Antrag der Länder Rheinland-Pfalz, Berlin, Brandenburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen
Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung
(Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz - AMNOG)

Punkt 7 der 878. Sitzung des Bundesrates am 17. Dezember 2010

Der Bundesrat möge beschließen, zu dem vom Deutschen Bundestag am 11. November 2010 verabschiedeten Gesetz zu verlangen, dass der Vermittlungsausschuss gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes aus folgenden Gründen einberufen wird:

1. Zu Artikel 1 Nummer 1 (§ 13 Absatz 2 Satz 11 SGB V) und Nummer 15 Buchstabe a Doppelbuchstabe cc (§ 129 Absatz 1 Satz 5 bis 7 SGB V)

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Das Gesetz sieht vor, dass die Versicherten die Möglichkeit erhalten sollen, sich in Zukunft in Bezug auf die Versorgung mit Arzneimitteln abweichend von den allgemeinen Bestimmungen zur Kostenerstattung nach § 13 Absatz 2 SGB V für eine Kostenerstattung im Einzelfall zu entscheiden. Versicherte sollen auch austauschbare, nicht rabattierte Arzneimittel wählen können und den Mehrpreis selbst zahlen.

Eine solche Regelung erhöht den bürokratischen Aufwand und würde die Wirksamkeit der Rabattverträge, die sich in der Praxis als Instrument zur Einsparung unnötiger Kosten bewährt haben, gefährden, weil die Krankenkassen den Herstellern keine Abnahmegarantie mehr gewähren könnten. Zudem kann die Regelung zu erheblichen - nicht gewollten - finanziellen Zusatzbelastungen bei Patientinnen und Patienten führen. Sofern im Einzelfall therapeutische Gründe vorliegen, können Patientinnen und Patienten bereits heute nicht rabattierte Arzneimittel ohne Mehrkosten erhalten.

2. Zu Artikel 1 Nummer 9 (§ 69 Absatz 2 SGB V), Artikel 2 Nummer 1, 2 Buchstabe b, Nummer 3, 4 und 5 (Inhaltsübersicht, § 29 Absatz 5, § 51 Absatz 2 Satz 2, Absatz 3, Teil 2 Abschnitt 1 Unterabschnitt 6 und § 207 SGG) und Artikel 3 (§ 87 Satz 3, § 116 Absatz 3 Satz 1 und § 124 Absatz 2 Satz 1 GWB)

Das Gesetz ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Zu Buchstabe a:

Die Vorschrift des Artikels 1 Nummer 9, mit der das allgemeine Wettbewerbsrecht als Ordnungsrahmen für die gesetzliche Krankenversicherung eingeführt werden soll, wird gestrichen.

Nach der Begründung zu der Neuregelung soll durch die entsprechende Geltung der §§ 1 bis 3 GWB sichergestellt werden, dass es auf Nachfrager- sowie auch auf Anbieterseite zu keinen unerwünschten, einer wirtschaftlichen Versorgung abträglichen Wettbewerbsbeschränkungen kommt. Diese Regelung steht im Zielkonflikt mit dem gesetzlichen Gebot der Zusammenarbeit der Sozialversicherungsträger, denn das GWB wertet eine solche Zusammenarbeit als unzulässige Abstimmung zwischen Wettbewerbern. Die Bedeutung des Wettbewerbs unter den Krankenkassen ist mit dem in der gewerblichen Wirtschaft nicht vergleichbar. Der Wettbewerb der Krankenkassen eröffnet keine privatrechtlich geordneten Handlungsspielräume, sondern hat lediglich eine dienende Funktion zur Erfüllung sozialstaatlicher Aufgaben. Über die bestehenden Regelungen hinaus ist ein Bedarf für eine weitere wettbewerbsrechtliche Regelung durch weitere Vorschriften des GWB nicht erkennbar.

Zur Vereinbarkeit der vorgesehenen Regelungen mit den Vorgaben des europäischen Rechts und des Grundgesetzes haben Kartellrechtsexperten sowohl europarechtliche als auch verfassungsrechtliche Bedenken erhoben.

Die geplante Rechtsänderung würde den Vorrang des sozialversicherungsrechtlichen Ordnungsrahmens gegenüber dem Wettbewerbsrecht für das Handeln der Kassen und ihrer Verbände erheblich einschränken. Im Ergebnis würden für die Ausgestaltung der Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern zum Teil verdrängend oder überlagernd das Kartellrecht und das Kartellverfahrensrecht Anwendung finden, was zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit für alle Akteure im Gesundheitswesen führen würde.

Mit der entsprechenden Anwendung des Kartellrechts wären die Steuerungsfunktionen der Krankenkassen und ihrer Verbände sowie deren Einkaufstätigkeit für die Versorgung der Versicherten gefährdet. Die parallele Rechtsaufsicht nach dem Sozialrecht und die Missbrauchsaufsicht nach dem Kartellrecht führen zu Wertungswidersprüchen und neuer Bürokratie. Kassenartenübergreifende Versorgungsverträge könnten den Normen des Kartellrechts entgegenstehen.

Zu Buchstabe b:

Die Klarstellung der Zuweisung des Rechtsschutzes in sozialrechtlichen Vergabestreitigkeiten zur Sozialgerichtsbarkeit hat sich als sinnvoll und effektiv erwiesen und soll daher beibehalten werden.

Eine klare Zuweisungsregelung an eine Gerichtsbarkeit vermeidet Zuständigkeitsstreitigkeiten und Rechtswegzersplitterung. Die Landessozialgerichte haben es verstanden, den gesetzlichen Versorgungsauftrag mit den Rechten der Bieter in Einklang zu bringen. Die im Gesetz vorgesehene Verlagerung auf die Zivilgerichte würde bedeuten, dass erneute Abgrenzungsschwierigkeiten widerstreitende Urteile erbringen und die durch die stringente Rechtsprechung der Sozialgerichte erreichte Rechtssicherheit in Frage gestellt würde.

Zu Buchstabe c:

Folgeänderung.

3. Zu Artikel 1 Nummer 13 Buchstabe a (§ 92 Absatz 1 Satz 1 SGB V)

Artikel 1 Nummer 13 Buchstabe a ist zu streichen.

Begründung:

Die bestehende Nutzenbewertung mit der Möglichkeit, die Verordnung von Arzneimitteln (und anderen Leistungen) einzuschränken oder auszuschließen, soll beibehalten werden. Mit der vorgesehenen Umkehr der Beweislast werden Verordnungsausschlüsse wegen nicht nachgewiesenen therapeutischen Nutzens praktisch nicht mehr möglich sein. Eine Unzweckmäßigkeit nachzuweisen ist sowohl logisch als auch methodisch unmöglich und wird daher von der Wissenschaft massiv kritisiert.

Der Verordnungsausschluss dient außerdem dem Schutz der Patientinnen und Patienten.

4. Zu Artikel 1 Nummer 20 (§ 140b Absatz 1 Satz 1 Nummer 7 bis 9 und Satz 2 SGB V)

Artikel 1 Nummer 20 ist zu streichen.

Begründung:

Die Ausweitung der Vertragspartner von Verträgen der Integrierten Versorgung auf Pharmaunternehmen und Hersteller von Medizinprodukten unterbleibt. Eine sich daraus ergebende konkrete Verbesserung der Versorgungsqualität der Patientinnen und Patienten ist nicht erkennbar. Die damit einhergehenden systematischen Veränderungen, die deutlich über die bislang bestehenden integrierten Versorgungsformen hinausgehen, sind mit unkalkulierbaren Risiken verbunden. Insbesondere erhalten Pharma- und Medizinprodukteunternehmen dadurch direkten Zugriff auf die Inhalte von integrierten Versorgungsverträgen. Dies kann beispielsweise zu einer dem Patienteninteresse entgegenstehenden einseitigen Fokussierung auf Arzneimitteltherapien und damit zu erheblichen Fehlanreizen bei der Versorgung von Patientinnen und Patienten führen.