Regelwerk

Öffentliches Auftragswesen
Erlass über Vergabesperren zur Korruptionsbekämpfung

- Hessen -

Vom 13. Dezember 2010
(StAnz. Nr. 52 vom 27.12.2010 S. 2831;aufgehoben)


Zur aktuellen Fassung

hier: Ausschluss von Bewerbern und Bietern wegen schwerer Verfehlungen, die ihre Zuverlässigkeit in Frage stellen

Bezug: - § 55 der Hessischen Landeshaushaltsordnung

Erlass vom 16.Februar 1995 (StAnz. S. 1308), neugefasst mit Erlassdatum vom 14. November 2007 (StAnz. S. 2327)

Der nachstehende Erlass wird wegen der Änderungen im Vergaberecht und des Umzuges der Oberfinanzdirektion erneut bekannt gemacht:

Gemeinsamer Runderlass

Nachstehend wird der von der Landesregierung am 16. Februar 1995 beschlossene am 14. November 2007 neu gefasst Erlass über Vergabesperren zur Korruptionsbekämpfung für die gesamte hessische Landesverwaltung bekannt gemacht; er ist nach § 55 der Landeshaushaltsordnung von den Behörden des Landes Hessen anzuwenden.

1. Grundsatz

Die Zuverlässigkeit von Bewerbern und Bietern ist wesentliches Kriterium bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Nach § 97 Abs. 4 GWB, §§ 2 Abs. 1, 6 Abs. 3 Nr. 2 g, 6a Abs. 1, 16 Abs. 1 Nr. 2 c VOB/A; §§ 2 Abs. 1, 6 Abs. 5 c, 16 Abs. 4, 2 EG Abs. 1, 6 EG Abs. 4 und Abs. 6 c, 19 EG Abs. 4 VOL/A; §§ 2 Abs. 1, 4 Abs. 6 und Abs. 9 c, 10 Abs. 1 VOF können Bewerber, Bieter und Unternehmen von der Teilnahme am Wettbewerb ausgeschlossen werden, die nachweislich eine schwere Verfehlung begangen haben, die ihre Zuverlässigkeit als Auftragnehmer infrage stellt. Darüber hinaus gelten diese Grundsätze auch bei sonstigen Vergaben von öffentlichen Aufträgen, zum Beispiel bei Werkverträgen für Planungsleistungen und anderen Dienstleistungen. Unbeschadet anderer Regelungen wird als Vergaberichtlinie nach § 55 Abs. 2 LHO für die nachfolgend beschriebenen Fälle bestimmt:

2. Schwere Verfehlungen

2.1 Schwere Verfehlungen im Sinne der oben genannten Bestimmungen sind, unabhängig von der Beteiligungsform zum Beispiel

2.2 Eine Verfehlung im vorgenannten Sinne liegt auch vor, wenn der Bewerber beziehungsweise Unternehmer Personen, die Amtsträgern oder für den öffentlichen Dienst Verpflichteten nahestehen, unerlaubte Vorteile anbietet, verspricht oder gewährt. Amtsträger sind auch freiberuflich Tätige, die im Auftrag der auftragsvergebenden Dienststelle bei der Auftragsvergabe tätig werden.

2.3 Eine solche Verfehlung liegt ebenfalls vor, wenn der Bewerber oder Unternehmer konkrete Planungs- und/oder Ausschreibungshilfen leistet, die dazu bestimmt sind, den Wettbewerb zu unterlaufen.

3. Nachweis der Verfehlung

Eine Verfehlung gilt insbesondere dann als nachgewiesen, wenn sie zu einer gerichtlichen Verurteilung geführt hat, unbestritten ist oder ein Geständnis in einem Ermittlungsverfahren vorliegt. Bei Verstößen gegen das GWB kommen für den Nachweis die Feststellungen der Kartellbehörde und deren Unterlagen, insbesondere Bußgeldbescheide in Betracht. Inwieweit Ermittlungsunterlagen der Staatsanwaltschaft zum Anlass für den Ausschluss von Bewerbern oder Unternehmern genommen werden können, ist vom Vorliegen beweiskräftigen Materials abhängig. Verdachtsmomente allein können nicht ausschlaggebend sein. Im Übrigen kommen für die Beurteilung des Sachverhalts alle geeigneten Feststellungen zum Beispiel in Haftbefehlen, von Rechnungsprüfungsbehörden, einer Innenrevision, beauftragter Gutachter sowie eigene Feststellungen der Dienststellen in Betracht.

4. Folgen einer Verfehlung

4.1 Bewerber, Bieter oder Unternehmer, die eine der unter Nr. 2 genannten Verfehlungen begangen haben, werden bei Aufträgen, die von Dienststellen des Landes erteilt werden oder im Wesentlichen aus Zuwendungen des Landes bezahlt werden, grundsätzlich von der Teilnahme am Wettbewerb ausgeschlossen, das heißt, sie sind bei öffentlicher Ausschreibung nicht zum Wettbewerb zugelassen und bei beschränkter Ausschreibung oder freihändiger Vergabe nicht zur Angebotsabgabe aufzufordern. Aufträge aufgrund bereits vorliegender Angebote dürfen ihnen nicht mehr erteilt werden.

4.2 Wer von der Teilnahme am Wettbewerb ausgeschlossen ist, kann auch nicht als Nachunternehmer oder in Arbeitsgemeinschaften eingesetzt werden.

4.3 Über die sonstigen Folgen, zum Beispiel für laufende Aufträge (hier insbesondere Kündigung aus wichtigem Grund) oder für Nachtragsaufträge, und über die Frage des Ausschlusses von verbundenen Firmen, sofern mit einer Umgehung des Ausschlusses über solche Firmen zu rechnen ist, ist im Einzelfall zu entscheiden.

5. Verfahren beim Ausschluss

5.1 Der Ausschluss wird in der Regel von der Mittelbehörde oder von der Dienststelle ausgesprochen, in deren Zuständigkeitsbereich die Verfehlung festgestellt wurde. Die übergeordneten Behörden werden vor dem Ausschluss auf dem Dienstweg unterrichtet.

5.2 Die betroffenen Bewerber oder Unternehmer erhalten vor ihrem beabsichtigten Ausschluss Gelegenheit, hierzu innerhalb einer angemessenen Frist Stellung zu nehmen. Die Entscheidung wird ihnen schriftlich mitgeteilt.

5.3 Bei der Sperrentscheidung sind jeweils die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen. Hierbei können unter anderem Schadensumfang, Geständnis, "Selbstreinigung" im Unternehmen, Umfang und Dauer des strafbaren und kartellrechtswidrigen Verhaltens, Wiederholungstäterschaft, Zeitablauf seit der letzten Tat, Mitverantwortung in der Sphäre des Auftraggebers erheblich sein.

5.4 Bei Verfehlungen, durch die dem Auftraggeber kein oder nur geringer Schaden entstanden ist, kann unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit von einem Ausschluss abgesehen werden. In einem solchen Fall ist der betreffende Bewerber beziehungsweise Unternehmer auf den festgestellten Sachverhalt und die im Wiederholungsfalle zu erwartenden Konsequenzen schriftlich hinzuweisen.

6. Wiederzulassung

6.1 Eine Wiederzulassung des ausgeschlossenen Bewerbers ist erst dann möglich, wenn erwartet werden kann, dass seine Zuverlässigkeit wieder gegeben ist.

6.2 Dies kann in der Regel erwartet werden, wenn

Die Besonderheiten des Einzelfalls sind jeweils zu berücksichtigen.

6.3 Die Wiederzulassung ist vom Bewerber beziehungsweise Unternehmer bei der Dienststelle schriftlich zu beantragen, die die Sperre ausgesprochen hat. Diese unterrichtet die übergeordneten Behörden vor ihrer Entscheidung.

7. Melde- und Informationsstelle für Vergabesperren

7.1 Bei der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main ist eine Melde- und Informationsstelle für Vergabesperren eingerichtet. Anschrift:

Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main
- Referat für Korruptionsbekämpfung -
Postfach 11 14 31
60049 Frankfurt am Main

Zum Gottschalkhof 3
60594 Frankfurt am Main
Telefon: (0 69) 58303-0 (Zentrale)
Telefon: (0 69) 58303-2574 (Durchwahl)
Telefax: (0 69) 58303-2591

7.2 Der Ausschluss vom Wettbewerb (Vergabesperre) wird der Melde- und Informationsstelle wie folgt mitgeteilt: Auftragssperre ausgesprochen von

  1. Behörde
  2. Datum
  3. Aktenzeichen
  4. Name eines Ansprechpartners
  5. Tel.-Nr. des Ansprechpartners
  6. Umfang der Sperre
  7. betroffenes Unternehmen
  8. Gewerbezweig/Branche
  9. Anschrift
  10. Handelsregister-Nr.
    - falls bekannt -

7.3 Bei geplanten Vergaben mit einem Wert über 15.000 Euro bei Dienstleistungsaufträgen, einem Wert über 25.000 Euro bei Lieferaufträgen beziehungsweise einem Wert über 50.000 Euro bei Bauaufträgen fragt die Vergabestelle vor der Vergabe bei der Melde- und Informationsstelle nach, ob die für die Vergabe in Aussicht genommene Firma vom Wettbewerb ausgeschlossen ist. Ist dies der Fall, übermittelt die Melde- und Informationsstelle der Vergabestelle die vorstehend bezeichneten Daten über die Sperre.

Bei Beschränkten Ausschreibungen oder Freihändigen Vergaben oberhalb der genannten Wertgrenzen sind entsprechende Anfragen bezüglich des gesamten vorgesehenen Bieterkreises schon vor der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes an die Melde- und Informationsstelle zu richten.

Bei geplanten Vergaben unterhalb der genannten Wertgrenzen steht die Anfrage im pflichtgemäßen Ermessen der Vergabestelle.

Die vorgenannten Wertgrenzen beziehen sich auf den Auftragswert nach Abzug der Umsatzsteuer.

7.4 Über die Wiederzulassung eines Bewerbers wird die Melde- und Informationsstelle unterrichtet. Diese vernichtet sodann die bei ihr vorliegenden Angaben über die Sperre.

8. Eigenerklärung des Bieters

Vor Vergaben mit einem Wert über 2.500 Euro ist von den Bietern folgende Erklärung zu verlangen: "Ich bin nicht nach dem Gemeinsamen Runderlass vom 3. April 1995 in der Fassung vom 14. November 2007 (StAnz. S. 2327) über den Ausschluss von Bewerbern und Bietern wegen schwerer Verfehlungen, die ihre Zuverlässigkeit in Frage stellen, von der Teilnahme am Wettbewerb ausgeschlossen. Mir ist bekannt, dass die Unrichtigkeit vorstehender Erklärung zu meinem Ausschluss vom Vergabeverfahren sowie zur fristlosen Kündigung eines etwa erteilten Auftrags wegen Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht aus wichtigem Grund führen kann."

Bieter und Auftragnehmer sind verpflichtet, solche Erklärungen auch von beauftragten Dritten zu fordern und vor Zuschlagserteilung beziehungsweise spätestens vor Zustimmung des Auftraggebers zur Weiterbeauftragung vorzulegen.

Entsprechende Erklärungen sind bei gemeinschaftlichen Bietern von jedem Mitglied abzugeben.

Kopien oder Bezugnahmen auf bereits vorliegende Erklärungen sind zugelassen, soweit diese nicht älter als zwölf Monate sind, keine Anhaltspunkte für Zweifel an ihrer Richtigkeit bestehen und wenn nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt wurde.

Soweit Angebote diese Erklärungen nicht vollständig enthalten und diese Erklärungen auch nicht bis zur Zuschlagserteilung vorliegen, sind sie von der Wertung auszuschließen, weil sie unvollständig sind und nicht die Vertragsbedingungen erfüllen. Entsprechendes gilt für die nachvertraglichen Weitervergaben.

9. Beachtung des Ausschlusses bei künftigen Vergaben

Machen Bewerber in einem neuen Vergabeverfahren die Rechtswidrigkeit der gegen sie verhängten Vergabesperre geltend, werden sie auf die Möglichkeit verwiesen, bei der zuständigen Stelle ihre Wiederzulassung zu beantragen. Solange die Sperre nicht aufgehoben oder ausgesetzt ist, bleibt sie für künftige Vergabeverfahren bindend.

10. Zuwendungsempfänger

Die Stelle, die Zuwendungen für Projekte vergibt, die im Wesentlichen aus Mitteln des Landes bezahlt werden, regelt im Bewilligungsbescheid, ob und wieweit der Zuwendungsempfänger die vorgenannten Regelungen anzuwenden hat. Die Anwendung dieser Regelungen soll dem Zuwendungsempfänger in der Regel aufgegeben werden, wenn er zur Anwendung der VOL/A oder der VOB/A verpflichtet wird.

Bei Anfragen eines Zuwendungsempfängers im Sinne von Ziffer 7.3 ist eine Kopie des Zuwendungsbescheides beizufügen.

11. Empfehlung

Den der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie den öffentlichen Unternehmen auf dem Gebiet der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung wird empfohlen, die vorstehende Regelung entsprechend anzuwenden.

Bei entsprechender Anwendung sind sie zu Mitteilungen an die bei der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main eingerichtete Melde- und Informationsstelle und zu Abfragen bei dieser Stelle berechtigt (vergleiche Ziffer 7).

Eine entsprechende Anwendung verpflichtet jedoch nicht, in eigenen Angelegenheiten ebenfalls einen Ausschluss vorzunehmen, falls ein solcher von der Melde- und Informationsstelle mitgeteilt worden ist; vielmehr besteht die Verpflichtung, insoweit eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen.

12. Maßnahmen des Bundes

Dieser Erlass gilt auch für Maßnahmen des Bundes und Dritter, die vom Land in Auftragsverwaltung ausgeführt werden, sofern sich aus den Vorschriften des Auftraggebers nichts anderes ergibt.

ENDE

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