Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25. September 2008 zu dem Weißbuch zu Ernährung, Übergewicht, Adipositas: Eine Strategie für Europa (2007/2285(INI))

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 317905 - vom 20. Oktober 2008.

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 25. September 2008 angenommen.

Stellungnahme des Bundesrates: Drucksache 412/07(B) HTML PDF

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass Übergewicht, Adipositas und ernährungsbedingte Krankheiten zunehmend epidemische Ausmaße annehmen und zu den wichtigsten Todes- und Krankheitsursachen in Europa zählen,

B. in der Erwägung, dass es wissenschaftlich erwiesen ist, dass das Auftreten und die Ausprägung von ernährungsbedingten Erkrankungen bei Männern und Frauen unterschiedlich sind,

C. in der Erwägung, dass laut WHO mehr als 50 % der erwachsenen Bevölkerung in Europa übergewichtig oder fettleibig sind,

D. in der Erwägung, dass mehr als 5 Millionen Kinder fettleibig und fast 22 Millionen Kinder übergewichtig sind und diese Zahlen schnell steigen, so dass bis 2010 voraussichtlich weitere 1,3 Millionen Kinder pro Jahr an Übergewicht und Adipositas leiden werden,

E. in der Erwägung, dass in einigen Mitgliedstaaten für die Behandlung von Erkrankungen infolge von Adipositas und Übergewicht vermutlich 6 % der staatlichen Gesundheitsausgaben aufgewendet werden und dass die damit verbundenen indirekten Kosten aufgrund z.B. der geringeren Produktivität und des erhöhten Krankenstandes erheblich höher liegen,

F. in der Erwägung, dass nach wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen die abdominale Adipositas eine der Hauptursachen für verschiedene gewichtsbedingte Krankheiten, wie z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes, ist,

G. in der Erwägung, dass in der Kindheit erworbenen Ernährungsgewohnheiten häufig bis ins Erwachsenenalter fortbestehen und dass Forschungsergebnissen zufolge fettleibige Kinder sehr wahrscheinlich auch als Erwachsene an Adipositas leiden,

H. in der Erwägung, dass die europäischen Bürger in einem Umfeld leben, das der Adipositas Vorschub leistet, und dass durch eine sitzende Lebensweise das Risiko von Adipositas angestiegen ist,

I. in der Erwägung, dass Fehlernährung ein erheblicher Risikofaktor im Zusammenhang mit anderen ernährungsbedingten Erkrankungen ist, die zu den häufigste Todesursache in der Europäischen Union zählen, wie z.B. Herzinfarkte, Krebs, Diabetes und Schlaganfälle,

J. in der Erwägung, dass im WHO-Bericht 2005 über die Gesundheit in Europa anhand von Analysen gezeigt wird, dass viele Todesfälle und Krankheiten auf sieben Hauptrisikofaktoren zurückzuführen sind, von denen sechs (Bluthochdruck, Cholesterin, Körpermassen-Index, zu geringer Verzehr von Obst und Gemüse, Bewegungsmangel und übermäßiger Alkoholkonsum) mit der Ernährung und Bewegung in Zusammenhang stehen, sowie in der Erwägung, dass alle diese Krankheitsfaktoren gleichzeitig bekämpft werden müssen, um einer Vielzahl von Todesfällen und Krankheiten vorzubeugen,

K. in der Erwägung, dass vor allem durch körperliche Bewegung und eine gesunde und ausgewogene Ernährung dem Übergewicht vorgebeugt werden kann und alarmierenderweise jeder dritte Europäer in seiner Freizeit überhaupt keinen Ausgleichssport treibt, die Europäer im Durchschnitt täglich fünf Stunden im Sitzen verbringen und zahlreiche Europäer sich nicht ausgewogen ernähren,

L. in der Erwägung, dass die Anzahl der Sportstunden im letzten Jahrzehnt sowohl in den Grundschulen als auch in den Sekundarschulen gesunken ist und sich im Bereich der Einrichtungen und des Ausrüstungsbestands große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten zeigen,

M. in der Erwägung, dass sich die WHO mit der Europäischen Charta zur Bekämpfung der Adipositas das Ziel gesetzt hat, in den nächsten vier bis fünf Jahren sichtbare Fortschritte bei der Bekämpfung von Adipositas bei Kindern zu erreichen und den jetzigen Trend spätestens im Jahr 2015 umzukehren,

N. in der Erwägung, dass eine gesunde Ernährungsweise bestimmte quantitative und qualitative Eigenschaften aufweisen muss, wobei dem individuellen Bedarf zu entsprechen ist und die allgemeinen Ernährungsgrundsätze stets strikt einzuhalten sind,

O. in der Erwägung, dass eine Ernährungsweise Kriterien in den folgenden Kategorien erfüllen muss, um als "gesund" zu gelten:

P. in der Erwägung, dass das Problem von Übergewicht und Adipositas mit einem ganzheitlich ausgerichteten Ansatz angegangen werden sollte, der über einzelne Politikbereiche hinausgreift und auf verschiedenen Ebenen der Politik angesiedelt ist, insbesondere auf der nationalen, regionalen und lokalen Ebene, unter strenger Beachtung der Subsidiarität,

Q. in der Erwägung, dass nicht außer Acht gelassen werden darf, dass der Konsum von Alkohol mit seinem hohen Kaloriengehalt und das Rauchen erheblich zu Appetitstörungen beitragen und mit zahlreichen bekannten Gesundheitsrisiken verbunden sind,

R. in der Erwägung, dass dieses Problem eine soziale Dimension hat und insbesondere dass Übergewicht und Adipositas am häufigsten bei sozioökonomisch benachteiligten Bevölkerungsschichten festzustellen ist; dass dadurch die Ungleichheiten im Bereich der Gesundheitsversorgung und die Kluft zwischen arm und reich vertieft werden könnten, insbesondere für die verwundbarsten Bevölkerungsgruppen, wie Menschen mit Behinderungen;

S. in der Erwägung, dass die sozioökonomischen Ungleichheiten sich durch den Preisanstieg für Grundnahrungsmittel (wie z.B. Getreide, Butter und Milch) erheblich verschärfen, da der Anstieg eine beispiellose Menge an Erzeugnissen betrifft und er ein bislang ungekanntes Ausmaß erreicht hat,

T. in der Erwägung, dass aufgrund der hohen Preise für Rohstoffe und der undurchsichtigen Vorschriften über den Großhandel in einigen Mitgliedstaaten die Preise für u. a. Grundnahrungsmittel mit hohem Nährwert, wie z.B. Obst, Gemüse und zuckerfreie Milchprodukte, enorm angestiegen sind, was das Budget der meisten Familienhaushalte in Europa erheblich belastet, und dass die Europäische Union eine angemessene Antwort auf diese Herausforderung finden muss,

U. in der Erwägung, dass Menschen mit Behinderungen 15 % der arbeitsfähigen Bevölkerung in der Europäischen Union ausmachen, und in Erwägung der Untersuchungen, die gezeigt haben, dass Menschen mit Behinderungen unter einem erhöhten Adipositasrisiko leiden, was unter anderem auf pathophysiologische Veränderungen des Energiestoffwechsels, die individuelle Konstitution, Muskelatrophie und zu wenig körperliche Betätigung zurückzuführen ist,

V. in der Erwägung, dass alle Initiativen, an denen sich viele Akteure beteiligen, gefördert werden sollten, damit der Dialog, der Austausch bewährter Verfahren und die Selbstregulierung verbessert werden, z.B. durch die Europäische Aktionsplattform für Ernährung, körperliche Bewegung und Gesundheit, die Arbeitsgruppe für Sport und Gesundheit und das EU-Netzwerk für gesundheitsfördernde körperliche Bewegung,

W. in der Erwägung, dass die verschiedenen kulinarischen Traditionen als Teil des kulturellen Erbes gefördert werden sollten, jedoch gleichzeitig sichergestellt werden sollte, dass Verbraucher deren tatsächliche Auswirkungen auf die Gesundheit kennen, um aufgeklärte Entscheidungen zu ermöglichen,

X. in der Erwägung, dass Verbraucher in Europa Zugang zu den notwendigen Informationen haben sollten, die es ihnen ermöglichen, die für sie angesichts ihrer individuellen Lebensweise und ihres Gesundheitszustands besten Nährstoffquellen für eine optimale Ernährung auszuwählen,

Y. in der Erwägung, dass bei den neuen Initiativen der Wirtschaft zur Selbstregulierung bei der Werbung die Ausgewogenheit und die Inhalte der Werbung für Nahrungsmittel und Getränke im Mittelpunkt stehen werden; dass die Selbstregulierungmaßnahmen sich auf alle Formen der Vermarktung und insbesondere auf die Vermarktung im Internet und in anderen neuen Medien erstrecken müssen; dass die Lebensmittelwerbung die Hälfte der gesamten Werbesendungen in der Zeit, in der Kinder fernsehen, einnimmt und dass die Fernsehwerbung das kurzfristige Konsumverhalten von Kindern zwischen zwei und elf Jahren nachweislich beeinflusst; dass die Tatsache, dass neue Formen der Vermarktung zum Einsatz kommen, die sich sämtlicher technologischer Mittel und insbesondere so genannter Werbespiele bedienen, wie etwa Mobiltelefonwerbung, Sofortnachrichten, Videospiele und interaktive Internetspiele, Anlass zur Sorge bietet; sowie in der Erwägung, dass bereits eine Vielzahl von Lebensmittelherstellern, Werbe- und Marketingfirmen und Gesundheits- und Verbraucherschutzverbänden sich in der Europäischen Aktionsplattform für Ernährung, körperliche Bewegung und Gesundheit sehr stark engagieren und bereits auf erfolgreiche Studien und Projekte verweisen können,

Z. in der Erwägung, dass durch Fehlernährung, von der vor allem ältere Menschen betroffen sind, den Gesundheitssystemen in Europa ähnlich hohe Kosten entstehen wie durch Adipositas und Übergewicht,

Vorrang für Kinder

Medien und Werbung

Gesundheitswesen und Forschung