Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Bericht der Kommission über die Unionsbürgerschaft 2010: Weniger Hindernisse für die Ausübung von Unionsbürgerrechten KOM (2010) 603 endg.

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis: vgl.
Drucksache 69 008/10 (PDF) = AE-Nr. 100870 und AE-Nr. . 100872, 100873.

Auf Verlangen des Freistaates Bayern vom 09. November 2010 erscheint die Vorlage gemäß § 45a GOBR als Drucksache des Bundesrates.

Bericht über die Unionsbürgerschaft 2010
Weniger Hindernisse für die Ausübung von Unionsbürgerrechten

1. Einleitung

Das mit dem Vertrag von Maastricht im Jahre 1992 eingeführte Konzept der Unionsbürgerschaft1 erweiterte die europäische Integration, die bis dahin in erster Linie wirtschaftlicher Natur war, um eine neue politische Dimension. Jeder Staatsangehörige eines EU-Mitgliedstaats ist seitdem automatisch auch Bürger der Europäischen Union. Die Unionsbürgerschaft ersetzt die nationale Staatsbürgerschaft nicht. Vielmehr verleiht sie allen EU-Bürgern zusätzliche durch die EU-Verträge garantierte Rechte, auf die sie sich im Alltag stützen können.

Wie der Gerichtshof der Europäischen Union mehrfach 2 festgestellt hat, soll der "Unionsbürgerstatus der grundlegende Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten [... ] sein, der es denjenigen unter ihnen, die sich in der gleichen Situation befinden, erlaubt, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit die gleiche rechtliche Behandlung zu genießen". Mithin hat die Unionsbürgerschaft die individuellen Rechte deutlich gestärkt. Insbesondere hat der Gerichtshof festgelegt, dass die Unionsbürgerschaft EU-Bürgern das Recht verleiht, sich in einem anderen Mitgliedstaat aufzuhalten, 3 womit er die Unionsbürgerschaft als Quelle der4 Freizügigkeitsrechte anerkannt hat .

Das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon hat das Konzept der Unionsbürgerschaft und die damit einhergehenden Rechte auf verschiedene Weise gestärkt. Die Rechte von Unionsbürgern sind im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) eigens aufgeführt, und es wird deutlich gemacht, dass diese Liste nicht erschöpfend ist. 5 Außerdem ist das Recht der Unionsbürger auf Schutz durch die konsularischen und diplomatischen Behörden jedes anderen Mitgliedstaats in Drittstaaten in Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe c AEUV klar als individuelles Recht verankert und in Artikel 23 AEUV näher ausgeführt, der die Kommission auch berechtigt, in diesem Bereich Gesetzgebungsinitiativen einzubringen. Darüber hinaus ergänzt der Vertrag von Lissabon die Bürgerrechte durch Einführung eines neuen Rechts, nämlich der Bürgerinitiative, mit der die Kommission aufgefordert werden kann, Legislativvorschläge vorzulegen, wenn dies von einer Million Bürger unterstützt wird.6 Die stärkere Ausrichtung auf den Bürger wird dadurch bekräftigt, dass die Mitglieder des Europäischen Parlaments nun als "Vertreter der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger"7 statt einfach als "Vertreter der Völker der in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten"8 bezeichnet werden.

Die mit der Unionsbürgerschaft verbundenen Rechte sind außerdem in der Charta der Grundrechte der EU verankert.9 Die rechtlich verbindliche Charta stellt einen wichtigen Schritt zu mehr politischem Engagement der EU für die Grundrechte dar. Nach der Präambel der Charta stellt die EU "den Menschen in den Mittelpunkt ihres Handelns [ ... ], indem sie eine Unionsbürgerschaft und einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts begründet".

Die Unionsbürgerrechte sind im primären EU-Recht fest verankert und werden im Sekundärrecht erheblich weiterentwickelt. Diejenigen, die die europäische Einigung nutzen und eine Verbindung zu einem anderen Land haben - durch Reisen, Studium, Heirat, Verbringen des Ruhestands, Erwerb oder Erbe von Eigentum, Wahlen oder schlicht mit dem Online-Einkauf bei in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Firmen -, sollten die durch die Verträge gewährten Rechte in vollem Umfang wahrnehmen können.

Es bleibt jedoch noch immer eine Lücke zwischen den rechtlich geltenden Regeln und der Wirklichkeit, wie Bürger sie in ihrem Alltag erleben, insbesondere in Situationen mit grenzüberschreitendem Bezug. Die zahlreichen Beschwerden und Anfragen, die jedes Jahr bei der Kommission eingehen10, jüngere Eurobarometer-Erhebungen, Diskussionen mit Akteuren, die Ergebnisse einer am 15. Juni 2010 abgeschlossenen öffentlichen Konsultation und einer am 1. und 2. Juli 2010 durchgeführten Konferenz zur Zukunft der Unionsbürgerrechte ("EU citizens" rights - the way forward") belegen vielfältig die zahlreichen Hindernisse, die den Bürgern bei der Wahrnehmung ihrer Rechte im Wege stehen.

Bei mehreren Gelegenheiten wurde betont, wie wichtig es ist, der Unionsbürgerschaft mehr praktische Bedeutung zu geben. In seinem Bericht "Der Bürger und die Anwendung des Gemeinschaftsrechts" vom 8. Juni 0811 zeigte das Mitglied des Europäischen Parlaments, Alain Lamassoure, anschaulich, auf welche Hindernisse Europäer stoßen, wenn sie ihre Rechte wahrnehmen möchten. Der Bericht schilderte zahlreiche administrative Hürden und schloss damit, dass die europäische Politik die Rechte und Bedürfnisse der Unionsbürger zum Schwerpunkt haben und zu konkreten Ergebnissen führen sollte.

Darüber hinaus wurden im Bericht des Europäischen Parlaments zu "Problemen und Perspektiven der Unionsbürgerschaft" vom 20. März 0912 anhaltende Hindernisse für die grenzüberschreitende Wahrnehmung von Rechten ausgeführt. Die Kommission wurde darin aufgefordert, eine Bestandsaufnahme dieser Hindernisse zu erstellen und nach Konsultation der Zivilgesellschaft konkrete Vorschläge für deren Beseitigung vorzulegen. Auch das Stockholmer Programm schließlich, das Arbeitsprogramm der EU für den Bereich Freiheit, Kontaktzentrum gewandt (Reisen, An- und Verkäufe, Studium, Arbeit und Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat): Jahresbericht 2009 des Kontaktzentrums, verfügbar auf http://ec.europa.eu/europedirect/docs/statistics/edcc-report_year_2009_light.pdf .

Sicherheit und Recht in den Jahren 2010 bis 2014, stellt den Bürger in den Mittelpunkt der politischen Maßnahmen in diesem Bereich.

In den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union leben etwa 500 Millionen Bürger. Das politische Ziel dieser Kommission besteht darin, dass die Unionsbürgerschaft sich so weiterentwickelt, dass sie für die Bürger in ihrem Alltag greifbar wird. Deshalb hat Präsident José Manuel Barroso in seinen politischen Leitlinien für die nächste Kommission vom 3. September 2009 die Notwendigkeit betont, die Unionsbürgerschaft zu stärken, indem die Verbindung zwischen Bürgern und EU neu belebt wird und ihren Rechten echte Wirkung verliehen wird. Er stellte fest: "Für EU-Bürger bestehen nach wie vor zahlreiche Hindernisse, wenn sie versuchen, Waren und Dienstleistungen aus anderen Mitgliedstaaten zu beziehen. Sie sollen von ihren Rechten als Unionsbürger in gleicher Weise Gebrauch machen können wie von ihren Rechten als Bürger eines Mitgliedstaats. Die Kommission wird zusammen mit dem Binnenmarkt-Bericht einen umfassenden Bericht über diese Hindernisse für die Bürger samt Vorschlägen für deren Beseitigung verfassen."

Mit diesem Bericht löst Kommissionspräsident Barroso seine Zusage ein, sich einen umfassenden Überblick über die Hindernisse zu verschaffen, mit denen die Bürger noch immer konfrontiert sind, und Vorschläge zu machen, wie diese am besten beseitigt werden können. Gleichzeitig mit dem Bericht wird die Mitteilung der Kommission über die Binnenmarktinitiative ("Auf dem Weg zu einem Pakt für den Binnenmarkt: Für eine soziale Marktwirtschaft" 13) vorgelegt, in der es um die Beseitigung der Hindernisse geht, denen sich EU-Bürger gegenübersehen, wenn sie als Wirtschaftsteilnehmer im Binnenmarkt - z. B. als Unternehmer, Verbraucher oder Arbeitnehmer - die Rechte wahrnehmen wollen, die ihnen aufgrund der Binnenmarktvorschriften zustehen.

Bei dem Bericht über die Unionsbürgerschaft und der Mitteilung über die Binnenmarktinitiative handelt es sich um komplementäre Initiativen, die darauf abzielen, die anhaltenden Unterschiede im Binnenmarkt, die die Interessen der Bürger direkt berühren, zu überwinden und das Versprechen einzulösen, ein Europa der Bürger und einen funktionierenden Binnenmarkt im Einklang mit den Erwartungen und Bedürfnissen der Bürger zu schaffen.

Die Schaffung des neuen Ressorts der Kommission "Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft", in das Zuständigkeiten von Ziviljustiz und Verbraucherschutz bis Grundrechte und Antidiskriminierungspolitik fallen, unterstreicht die politische Bedeutung dieser Themen. Unionsbürgerschaftsthemen sind für die gesamte Kommission von Belang, denn die Beseitigung von Hindernissen im Alltag der Bürger erfordert eine enge Zusammenarbeit innerhalb der Kommission und mit den anderen Institutionen und Beteiligten, einschließlich der nationalen Parlamente. Dazu muss man von der "Organigramm-Logik wegkommen. Die Durchführung einiger der vorgeschlagenen Maßnahmen ist dank der Mechanismen gewährleistet, die die Leitinitiativen der Strategie Europa 2020 vorsehen. 14

Dieser Bericht zeigt deshalb, welche Rechte und Vorteile die Unionsbürgerschaft - die die Bürger eng mit der EU verbindet - ihnen bringt. Er legt die größten Hindernisse dar, denen Bürger in ihrem Alltag immer noch begegnen, wenn sie ihre EU-Rechte grenzüberschreitend in Anspruch nehmen, und skizziert die Maßnahmen, die geplant sind, damit sie von ihren Rechten Gebrauch machen können.

Der Bericht über die Unionsbürgerschaft 2010 wird von den zwei folgenden Dokumenten begleitet:

2. die Alltäglichen Hindernisse für Bürger angehen

EU-Bürger können bei der Inanspruchnahme ihrer Rechte in den verschiedensten Rollen ihres Lebens auf Hindernisse stoßen: entweder als Privatpersonen, als Verbraucher von Gütern oder Nutzer von Dienstleistungen, als Studenten und Berufstätige oder als politische Akteure. Die Kommission hat die 25 wichtigsten Faktoren untersucht, die Bürger in ihrem Alltag als Hindernis empfinden und über die sie sich bei der Kommission beschwert haben.

2.1. Bürger als Privatpersonen

2.1.1. Ungeklärte Eigentumsrechte bei internationalem Ehepaaren

Mehr und mehr Bürger ziehen aus ihrem eigenen in einen anderen EU-Staat, um dort zu studieren, arbeiten, leben - und sie verlieben sich dort. Immer mehr Paare leben in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht haben. Von den rund 122 Millionen Ehen innerhalb der EU haben etwa 16 Millionen (13 %) solch einen grenzüberschreitenden Charakter. 2007 machten internationale Ehen etwa 300 000 der 2,4 Millionen Eheschließungen in der EU aus; Gleiches galt für 140 000 (13 %) der 1 040 000 Scheidungen, die im selben Jahr innerhalb der EU ausgesprochen wurden.

Für diese internationalen Paare ist es oft schwer zu wissen, welche Gerichte zuständig sind und welche Gesetze für ihre persönlichen Umstände und ihre finanziellen Angelegenheiten (beispielsweise gemeinsames Haus oder Bankkonto) gelten. Infolgedessen bekommen sie nicht nur in alltäglichen Vermögensangelegenheiten, sondern auch bei Trennung oder Tod eines Partners unerwartete nachteilige Konsequenzen zu spüren.

Der Spanier Vicente und die Niederländerin Ingrid sind verheiratet und leben in den Niederlanden. Sie möchten gern gemeinsam ein Haus in Frankreich kaufen. Zuvor möchten sie jedoch wissen, welches Recht für den Kauf - und allgemeiner das Eigentum - gälte, das ihnen zusammen gehören würde, wenn sie sich trennen sollten oder einer von ihnen verstürbe: Wäre es das spanische, niederländische oder das französische Recht? Könnten sie das Recht auswählen, das gelten soll? Wäre es möglich, sicherzustellen, dass ein Gericht, das sich vielleicht eines Tages mit ihrer Scheidung oder Erbfolge befassen muss, auch über die Zuständigkeit für die Teilung ihrer Vermögenswerte verfügt?

Die Kommission

2.1.2. Bürokratische und teure grenzüberschreitende Anerkennung zivilrechtlicher Dokumente und Schwierigkeiten beim grenzüberschreitenden Zugang zur Justiz

Für Bürger, die in andere Mitgliedstaaten ziehen, ist es außerordentlich wichtig, dass zivilrechtliche Dokumente zu wichtigen Ereignissen in ihrem Leben (z. B. Geburt, Hochzeit, eingetragene Lebenspartnerschaft, Scheidung, Adoption oder Name) anerkannt werden. Innerhalb der EU sind die Register und Verwaltungssysteme der Mitgliedstaaten unterschiedlich organisiert, was zu Problemen bei einer solchen grenzüberschreitenden Anerkennung führt. Zudem wird eventuell nicht jeder Personenstand von allen Mitgliedstaaten anerkannt. Vom Bürger werden daher aufwändige und teuere Formalitäten verlangt (Übersetzung, zusätzlicher Nachweis über die Echtheit von Dokumenten), die sie unter Umständen sogar daran hindern, ihre Rechte in Anspruch zu nehmen.

Michal aus Zypern möchte Sanna aus Finnland heiraten, muss jedoch ein Ehefähigkeitszeugnis vorlegen, das es nach dem Recht seines Landes nicht gibt.

Bürger sollten in anderen Mitgliedstaaten in gleicher Weise Zugang zur Zivil- und Strafjustiz haben wie in ihrem eigenen Land. 2007 waren schätzungsweise 9 Millionen EU-Bürger allein in zivilrechtliche grenzüberschreitende Verfahren involviert. 17 Mehr als die Hälfte der 2007 befragten Europäer glaubte, es wäre für sie sehr oder recht schwierig, in einem anderen Mitgliedstaat vor Gericht zu gehen, um ihr Recht einzufordern, weil sie die Verfahrensregeln nicht gut genug kennen.

Der Deutsche Daniel möchte in Rumänien ein Haus kaufen. Sein Anwalt muss einen Notar und einen Fachübersetzer für juristische Texte finden und das Verfahren für eine Grundbuchabfrage in Erfahrung bringen.

Die Kommission

2.1.3. Unzureichender Schutz von Verdächtigten, Beschuldigten und von Verbrechensopfern in Strafsachen

Immer mehr Unionsbürger sind an Strafverfahren in einem anderen Mitgliedstaaten als ihrem Herkunftsland beteiligt. Häufig verstehen sie weder die Sprache, in dem das Verfahren geführt wird, noch sprechen sie diese. Dies kann ihnen ihre Verteidigung und die Wahrnehmung ihres Rechts auf ein faires Verfahren zusätzlich erschweren. Die Mitgliedstaaten stellen in unterschiedlichem Maße Dolmetsch- und Übersetzungsdienste zur Verfügung.

Martin, ein slowakischer Fußballfan, wurde nach einem Fußballspiel in Portugal verhaftet und wegen Körperverletzung angeklagt. Da er kein Portugiesisch sprach, aber Englisch verstand, bat er um eine Verdolmetschung ins Englische. Während des Prozesses erhielt er Beistand von einem vom Gericht benannten Dolmetscher ohne fachliche Qualifikation. Sein Anwalt sprach kein Englisch, und bei den kurzen Treffen mit ihm war der Dolmetscher nicht zugegen. Keine der Aktenunterlagen war ins Englische übersetzt.

Die Kommission stellt sicher, dass die Rechte Verdächtigter und Beschuldigter in Strafverfahren in der gesamten Europäischen Union gewahrt werden. 19

Europaweit fallen mehr als 3 0 Mio. Menschen jährlich Straftaten zum Opfer. 20 Vermutlich ist die Zahl noch sehr viel höher, doch wurden die Straftaten nicht angezeigt. Die Europäische Union hat bereits Mindeststandards für die Behandlung von Opfern 21 festgelegt, doch diese wurden bisher nur unzulänglich umgesetzt und können in staatenübergreifenden Situationen nicht ordnungsgemäß durchgesetzt werden. Das führt dazu, dass Opfer entweder nicht alle ihre Recht wahrnehmen können oder dass die Rechte in den einzelnen Mitgliedstaaten in der Praxis unterschiedlich geschützt sind. Opfer können nicht davon ausgehen, dass sie auf Reisen oder beim Umzug ins Ausland die gleichen Rechte, die gleiche Unterstützung und den gleichen Schutz genießen wie in ihrem Land. Allgemein können Opfer von Straftaten in Europa nicht darauf vertrauen, dass sie das erhalten, was sie brauchen, nämlich die Anerkennung als Opfer, Achtung und würdige Behandlung, Unterstützung, Zugang zur Justiz, Schadenersatz und Wiedergutmachung.

So sorgen viele Mitgliedstaaten nicht dafür, dass die Opfer nicht auf die Tatverdächtigen treffen können.

Anna wurde bei einem Überfall auf der Straße verletzt. Ihr Angreifer wurde gefasst. Sie hatte den Mut, vor Gericht zu erscheinen, um gegen ihn auszusagen. Als sie jedoch im Gericht auf die Verhandlung wartete, wurde sie von ihrem Angreifer erkannt, der sie mit Gesten bedrohte. Anna war so verängstigt, dass sie an diesem Tag nicht mehr dazu in der Lage, ihre Aussage zu machen. Das Verfahren wurde eingestellt.

Die Kommission

2.1.4. Probleme der Besteuerung in grenzüberschreitenden Situationen (insbesondere Fahrzeugregistrierungssteuern)

Immer mehr Europäer erwerben Immobilien außerhalb ihres Herkunftsmitgliedstaats. Im Jahr 2007 war das Volumen grenzüberschreitender Immobilienan- und -verkäufe mit 55 Mrd. EUR zehnmal größer als 2002. Die Anwendung bestimmter innerstaatlicher Steuerregelungen auf diese Transaktionen kann den grenzüberschreitenden Erwerb von Immobilien, insbesondere von Eigenheimen, gegenüber einem Erwerb erschweren, der in jeder Hinsicht auf das Inland beschränkt ist.

Des Weiteren nimmt die Zahl der grenzüberschreitenden Erbschaften (oder Schenkungen) zu (z. B. von einem Erblasser/Schenker aus einem anderen Land; Vermögenswerte in einem Land als dem, in dem der Begünstigte lebt). Erbschaften oder Schenkungen aus dem Ausland werden häufig höher besteuert als inländische. Es kommt außerdem häufig vor, dass solche Erbschaften oder Schenkungen von mehr als einem Mitgliedstaat besteuert werden. Oft sind die vorhandenen Mechanismen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung unzureichend.

Die in Belgien wohnhafte Hélène hat von ihrem verstorbenen belgischen Vater, der in Belgien gelebt hat, Vermögenswerte in Irland geerbt. Die in Irland befindlichen Vermögenswerte wurden doppelt besteuert, da Belgien Erbschaftssteuer auf diese Vermögenswerte erhoben hat und Irland Immobiliensteuern.

Ganz allgemein stellt sich Unionsbürgern auch das Problem der steuerlichen Benachteiligung von Grenzgängern (wie etwa das Verbot, den Grundfreibetrag in Abzug zu bringen) und von Investitionen in einem anderen Mitgliedstaat (Besteuerung von Dividenden), was zu den Schwierigkeiten bei der Kommunikation mit ausländischen Steuerbehörden, dem Mangel an klaren Informationen zu Steuerregelungen für grenzüberschreitende Situationen, zeitaufwändigen Verfahren für die Vermeidung der Doppelbesteuerung und komplizierten Antragsformularen noch hinzukommt.

Die Kommission wird 2010 im Rahmen der Initiative "Beseitigung von Steuerhindernissen für Unionsbürger" mögliche Lösungen für Besteuerungsprobleme prüfen, auf die Unionsbürger in grenzüberschreitenden Situationen stoßen. In der Mitteilung über die Binnenmarktinitiative sind diese Probleme ausführlich beschrieben.

Beim Kauf eines Kraftfahrzeugs in einem anderen Mitgliedstaat oder bei der Überführung eines solchen in einen anderen Mitgliedstaat als den, in dem es erworben wurde, (z. B. bei Wohnsitzwechsel) kommen bei der Wiederzulassung häufig aufwändige Formalitäten und Bürokratie auf die Unionsbürger zu; sie müssen möglicherweise die Zulassungsgebühr doppelt zahlen, da die innerstaatlichen Vorschriften zur Erstzulassungsbesteuerung ohne Abstimmung mit den anderen Ländern angewendet werden.

Der in den Niederlanden lebende Aurel geht in Rente und beschließt, seinen ständigen Wohnsitz nach Griechenland zu verlegen, wo er ein Ferienhaus hat. Sein Auto hatte er in den Niederlanden gekauft und zugelassen. Beim Umzug nach Griechenland wird er sein Auto in Griechenland wieder zulassen und dafür dort Zulassungssteuer zahlen müssen. Die Höhe der fälligen Zulassungssteuer richtet sich nach dem Alter des Fahrzeugs. Dennoch wird er keine Teilrückerstattung der zuvor in Niederlanden gezahlten Zulassungssteuer erhalten, so dass die Zulassung seines Autos zweimal besteuert wird.

Die Kommission

2.1.5. Hindernisse bei der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung für europäische Bürger und bei elektronischen Gesundheitsdiensten (eHealth)

EU-Bürger, die auf Geschäfts- oder Urlaubsreisen oder während eines Studienaufenthalts in einem anderen Mitgliedstaaten erkranken oder Verletzungen erleiden, haben den gleichen Anspruch auf Zugang zu medizinischer Versorgung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats. Die Europäische Krankenversicherungskarte, die an 188 Millionen europäische Bürger, also rund 37 % der Gesamtbevölkerung der EU, ausgegeben wurde, erleichtert den Zugang zur Gesundheitsversorgung während Kurzaufenthalten.

Außerdem können sich EU-Bürger auf die EU-Vorschriften zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit berufen, um im Ausland nach vorheriger Genehmigung - die nur unter bestimmten Umständen verweigert werden darf - eine geplante Behandlung zu erhalten. In diesem Fall kann sich der betreffende Bürger in einem anderen Mitgliedstaat so behandeln lassen, als sei er dort versichert. Ferner kann auf der Grundlage der Dienstleistungsfreiheit ein anderes Kostenerstattungssystem für die geplante Gesundheitsversorgung im Ausland in Anspruch genommen werden.

Allgemein fällt die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung in der EU jedoch kaum ins Gewicht, sie macht - einschließlich Notfallversorgung 22 - schätzungsweise 1 % der öffentlichen Gesundheitsausgaben aus. Patienten haben nicht immer Zugang zu den einschlägigen Informationen über wesentliche Gesichtspunkte der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, beispielsweise über ihren Anspruch auf Kostenerstattung für in anderen Mitgliedstaaten geleistete Gesundheitsversorgung. Dies verunsichert die Patienten und führt zu Misstrauen; es hält sie davon ab, ihr Recht auf Gesundheitsversorgung in einem anderen EU-Land wahrzunehmen.

Darüber hinaus kann eHealth sowohl landesintern als auch grenzüberschreitend eine kontinuierliche Gesundheitsfürsorge und somit eine bessere medizinische Versorgung ermöglichen. Allerdings stehen viele rechtliche und organisatorische Hindernisse (z. B. unterschiedliche Datenschutzvorschriften innerhalb der EU, Rückerstattungssysteme und mangelnde europaweite Interoperabilität) dem Einsatz der elektronischen Gesundheitsdienste in Europa im Weg. Dadurch ist es Unionsbürgern nicht möglich, die Vorteile von eHealth auszuschöpfen, wenn sie sich im Ausland medizinisch versorgen lassen müssen. Elektronische Gesundheitsdienste können die Ungleichbehandlung beim Zugang zur Behandlung verringern helfen, die Qualität der Gesundheitsversorgung verbessern, den Zugriff der Patienten auf ihre persönlichen Gesundheitsdaten erleichtern und sicherer machen, das Risiko ärztlicher Kunstfehler minimieren oder zur frühzeitigen Erkennung von Gesundheitsproblemen beitragen. Beispielsweise kann die Fernüberwachung von Herzpatienten die Überlebensraten um 15 % erhöhen. Elektronische Verschreibungen (ePrescriptions) können Fehler bei der Arzneimitteldosierung um 15 % reduzieren.

Die Polin Dorota erfährt, dass sie am Herz operiert werden muss. Sie würde sich lieber in Lettland operieren lassen, so dass ihr Sohn sich während ihrer Rekonvaleszenz um sie kümmern kann, doch sie weiß nicht, ob sie dort Anspruch auf Gesundheitsversorgung hat, und wenn ja, wie sie sich die Kosten für die Operation und die danach erforderliche häusliche Fernüberwachung rückerstatten lassen kann.

Die Kommission schlägt vor, den Zugang zu grenzüberschreitender Gesundheitsversorgung in der Praxis zu erleichtern, indem klarere Erstattungsregelungen, Verfahrensgarantien und transparente Informationen zu der in anderen Ländern verfügbaren Gesundheitsversorgung eingeführt werden, das Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Qualität der Gesundheitsdienste der anderen Länder gestärkt wird und indem Patienten dabei geholfen wird, ihren Anspruch auf Kostenerstattung für medizinische Behandlungen in einem beliebigen EU-Land durchzusetzen. 23 Wie in der "Digitalen Agenda für Europa"24 angekündigt, unterstützt die Kommission die großflächige Einführung von Telemedizin-Diensten und den grenzüberschreitenden Austausch elektronischer Patientenakten und elektronischer Verschreibungen unter Beachtung der EU-Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten.

Die Kommission

2.1.6. Unvollständige Umsetzung des Rechts auf konsularischen Schutz für in Drittstaaten in Not geratene Unionsbürger

Wenn sich Unionsbürger in einem Nicht-EU-Staat aufhalten, in dem ihr Herkunftsmitgliedstaat weder durch eine Botschaft noch durch ein Konsulat vertreten ist, haben sie Anspruch auf konsularischen Schutz durch einen beliebigen anderen Mitgliedstaat. Die Botschaft oder das Konsulat des anderen EU-Mitgliedstaats sollte sie wie eigene Staatsangehörige behandeln. Die Zahl der Unionsbürger, die in Drittstaaten reisen, ist von über 80 Millionen im Jahr 2005 auf über 90 Millionen im Jahr 2008 gestiegen. 27 Über 30 Millionen Unionsbürger leben auf Dauer in einem Drittstaat, doch in nur drei Ländern (USA, China, Russland) sind alle 27 Mitgliedstaaten vertreten. Durch die wachsende Anzahl von Europäern, die Geschäfts- oder Urlaubsreisen in Drittstaaten unternehmen 28 , besteht ein wachsender Bedarf an konsularischer Unterstützung für Unionsbürger, für die keine Vertretung vorhanden ist.

Dass das Recht der Unionsbürger auf konsularischen Schutz auch wirksam ist, gilt noch zu beweisen. Obwohl noch immer keine ausreichenden systematischen Daten vorliegen, ist - wie aus eingegangenen Beschwerden und Meldungen deutlich wird - den Unionsbürgern und zuweilen den Konsularbeamten noch nicht ausreichend klar, dass Unionsbürger das Recht haben, sich an andere Botschaften bzw. Konsulate zu wenden, und dass sie nicht sicher sind, welche Art von Hilfe geleistet werden darf. Die Unionsbürger haben hohe Ansprüche: in einer aktuellen Umfrage29 haben sie mehrheitlich (62 %) geäußert, sie erwarteten dieselbe Art von Hilfe unabhängig davon, welchen Mitgliedstaat sie darum bitten, während fast ein Drittel von ihnen (28 %) zumindest ein Mindestniveau an Unterstützung von jedem Mitgliedstaat erwarten.

Bisher gibt es dazu nur wenige rechtliche Regelungen. Der Vertrag von Lissabon ermächtigt die Kommission, Richtlinien über Koordinierungs- und Kooperationsmaßnahmen vorzuschlagen, die erforderlich sind, um die Wahrnehmung des Rechts auf konsularischen Schutz zu erleichtern. Krisen der jüngsten Zeit (z. B. Erdbeben in Haiti und Chile, Vulkanaschewolke aus Island) haben den Bedarf an wirksamer Koordinierung und auch an einer Lastenverteilung zwischen den Mitgliedstaaten gezeigt. In einer Krise muss Staatsangehörigen nicht vertretener Mitgliedstaaten genauso unverzüglich und effizient geholfen werden wie den Bürgern der Mitgliedstaaten, die die Evakuierungen durchführen.

Die Slowenin Natascha ist in ihrem Karibikurlaub einem bewaffneten Raubüberfall zum Opfer gefallen. Sie wurde verletzt und ihr Pass und Geld wurden gestohlen. Sie fragt sich, wie sie schnell einen Englisch sprechenden Arzt findet und woher sie das Geld und die Reisedokumente bekommt, die sie nach ihrer Genesung für einen Rückflug benötigt.

Die Kommission

2.2. Bürger als Verbraucher

2.2.1. Mangelnde Information über die Rechte der Bürger in ihrer Rolle als Passagiere und Urlauber und beim Kauf von Urlaubspaketen und unzureichende Durchsetzung

Viele Unionsbürger fahren in andere EU-Länder in Urlaub. So haben 2009 37 % der Deutschen, 34 % der Bürger des Vereinigten Königreichs und 16 % der Italiener ihren Haupturlaub in einem anderen EU-Land verbracht (23 %, 30 % bzw. 13 % außerhalb der EU) .30 Unionsbürger werden sich ihrer EU-Rechte oder der Mängel bei deren Durchsetzung deshalb häufig im Urlaub bewusst.

56. % der Europäer organisieren ihren Urlaub mit Hilfe des Internets selbst und nutzen das wachsende Angebot der Billigfluggesellschaften. 31 Sie fallen jedoch nicht unter die bestehenden EU-Regelungen zum Schutz der Käufer von Pauschalreisen. Der steigende Trend zu "flexiblen Reisepaketen"32 hat rechtliche Grauzonen erzeugt, in denen Verbraucher nicht wissen, ob die von ihnen wahrgenommenen Reiseangebote unter diesen Schutz fallen. 67 % der befragten Verbraucher, die ein "flexibles Reisepaket" buchten, glaubten fälschlicherweise, sie seien geschützt. Der Schaden für diejenigen, die flexible Reisepakete buchen, beläuft sich schätzungsweise auf 1 Mrd. EUR pro Jahr.33 Außerdem sind die innerstaatlichen Rechtsvorschriften zur Umsetzung dieser Regelungen unterschiedlich und verursachen Probleme für Verbraucher, die ihren Pauschalurlaub in einem anderen Mitgliedstaat buchen möchten.

Dagmara bucht eine Reise (Flug, vier Hotelübernachtungen und Mietwagen) über das Internet. Sie stellt fest, dass die Wasserversorgung in ihrem Bad nicht funktioniert, und beschwert sich darüber an der Rezeption. Die Empfangsdame sagt ihr, es gäbe keine freien Zimmer mehr. Dagmara ruft das Internetunternehmen an, bei dem sie gebucht hat. Sie erhält die Auskunft, sie müsse dieses Problem selbst mit dem Hotel lösen. Sie verbringt drei Stunden damit, eine Lösung zu finden, und zahlt schließlich zusätzlich 500 EUR für ein Zimmer in einem anderen Hotel. Später findet sie heraus, dass der Veranstalter - wäre ihr Urlaubspaket unter EU-Recht gefallen - finanziell haftbar und dazu verpflichtet gewesen wäre, ihr Unterstützung anzubieten, z. B. eine Zimmer- oder Hotelalternative.

Trotz der EU-Vorschriften über die Passagierrechte, die für den Luft- und den Schienenverkehr und ab 2012 auch für den Schiffsverkehr gelten, und trotz der laufenden Sensibilisierungsmaßnahmen 34 sind sich nur wenige europäische Reisende ihrer Rechte bewusst und wissen, wie und wo sie sich beschweren können. Die Gesamtzahl der von Flugpassagieren eingereichten Beschwerden und Anfragen beläuft sich jedes Jahr auf rund 68000 35 und zeigt, dass Passagiere auf Schwierigkeiten stoßen, wenn sie Forderungen gegen Luftfahrtunternehmen geltend machen wollen.

Weitere Schwierigkeiten ergeben sich daraus, dass die Luftfahrtunternehmen unterschiedliche Geschäftspraktiken pflegen - wie neue Begrenzungen für Größe und Gewicht von aufgegebenem Gepäck und Handgepäck - und unterschiedliche Verfahren für die Beschwerdebearbeitung haben, was Passagiere verwirren kann. Auch können Geschäftspraktiken als unfair empfunden werden (wie etwa die sogenannte "No-Show"- Politik, bei der Fluggesellschaften von ihren Passagieren verlangen, die im Rahmen eines Reisevertrags gekauften Flüge in entsprechender Reihenfolge zu nutzen; andernfalls dürfen sie den nächsten Flug nicht nehmen). Auch frustriert es Passagiere, wenn es in den Mitgliedstaaten keine zentrale Anlaufstelle für ihre Beschwerden gibt.

Alessandro hatte die Fluggesellschaft davon in Kenntnis gesetzt, dass er sich das Bein gebrochen hat und Hilfe brauche. Diese Hilfe wurde jedoch erst auf sein Insistieren hin vor Ort organisiert, und er musste über eine Stunde darauf warten. Sein Flug hatte große Verspätung, und bei der Ankunft war sein Gepäck nicht da. Er musste sich bei drei verschiedenen Stellen beschweren und wurde kaum über seine Rechte aufgeklärt.

Unionsbürgern mit Behinderung ist der Zugang unter anderem zur baulichen Umwelt, zu Verkehrsmitteln, zur Information und zu einer Reihe von Gütern und Dienstleistungen zusätzlich erschwert, auch wenn sie innerhalb ihres Landes oder in anderen Mitgliedstaaten reisen. Ein Sechstel aller Unionsbürger hat eine Behinderung, und dieser Anteil wird mit steigendem Durchschnittalter der Bevölkerung zunehmen: Bereits 35 % der über 65-Jährigen geben an, dass sie im Alltag mit gewissen Beeinträchtigungen konfrontiert sind, und 15 % der 65- bis 74-Jährigen sehen sich stark beeinträchtigt.

Der in Ungarn lebende Tibor benötigt aufgrund seiner sich verschlimmernden Diabetes einen Rollstuhl. Er bereist sehr gern andere EU-Länder, stößt dabei jedoch auf viele Hindernisse. Beispielsweise haben die meisten Hotels keine oder sehr wenige rollstuhlgerechte Zimmer, und viele der Sehenswürdigkeiten, die er besuchen möchte, sind nicht rollstuhlgerecht. Ehe er sich auf eine Reise begibt, muss er sich kundig machen, wo er auf die geringsten Probleme stoßen wird und ob er für diese Reise Versicherungsschutz bekommt.

Wie bereits erwähnt ist der Tourismus ein immer wichtiger werdender Aspekt im Leben der Unionsbürger. Sie reisen immer öfter - entweder in der Freizeit oder geschäftlich. 2008 unternahmen die Europäer rund 1,4 Mrd. Reisen36, 90 % davon innerhalb der EU. Die Europäer neigen jedoch dazu, weniger weit zu reisen, kürzere Aufenthalte zu buchen und wenig Geld auszugeben. Die Kommission setzt Maßnahmen zur Förderung des europäischen Tourismus um. Sie möchte attraktivere Bedingungen und Vertrauen schaffen, wobei sie auf die Zufriedenheit der Verbraucher Wert legt.

Die Kommission

2.2.2. Fehlen einheitlicher Verbraucherschutzregelungen, mangelnde Kenntnis bestehender Beschwerdemöglichkeiten und unzulängliche Beschwerdemöglichkeiten

Beim Kauf von Gütern und Dienstleistungen fehlt Bürgern oft das Vertrauen, die reiche Auswahl und die konkurrenzfähigen Preise in Europa zu nutzen, und beschränken sich auf ihren inländischen Markt. Einer der Gründe hierfür könnte sein, dass keine einheitlichen Verbraucherschutzregelungen bestehen: Mehr als ein Drittel der Verbraucher (37 %) glaubt, dass sie vielleicht schlechteren Schutz genießen, wenn sie etwas aus einem anderen EU-Land beziehen oder auf Reisen einkaufen, als wenn sie es in ihrem eigenen Land tun. 37 Zwei Drittel der EU-Haushalte verfügt über einen Internetanschluss 38 , doch nur 12 % der EU-Webnutzer fühlen sich bei Online-Transaktionen vollkommen sicher 39 . Ein Drittel der Verbraucher zieht zwar in Erwägung, online im Ausland einzukaufen, weil es dort besser oder billiger ist40, aber41 nur 8 % tun dies auch tatsächlich

Die in Italien lebende Chiara hat auf der Website eines bulgarischen Elektronikmarktes eine

Digitalkamera zu einem viel niedrigeren Preis als in ihrer Heimatstadt gefunden. Es widerstrebt ihr jedoch, sie online in Bulgarien zu kaufen, denn sie fragt sich: Was passiert, wenn die Kamera auf dem Weg verlorengeht oder beschädigt wird? Wird sie die Kamera an den Verkäufer zurückschicken können, wenn ihr das Produkt nicht zusagt, wie es in Italien der Fall wäre? Innerhalb welcher Frist müsste sie die Kamera zurücksenden?

Um diesem Vertrauensmangel entgegenzutreten, hat die Kommission eine weitere Harmonisierung der Verbraucherschutzregeln vorgeschlagen und sucht nach Wegen, Verbraucher einfacher über ihre Rechte aufzuklären. 42 Darüber hinaus schlägt die Kommission in der "Digitalen Agenda für Europa"43 mehrere konkrete Maßnahmen vor, um die Hauptprobleme zu lösen, die europäische Bürger davon abhalten, die Vorteile eines digitalen Binnenmarktes und grenzüberschreitender digitaler Dienste zu nutzen. Ende 2010 wird die Kommission außerdem eine Erhebung über die "Stärkung der Verbraucherrechte" veröffentlichen. Darin wird dargelegt, wie informiert die Verbraucher sind und wie selbstbewusst sie ihre Rechte durchsetzen. Außerdem wird sie ermitteln, welche Verbraucher benachteiligt sind oder wo es in der Bevölkerung spezielle Probleme gibt. Ziel ist eine Verbesserung der Information der Verbraucher um 10- 15 % bis 2020.

Wenn Probleme auftreten, können Verbraucher häufig ihre Rechte nicht wirksam geltend machen. 51 % der Verbraucher, die bei einem Gewerbetreibenden reklamieren und mit dem Ergebnis der Reklamation nicht zufrieden sind, ergreifen keine weiteren Maßnahmen. 47 % der Bürger leiten bei Schäden unter 200 EUR keine rechtlichen Schritte ein. In Situationen mit grenzüberschreitendem Bezug widerstrebt es ihnen sogar noch stärker, etwas zu tun. Außerdem sind Verbrauchern alternative Streitbeilegungsverfahren (ADR) sowie auf einzelstaatlicher Ebene bestehende Mediationsmöglichkeiten als kostengünstigere (gratis oder unter 50 EUR) und schnellere Alternative zu Gerichtsverfahren nicht bekannt oder sie nutzen sie nicht in vollem Umfang aus. Um die Beitreibung von Forderungen unter 2 000 EUR (europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen) zu beschleunigen und für den Bürger zu vereinfachen, wird die Kommission bis 2013 für eine EU-weite Online-Bearbeitung solcher Verfahren sorgen und zugleich prüfen, ob auch Forderungen unter 5 000 EUR in das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen einbezogen werden sollten. Weitere Maßnahmen sind ausführlich in der Mitteilung über die Binnenmarktinitiative beschrieben.

Die Kommission

2.3. Bürger als Einwohner, Studenten und Berufstätige

2.3.1. Divergierende und inkorrekte Anwendung des EU-Rechts und aufwändige Verwaltungsverfahren - Freizügigkeitshindernisse

Der Grundsatz der Freizügigkeit von Personen hat sich in den letzten 40 Jahren immer mehr durchgesetzt und gilt jetzt für alle EU-Bürger. Es ist eines der wichtigsten und am meisten geschätzten Rechte der Unionsbürger. Wie 2010 durchgeführte Erhebungen gezeigt haben, sind sich fast neun von zehn Unionsbürgern dieses Rechts bewusst46 und halten es für "selbstverständlich". Sie sehen es als ihr Grundrecht als Unionsbürger an. 47 Im Jahr 2009 lebten schätzungsweise 11,7 Millionen Unionsbürger in anderen Mitgliedstaaten, doch Erhebungen zeigen, dass wesentlich mehr das Recht auf Freizügigkeit irgendwann in ihrem Leben in Anspruch nehmen könnten. Die Hälfte (54 %) der 2009 befragten Bürger war nicht an einer Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat interessiert oder sah zu viele48 Hindernisse dafür , während fast ein Fünftel der Europäer (17 %) tatsächlich erwog, im49 Ausland zu arbeiten

2009 machten wohnsitzbezogene Fragen den größten Anteil (38 %) aller Beschwerden bezüglich des Funktionierens des Binnenmarkts aus.50 Diese Zahl zeigt, dass EU-Bürger sich ihres Rechts auf Freizügigkeit bewusst sind und sich Hindernissen widersetzen.

Unionsbürger haben noch immer Schwierigkeiten und müssen inakzeptable Verzögerungen hinnehmen, wenn sie Meldebescheinigungen brauchen: Häufig müssen sie zusätzliche Unterlagen (z. B. Stromrechnungen) vorlegen, die von den EU-Regelungen nicht vorgeschrieben sind. Nach dem EU-Recht müssen Unionsbürger, die nicht erwerbstätig sind, bei einem über dreimonatigen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat über "ausreichende Finanzmittel" verfügen. Mehrere Mitgliedstaaten wenden die EU-Vorschriften nicht ordnungsgemäß an, da sie feste Beträge als Kriterium für die Aufenthaltserlaubnis zugrunde legen oder die Umstände im Einzelfall nicht berücksichtigen.

Unionsbürger, die sich in einem anderen als ihrem eigenen Mitgliedstaat aufhalten, haben allzu oft Probleme, wenn sie verschiedene Leistungen und Vorteile nutzen wollen; sie werden aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit benachteiligt. Sie können sogar Probleme haben, wenn sie im Einklang mit dem Recht ihres Herkunftsmitgliedstaats ihren Kindern ihren Nachnamen geben möchten.

Das Recht auf Einreise und die Ausstellung von Aufenthaltstitel für Familienangehörige aus Drittstaaten, die Unionsbürger, welche in andere Mitgliedstaaten ziehen, begleiten oder ihnen nachziehen, werden unter anderem durch überzogene Anforderungen zur Vorlage von Dokumenten, aufwändige Verwaltungsverfahren und lange Bearbeitungszeiten behindert. Familienmitgliedern von Unionsbürgern im weiteren Sinn (z.B. nichteheliche Partner) kann u. U. eine Erleichterung bei der Einreise und beim Aufenthalt verweigert werden. Zu weiteren Problemen kommt es, wenn das Konzept der Familienmitglieder im weiteren Sinn sich entweder nicht in der innerstaatlichen Gesetzgebung wiederfindet oder in einer dem EU-Recht entgegenstehenden Weise ausgelegt wird.

Bei einem Erasmus-Austausch in Schweden hat der Luxemburger Christian die Spanierin Natalia kennengelernt. Nach Beendigung seines Hochschulstudiums möchte Christian nun zu ihr nach Spanien ziehen. Er fragt sich aber, ob das möglich ist, weil er kein Spanisch spricht und daran zweifelt, dass er in dem kleinen Dorf, in dem Natalia lebt, schnell Arbeit findet. Werden die Behörden, wenn er sich nach den ersten drei Monaten in Spanien anmelden muss, seine Erklärung akzeptieren, dass er monatlich 600 EUR von seinen Eltern bekommt und von dieser Summe leben kann? Oder werden sie von ihm den Nachweis verlangen, dass über ein höheres ständiges Einkommen verfügt?

Die Kommission

2.3.2. Aufwändige und unzuverlässige Verfahren zur Anerkennung von Hochschulabschlüssen und Berufsqualifikationen

EU-Bürger sind berechtigt, zum Studium oder zur Ausbildung in einen anderen Mitgliedstaat zu gehen und dort unter denselben Bedingungen wie einheimische Studenten Zugang zu den Bildungseinrichtungen zu erhalten. Schätzungsweise 4 % der Studierenden in Europa kommen während ihres Studiums in den Genuss eines Erasmus-Stipendiums. Seit Beginn des Erasmus-Programms 1987 haben insgesamt über 2 Millionen Studierende daran teilgenommen. Rund 555 000 junge Menschen studieren jedes Jahr an einer Universität im Ausland. Ein Drittel der befragten europäischen Hochschulstudenten gab 2009 in einer Umfrage an, sie hätten vor, in einem anderen EU-Land zu studieren. 53 Junge Bürger, die im Ausland studieren möchten oder nach einem Auslandsstudium in ihr Heimatland zurückkehren wollen, um dort zu arbeiten, haben jedoch noch immer erhebliche Schwierigkeiten bei der Anerkennung ihrer im Heimatland erworbenen Abschlüsse bzw. der Studienzeiten im Ausland. Die Anerkennung von Hochschulabschlüssen kann langwierig und schwierig sein. 36 % der Studierenden nennen Schwierigkeiten bei der Anerkennung von

Auslandsstudienzeiten als großen oder sehr großen Hinderungsgrund für ein Studium im Ausland. 54

Die Kommission möchte allen jungen Menschen in Europa mit der Initiative "Jugend in Bewegung" die Chance geben, einen Teil ihrer Ausbildung in einem anderen Mitgliedstaat zu machen, indem sie über die Rechte von Auslandsstudenten nach dem EU-Recht informiert und gemeinsam mit den Mitgliedstaaten zu erreichen versucht, dass bis 2020 mindestens 20 % der Hochschulabsolventen Studien- oder Ausbildungserfahrung im Ausland gemacht haben. Um Auslandsstudien zu erleichtern, fördert die Kommission auch die Vergleichbarkeit von Hochschulabschlüssen durch den Europäischen Qualifikationsrahmen.

Bürger erwarten, dass ihre beruflichen Qualifikationen ohne weiteres automatisch anerkannt werden, doch häufig werden sie enttäuscht: im europäischen Durchschnitt wurden nur 70 % der Anerkennungsanträge schnell bewilligt.

Jonathan aus Großbritannien zögert, ein gutes Stellenangebot in Österreich anzunehmen. Wird seine Frau als Krankenschwester arbeiten können? Wird sein Sohn, der Medizin studieren möchte, die Universität besuchen können?

Nach dem derzeitigen Recht werden nur sieben von über 800 Berufsqualifikationen automatisch anerkannt. Die Bürger haben nicht grundsätzlich die Möglichkeit, eine elektronische Bewerbung für eine Stelle in reglementierten Berufen einzusenden, und sie müssen bis zu drei oder vier Monate auf die Entscheidung über ihre Bewerbung warten.

In anderen Fällen verteuern und erschweren Verwaltungspraktiken, Verzögerungen beim Anerkennungsprozess und Widerstände auf nationaler Ebene eine Anstellung im Ausland und verstärken die Eintrittshürden in reglementierte Berufe. EU-Regelungen zur Harmonisierung von Ausbildungsanforderungen für Berufe, bei denen die Qualifikation automatisch anerkannt wird, (insbesondere Gesundheitsberufe und Architekten) sind inzwischen überholt.

Die Kommission wird 2012 einen Rechtsakt vorschlagen, um eine schnellere und weniger bürokratische Anerkennung von Berufsqualifikationen zu fördern. Die Mobilitätshindernisse auf dem europäischen Arbeitsmarkt und die Lösungsvorschläge der Kommission sind in der Mitteilung über die Binnenmarktinitiative ausführlich dargelegt.

2.3.3. Unterschiedliche Sozialversicherungssysteme als Hindernis für die Mobilität von Arbeitnehmern

Wie eine Eurobarometer-Erhebung neueren Datums gezeigt hat55, klagen Europäer, die in einem anderen Mitgliedstaaten arbeiten, u. a. über Schwierigkeiten aufgrund der Unterschiede zwischen den Sozialversicherungssystemen der einzelnen Staaten. Zu diesen Unterschieden kommen die komplexen Verflechtungen zwischen einzelstaatlichen Sozialversicherungseinrichtungen noch hinzu, die zu Verzögerungen und Schwierigkeiten beim Austausch der Sozialversicherungsinformationen von Bürgern führen können.

Zeta ist aus ihrer Heimat Griechenland nach Deutschland gezogen, um dort zu arbeiten. Ihr Mann ist mit den beiden Kindern in Griechenland geblieben. Wegen Verzögerungen beim Austausch von Sozialversicherungsinformationen zwischen den griechischen und den deutschen Behörden dauerte es sehr lange, bis feststand, welches Land das Kindergeld zu zahlen hat.

Die EU-Regelungen für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit erfassen zudem nur gesetzliche Sozialversicherungssysteme. So sind Zusatzrenten (z. B. Betriebsrenten) in den Rentenregelungen nicht erfasst, und die Einzelregelungen, unter die sie fallen56 , bieten nur einen Grundschutz. Die Kommission hat kürzlich eine breit angelegte Konsultation darüber initiiert, wie Hindernisse für den Erwerb und die Wahrung von Rentenansprüchen sowie die Auszahlung der Renten für Grenzgänger ausgeräumt werden können. 57 Diese Hindernisse und Abhilfevorschläge der Kommission sind in der Mitteilung über die Binnenmarktinitiative ausführlich dargelegt.

Die Kommission

2.4. Bürger als politische Akteure

Seit den ersten europäischen Direktwahlen im Jahr 1979 ist die Wahlbeteiligung stetig zurückgegangen. Bei den letzten Wahlen im Juni 2009 lag die Wahlbeteiligung insgesamt bei nur 43 % und bestätigte somit diesen Trend. Wie eine kürzliche durchgeführte Umfrage zeigte, meinen über 80 % der Unionsbürger, es könne zu einer höheren Wahlbeteiligung beitragen, wenn sie von den Parteien mehr Information über deren Programme und über den Einfluss der EU auf ihr Leben erhielten. 58

In künftigen Europawahlen wäre die Wahlbeteiligung höher, wenn...

Abbildung 1

Q6. In künftigen Europawahlen wäre die Wahlbeteiligung höher, wenn...
Basis: alle Befragten, % EU27

Bei der Durchführung von Wahlen zum Europäischen Parlament müssen alle Mitgliedstaaten gemeinsame Grundsätze einhalten: die Wahlen sollen frei, geheim und als allgemeine9 Direktwahl stattfinden. Die vorzeitige Bekanntgabe der Ergebnisse in einem Mitgliedstaat5 , d. h. mehrere Tage vor Abschluss des Urnengangs in anderen Mitgliedstaaten, verstößt gegen EU-Recht und verhindert, dass die Bürger ihre Stimme abgeben können, ohne von diesen Wahlergebnissen beeinflusst zu werden.

Die Kommission

Unionsbürger, die in einem anderen als ihrem Herkunftsmitgliedstaat leben, haben bei den Wahlen zum Europäischen Parlament dort das aktive und passive Wahlrecht .60 Einige Mitgliedstaaten scheinen die Unionsbürger nicht angemessen über dieses Recht zu unterrichten. 61 Bei der Eintragung von Bürgern ins Wählerverzeichnis verlangen einige Mitgliedstaaten von EU-Angehörigen aus anderen Mitgliedstaaten Formalitäten, die verhindern, dass diese ihr Wahlrecht unter denselben Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Landes ausüben können (Besitz eines nationalen Ausweises, Pflicht zur erneuten

Eintragung ins Wählerverzeichnis für jede Europawahl usw.).62 Solche Bedingungen scheinen mit dem EU-Recht nicht vereinbar zu sein.

Die Litauerin Ruta, die in Malta lebt, möchte bei den Europa-Wahlen für maltesische Kandidaten stimmen. Sie darf das nicht, weil sie keinen maltesischen Ausweis hat, der nach innerstaatlichen Vorschriften vorzulegen ist.

Eine Reihe von Mitgliedstaaten beschränken das Recht, politischen Parteien beizutreten oder eine Partei zu gründen, auf ihre eigenen Staatsangehörigen. 63 Dort lebende Unionsbürger aus anderen Mitgliedstaaten können daher nicht in vollem Umfang am politischen Leben teilnehmen und ihre Wahlrechte ausüben.

Die in der Tschechischen Republik lebende Dänin Charlotte möchte in eine tschechische Partei eintreten, die ihre politischen Ansichten vertritt. Das innerstaatliche Recht lässt dies derzeit nicht zu. Gleiches gilt für Litauen und Polen.

Nach dem derzeitigen EU-Recht müssen Unionsbürger, die in einen anderen Mitgliedstaat gezogen sind und bei den Wahlen zum Europäischen Parlament als Kandidat antreten möchten, einen Nachweis ihres Herkunftsmitgliedstaates beibringen, dass ihnen ihre Wahlrechte nicht entzogen wurden. Darüber hinaus sind in den EU-Regelungen Verfahren zur Verhinderung von Doppelkandidaturen und der doppelten Stimmabgabe vorgesehen. Diese Verfahren führen oft zu einem unnötigen Verwaltungsaufwand. Deshalb müssen die Verfahren vereinfacht werden, ohne dass sie gegen Missbrauch wirkungslos werden.

Die Kommission

Darüber hinaus verlieren einige Unionsbürger unter Umständen das Recht, an innerstaatlichen Wahlen in ihrem Herkunftsmitgliedstaat teilzunehmen, wenn sie in einen anderen Mitgliedstaat ziehen. Nach den Gesetzesvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten 65 verlieren deren Staatsangehörige ihre Bürgerrechte, wenn sie für einen bestimmten Zeitraum in einem anderen Mitgliedstaat leben. Viele Unionsbürger informierten die Kommission und das Europäische Parlament darüber, dass sie weder in ihrem Herkunftsmitgliedstaat noch in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat an innerstaatlichen Wahlen teilnehmen können.

Die Kommission

2.5. Mangel an leicht zugänglicher Information und Unterstützung für Bürger

Auch in den kurz vor dem EU-Beitritt stehenden Bewerberländern bedarf es einiger Anstrengungen, um die Bürger besser in den Beitrittsprozess einzubeziehen und sie über ihre künftigen Rechte als EU-Bürger zu informieren.

Die Kommission

2.6. Mangelndes Bewusstsein für die Bedeutung der Unionsbürgerschaft

Die meisten europäischen Bürger (79 %) geben an, von dem Begriff "Unionsbürger" gehört zu haben. 69 Allerdings kennen nur 43 % von ihnen die Bedeutung des Begriffs, und 48 % geben an, dass sie über ihre Rechte als Unionsbürger "nicht gut informiert" sind. Weniger als ein Drittel (32 %) bezeichnet sich selbst als "gut oder sehr gut informiert" über ihre Rechte als Unionsbürger.

Kenntnis des Begriffs "Unionsbürger" 2007-2010

Abbildung 2

F1. Frage zum Begriff der EU-Bürgerschaft. Sagt Ihnen der Begriff "Bürger der Europäischen Union" etwas?
Basis: alle Befragten, % EU27

Grad der Information über die Bürgerrechte in der Europäischen Union, 2007-2010

Abbildung 3

F2. Wie gut fühlen Sie sich über Ihre Rechte als Bürger der Europäischen Union informiert?
Basis: alle Befragten, % EU27

Damit die Unionsbürgerschaft im Leben der Menschen konkrete Bedeutung erlangt, muss deren Bewusstsein für ihre Rechte und Pflichten gestärkt werden.

Verschiedene Finanzierungsprogramme können zur Information über die Unionsbürgerschaft genutzt werden, darunter das Programm "Europa für Bürgerinnen und Bürger 2007-2013", das mit einem Budget von 215 Mio. EUR ausgestattet ist und die Bürgerbeteiligung stärken soll, und das Programm "Grundrechte und Unionsbürgerschaft 2007-2013" mit einem Budget von 93,8 Mio. EUR, das die an die Unionsbürgerschaft geknüpften Rechte wie das Wahlrecht bei Kommunal- und Europa-Wahlen im Wohnsitzmitgliedstaat, die Freizügigkeit und den konsularischen Schutz fördern soll. Unionsbürger und beteiligte Kreise müssen auf diese und andere EU-Finanzierungsmöglichkeiten hingewiesen werden und sollten von Größenvorteilen profitieren.

Der Vertrag von Lissabon eröffnet eine Fülle von neuen Möglichkeiten und sieht neue Zuständigkeiten und Ziele für eine aktivere Einbindung des Bürgers und der Zivilgesellschaft in die europäische Einigung vor, insbesondere durch die Einführung der Bürgerinitiative. Um die Wirksamkeit dieses wesentlichen Instruments der partizipativen Demokratie sicherzustellen, hat die Kommission Rechtsvorschriften vorgeschlagen, mit denen Verfahren und Bedingungen für die Anwendung dieser Initiative eingeführt werden sollen. 70 Die Bürgerbeteiligung auf EU-Ebene kann außerdem verbessert werden, indem die europäische Komponente von Maßnahmen gemeinnütziger Stiftungen gestärkt wird. Die rund 110 000 Stiftungen, die zur Zeit in den EU-Mitgliedstaaten tätig sind, kümmern sich um globale Themen wie Forschung, Umwelt, Gesundheit und Beschäftigung, die für die Unionsbürger eine zentrale Rolle spielen. Dennoch stoßen Stiftungen, die ihre Aktivitäten grenzüberschreitend ausdehnen wollen, auf eine Reihe verwaltungstechnischer wie auch zivilrechtlicher und steuerrechtlicher Barrieren (z. B. hinsichtlich der Verfahren für ihre Anerkennung als Stiftungen, der Steuerbefreiungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten usw.), die länderübergreifende Maßnahmen behindern, und zu Mehrkosten führen, die die für den Gemeinnutzen verfügbaren Mittel beschneiden. Wie in der Mitteilung über die Binnenmarktinitiative eingehend dargelegt, wird die Kommission 2011 zur Überwindung dieser Probleme eine Verordnung über eine Satzung der Europäischen Stiftung vorschlagen.

Die Berichterstattung unabhängiger Medien über EU-Angelegenheiten ist eine wichtige Quelle für gut informierte Unionsbürger und eine Grundvoraussetzung für die europäische öffentliche Debatte. Trotzdem sind wir von einer wirklichen europäischen Medienlandschaft, die sachkundige Debatten über die EU-Politik anregt, noch weit entfernt. Wie Alain Lamassoure in seinem Bericht hervorhob, gilt es in vielen Mitgliedstaaten noch immer als wichtiger, über US-Politik zu berichten als über EU-Angelegenheiten. Außerdem trägt die aktuelle Wirtschaftskrise dazu bei, dass die EU-Korrespondentenstellen bei vielen Medien abgebaut werden und die Medienaufmerksamkeit sich wieder stärker auf innerstaatliche Angelegenheiten konzentriert. Euronews ist derzeit der einzige Fernsehsender, der aus europäischer Sicht Bericht erstattet und viel Sendezeit EU-Angelegenheiten widmet. Der Sender sollte sein Format verbessern, um zu ebenso viel Einfluss und Ansehen zu gelangen wie andere internationale Nachrichtensender. Euronews hat noch kein Studio in Brüssel, über das der Sender direkt aus der Hauptstadt der Europäischen Union berichten könnte.

Die Kommission

3. Schlussfolgerungen

In vielen Bereichen, die in diesem Bericht vorgestellt wurden, ist der Grund dafür, dass Bürger bei der Wahrnehmung ihrer Rechte behindert werden, nicht in Lücken in den EU-Rechtsvorschriften zu finden. In einigen Fällen müssen die bestehenden Regelungen ergänzt oder aktualisiert oder sogar radikal überarbeitet werden, um sie an die sich verändernden sozioökonomischen oder technologischen Gegebenheiten anzupassen. Die meisten Maßnahmen für den Abbau von Hindernissen lassen sich in drei Schwerpunkte einordnen: effektive Durchsetzung von EU-Rechten, Erleichterung der Wahrnehmung dieser Rechte in der Praxis und Sensibilisierung für diese Rechte.

Der erste Schwerpunkt zielt darauf ab zu garantieren, dass die Bürgerrechte in der Praxis in vollem Umfang von den Mitgliedstaaten durchgesetzt werden. Solche Maßnahmen sind besonders in solchen Bereichen wichtig, in denen das EU-Recht vorwiegend auf Richtlinien gründet, die - anders als Verordnungen - durch innerstaatliche Gesetze oder Verwaltungsvorschriften in das Rechtssystem jedes Mitgliedstaats umgesetzt werden müssen. Zu diesen Maßnahmen gehören eine eingehende Prüfung der innerstaatlichen Maßnahmen, die Unterstützung durch Verwaltungszusammenarbeit oder die Herausgabe von Leitlinien sowie bei Bedarf die Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren.

Der zweite Schwerpunkt zielt darauf ab, den Bürgern im Alltag die Wahrnehmung individueller Rechte zu erleichtern und unnötige Komplikationen auszuräumen, Lösungen in Einzelfällen zu finden, durch innerstaatliche Verfahren und Praktiken entstehende Kosten und Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Dies geschieht durch nicht verbindliche Rechtsinstrumente (so genannte "Softlaw-Instrumente") wie Empfehlungen und Verhaltenskodexe, durch die Verbreitung bewährter Praktiken, die Schaffung von Vertrauen und durch die Ermöglichung einer engeren und effizienteren Zusammenarbeit zwischen innerstaatlichen Behörden, so dass die Bürgerrechte in ganz Europa effektiver werden. Auch sollten Lücken im EU-Recht geschlossen werden.

Der dritte Schwerpunkt zielt darauf ab, die Bürger über ihre Rechte aufzuklären, so dass sie Möglichkeiten besser nutzen können. Gleichzeitig sollten die innerstaatlichen Behörden, Richter und Angehörigen der Rechtsberufe über diese Rechte informiert sein, damit sie den Bürgern helfen können. Zu den erforderlichen Maßnahmen gehören die Einrichtung der zentralen Anlaufstelle (Onestopshop) für Information und Rat sowie Informationskampagnen.

Um ihr Ziel zu erreichen, Bürgerrechte greifbar zu machen, muss die EU auf all diesen Maßnahmenebenen tätig werden. In diesem Bericht sind 25 kurz- und mittelfristige Initiativen aufgeführt, mit denen die Hindernisse ausgeräumt werden sollen, die den Bürgern bei der Wahrnehmung ihrer Rechte im Wege stehen.

Die Kommission sieht dies als den Anfang eines Prozesses zur Ermittlung von Hindernissen für die Bürger ebenso wie von Lösungen. Der Bericht wird die Debatte mit anderen EU-Organen anstoßen, insbesondere mit dem Europäischen Parlament und dem Rat, dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und dem Ausschuss der Regionen, sowie mit der Zivilgesellschaft. Weiter ist es wichtig, die nationalen Parlamente aktiv in diese Debatte einzubinden, nicht nur, was die Kontrolle des Subsidiaritätsprinzips anbelangt, sondern auch71 im Hinblick auf ihren Beitrag zu den politischen Initiativen der Kommission

Die Einbindung der europäischen Bürger ist für den Erfolg dieser Bemühungen von entscheidender Bedeutung - nicht nur als Nutznießer dieser Rechte, sondern als Akteure in der europäischen Einigung. Ein breites Spektrum an Partizipationsinstrumenten fördert die Einbindung der Bürger in die Politikgestaltung. Diese Instrumente erlauben einen tieferen und besseren Einblick in die Probleme, die die Bürger umtreiben.

Dieser Bericht zielt darauf ab, die Vorstellungen, Anliegen und Erwartungen der

Unionsbürger kennenzulernen und die Bürger einander näher zu bringen. Er soll eine Debatte in Gang bringen und zu einem Austausch darüber führen, wie die Unionsbürgerschaft ihr Potenzial voll entfalten und den Europäern in ihrem Leben mehr Möglichkeiten eröffnen kann, indem sie konkrete, sichtbare Vorteile schafft. Der "Bottom-up"-Ansatz, den Alain Lamassoure für ein "Bürgerrechtspaket" und einen offenen und konstruktiven Dialog empfiehlt, wird ein wesentliches Element eines Europas sein, das die Rechte der Bürger schützt und ihnen dient.

Mit Hilfe dieses Prozesses sollte die Kommission in der Lage sein, im Jahr 2013, das dem Bürger gewidmet werden soll, das Ergebnis und die ersten Auswirkungen der in diesem Bericht aufgeführten Maßnahmen zu analysieren. Die Kommission wird dann einen ehrgeizigen und umfassenden Aktionsplan zur Beseitigung der noch verbleibenden Hindernisse vorlegen können, die den Bürgern die Wahrnehmung ihrer Rechte erschweren.

Bericht über die Unionsbürgerschaft 2010: 25 Massnahmen ZUR Verbesserung des Alltags der Unionsbürger

Die Kommission