Antrag des Freistaates Bayern
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs, des Jugendgerichtsgesetzes, der Strafprozessordnung und weiterer Gesetze

Punkt 53 der 953. Sitzung des Bundesrates am 10. Februar 2017

Der Bundesrat möge zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung nehmen:

Zu Artikel 1 Nummer 1a (§ 126 Absatz 3 - neu - StGB), Nummer 1b - neu - (§ 145 Absatz 3 - neu - StGB)

Nach Artikel 1 Nummer 1 sind folgende Nummern 1a und 1b einzufügen:

'1a. Dem § 126 wird folgender Absatz 3 angefügt:

(3) Auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht."

1b. Dem § 145 wird folgender Absatz 3 angefügt:

(3) Wer die Tat bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not begeht, wird in den Fällen des Absatzes 1 mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, in den Fällen des Absatzes 2 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." '

Begründung:

Zu Artikel 1 Nummer 1a:

Nach § 126 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, die Verwirklichung bestimmter (Katalog-)Straftaten androht oder wider besseres Wissen vortäuscht, die Verwirklichung einer solchen rechtswidrigen Tat stehe bevor. Die Vorschrift dient dem Schutz des öffentlichen Friedens, welcher durch die Ankündigung schwerer Straftaten empfindlich gestört werden kann. Wie sich insbesondere im Zusammenhang mit dem Amoklauf in München am 22. Juli 2016 gezeigt hat, sind solche Falschmeldungen jedoch nicht nur dazu geeignet, das Sicherheitsempfinden der Bürger empfindlich zu beeinträchtigen, sie können vielmehr unter Umständen auch zu Panikreaktionen und damit einhergehenden erheblichen Gesundheitsverletzungen führen. So hatte in München eine Person in einem öffentlichen Lokal einen Anschlag vorgetäuscht, woraufhin es unter dem Eindruck des bekannt gewordenen parallel stattfindenden Amoklaufs unter den Gästen zu panikartigen Fluchtreaktionen kam, die Verletzungen zahlreicher Personen zur Folge hatten.

In solchen Fällen, in denen der öffentliche Friede durch die Tat nicht nur gefährdet wird, sondern die Störung tatsächlich eintritt, indem der Täter durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht, liegt deutlich gesteigertes Unrecht vor, das eine qualifizierte Bestrafung - auch aus generalpräventiven Gründen - geboten erscheinen lässt. In einem neuen Absatz 3 wird daher für derartige Fälle eine Erfolgsqualifikation vorgesehen, die sowohl auf Taten nach Absatz 1 als auch nach Absatz 2 Anwendung findet. Die Regelung ist in Anlehnung an vergleichbare Regelungen, wie etwa in § 306b Absatz 1, § 308 Absatz 2, § 309 Absatz 3, § 312 Absatz 3 und § 315 Absatz 3 Nummer 2 StGB, ausgestaltet und auf der Grundlage der hierzu bestehenden Rechtsprechung auszulegen. Mit Blick auf das gemeinschädliche Handeln des Täters und der durch ihn mindestens fahrlässig herbeigeführten schweren Folgen ist als Strafe allein Freiheitsstrafe vorzusehen, für die ein Rahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren angemessen ist.

Zu Artikel 1 Nummer 1b:

Der Missbrauch von Notrufen und die Beeinträchtigung von Unfallverhütungsund Nothilfemitteln sind in § 145 StGB unter Strafe gestellt. Für die Fälle des Absatzes 1 ist als Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe, in den Fällen des Absatzes 2 Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe vorgesehen. Diese Strafdrohungen erweisen sich jedoch in denjenigen Fällen als ungenügend, in denen durch die Tat nicht nur die abstrakte Gefahr der Fehlleitung von Ressourcen der Hilfeleistung herbeigeführt wird oder auf sonstige Weise das allgemeine Interesse an wirkungsvoller Hilfe in plötzlichen Notsituationen beeinträchtigt wird, sondern dem Täter bei der Tat vielmehr bewusst ist, dass im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Tat eine real bestehende Gefährdungslage (Unglücksfall, gemeine Gefahr, Not) gegeben ist. Diese Fälle stellen ein deutlich gesteigertes Unrecht dar. So bindet etwa der Missbrauch von Notrufen bei anderweitig bestehender Gefährdungslage Hilfsund Rettungskräfte dort, wo sie eigentlich gar nicht gebraucht werden, obwohl sie an anderer Stelle möglicherweise dringend benötigt würden. Namentlich die Ereignisse in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Amoklauf in München am 22. Juli 2016 haben gezeigt, dass sich Falschmeldungen in Gefahrensituationen mittels moderner Kommunikationsmittel sehr schnell verbreiten und zur Fehlleitung von Ressourcen führen.

Für die besonders gemeinschädlichen Fälle, in denen die Tat nach Absatz 1 oder 2 bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not begangen wird und damit ein unmittelbarer örtlicher und zeitlicher Zusammenhang mit einer tatsächlichen Gefährdungslage besteht, ist - auch aus generalpräventiven Erwägungen - eine Qualifikation mit verschärfter Strafdrohung vorzusehen. Eine Erhöhung der Strafrahmenobergrenze auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren (Fälle des Absatzes 1) und Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren (Fälle des Absatzes 2) erscheint insoweit angemessen, aber auch ausreichend. Die Subsidiaritätsklausel des § 145 Absatz 2 letzter Halbsatz findet in den Fällen qualifizierten Handelns nach Absatz 3 keine Anwendung.