Empfehlungen der Ausschüsse
Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen

878. Sitzung des Bundesrates am 17. Dezember 2010

A

Der Gesundheitsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetz zu verlangen, dass der Vermittlungsausschuss gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes aus folgenden Gründen angerufen wird:

1. Zu Artikel 2 Nummer 7 (§ 463 Absatz 3 Satz 1a - neu - StPO)

In Artikel 2 ist Nummer 7 wie folgt zu fassen:

'7. In § 463 Absatz 3 wird nach Satz 1 folgender Satz eingefügt:

"Befindet sich der Verurteilte in einer geschlossenen Einrichtung, soll eine mündliche Anhörung in dieser Einrichtung stattfinden." '

Begründung:

Im Vollzug von Maßregeln der Besserung und Sicherung findet die Durchführung einer Anhörung nach § 67e StGB regelmäßig im Gericht statt. Diese Verfahrensweise hat sich in der Praxis nicht bewährt.

Die mit den Anhörungen verbundenen Ausführungen stellen immer ein Sicherheitsrisiko dar, da die geschlossene Einrichtung verlassen werden muss. Dieses Sicherheitsrisiko ist vermeidbar, wenn die Anhörung in der Einrichtung stattfindet. Auch wirkt es sich positiv aus, wenn die Anhörung der Betroffenen in ihrer aktuellen Lebenswelt und nicht in der Atmosphäre eines Gerichtssaales stattfindet.

Darüber hinaus sind Anhörungen im Gericht mit einem erhöhten Personalaufwand verbunden. Die Fachkräfte, die zur Begleitung des Anzuhörenden zum Gericht eingesetzt werden müssen, stehen in dieser Zeit für therapeutische Tätigkeiten nicht zur Verfügung bzw. fehlen in der Einrichtung.

Im Übrigen findet die in dem Gesetz in Artikel 2 Nummer 7 vorgeschlagene Streichung der Wörter "aufgrund seines Hanges" in § 463 Absatz 3 Satz 4 StPO keine Rechtfertigung durch die dazugehörige Begründung. So sieht u.a. Artikel 1 Nummer 2 des Gesetzes in § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 StGB ausdrücklich die Feststellung eines entsprechenden Hanges vor.

2. Zu Artikel 5 (§ 2 Absatz 1 Nummer 1, Nummer 3 und Absatz 2 - neu - ThUG)

In Artikel 5 ist § 2 wie folgt zu ändern:

Begründung:

Der Begriff "medizinischtherapeutisch" engt den Therapiespielraum für die unterzubringende Klientel zweckwidrig ein, da er die Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Einrichtung nicht umfasst. Aber gerade diese sozialtherapeutischen Einrichtungen bieten bei Verhaltens- und Persönlichkeitsstörungen, die durch den weiten Begriff der psychischen Störung mit umfasst sind, eine geeignete Behandlungsmöglichkeit und dürfen daher nicht ausgeschlossen werden (vgl. auch Sachverständigenstellungnahme durch LStA Heuer in der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages am 10. November 2010).

Eine Unterbringung in einer Maßregelvollzugsanstalt scheidet allein dadurch aus, dass die Maßregel eine vom Strafrichter angeordnete Rechtsfolge für eine rechtswidrige Tat darstellt, sich nach dem Strafrecht richtet und psychisch

Kranke zur Zielgruppe hat. Bei der Zielgruppe des ThUG handelt es sich hingegen um Personen, für die gerade das StGB nicht mehr einschlägig ist und die in ihrer Zurechnungsfähigkeit nicht gemindert waren. Eine Unterbringung in psychiatrischen Krankenhäusern würde eine unzulässige Vermischung der Therapie dieser Zielgruppen darstellen.

Aus ordnungspolitischen Gesichtspunkten - der Schutz der Bevölkerung vor diesen Personen muss sichergestellt werden - ist eine Unterbringungseinrichtung eigener Art zu entwickeln, die neben dem Sicherheitsaspekt auch durch Betreuungsangebote Zukunftsperspektiven für die Untergebrachten eröffnet.

B

C

Die von der Bundesregierung beabsichtigte Schließung der Regelungslücken im Recht der Sicherungsverwahrung wird vom Bundesrat grundsätzlich begrüßt. Die in dem Gesetzesbeschluss vorgesehene Verlagerung von originären Aufgaben der Führungsaufsicht im Bereich der elektronischen Aufenthaltsüberwachung auf die Polizei lehnt der Bundesrat jedoch ab. Um das Inkrafttreten der Neuregelung nicht zu verzögern, sieht der Bundesrat dennoch davon ab, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Er hält es jedoch für erforderlich, dass die Bundesregierung umgehend eine entsprechende Gesetzesänderung initiiert.

Begründung:

Der Gesetzesbeschluss sieht unter anderem in einer neuen Nummer 12 des § 68b Absatz 1 Satz 1 StGB die elektronische Überwachung des Aufenthaltsortes als Weisung in der Führungsaufsicht vor.

Die elektronische Aufenthaltsfeststellung ist damit eine originäre Maßnahme im Rahmen der Führungsaufsicht. Diese muss im Zuständigkeitsbereich der Justiz verbleiben. In dem neuen § 463a Absatz 4 StPO ist aber geregelt, dass die Aufsichtsstelle die Erhebung und Verarbeitung der Daten durch die Behörden und Beamten des Polizeidienstes vornehmen lassen kann und dass diese verpflichtet sind, dem Ersuchen der Aufsichtsstelle zu genügen. Mit dieser beabsichtigten Aufgabenübertragung der automatischen Aufenthaltsermittlung auf die Polizei würde das Feld der Führungsaufsicht, für welches originär der Justizbereich zuständig ist, fast vollständig in den polizeilichen Bereich verlagert. Dies bindet erhebliche polizeiliche Ressourcen. Zudem ist eine Übertragung wesentlicher Aufgaben der Führungsaufsicht an die Polizei weder fachlich noch personell zweckmäßig.

Aufgabe der Polizei ist es, Gefahren abzuwehren und Straftaten zu verfolgen. Die eingehenden Alarm- oder Störungsmeldungen sind daher von der zuständigen Führungsaufsichtsstelle bzw. von dem mit der Wahrnehmung der Aufsicht beauftragten Bewährungshelfer darauf hin zu prüfen und zu bewerten, ob eine Gefahr oder der Verdacht einer Straftat vorliegt, die abgewehrt bzw. verfolgt werden und insoweit die Polizei eingeschaltet werden muss. Eine sachgerechte Überwachung der Probanden unter Einsatz elektronischer Mittel zur Aufenthaltsfeststellung kann nur durch Personal geleistet werden, das über die erforderlichen Kenntnisse zu der überwachten Person, der Auflagen und der Lebensführung verfügt. Diese Kenntnisse sind bei der Polizei nicht oder nur in Ausnahmefällen vorhanden.

Die vorgesehene Verlagerung der Aufgabe einer Aufsichtsstelle auf die Polizei hätte erheblichen zusätzlichen Aufwand für die Polizei zur Folge und würde die Verantwortlichkeiten für die Überwachung der in Rede stehenden Straftäter von der Justiz zur Polizei verlagern. Das ist rechtlich bedenklich. Führungsaufsicht ist ein Instrument der Strafrechtspflege, das sich an Personen wendet, die sich wegen erheblicher Rechtsverstöße in der Regel längere Zeit in freiheitsentziehenden Maßnahmen befanden. Die Führungsaufsicht wurde 1975 (2. Strafrechtsreform) eingeführt und löste die rechtsstaatlich als bedenklich angesehene Polizeiaufsicht ab.

Die Polizei verfügt weder über das für die Durchführung der Maßnahme notwendige Personal, noch über die einzusetzende Technik und ist bereits heute mit der engmaschigen Überwachung rückfallgefährdeter Sexualtäter bis an die Grenzen des Leistbaren belastet. So ist u.a. bereits jetzt unabhängig von einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung in jedem Einzelfall zu prüfen, ob im Rahmen der polizeilichen Überwachung eines rückfallgefährdeten Sexualtäters z.B. die längerfristige Observation eines Probanden mit dem entsprechend sehr hohen Personal- und Kostenaufwand notwendig ist.

Die geplante Regelung vernachlässigt auch den Umstand, dass die Überwachung von Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht grundsätzlich Sache der Justiz und nicht der Innenressorts ist. Zwar können die Aufsichtsstellen nach § 463a Absatz 1 StPO Ermittlungen auch durch andere Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit vornehmen lassen. Im Unterschied zu § 161 Absatz 1 Satz 1 StPO sind hier aber bewusst nicht die Behörden und Beamten des Polizeidienstes erwähnt, weil der Eindruck vermieden werden soll, als handele es sich bei der Führungsaufsicht um eine Aufsicht mit in erster Linie polizeilichen Mitteln und zu in erster Linie polizeilichen Zwecken (BT-Drucksache 7/550, Begr. zu Artikel 19 Nummer 123, S. 314).