nur noch den Namen des Geburtsortes zum Zeitpunkt der Geburt, also "Karl-Marx-Stadt", aufzunehmen.

Durch das künftige Entfallen des Zusatzes "jetzt Chemnitz" bei den Chemnitzer Bürgern können "alte Wunden" aufgerissen werden und dies als nachträgliche Anerkennung der durch das Zentralkomitee der SED angeordneten Umbenennung ihrer Stadt empfunden werden: Historisch betrachtet ist demgegenüber die 47-jährige Umbenennung nur eine Episode in der Stadtgeschichte. Für die davon noch heute unmittelbar betroffenen Bürger wäre die vorgesehene Änderung angesichts der mittlerweile zwanzig jährigen Verwaltungspraxis seit 1990 nicht nachvollziehbar.