Empfehlungen der Ausschüsse 805. Sitzung des Bundesrates am 5. November 2004
Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der Kommunen im sozialen Bereich (KEG) - Antrag des Freistaates Bayern -

A

Der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik (AS), der Ausschuss für Familie und Senioren (FS) und der Finanzausschuss (Fz) empfehlen dem Bundesrat, den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 1 des Grundgesetzes nach Maßgabe folgender Änderungen beim Deutschen Bundestag einzubringen:

1. Zu Artikel 2 Buchstabe a Nr. 1 Buchstabe a und Nr. 6 (Inhaltsübersicht, § 40 SGB XII)

In Artikel 2 Buchstabe a sind Nummer 1 Buchstabe a und Nummer 6 zu streichen.

Als Folge

Begründung (nur für das Plenum):

Die Aufhebung der normativen Voraussetzungen für die Bemessung der Regelsätze ist inakzeptabe1. Abgesehen davon, dass eine Abweichung von den Regelleistungen nach dem SGB II ohnehin kaum darstellbar sein dürfte, handelt es sich bei diesen Normen um eine Zusammenfassung der auch aus der Verfassung ableitbaren Grundsätze zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz. Hier darf nicht übersehen werden, dass außer den Finanzen der Kommunen auch die Existenz der betroffenen Menschen einen hohen Stellenwert hat. Im Übrigen wird ein allgemeines praktisches Bedürfnis für einheitliche Bemessungsgrundsätze gesehen, das sich nicht nur im Fürsorgerecht sondern auch im Unterhaltsrecht und als Grundlage für die steuerliche Freistellung des Existenzminimums im Steuerrecht zeigt.

2. Zu Artikel 2 Buchstabe a Nr. 1 Buchstabe b und Nr. 10 (Inhaltsübersicht, §§ 97 bis 99 SGB XII)

In Artikel 2 Buchstabe a sind Nummer 1 Buchstabe b und Nummer 10 zu streichen.

Als Folge

Begründung (nur für das Plenum):

Die alleinige Länderkompetenz im Bereich der örtlichen Zuständigkeit führt zu divergierenden Regelungen mit der Folge eines Flickenteppichs diverser örtlicher Zuständigkeiten auch für andere Rechtsbereiche, wie z.B. Kostenerstattungen. Deshalb wird hier ebenso wenig Handlungsbedarf gesehen, wie im Hinblick auf die sachliche Zuständigkeit, die bereits jetzt einer konkurrierenden Gesetzgebung unterliegt.

3. Zu Artikel 2 Buchstabe a Nr. 2 (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII)

In Artikel 2 Buchstabe a ist Nummer 2 zu streichen.

Als Folge

Begründung (nur für das Plenum):

Mit der Streichung des Wortes "unverhältnismäßigen" in § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII durch Artikel 2 Buchstabe a Nr. 2 des Gesetzentwurfs sollen die Sozialhilfeträger ermächtigt werden, künftig jeden Wunsch des Hilfeempfängers abzulehnen, sofern dieser mit Mehrkosten verbunden ist, selbst wenn Mehrkosten nur in geringfügiger Höhe auftreten würden.

Da kaum zwei Einrichtungen identische Entgeltsätze haben, bedeutet die Streichung des Wortes "unverhältnismäßig" praktisch die Aufgabe jedes Wahlrechts. Dies würde jedoch mit dem Wahl- und Wunschrecht der Hilfesuchenden nach Satz 1 kollidieren, wonach deren Wünschen entsprochen werden soll, "soweit sie angemessen sind". Bei einer Einschränkung der Angemessenheit in diesem Sinne auf eine Kostenneutralität werden andere Gesichtspunkte einer Entscheidung des Hilfeempfängers - z.B. bei einer Einrichtungswahl die Nähe von Angehörigen - vernachlässigt.

4. Zu Artikel 2 Buchstabe a Nr. 4 Buchstabe b und Buchstabe c - neu - (§ 28 Abs. 2 bis 5 SGB XII)

In Artikel 2 Buchstabe a wird Nummer 4 wie folgt geändert:

Begründung (nur für das Plenum):

Der Gesetzesantrag sieht in Artikel 2 Buchstabe a Nr. 6 die Aufhebung von § 40 SGB XII vor. Als Folgeänderung ist der in § 28 Abs. 2 Satz 1 SGB XII enthaltene Verweis auf § 40 SGB XII zu streichen.

5. Zu Artikel 3 (§ 33 Satz 3 bis Satz 5 SGB I) Artikel 3 ist zu streichen.

Als Folge

Mit der Ergänzung des § 33 SGB I durch drei weitere Sätze gemäß Artikel 3 dieses Gesetzentwurfs soll erreicht werden, dass bei der Prüfung der Angemessenheit von Wünschen der Leistungsempfänger bei nach den besonderen Teilen des Sozialgesetzbuchs bestehenden Wunsch- und Wahlrechten künftig die finanzielle Leistungsfähigkeit des Kostenträgers als Abwägungsgesichtspunkt mit einbezogen wird. Entsprechendes soll auch für die Vereinbarungen gelten, die - insbesondere mit Leistungsanbietern - nach den besonderen Teilen des Sozialgesetzbuchs getroffen werden.

Auf diese Ergänzung soll verzichtet werden, da die finanzielle Leistungsfähigkeit des Kostenträgers ein dem Sozialstaatsgedanken grundsätzlich fremder Abwägungsgesichtspunkt ist (individuelle Rechtsansprüche sind nicht mit einer "Leistung nach Kassenlage" vereinbar). Auch würde die grundsätzliche bundesweite Einheitlichkeit der Leistungsgewährung durch die Ergänzung infrage gestellt. Der Gesichtspunkt der finanziellen Leistungsfähigkeit ist nicht nur im Einzelfall sehr schwer zu konkretisieren, sondern ggf. auch "strategieanfällig" (Haushaltsmittel werden z.B. gezielt zu knapp veranschlagt); kalkulierbar gerichtsfeste Entscheidungen werden hierdurch erschwert. Fehlentscheidungen des Leistungsträgers, die dessen Finanzkraft auf Dauer außergewöhnlich schmälern, dürfen nicht das Wahlrecht des Leistungsempfängers ausschließen.

6. Zu Artikel 4 Nr. 1 ( § 64 Abs. 3 SGB X)

In Artikel 4 ist Nummer 1 zu streichen.

Als Folge

Begründung (nur für das Plenum):

Die Einführung einer durch Behörden festzusetzenden Mutwillensgebühr ist aus verfassungsrechtlicher Sicht bedenklich. Da die Durchführung des Widerspruchsverfahrens im Regelfall Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Klage ist, würde die Mutwillensgebühr den Bürger vor die Alternative stellen, entweder einen erheblichen Betrag zu riskieren (2 600 Euro) oder auf sein Grundrecht aus Artikel 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu verzichten, das ihm die Überprüfung behördlicher Entscheidungen durch unabhängige und unparteiische Gerichte garantiert.

Es erscheint darüber hinaus zweifelhaft, ob das mit ihr angestrebte Ziel, querulatorische Rechtsbehelfe zu vermeiden, erreicht werden kann. Die Verhängung der Mutwillensgebühr ist ein seinerseits anfechtbarer Verwaltungsakt, so dass im schlimmsten Fall nicht nur über die Rechtmäßigkeit der behördlichen Grundentscheidung, sondern auch über die Berechtigung der Mutwillensgebühr, von der der Bürger u. U. erst mit der Entscheidung über seine Widerspruch erfährt, gestritten werden muss.

B

7. Der federführende Ausschuss für Frauen und Jugend, der Gesundheitsausschuss und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfehlen dem Bundesrat, den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.

C

8. Der federführende Ausschuss für Frauen und Jugend empfiehlt dem Bundesrat ferner,

Staatsministerin Christa Stewens
(Bayern)
gemäß § 33 der Geschäftsordnung des Bundesrates zur Beauftragten für die Beratung des o. a. Gesetzentwurfs im Deutschen Bundestag und seinen Ausschüssen zu bestellen.