Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 20. November 2008 zur Todesstrafe in Nigeria

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 122114 - vom 12. Dezember 2008.

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 20. November 2008 angenommen.

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass mehr als 720 Männer und elf Frauen, die in nigerianischen Gefängnissen sitzen, zum Tode verurteilt wurden,

B. in der Erwägung, dass die nationale nigerianische Studiengruppe zur Todesstrafe und die Präsidialkommission zur Reform der Justizverwaltung festgestellt haben, dass die Insassen der Todeszellen fast ausschließlich arm und ohne rechtliche Vertretung sind,

C. in der Erwägung, dass mindestens 40 der im Todestrakt einsitzenden Gefängnisinsassen zum Zeitpunkt ihres angeblichen Verbrechens zwischen 13 und 17 Jahre alt waren, obwohl das internationale Recht die Verurteilung von strafrechtlich in Erscheinung getretenen Kindern zur Todesstrafe verbietet,

D. in der Erwägung, dass Gerichte der islamischen Scharia in 12 der 36 Bundesstaaten Nigerias die Rechtsprechung in Strafsachen ausüben; in der Erwägung, dass diese Gerichte nach wie vor Todesurteile aussprechen und Strafen wie Auspeitschungen und Amputationen verhängen;

E. in der Erwägung, dass 47 % der Insassen von Todestrakten darauf warten, dass ihr Berufungsverfahren abgeschlossen wird, sowie in der Erwägung, dass ein Viertel der Berufungsverfahren schon seit fünf Jahren andauert, dass 6 % der Gefangenen, deren Berufungsverfahren noch aussteht, schon mehr als 20 Jahre darauf warten und dass ein Gefangener 24 Jahre im Todestrakt verbracht hat,

F. in der Erwägung, dass das nigerianische Strafrechtssystem von Korruption und Pflichtvergessenheit geprägt und in keiner Weise angemessen ausgestattet ist,

G. in der Erwägung, dass Folter in Nigeria, obgleich verboten, an der Tagesordnung ist und dass fast 80 % der Insassen nigerianischer Gefängnisse angeben, sie seien geschlagen, mit Waffengewalt bedroht oder in Polizeizellen gefoltert worden,

H. in der Erwägung, dass viele Gefangene, die auf ihr Verfahren oder ihre Hinrichtung warten, von Polizeibeamten erpresst werden, die für ihre Freilassung Geld von ihnen fordern,

I. in der Erwägung, dass mehr als die Hälfte der 40 000 Gefängnisinsassen des Landes weder vor ein ordentliches Gericht gestellt noch verurteilt worden sind,

J. in der Erwägung, dass chronische, aber vermeidbare Krankheiten wie HIV-Infektionen, Malaria, Tuberkulose, Grippe und Lungenentzündung in den Gefängnissen grassieren,

K. in der Erwägung, dass die nigerianischen Behörden immerhin Versuche unternommen haben, die Mängel des Gerichtswesens zu beseitigen; in der Erwägung, dass die nationale Studiengruppe über die Todesstrafe (2004) und die Präsidialkommission zur Reform der Justizverwaltung (2007) Zweifel daran geäußert haben, dass die Todesstrafe dazu beiträgt, die Zunahme und das Ausmaß von Verbrechen in Nigeria abzuschwächen; jedoch in der Erwägung, dass weder die Bundesregierung noch die Regierungen der Bundesstaaten etwas unternommen haben, um die dringenden Probleme in Angriff zu nehmen, die von den beiden Studiengruppen festgestellt wurden,

L. in der Erwägung, dass Nigeria seit 2002 offiziell keine Hinrichtungen mehr vermeldet hat,

M. in der Erwägung, dass nur sieben der 53 Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union im Jahr 2007 Hinrichtungen vorgenommen haben, 13 afrikanische Staaten die Todesstrafe de iure und weitere 22 die Todesstrafe de facto abgeschafft haben,

N. in der Erwägung, dass 1977 lediglich 16 Länder die Todesstrafe für alle Verbrechen abgeschafft hatten und dass heute 137 der 192 UN-Mitgliedstaaten die Todesstrafe de iure oder de facto abgeschafft haben,