Gesetzesantrag des Freistaates Bayern
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der gütlichen Streitbeilegung im Zivilprozess

A. Problem

B. Lösung

C. Alternativen

D. Kosten

Gesetzesantrag des Freistaates Bayern
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der gütlichen Streitbeilegung im Zivilprozess

Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei München, den 30. September 2004
Staatsminister für Bundesangelegenheiten
und Verwaltungsreform

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dieter Althaus

Sehr geehrter Herr Präsident!
Gemäß dem Beschluss der Bayerischen Staatsregierung übermittle ich den in der Anlage mit Vorblatt und Begründung beigefügten

mit dem Antrag, dass der Bundesrat diesen gemäß Art. 76 Abs. 1 GG im Bundestag einbringen möge.

Ich bitte, den Gesetzentwurf unter Wahrung der Rechte aus § 23 Abs. 3 in Verbindung mit § 15 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates gemäß § 36 Abs. 2 GOBR auf die Tagesordnung der 804. Sitzung am 15.10.2004 zu setzen.


Mit freundlichen Grüßen
Erwin Huber

Anlage
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der gütlichen Streitbeilegung im Zivilprozess

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1 Änderung der Zivilprozessordnung

Die Zivilprozessordnung in der im BGBl. Teil III, Gliederungsnummer 310-4, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

Artikel 2 In- und Außerkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2005 in Kraft. Es tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2007 außer Kraft.

Begründung

I. Allgemeines

II. Zu den einzelnen Vorschriften

Zu Artikel 1 (Änderung der Zivilprozessordnung)

Zu Nummer 1 ( § 78 Abs. 5 ZPO)

Es erscheint sinnvoll, das Verfahren vor dem Güterichter vom Anwaltszwang freizustellen. Denn die Erörterungen im Verfahren vor dem Güterichter sollen nicht an den Streitgegenstand gebunden sein. Sie werden außerdem im Schwerpunkt häufig außerrechtliche Fragen betreffen. Daher sollte es in der Entscheidungsfreiheit der Parteien liegen, ob sie ihre Anwälte zuziehen. Den Anwälten wäre eine Pflichtteilnahme nicht zuzumuten; eine solche wäre auch der Akzeptanz des Verfahrens vor dem Güterichter nicht förderlich. Im übrigen ist eine Gleichbehandlung mit Verfahren vor dem beauftragten bzw. ersuchten Richter konsequent.

Zu Nummer 2 (§ 159 Abs. 2 Satz 2 ZPO-E)

Die Ergänzung der Protokollierungsregeln soll sicherstellen, dass die für die Tätigkeit des Güterichters nach § 278 Abs. 5 ZPO-E unabdingbare Vertraulichkeit der Erörterungen in der Güteverhandlung bzw. im sonstigen Gütetermin gewährleistet ist. Dementsprechend gilt die grundsätzliche Protokollierungspflicht hier nicht. Das soll nur dann anders sein, wenn die Erstellung eines Protokolls wegen § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO erforderlich wird; in diesen Fällen wird sich allerdings das Vertraulichkeitsproblem zumindest bezüglich einer Verfahrensfortsetzung regelmäßig erledigen. Die schriftliche Fixierung der wesentlichen Erörterungsinhalte soll außerdem möglich sein, falls beide Parteien dies wünschen.

Zu Nummer 3 (§ 278 Abs. 1 Sätze 2 und 3 ZPO-E)

Die Möglichkeit des Vorschlags einer außergerichtlichen Schlichtung sollte durch Aufnahme in § 278 Abs. 1 ZPO als grundsätzliche Alternative zu einer gerichtlichen Schlichtung deutlich gemacht und hervorgehoben werden. Der bisherige Standort in § 278 Abs. 5 ZPO wird dem Umstand nicht hinreichend gerecht, dass im Falle einer außergerichtlichen Schlichtungsmöglichkeit dieser der Vorzug vor einer gerichtlichen Schlichtung gegeben werden soll. Um diesen Vorrang noch deutlicher zu betonen, erscheint es sinnvoll, bei entsprechender Falleignung einen einschlägigen Vorschlag als Regelentscheidung vorzuschreiben. Mit der Regelung in § 278 Abs. 1 ZPO wird zugleich klar, dass diese Alternative in jeder Lage des gerichtlichen Verfahrens zu bedenken ist.

Zu Nummer 4 (§ 278 Abs. 5 ZPO-E)

Die Neufassung des § 278 Abs. 5 Satz 1 ZPO stellt zum einen klar, dass auch solche Richter Adressaten einer Schlichtungsverweisung sein können, die nach der Geschäftsverteilung ihres Gerichts mit der besonderen Geschäftsaufgabe der Durchführung von Güteverhandlungen bzw. sonstigen Güteversuchen in Streitigkeiten betraut sind, die ihnen von anderen Streitrichtern zugewiesen werden (sogenannte Güterichter).

Die Klarstellung schafft verlässliche Rechtsgrundlagen für den Einsatz derartiger Güterichter. Das betrifft insbesondere sogenannte Richtermediatoren, also Richter, die im Rahmen von Güteverhandlung oder Güteversuch die Methode der Mediation anwenden. Mediation als interessenorientierte Verhandlungsunterstützung durch einen neutralen Dritten, der keine Entscheidungskompetenz besitzt, stellt in diesem Zusammenhang eine besondere Methode der Streitschlichtung dar, die sich dem gesetzgeberischen Ziel einer Förderung gütlicher Streitbeilegung durch die Justiz (vgl. § 278 Abs. 1 ZPO) ohne weiteres einfügt. Andererseits wird der Güterichter mit der vorgeschlagenen Gesetzesfassung nicht auf die Methode der Mediation festgelegt.

Bei einem Güterichter, der Mediation betreibt, handelt es sich typischerweise nicht um einen beauftragten Richter im Sinne von § 355 Abs. 1 Satz 2 ZPO, da die Tätigkeit eines Mediators die gleichzeitige (Mit-) Zuständigkeit als Streitentscheider ausschließt. Der Güterichter soll andererseits demselben Gericht angehören wie der Streitrichter. Er kann deshalb schon begrifflich nicht "ersuchter Richter" im Sinne des § 355 Abs. 1 Satz 2 ZPO sein; zudem könnte sich ein solches Ersuchen nach geltendem Recht nur an ein Amtsgericht richten (vgl. § 157 Abs. 1 GVG). Angesichts dessen erscheint eine Ergänzung des § 278 Abs. 5 ZPO sinnvoll; neben dem Einsatz von Güterichtern bleibt eine Verweisung an beauftragte oder ersuchte Richter weiterhin möglich.

Den Bedürfnissen der Praxis folgend wird die Verweisungsmöglichkeit außerdem über den Fall der Güteverhandlung hinaus auf alle sonstigen gerichtlichen Güteversuche ("weitere Güteversuche" im Sinne des § 278 Abs. 3 Satz 1 ZPO) ausgedehnt. Denn nicht selten eröffnet sich erst in einem späteren Verfahrensstadium - etwa nach einer Beweisaufnahme zu bestimmten wesentlichen Tatfragen - die Möglichkeit und der Bedarf für einen Schlichtungsversuch. Dem Prozessgericht soll es ermöglicht werden, zu jedem günstigen Zeitpunkt auf den Einsatz des Güterichters zurückzugreifen. Der einschlägige Verweisungsbeschluss ist (wie alle übrigen Entscheidungen nach § 278 Abs. 5 ZPO-E) unanfechtbar, wie ein Rückschluss aus § 567 Abs. 1 ZPO ergibt.

Eine Verweisung an den Güterichter wird in das fachliche Ermessen des Prozessgerichts gestellt. Sie kann immer dann stattfinden, wenn der Streitrichter den Eindruck gewinnt, dass es sich um einen Konflikt handelt, der sich besser für eine gütliche Beilegung als für eine streitige Entscheidung eignet. Um diese Feststellung zu treffen, benötigt er regelmäßig erste schriftliche Äußerungen beider Seiten (Klage und Klageerwiderung). Einer bis ins Einzelne gehenden rechtlichen Durchdringung des Streitstoffs, wie sie im Rahmen der Terminsvorbereitung erforderlich ist, bedarf es dagegen für den erfahrenen Zivilrichter nicht, um die Konfliktschwerpunkte auszumachen. Ist er vielmehr nach erster Sichtung der Auffassung, dass ein Schlichtungsversuch lohnen würde, wird er sich - schon aus Zeitgründen - dafür entscheiden, die Mitwirkung eines verfügbaren Güterichters in Anspruch zu nehmen.

Mit dem Verweisungsbeschluss wird der Güterichter - wie der beauftragte oder ersuchte Richter - zum gesetzlichen Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Verweisung an den Güterichter rechtfertigt sich dabei - ähnlich wie beim beauftragten Richter - zum einen aus einer Entlastung des Streitgerichts, zum anderen aus einer besonderen Qualifikation der Güterichter, die diese durch eine auf ihre Schlichtungsaufgabe zugeschnittene spezifische Zusatzausbildung erhalten. Stehen bei einem Gericht mehrere Güterichter zur Verfügung, so regelt der jeweilige Geschäftsverteilungsplan die Zuweisung im Einzelfall nach Kriterien, die den Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG genügen. In Betracht kommt hier beispielsweise die Festlegung sachlicher Zuständigkeitsbereiche für einzelne Güterichter, die besonderen Erfahrungen oder Spezialwissen in einem bestimmten Fachgebiet Rechnung tragen kann, ergänzt durch eine Verteilung nach abstraktstatistischen Merkmalen. Mit dem hier eröffneten Gestaltungsspielraum soll den Gerichten die Möglichkeit gegeben werden, im Wege der Geschäftsverteilung die konkret verfügbaren Schlichtungsressourcen optimal einzusetzen.

Die Auswahl der Verfahren, die das Streitgericht an den Güterichter verweist, wird sich nach deren Schlichtungseignung im Einzelfall richten. Dabei handelt es sich um eine Bewertungsentscheidung, die das Streitgericht aufgrund seiner fachlichen Erfahrung zu treffen hat. An die Einschätzung des Streitrichters zur Schlichtungsaussicht (vgl. für die Güteverhandlung § 278 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 Alt. 2 ZPO) soll der Güterichter allerdings nicht gebunden sein. Sieht er keine Erfolgschancen für eine Schlichtung, leitet er die Sache unter entsprechender Beschlussfassung an den Streitrichter zurück. Damit wird ein verfahrensrechtliches Gegengewicht zur Zuleitungskompetenz des Streitrichters geschaffen.

Soweit das Gesetz in § 278 Absätze 2 bis 4 ZPO Vorgaben zum Verfahren bei der Güteverhandlung bzw. beim sonstigen Güteversuch enthält, gelten diese grundsätzlich auch im Verfahren vor dem Güterichter, soweit nicht die Vertraulichkeit dieses Verfahrens Abweichungen verlangt (vgl. § 159 Abs. 2 Satz 2 ZPO-E). Dabei ist hervorzuheben, dass der Güterichter in der Frage, wie er die Erörterung des Sach- und Streitstandes gestaltet, die nach seinem fachlichen Ermessen im Einzelfall geeignete Methode wählen wird. Das kann insbesondere die bereits erwähnte Mediation sein. Die Güteverhandlung vor dem Güterichter unterliegt - wie auch die vor dem beauftragten oder ersuchten Richter - nicht dem Öffentlichkeitsgebot des § 169 GVG.

Im Falle einer Einigung der Parteien schließt und protokolliert der Güterichter einen Vergleich im Sinne der §§ 160 Abs. 3 Nr. 1, 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Scheitert der Versuch gütlicher Beilegung, so vermerkt der Güterichter dies in den Akten und leitet diese zur Fortsetzung des Verfahrens an den Streitrichter zurück. Gleiches gilt, wenn die Voraussetzungen einer Verfahrenserledigung durch Klagrücknahme, Erledigerklärung oder Anerkenntnis eintreten.

Mit der Einfügung des § 278 Abs. 1 Satz 2 ZPO-E ist gewährleistet, dass die Möglichkeit, den Parteien den Schlichtungsversuch eines außergerichtlichen Schlichters vorzuschlagen, auch dem Güterichter offen steht. Das wird etwa dann in Betracht kommen, wenn sich im Laufe der Erörterung vor dem Güterichter zeigt, dass der Schwerpunkt des Konflikts in einem Bereich liegt, in dem eine qualifizierte Vermittlung zwischen den Parteien spezifische Fachkenntnisse (z.B. technischer Art) voraussetzt. Dass der Güterichter im Einvernehmen mit den Parteien beispielsweise auch einen sachverständigen Dritten zu den Erörterungen zuziehen kann, ergibt sich bereits aus Sinn und Zweck dieses Verfahrens.

Aus §§ 525 Satz 2, 555 Abs. 1 Satz 2 ZPO folgt im übrigen, dass § 278 Abs. 5 ZPOE eine Verweisung an den Güterichter zum Zwecke eines Güteversuchs auch den Gerichten höherer Instanz ermöglicht, soweit dort ein Güterichter eingerichtet ist.

Zu Nummer 5 (§ 279 Abs. 1 Satz 1 ZPO)

Findet die Güteverhandlung vor dem Güterichter statt, so macht es - ebenso wie bei Einschaltung des beauftragten bzw. ersuchten Richters - keinen Sinn, einen unmittelbaren Anschluss der mündlichen Verhandlung zu fordern. Hier muss es bei der Bestimmung eines unverzüglichen Anschlusstermins bleiben (§ 279 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Daher ist klarzustellen, dass § 279 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur für das Prozessgericht selbst gelten kann.

Zu Nummer 6 (§ 286 Abs. 3 ZPO-E)

Eine offene und sachbezogene Kommunikation zwischen den Konfliktparteien wird erfahrungsgemäß durch die Gewissheit gefördert, dass die Erörterungen im Rahmen eines Schlichtungs- oder Mediationsversuches im Bedarfsfall vertraulich bleiben und insbesondere nicht im Rahmen eines eventuell nachfolgenden streitigen Gerichtsverfahrens verwertet werden können. Die Vertraulichkeit solcher Gespräche bedarf gesetzlicher Anerkennung.

Dabei wäre der schutzbedürftigen Partei mit der Festlegung eines Zeugnisverweigerungsrechts des Güterichters und eventuell weiterer Beteiligter noch nicht hinreichend gedient, weil allein dies die unmittelbare Einbringung vertraulicher Informationen durch die Gegenpartei in das streitige Verfahren noch nicht hindern würde. Andererseits kann nicht der gesamte Diskussionsinhalt eines Güteversuchs (also einer Güteverhandlung und eines sonstigen Güteversuchs; vgl. § 278 Abs. 3 ZPO) von der prozessualen Verwertung ausgeschlossen bleiben. Zweckmäßig erscheint es daher, eine Rechtsgrundlage für Vertraulichkeitszusagen im Rahmen von Güteversuchen zu schaffen, die von der offenbarenden Partei vorab eingefordert und im späteren gerichtlichen Verfahren dann erforderlichenfalls geltend gemacht werden können. Die Aufnahme solcher Zusagen ins Protokoll (vgl. Nummer 2 zu § 159 ZPO) wird sich allerdings regelmäßig nicht empfehlen.

Zu Artikel 2 (In- und Außerkrafttreten)

Die Vorschrift regelt die Geltungsdauer des Gesetzes. Da das Institut des Güterichters Erprobungscharakter hat, wird seine Geltung zunächst befristet.