Regelwerk, Allgemeines, Korruptionsprävention

Korruptionsvermeidung in hessischen Kommunalverwaltungen
- Hessen -

Vom 15. Mai 2015
(StAnz. Nr. 24 vom 08.06.2015 S. 630 aufgehoben)



Zur aktuellen Fassung

Die gezielte Bekämpfung der Korruption betrifft alle Aufgabenbereiche der öffentlichen Verwaltung. Neben Bereichen, in denen Investitionsvorhaben geplant, vergeben oder überwacht werden, sind vor allem Arbeitsgebiete gefährdet, in denen Genehmigungen, Konzessionen und Erlaubnisse erteilt, Fördermittel bewilligt, Kontrollaufgaben wahrgenommen sowie Verträge abgeschlossen werden. Besonders gefährdete Bereiche sind zum Beispiel Bauämter, Beschaffungsstellen, Führerscheinstellen, Ausländerbehörden, Sozialämter, Entsorgungseinrichtungen.

Die nachfolgenden Ausführungen in den Teilen I bis III sind als Empfehlungen zu verstehen, die jedoch von allen Kommunen und Kommunalverbänden - einschließlich Eigenbetrieben - einheitlich befolgt werden sollten. Die Regelung in Teil IV besitzt verbindlichen Charakter.

I. Allgemeine Regelungen

  1. Die Kommunen und Kommunalverbände - einschließlich Eigenbetrieben - prüfen und entscheiden im Grundsatz selbstständig, welche Tätigkeitsbereiche ihrer Verwaltung konkret korruptionsgefährdet sind und legen in Dienstanweisungen vorbeugende Maßnahmen fest. Dienstanweisungen sollen auch die Durchführung der Vergabeverfahren regeln.
  2. In allen korruptionsanfälligen Bereichen ist auf sorgfältige Personalführung und Dienstaufsicht zu achten. Besonders wichtig ist die Umsetzung des 4-Augen-Prinzips.
  3. Die Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter, in deren Aufgabengebiet korruptionsanfällige Vorgänge bearbeitet werden, sollen regelmäßig - mindestens alle zwei Jahre - an Fortbildungsveranstaltungen zum Thema "Korruptionsvermeidung" teilnehmen.
  4. Die Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter sind über die Unzulässigkeit der Annahme von Geschenken oder anderer geldwerter Leistungen sowie über die straf- und personalrechtlichen Konsequenzen zu belehren. Sie sind zur strikten Einhaltung der Vergabevorschriften anzuhalten. Verstöße sind zu ahnden. Die Belehrung ist schriftlich zu dokumentieren. Auf meinen Erlass vom 18. Juni 2.012 (StAnz. S. 676) betreffend "Verwaltungsvorschriften zur Korruptionsbekämpfung in der Landesverwaltung" in der jeweils gültigen Fassung weise ich hin.
  5. In der Dienstanweisung oder durch besondere Hausverfügung ist zu untersagen, dass Firmen oder verwaltungsfremde Personen finanzielle oder sonstige Leistungen zu Gemeinschaftsveranstaltungen der Beschäftigten erbringen.
  6. Es dient der Korruptionsvermeidung, wenn Mitarbeiterinnen/ Mitarbeiter in gefährdeten Bereichen im Rahmen der Möglichkeiten regelmäßig in andere Arbeitsgebiete umgesetzt werden oder einzelne Tätigkeiten des Arbeitsgebietes auf einen anderen Arbeitsplatz/Dienstposten übertragen werden, um langfristige Beziehungen nicht entstehen zu lassen.
  7. Bei den Dezernaten sollen im Rahmen der Möglichkeiten Innenprüfdienste eingerichtet werden, die stichprobenweise Prüfungen durchführen.
  8. Zur fachlich qualifizierten und gleichzeitig wirtschaftlichen Verwirklichung der in diesem Erlass aufgezählten Maßnahmen kann eine Zusammenarbeit auf der Grundlage von Verwaltungsvereinbarungen nach dem Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit begründet werden.
  9. Angesichts der zunehmenden Dezentralisierung in den Verwaltungen kann es sinnvoll sein, einen unabhängigen Antikorruptionsbeauftragten zu bestellen.
  10. Es wird empfohlen, Sponsoring durch Dienstanweisung zu regeln.
  11. In besonders korruptionsgefährdeten Bereichen ist bei der Erteilung von Genehmigungen für Nebentätigkeiten ein strenger Maßstab anzulegen und die Genehmigung zu versagen, wenn zu befürchten ist, dass dienstliche Interessen beeinträchtigt werden.

II. Planung und Ausführung von Beschaffungen

1. Planung

1.1 Bei der Vergabe von Planungsleistungen sollen die Aufträge, die nicht ausgeschrieben werden müssen, im Leistungs- und gegebenenfalls Preiswettbewerb an wechselnde Auftragnehmer erteilt werden.

1.2 Besondere Aufmerksamkeit ist erforderlich, wenn Planungs- und Bauleistungen zusammen vergeben werden (sogenannte kombinierte Leistungen, Bauträgerverträge usw.).

1.3 Sofern die Leistungsbeschreibung von unabhängigen Sachkundigen erstellt wird, ist zumindest stichprobenweise vom öffentlichen Auftraggeber in geeigneter Weise zu prüfen, ob der Wettbewerb nicht in unzulässiger Weise durch bestimmte Vorgaben eingeschränkt wird; dies gilt auch für die Vertragsbedingungen.

1.4 Planer und andere Sachkundige sollen bei Erteilung des Auftrags nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen (Verpflichtungsgesetz) vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469, 547), geändert durch Gesetz vom 15. August 1974 (BGBl. I S. 1942), auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten aus dem Auftrag verpflichtet werden. Auf meinen Erlass vom 16. Dezember 2009 (StAnz. 2010 S. 5) "betreffend Durchführung des Verpflichtungsgesetzes" weise ich hin.

2. Ausschreibung/Angebotsverfahren/Auftragserteilung

2.1 Bei der Vergabe von Bauleistungen und anderen Leistungen gelten das Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz vom 19. Dezember 2014 und der Gemeinsame Runderlass betreffend "Öffentliches Auftragswesen" in der jeweils gültigen Fassung.

2.2 Leistungsbeschreibungen und Vertragsbedingungen sollten möglichst vor Versendung der Unterlagen an die Bieter stichprobenweise von einer unabhängigen Einrichtung (z.B. Rechnungsprüfungsamt, staatliche baufachliche Prüfung bei Zuwendungsmaßnahmen, Projektsteuerer) überprüft werden.

2.3 Es soll ein Verfahren angewendet werden, mit dem, unter anderem auf der Basis eines Einheitspreisspiegels, auffällige Preisabweichungen deutlich gemacht werden können.

2.4 Der Empfang und die sichere Verwahrung der Ausschreibungsunterlagen sind in der Dienstanweisung zu regeln.

2.5 Soweit organisatorisch möglich soll den Eröffnungstermin ein von dem planenden Fachamt oder vom planenden Dritten unabhängiger fachkundiger Verhandlungsleiter durchführen. Gerade hinsichtlich des Verhandlungsleiters können Regelungen in interkommunaler Zusammenarbeit sinnvoll sein.

2.6 Die erste Prüfung der Angebote auf Vollständigkeit, rechnerische Richtigkeit, nicht ausgefüllte Positionen oder sonstige Auffälligkeiten soll nicht im Fachamt oder beim beauftragten Planer, sondern vom Verhandlungsleiter des Eröffnungstermins vorgenommen werden; er legt auch weitere Sicherungsmaßnahmen fest (zum Beispiel Kopien, Lochung, Siegel, Plombe).

2.7 Die Vergabevorgänge sollen in geeigneter Weise erfasst und ausgewertet werden, damit Verflechtungen und eventuelle Auftragshäufungen erkennbar werden.

2.8 Auf die besondere Bedeutung des Gemeinsamen Runderlasses vom 13. Dezember 2010 (StAnz. S. 2831) betreffend "Ausschluss von Bewerbern und Bietern wegen schwerer Verfehlungen, die ihre Zuverlässigkeit in Frage stellen" weise ich hin. Ich empfehle dringend, den Gemeinsamen Runderlass in der jeweils gültigen Fassung entsprechend anzuwenden. Außerdem empfehle ich den Gemeinden und Gemeindeverbänden, im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten dafür Sorge zu tragen, dass ihre Eigenbetriebe und die Unternehmen in privater Rechtsform, an denen sie mehrheitlich beteiligt sind, den Gemeinsamen Runderlass in der jeweils gültigen Fassung ebenfalls entsprechend anwenden.

2.9 Dem Bauamt obliegt auch im Falle der Einschaltung eines Architektur-/Ingenieurbüros die stichprobenweise Kontrolle der Baumaßnahmen. Jede Überwachung der Baumaßnahme ist aktenkundig zu machen.

2.10 Das Rechnungsprüfungsamt oder unabhängige Sachkundige sollen eingeschaltet werden, sobald sich eine deutliche Auftragserhöhung, der Wegfall oder die Hinzunahme von finanziell bedeutsamen Leistungen oder Mengenverschiebungen abzeichnen, damit eine sofortige Prüfung erfolgen kann.

3. Kommunale Rechnungsprüfung

3.1 Den kommunalen Rechnungsprüfungsämtern wird empfohlen, in ihre Prüfungshandlungen folgende Tätigkeiten einzubeziehen bzw. die Prüfung in diesen Bereichen zu verstärken:

  1. stichprobenweise Prüfung der Leistungsbeschreibungen und Vertragsbedingungen, möglichst auch im Hinblick auf "Scheinpositionen",
  2. jede Art von Änderungen des Auftragsumfangs (zum Beispiel Massenänderungen, zusätzliche Arbeiten, Nachträge),
  3. stichprobenweise Prüfung von Vergabevorlagen,
  4. Kontrolle der vertragsgemäßen Leistungen vor Ort, auch während der Ausführung. Die Fachämter sollen verpflichtet werden, dem Rechnungsprüfungsamt Abnahmen und Teilabnahmen vorher anzuzeigen.

Schwerpunktmäßig sollen hierbei solche Lieferungen oder Leistungen geprüft werden, bei denen eine Kontrolle nach Abschluss der Maßnahme nicht mehr zuverlässig möglich ist.

3.2 Zur Verwirklichung der vorstehend aufgeführten Maßnahmen kann es sinnvoll sein, dass das Rechnungsprüfungsamt externe Fachleute einsetzt und zur flexiblen Wahrnehmung der Aufgaben mobile Prüfgruppen bildet.

III. Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft

Die Kommune soll anonyme und offene Anzeigen oder Hinweise grundsätzlich der Staatsanwaltschaft zuleiten. Die für die Entgegennahme der Anzeigen oder Hinweise zuständigen Ansprechpartner bei der Staatsanwaltschaft sind unter den folgenden E-Mail-Adressen zu erreichen:

Behörde E-Mail-Adresse
Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Darmstadt Korruptionsbeauftragter@stadarmstadt.justiz.hessen.de
Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt am Main Korruptionsbeauftragter@stafrankfurt.justiz.hessen.de
Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Fulda Korruptionsbeauftragter@stafulda.justiz.hessen.de
Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Gießen Korruptionsbeauftragter@stagießen.justiz.hessen.de
Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Hanau Korruptionsbeauftragter@stahanau.justiz.hessen.de
Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kassel Korruptionsbeauftragter@stakassel.justiz.hessen.de
Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Limburg an der Lahn Korruptionsbeauftragter@stalimburg.justiz.hessen.de
Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Marburg Korruptionsbeauftragter@stamarburg.justiz.hessen.de
Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Wiesbaden Korruptionsbeauftragter@stawiesbaden.justiz.hessen.de
Amtsanwaltschaft Frankfurt am Main Korruptionsbeauftragter@aafrankfurt.justiz.hessen.de

Für den Informationsaustausch und gegebenenfalls erforderlich werdende Abklärungen mit dem Hessischen Landeskriminalamt steht die Behörde des Generalstaatsanwalts bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main unter der E-Mail-Adresse: Korruptionsbeauftragter@gstafrankfurt.justiz.hessen.de zur Verfügung.

IV. Zuwendungen

Wenn das Land Zuwendungen gewährt, können bei schwerwiegenden Verstößen gegen die Regelungen dieses Erlasses die Zuwendungen ganz oder teilweise zurückgefordert werden. Im Bewilligungsbescheid ist hierauf hinzuweisen.

Bei Maßnahmen, zu denen das Land Zuwendungen gewährt hat, überprüft die zuständige technische Verwaltung die Bauausführung im Rahmen der Nr. 6.1 und 6.2 der Vorläufigen Verwaltungsvorschriften (VV) zu § 44 der Landeshaushaltsordnung (LHO) in Verbindung mit Nr. 7 des Anhangs 1 zu § 44 LHO (ZBau-Land).

Hat das Land Zuwendungen gewährt, die durch EU-Mittel kofinanziert werden, überprüfen die Bewilligungsstellen nach Art. 13 und die Prüfbehörden nach Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 1828/2006 der Kommission vom 8. Dezember 2006 (Neufassung vom 15. Februar 2007; geändert am 1. September 2009 und am 17. September 2010) stichprobenartig einzelne Vorhaben vor Ort.

V. Aufhebungen; Inkrafttreten

Mein Erlass vom 27. April 1998 (StAnz. S. 1432), zuletzt geändert durch Erlass vom 15. Dezember 2008 (StAnz. 2009 S. 132) trat mit Ablauf des 31. Dezember 2013 außer Kraft.

ENDE

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