Antrag des Landes Baden-Württemberg
Entschließung des Bunderates zur Fortführung und Realisierung des Bundesprogramms Wiedervernetzung

Staatsministerium Baden-Württemberg Stuttgart, den 9. November 2011
Staatssekretär und Chef der Staatskanzlei

An den Präsidenten des Bundesrates Herrn Ministerpräsidenten Horst Seehofer

Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierung Baden-Württembergs hat beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates zur Fortführung und Realisierung des Bundesprogramms Wiedervernetzung zuzuleiten.

Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 23 Absatz 3 in Verbindung mit § 15 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 25. November 2011 aufzunehmen und sie anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus-Peter Murawski

Entschließung des Bunderates zur Fortführung und Realisierung des Bundesprogramms Wiedervernetzung

Der Bundesrat möge beschließen:

I. Der Bundesrat stellt fest:

Die biologische Vielfalt stellt die Existenzgrundlage für das Leben und Wirtschaften heutiger und künftiger Generationen dar. Es besteht dringender Handlungsbedarf, den Verlust der biologischen Vielfalt anzuhalten und Maßnahmen zur Wiederherstellung sowie zur dauerhaften Sicherung der biologischen Vielfalt zu ergreifen. Ein wesentlicher Baustein hierzu ist das Bundesprogramm Wiedervernetzung, zu dessen Erarbeitung sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag für die 17. Legislaturperiode als Grundlage für den Bau von Querungshilfen im Bundesverkehrswegenetz in den wichtigsten Lebensraumkorridoren verpflichtet hat. Das Bundesprogramm Wiedervernetzung basiert zudem auf der "Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt", die am 7. November 2007 vom Bundeskabinett beschlossenen wurde. Ziel des Bundesprogramms Wiedervernetzung ist, Lebensraumkorridore für wild lebende Tiere zur Vermeidung und Verminderung von Zerschneidungswirkungen und zur Stärkung der Vernetzung zu erhalten bzw. wiederherzustellen.

Im Oktober 2010 forderten die Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen in einem gemeinsamten Antrag die Bundesregierung auf, die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt mit höchster Priorität voranzutreiben. Ein wesentlicher Beitrag hierzu ist die konsequente Fortführung des Bundesprogramms Wiedervernetzung, mit dem Ziel, Lebensraumkorridore sowie ein länderübergreifendes Biotopverbundsystem bei Schonung der landwirtschaftlichen Nutzfläche auf mindestens 10 % der Landesfläche zu schaffen (vgl. BT-Drucksache 17/3199 vom 06.10.2010).

Der Entwurf des gemeinsam vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) erarbeiteten Bundesprogramms Wiedervernetzung liegt gemäß BT-Drucksache 12589 vom 25.05.2011 auf Bundesebene im Entwurf vor. Für eine Fortführung des Bundesprogramms bedarf es der baldigen Ressortabstimmung und Verabschiedung im Kabinett. Für zukünftige, in Fortsetzung des Konjunkturpakets II über das Bundesprogramm umzusetzende Maßnahmen zur Wiedervernetzung von Lebensräumen an bestehenden Bundesautobahnen und Bundesstraßen war bis Mai 2011 eine Finanzierung über den Bundesfernstraßenhaushalt vorgesehen. Aufgrund der begrenzten Haushaltsmittel sieht die Hausspitze des BMVBS es jedoch als erforderlich an, die hierfür im Bundesfernstraßenhaushalt vorgesehenen Finanzmittel prioritär für dringliche Straßenbaumaßnahmen einzusetzen. Hierdurch wird das Erreichen des von der Bundesregierung gesetzten Ziels, dass bis zum Jahr 2020 von den bestehenden Verkehrswegen in der Regel keine erheblichen Beeinträchtigungen des Biotopverbundsystems mehr ausgehen (vgl. BT-Drucksache 17/2399 vom 05.07.2010), in Frage gestellt. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es erforderlich, die Finanzierung von Maßnahmen des Bundesprogramms Wiedervernetzung zukünftig wieder über den Bundesfernstraßenhaushalt zuzulassen.

II. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung

zur Wiederherstellung der ökologischen Durchlässigkeit von zerschnittenen Räumen und zur dauerhaften Sicherung der biologischen Vielfalt,

Begründung:

Für die Sanierung von Zerschneidungswirkungen an bestehenden Straßen gab es in der Vergangenheit weder eine Rechtsgrundlage noch eine Finanzierungsmöglichkeit (vgl. BT-Drucksache 016/6049 vom 11.07.2007). Am 5. März 2009 ist mit Verkündung des "Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland" (BGBl. I S. 416) die Errichtung des Sondervermögens "Investitions- und Tilgungsfonds" in Kraft getreten. Das sogenannte Konjunkturpaket II hat für den Zeitraum 2009 bis 2011 erstmals ermöglicht, Querungshilfen für Tiere an bestehenden Bundesfernstraßen zu errichten, ohne dass der betroffene Straßenabschnitt selbst ausgebaut wird.

Das im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP für die 17. Legislaturperiode und in der vom Bundeskabinett beschlossenen "Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt" enthaltene Bundesprogramm Wiedervernetzung stellt eine maßgebliche Säule zur dauerhaften Sicherung der biologischen Vielfalt dar. Um auch in Fortsetzung des Konjunkturpakets II sukzessive eine ökologische Durchlässigkeit von zerschnittenen Räumen zu erreichen und somit die Vorgaben zur Erhaltung der Biologischen Vielfalt umzusetzen, ist eine baldige Fortführung und solide finanzielle Ausstattung des Bundesprogramms Wiedervernetzung notwendig. Nur auf diese Weise kann ein Beitrag dazu geleistet werden, dem von der Bundesregierung gesetzten Ziel näher zu kommen, dass bis zum Jahr 2020 von den bestehenden Verkehrswegen in der Regel keine erheblichen Beeinträchtigungen des Biotopverbundsystems mehr ausgehen (vgl. BT-Drucksache 17/2399 vom 05.07.2010).

Die nationale Strategie zur biologischen Vielfalt ist eng mit der am 3. Mai 2011 bekannt gegebenen Biodiversitätsstrategie 2020 ("Lebensversicherung und Naturkapital: Eine Biodiversitätsstrategie der EU für das Jahr 2020", vgl. BR-Drucksache 309/11 (PDF) vom 25.05.2011) verbunden, die an die Biodiversitätsstrategie aus dem Jahr 1998 anschließt. Beide Strategien haben zum Ziel, den Verlust an biologischer Vielfalt in der EU aufzuhalten und diese weitestmöglich wiederherzustellen.

Das Bundesnaturschutzgesetz greift die dauerhafte Sicherung der biologischen Vielfalt als ein grundlegendes Ziel des Naturschutzes und der Landschaftspflege in § 1 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG auf. Hierzu sind insbesondere lebensfähige Populationen wild lebender Tiere und Pflanzen einschließlich ihrer Lebensstätten zu erhalten und der Austausch zwischen den Populationen sowie Wanderungen und Wiederbesiedlungen zu ermöglichen. Der Biotopverbund nach § 21 BNatSchG ist ein wichtiges Instrument, mit dem das Ziel der dauerhaften Sicherung der biologischen Vielfalt erreicht werden soll. Das Bundesprogramm Wiedervernetzung trägt dabei wesentlich zur Realisierung des gesetzlich geforderten Biotopverbunds bei.