Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Fortschritten der EU bei der Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts
(Artikel 2 und 39 des EU-Vertrags)

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 122872 - vom 21. Dezember 2006.

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 30. November 2006 angenommen.

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass das Bedürfnis der europäischen Bürger nach mehr Freiheit, Sicherheit und Recht in der Union im Zeitalter der Globalisierung immer stärker wird in einer Welt, in der es ständig Krisen und Spannungen gibt, in der das wirtschaftliche Gefälle immer mehr zunimmt und die Migrationsströme ständig steigen, in der es zu ideologischen und kulturellen Konfrontationen kommt, die eine steigende Zahl von Menschen betreffen, und in der es Bedrohungen ungeahnter Tragweite durch Terroristen gibt,

B. in der Erwägung, dass die Europäische Union sieben Jahre nach den Schlussfolgerungen des Vorsitzes der Tagung des Europäischen Rates von Tampere vom 15. und 16. Oktober 1999 keine kohärente Einwanderungspolitik hat und dass vor allem eine Politik für die legale Zuwanderung fehlt,

C. die Tatsache zur Kenntnis nehmend, dass diese Faktoren des Drucks von außen

D. unter Hinweis darauf, dass die Europäische Union in Ermangelung eines kohärenten Besitzstandes und eines gemeinsam mit den Mitgliedstaaten vertretenen Standpunktes nicht in der Lage ist, in den Bereichen des Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts den Standpunkt von Drittländern, auch nicht von ihren Bündnispartnern, z.B. die Position der USA, maßgeblich zu beeinflussen, und dass dies nicht nur ihre Glaubwürdigkeit beeinträchtigen kann, sondern sie auch überdies politisch und strategisch gegenüber diesen Ländern in die Defensive zwingt ,

E. in der Erwägung, dass diese strategische Schwäche der Europäischen Union nicht nur darauf zurückzuführen ist, dass diese Politikbereiche erst vor kurzem auf EU-Ebene verlagert wurden (auch wenn die ersten Bemühungen, einen europäischen Rechtsraum zu schaffen, bereits auf das Jahr 1975 zurückgehen, als eine erste Welle von Terroranschlägen den Kontinent überrollte), sondern vor allem darauf, dass der Transfer im Rahmen der Verträge von Maastricht und Amsterdam unter großem Vorbehalt der Mitgliedstaaten erfolgt ist, und dass der Übergang zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, das bereits 1993 vorgesehen war, erst mit begrenzten Fortschritten 1999, 2001, 2004 und schließlich 2005 mit der (teilweisen) Aktivierung der in Artikel 67 des EG-Vertrags vorgesehenen "Passerelle"-Regelung im Rahmen des Haager Programms stattgefunden hat,

F. unter Hinweis darauf, dass noch heute die Tatsache, dass eine Vielzahl von Rechtsgrundlagen für ein einziges politisches Ziel, die Zunahme der Konflikte und der Rechtsmittel zur Einschränkung der Tragweite der Befugnisse der Institutionen, die Einstimmigkeitsregel und vor allem das Fehlen einer echten demokratischen und gerichtlichen Kontrolle dazu führen, dass die derzeitige Situation der politischen Umsetzung des dritten Pfeilers nur in sehr geringem Maße im Einklang steht mit der Achtung der Grundsätze der Europäischen Union, auf die sie sich erklärtermaßen stützt (Artikel 6 des EU-Vertrags),

G. warnend vor den Risiken, sich außerhalb des Rahmens der europäischen Verträge mit Themen zu befassen, die bereits Gegenstand von Vorschlägen seitens der europäischen Institutionen sind; in der Hoffnung, dass eine offene Debatte auf der Grundlage der loyalen Zusammenarbeit zwischen den europäischen Institutionen und unter Beteiligung der einzelstaatlichen Parlamente über die Aufnahme des Vertrags von Prüm vom 27. Mai 2005 in den EG-Vertrag eingeleitet wird, damit das Europäische Parlament eine demokratische Kontrolle ausüben kann,

H. mit der Feststellung, dass die Mitgliedstaaten die ersten sind, die sich dieser aus demokratischer rechtlicher und sogar funktionaler Sicht defizitären Situation bewusst sind und dass sie sich bei der Unterzeichnung des Verfassungsvertrags verpflichtet haben ab November 2006 das verbindlich zu machen, was im Vertrag von Maastricht lediglich ein dem Rat zugestandenes Recht war,

I. in der Überzeugung, dass die Aktivierung der in Artikel 67 des EG-Vertrags und 42 des EU-Vertrags vorgesehenen "Passerelle"-Regeln nicht nur der derzeitigen verfassungsrechtlichen Situation entspricht, sondern auch mit der künftigen verfassungsrechtlichen Situation kompatibel ist, und dass der Rat diese daher auch gemäß Artikel 18 des Wiener Vertragsrechtsübereinkommens aktivieren sollte, der die Parteien dazu verpflichtet, loyal zusammenzuarbeiten, um die für die künftige Ratifizierung günstigsten Bedingungen zu schaffen,

J. unter Befürwortung des Vorschlags der Kommission, im Laufe des Jahres 2007 die in den Artikeln 67 des EG-Vertrags (Abschaffung der Einschränkungen für die Zuständigkeit des Gerichtshofes in Bezug auf Titel IV des des EG-Vertrags) und Artikel 42 des EU-Vertrags vorgesehenen "Passerelle"-Klauseln zu aktivieren, was es dem Europäischen Rat bereits in seiner Entschließung vom 14.10.2004 empfohlen hat3,

K. unter Hinweis darauf, dass die Aktivierung der "Passerelle"-Klausel dem Rat die Möglichkeit lässt, über sein Abstimmungsverfahren zu entscheiden, und dass in diesem Zusammenhang mehrere Lösungen gefunden werden könnten, um in bestimmten Fällen und/oder für bestimmte Zeiträume die Einstimmigkeit beizubehalten vorausgesetzt, dass in jedem Fall in allen Bereichen, die die Rechte der Bürger der Europäischen Union betreffen, die Mitentscheidung des Europäischen Parlaments gewährleistet wird, da das Europäische Parlament zumindest so ausschlaggebend wie der kleinste Mitgliedstaat sein dürfte,

L. in der Erwägung, dass die auf der Grundlage der bestehenden Verträge aktivierten "Passerelle"-Klauseln bereits jetzt dem vom Verfassungsvertrag auferlegten Rahmen entsprechen und nicht über das hinausgehen dürfen, was dieser vorsieht (z.B. im Bereich der Quoten bei der Einwanderungspolitik),

M. in der Erwägung, dass ebenfalls unbedingt festzulegen ist, wohin die "Passerelle" tendieren sollten, und dass, wenn den bestehenden Verträgen keine neue Ziele hinzugefügt werden können, es zweckmäßiger wäre, in den kommenden zwei Jahren eine Konsolidierung/Vereinfachung des Besitzstandes der Union im Bereich des Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts vorzusehen, so wie dieser sich nach und nach im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten gebildet hat insbesondere seit dem Vertrag von Maastricht; unter Hinweis darauf, dass bei einer solchen Konsolidierung und Vereinfachung zahlreiche Unstimmigkeiten beseitigt und die Besitzstände der verstärkten Zusammenarbeit so weit wie möglich verallgemeinert werden sollten (wie der Schengen-Besitzstand),

N. in Kenntnis der nachdrücklichen Forderung nach einer Verbesserung der praktischen Zusammenarbeit schon jetzt im Rahmen der derzeit geltenden Verträge, die von den Bürgern und den in diesem Bereich tätigen Personen und auch vom Rat erhoben wird, in dem bis heute eine Einigung nicht besteht, die ihm echte Fortschritte bei dieser Zusammenarbeit ermöglichen würde,

O. in der Erwägung, dass die neuen Mitgliedstaaten, die die Kriterien von Schengen erfüllen und in der Lage sind, dem System beizutreten, nicht ungerechtfertigterweise für erhebliche Verzögerungen bei der Umsetzung des Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II) bestraft werden dürfen,

P. in der Erwägung, dass das Europäische Parlament große Schnelligkeit und Kompromissbereitschaft an den Tag gelegt hat, als es in erster Lesung eine Einigung über die drei Legislativtexte erzielt hat, die das Paket über die Rechtsgrundlage von SIS II ausmachen,