Der Bundesrat hat in seiner 820. Sitzung am 10. März 2006 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Vorlage insgesamt
- 1. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission mit der Rechtsverbindlichkeit der Meeresstrategie die Grundlage schaffen wird, die für eine wirksame und grenzüberschreitende Zusammenarbeit nach gemeinsamen, vereinheitlichten Grundsätzen unerlässlich ist, und damit die Ziele verfolgt,
- - eine starke, integrierte Meerespolitik zu etablieren und
- - die notwendige Erhaltung und Verbesserung der Meeresumwelt in allen europäischen Gewässern sowie die Reduzierung von Doppelarbeit durch die Vielzahl unterschiedlicher internationaler Verpflichtungen und Abkommen zu erreichen. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Rahmenbedingungen ist dem Subsidiaritätsprinzip dabei ausreichend Rechnung zu tragen.
- 2. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung gleichwohl, sich im Rat für eine Aussetzung der Beratungen des vorgelegten Vorschlags der Meeresstrategie-Richtlinie bis zur Vorlage des angekündigten Grünbuchs zur Meerespolitik einzusetzen. Die Kommission hat im November 2005 angekündigt, im ersten Halbjahr 2006 ein Grünbuch zur Meerespolitik vorzulegen. In diesem soll die zukünftige Meerespolitik der EU skizziert werden. Es steht zu erwarten, dass zwischen dem Grünbuch zur Meerespolitik und der Meeresstrategie-Richtlinie inhaltliche Überschneidungen bestehen. Ohne Kenntnis des Inhalts des Grünbuchs sollten daher keine richtungweisenden Entscheidungen getroffen werden.
- 3. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich darüber hinaus bei der Ausgestaltung der Meeresstrategie-Richtlinie mit dem Ziel einzubringen, dass der Richtlinienvorschlag einen Beitrag zur Harmonisierung und Integration der bestehenden Vielfalt von politischen und rechtlichen Maßnahmen, Programmen und Aktionsplänen leistet. Um dem im Rahmen der Lissabon-Strategie formulierten Ziel der Kommission zu entsprechen, bestehende Regelungen zu straffen und zu vereinfachen (niedergelegt in der Strategie zur Vereinfachung des ordnungspolitischen Umfeldes (KOM (2005) 535 endg.; Ratsdok. 13976/05, BR-Drucksache 817/05 (PDF) ) und damit dem Kriterium der "besseren Rechtsetzung" zu entsprechen, sind klare Abgrenzungen zu den bestehenden Regelungen erforderlich. Insbesondere gegenüber der Wasserrahmenrichtline (eu/00_0400_60gs.htm ) und der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (FFH-RL) muss eine klare Abgrenzung erfolgen da diese ebenfalls Regelungen für bestimmte Meeresbereiche vorsehen.
Der vorgelegte Vorschlag lässt die bestehende Gemengelage fortbestehen.
- 4. Im Übrigen bittet der Bundesrat die Bundesregierung, sich zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen für eine weitere Konkretisierung des derzeitigen Richtlinienvorschlags einzusetzen. Insbesondere im Hinblick auf die von der Kommission gewollte Folgenabschätzung erscheint das Vorgehen der Kommission, die Mitgliedstaaten über diese Richtlinie abstimmen zu lassen, ohne dass mögliche Konsequenzen auf die vorhandenen Nutzungen aufgezeigt werden sehr problematisch. Zwar wird in Artikel 12 Abs. 3 dargestellt, dass die Mitgliedstaaten bei der Erstellung der Maßnahmenprogramme den wirtschaftlichen Auswirkungen Rechnung tragen sollen. Trotzdem wären im Sinne einer transparenten Rechtsetzung Hinweise wünschenswert, die beispielhaft aufzeigen, auf welche Nutzungseinschränkungen sich die Nutzer möglicherweise einzustellen haben. Damit erhalten die Mitgliedstaaten wichtige Informationen über Kostenrisiken, die sich durch ggf. erforderliche Entschädigungsverpflichtungen national ergeben können.
- 5. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei der Ausgestaltung der Meeresstrategie-Richtlinie mit dem Ziel einzubringen, die finanziellen und administrativen Auswirkungen für die Mitgliedstaaten so gering wie möglich zu halten. Zur Realisierung diesbezüglicher Synergieeffekte ist eine möglichst weitreichende Verzahnung bzw. Kooperation mit bestehenden Institutionen (z.B. OSPAR, HELCOM usw.) anzustreben.
- 6. Vordringliches Ziel und Aufgabe der Meeresstrategie-Richtlinie sollte es sein, für den Bereich der "Ausschließlichen Wirtschaftszone" die bestehenden internationalen Umweltschutzregelungen zusammenzuführen.
- 7. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darüber hinaus, sich zur Vermeidung von evtl. Wettbewerbsverzerrungen für eine weitere Konkretisierung des derzeitigen Richtlinienentwurfes in folgenden sachlichen Punkten einzusetzen, um von Beginn an einheitliche und kohärente Zielsetzungen, Bewertungsmaßstäbe und damit auch Maßnahmeprogramme zu gewährleisten:
- - die Definition des guten Umweltzustands und ggf. weiterer Zustandsklassen sowie die Festlegung von generellen Umweltzielen in Anlehnung an bereits nach EG-Recht (insbesondere EG-Wasserrahmenrichtlinie) oder den Meeresübereinkommen bestehende Definitionen und normative Begriffsbestimmungen;
- - die Verknüpfung der Meeresstrategierichtlinie mit anderen internationalen Regimen zum Meeresschutz, einschließlich einer klaren Benennung der Aufgaben dieser Regime beim Umsetzungsprozess;
- - die konkrete räumlichsachliche Abgrenzung bzw. Verknüpfung der Meeresstrategierichtlinie mit bestehenden EG-Richtlinien, insbesondere der WRRL, und der FFH- und Vogelschutz-Richtlinie, d.h. Darstellung, wie die bisherigen Aktivitäten zur Umsetzung dieser Richtlinien in den Umsetzungsprozess der Meeresstrategierichtlinie eingebunden werden sollen
- - die Integration der Maßgabe, dass die Aktivitäten zur Umsetzung der Meeresstrategierichtlinie und der Gemeinsamen Fischereipolitik sachgerecht aufeinander abgestimmt werden müssen, um das gemeinsame Ziel der nachhaltigen Nutzung der Ressourcen zu erreichen;
- - die Verdeutlichung des Beitrags der Meeresstrategierichtlinie zur Europäischen Meerespolitik, insbesondere die Funktion der Richtlinie innerhalb der Themenkomplexes "Grünbuch". Dies schließt neben der genannten Fischereipolitik insbesondere die Verzahnung mit den Politikfeldern Wirtschaft und Forschung mit ein;
- - die Reduzierung der im derzeitigen Vorschlag vorgesehenen sehr weitreichenden Genehmigungsregelungen seitens der Kommission auf das unverzichtbare Minimum, um die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips zu gewährleisten und den erforderlichen regionalspezifischen Lösungen ausreichend Raum zu geben.
Zu den einzelnen Vorschriften
- 8. Soweit eine Aussetzung der Beratungen im Rat nicht zustande kommt und/oder an der grundsätzlichen Konzeption der Meeresstrategie-Richtlinie festgehalten werden sollte, bittet der Bundesrat die Bundesregierung, sich jedenfalls für eine weitere Konkretisierung des derzeitigen Richtlinienvorschlags in folgenden sachlichen Punkten einzusetzen:
- 9. Die Zeitangaben für die Meeresstrategien in Artikel 4 Buchstabe a sollten jeweils um die Standards zur Bestimmung eines guten Umweltstandards nach Artikel 8 Abs. 3 in der dort angegebenen Zeitspanne ergänzt werden.
Die Formulierung von starren Zeitschemata ohne Erwähnung der erforderlichen vorherigen Arbeitsschritte ist problematisch. Durch die Ergänzung wird die logische und zeitliche Verknüpfung der Arbeitsschritte deutlich.
- 10. Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 ist dahin gehend zu konkretisieren, dass die Mitgliedstaaten mit Meeresgewässern in der gleichen Meeresregion von Anbeginn an die in Artikel 7, 8, 9, 10 und 12 genannten Aktivitäten mit dem Ziel, diese zu harmonisieren und zu einem gemeinsamen Ergebnis bezüglich der durchzuführenden Maßnahmen zu kommen, koordinieren.
Da die Risiken für die Meeresumwelt grenzüberschreitend wirken, ist eine enge Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten erforderlich. Erfahrungen mit der Implementierung der WRRL haben gezeigt, dass von Anbeginn an die Verständigung auf gemeinsame Methoden und Standards erforderlich ist. Eine Übertragung von Arbeitsergebnissen auf andere Mitgliedstaaten im Nachhinein ist ungleich aufwändiger methodisch schwierig und nicht zielführend.
- 11. In Artikel 7 Abs. 1 Buchstaben a und b sind die Formulierungen "nicht erschöpfende Liste" mit Bezug auf die Listen im Anhang II zu streichen. Sie implizieren, dass noch erhebliche Nachforderungen möglich sind, wobei die Listen weit gehend abgeschlossen erscheinen; insbesondere Tabelle 1 in Anhang II enthält bereits die abschließende Formulierung "sonstige Merkmale".
- 12. Die Ansprüche an die Bewertung in Artikel 7 Abs. 1 Buchstaben a und b mögen nachvollziehbar sein. Wie jedoch die unter Buchstabe c genannte Analyse wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Nutzungsaspekte realistisch erstellt, aber insbesondere wie die Kosten einer Verschlechterung der Meeresumwelt berechnet werden sollen, bleibt vollkommen unklar. Realistische Ansätze für die Berechung der ökologischen Kosten einer Verschlechterung der Meeresumwelt sind nicht erkennbar. Hier sind konkrete Vorgaben der Kommission erforderlich, sonst ist absehbar, dass die Vorgehensweise in den Mitgliedstaaten unterschiedlich erfolgt mit der Gefahr der Wettbewerbsverzerrung.
- 13. In Artikel 8 Abs. 3 ist eine klarere Formulierung erforderlich, wie die Entscheidungsfindung bezüglich der Deskriptoren sowie der detaillierten Kriterien und Normen für die Bestimmung eines guten Umweltzustandes verlaufen soll.
- 14. In Artikel 9 Abs. 1 Satz 1 ist die Formulierung "nicht erschöpfende Liste" mit Bezug auf die Listen im Anhang III zu streichen (vgl. Ziffer 11).
- 15. In Artikel 10 Abs. 3 ist die Formulierung "gegebenenfalls" zu streichen, denn genormte Methoden müssen auf jeden Fall vorliegen. Wenn keine Einheitlichkeit vorliegt lassen sich die Ergebnisse nicht vergleichen.