Regelwerk

UvollzG LSa - Untersuchungshaftvollzugsgesetz Sachsen-Anhalt
Gesetz über den Vollzug der Untersuchungshaft in Sachsen-Anhalt

- Sachsen-Anhalt -

Vom 22. März 2010
(GVBl. Nr. 9 vom 30.03.2010 S. 157; 21.10.2010 S. 510 10; 03.07.2015 S. 314 15; 18.12.2015 S. 666aufgehoben)
Gl.-Nr.: 312.10



Zur Nachfolgeregelung JVollzGB

Abschnitt 1
Grundsätze

§ 1 Anwendungsbereich 10

(1) Dieses Gesetz regelt den Vollzug der Untersuchungshaft.

(2) Es gilt entsprechend für den Vollzug der Haft nach § 127b Abs. 2, § 230 Abs. §§ 236, 329 Abs. 4 Satz 1, § 412 Satz 1 und § 453c Abs. 1 der Strafprozessordnung sowie der einstweiligen Unterbringung nach § 275a Abs. 5 der Strafprozessordnung.

(3) Für den Vollzug der einstweiligen Unterbringung nach § 126a der Strafprozessordnung gelten die Bestimmungen des Maßregelvollzugsgesetzes Sachsen-Anhalt. Hiervon abweichend finden die Bestimmungen dieses Gesetzes Anwendung, soweit sie der Durchführung eines geordneten Strafverfahrens dienen. § 3 Abs. 2 gilt entsprechend.

§ 2 Aufgabe des Untersuchungshaftvollzugs

Der Vollzug der Untersuchungshaft hat die Aufgabe, durch sichere Unterbringung des Untersuchungsgefangenen die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens zu gewährleisten und der Gefahr weiterer Straftaten zu begegnen.

§ 3 Zuständigkeit und Zusammenarbeit

(1) Entscheidungen nach diesem Gesetz trifft die Justizvollzugsanstalt, in der die Untersuchungshaft vollzogen wird (Anstalt). Sie arbeitet eng mit Gericht und Staatsanwaltschaft zusammen, um die Aufgabe des Untersuchungshaftvollzugs zu erfüllen und die Sicherheit und Ordnung der Anstalt zu gewährleisten.

(2) Die Anstalt hat Anordnungen, die das Gericht oder die an dessen Statt zum Handeln ermächtigte Behörde trifft, um einer Flucht-, Verdunklungs- oder Wiederholungsgefahr nach den §§ 112 und 112a der Strafprozessordnung zu begegnen (verfahrenssichernde Anordnungen), zu beachten und umzusetzen.

§ 4 Stellung des Untersuchungsgefangenen

(1) Der Untersuchungsgefangene gilt als unschuldig. Er ist so zu behandeln, dass der Anschein vermieden wird, er würde zur Verbüßung einer Strafe festgehalten.

(2) Soweit dieses Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, dürfen dem Untersuchungsgefangenen nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwehr einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt unerlässlich sind. Sie müssen in einem angemessenen Verhältnis zum Zweck der Anordnung stehen und dürfen den Untersuchungsgefangenen nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen.

§ 5 Vollzugsgestaltung

(1) Das Leben im Vollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen anzugleichen, soweit die Aufgabe des Untersuchungshaftvollzugs und die Erfordernisse eines geordneten Zusammenlebens in der Anstalt dies zulassen. Schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs ist entgegenzuwirken. Insbesondere hat die Anstalt durch geeignete Maßnahmen Vorsorge zu treffen, damit die Untersuchungsgefangenen Übergriffen anderer Gefangener nicht ausgesetzt sind und Selbstverletzungen oder Selbsttötungen verhindert werden.

(2) Die unterschiedlichen Lebenslagen und Bedürfnisse von weiblichen und männlichen Untersuchungsgefangenen werden bei der Vollzugsgestaltung und bei Einzelmaß. nahmen berücksichtigt.

§ 6 Soziale Hilfe

(1) Der Untersuchungsgefangene wird darin unterstützt, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten zu beheben. Er soll dazu angeregt und in die Lage versetzt werden, seine Angelegenheiten selbst zu regeln.

(2) Die Anstalt arbeitet mit außervollzuglichen Einrichtungen und Organisationen sowie mit Personen und Vereinen, die soziale Hilfestellung leisten können, eng zusammen.

(3) Der Untersuchungsgefangene ist, soweit erforderlich, über die notwendigen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung seiner sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche zu beraten.

(4) Die Beratung soll die Benennung von Stellen und Einrichtungen außerhalb der Anstalt umfassen, die sich um eine Vermeidung der weiteren Untersuchungshaft bemühen. Auf Wunsch sind dem Untersuchungsgefangenen Stellen und Einrichtungen zu benennen, die ihn in seinem Bestreben unterstützen können, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

Abschnitt 2
Vollzugsverlauf

§ 7 Aufnahme

(1) Untersuchungsgefangene werden aufgrund eines schriftlichen Aufnahmeersuchens des Gerichts in die Justizvollzugsanstalt aufgenommen.

(2) Beim Aufnahmeverfahren dürfen andere Gefangene nicht zugegen sein. Der Untersuchungsgefangene ist über seine Rechte und Pflichten zu unterrichten. Bei einem Untersuchungsgefangenen, der der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist, ist ein Dolmetscher oder Übersetzer hinzuzuziehen.

(3) Nach der Aufnahme wird der Untersuchungsgefangene unverzüglich ärztlich untersucht.

(4) Verlangt der Untersuchungsgefangene die Untersuchung durch einen Arzt seiner Wahl. gilt § 22 Abs. 2 entsprechend.

(5) Unabhängig von der Benachrichtigung von Amts wegen ist dem Untersuchungsgefangenen Gelegenheit zu geben, einen Angehörigen oder eine Vertrauensperson von der Aufnahme in die Anstalt zu benachrichtigen, soweit eine verfahrenssichernde Anordnung nicht entgegensteht.

(6) Der Untersuchungsgefangene soll dabei unterstützt werden, etwa notwendige Maßnahmen für hilfsbedürftige Angehörige, zur Erhaltung des Arbeitsplatzes und der Wohnung und zur Sicherung seiner Habe außerhalb der Anstalt zu veranlassen.

§ 8 Verlegung und Überstellung

(1) Der Untersuchungsgefangene kann in eine andere Anstalt verlegt oder überstellt werden, wenn es

  1. zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung,
  2. aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder
  3. aus Gründen der Vollzugsorganisation oder aus anderen wichtigen Gründen erforderlich ist.

Zuvor ist dem Gericht und der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(2) § 7 Abs. 5 gilt entsprechend.

§ 9 Vernehmung, Vorführung, Ausführung und Ausantwortung

(1) Zur Vernehmung des Untersuchungsgefangenen in der Anstalt bedarf es eines schriftlichen Auftrages oder der Zustimmung des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft.

(2) Auf Ersuchen des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft wird der Untersuchungsgefangene vorgeführt. Über Vorführungsersuchen eines anderen Gerichtes oder einer anderen Staatsanwaltschaft sind das Gericht und die Staatsanwaltschaft unverzüglich zu unterrichten.

(3) Aus besonderen Gründen kann der Untersuchungsgefangene ausgeführt werden. Ausführungen zur Befolgung einer gerichtlichen Ladung sind zu ermöglichen, soweit eine verfahrenssichernde Anordnung nicht entgegensteht. Vor der Entscheidung ist dem Gericht und der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Liegt die Ausführung ausschließlich im Interesse des Untersuchungsgefangenen, können ihm die Kosten auferlegt werden.

(4) Auf begründeten Antrag ist der Untersuchungsgefangene befristet dem Gewahrsam eines Gerichts, einer Staatsanwaltschaft oder einer Polizei-, Zoll- oder Finanzbehörde zu überlassen (Ausantwortung). Absatz 3 Satz 3 gilt entsprechend.

§ 10 Entlassung

(1) Auf Anordnung des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft entlässt die Anstalt den Untersuchungsgefangenen unverzüglich aus der Haft, es sei denn, es ist in anderer Sache eine richterlich angeordnete Freiheitsentziehung zu vollziehen.

(2) Aus fürsorgerischen Gründen kann dem Untersuchungsgefangenen der freiwillige Verbleib in der Anstalt bis zum Vormittag des zweiten auf den Eingang der Entlassungsanordnung folgenden Werktages gestattet werden. Der freiwillige Verbleib setzt das schriftliche Einverständnis des Untersuchungsgefangenen voraus, dass die bisher bestehenden Beschränkungen bis zur Entlassung aufrechterhalten bleiben.

Abschnitt 3
Unterbringung und Versorgung des Untersuchungsgefangenen

§ 11 Trennungsgrundsätze

(1) Untersuchungsgefangene werden von Gefangenen anderer Haftarten, insbesondere von Strafgefangenen, getrennt untergebracht. Ausnahmen sind zulässig

  1. mit Zustimmung der einzelnen Untersuchungsgefangenen,
  2. zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung oder
  3. aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt.

Darüber hinaus können Untersuchungsgefangene ausnahmsweise mit Gefangenen anderer Haftarten untergebracht werden, wenn die geringe Anzahl der Untersuchungsgefangenen eine getrennte Unterbringung nicht zulässt.

(2) Junge Untersuchungsgefangene im Sinne von § 66 Abs. 1 werden von den übrigen Untersuchungsgefangenen und von Gefangenen anderer: Haftarten getrennt untergebracht.

(3) Männliche und weibliche Untersuchungsgefangene werden getrennt untergebracht.

(4) Gemeinsame Maßnahmen, insbesondere gemeinsame Arbeit und eine gemeinsame Berufs- und Schulausbildung, sind zulässig.

§ 12 Unterbringung während der Arbeit, Bildung und Freizeit

(1) Arbeit und Bildung finden grundsätzlich in Gemeinschaft statt.

(2) Den Untersuchungsgefangenen kann gestattet werden, sich während der Freizeit in Gemeinschaft mit anderen Gefangenen aufzuhalten. Für die Teilnahme an gemeinschaftlichen Veranstaltungen kann der Anstaltsleiter mit Rücksicht auf die räumlichen, personellen oder organisatorischen Verhältnisse der Anstalt besondere Regelungen treffen.

(3) Die gemeinschaftliche Unterbringung kann eingeschränkt oder ausgeschlossen Werden, soweit es zur Gewährleistung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist.

§ 13 Unterbringung der Untersuchungsgefangenen

(1) Die Untersuchungsgefangenen werden in ihren Hafträumen einzeln untergebracht. Mit ihrer Zustimmung können sie gemeinsam untergebracht werden. Bei einer Gefahr für Leben oder Gesundheit oder bei Hilfsbedürftigkeit ist die Zustimmung der gefährdeten oder hilfsbedürftigen Untersuchungsgefangenen zur gemeinsamen Unterbringung entbehrlich.

(2) Darüber hinaus ist eine gemeinsame Unterbringung nur vorübergehend und aus zwingenden Gründen zulässig.

§ 14 Unterbringung mit Kindern

(1) Ist das Kind einer oder eines Untersuchungsgefangenen noch nicht drei Jahre alt, kann es mit Zustimmung der oder des Aufenthaltsbestimmungsberechtigten zur Wahrung des Kindeswohls in der Anstalt untergebracht werden, wenn die baulichen Gegebenheiten dies zulassen und Sicherheitsgründe nicht entgegenstehen. Vor der Unterbringung ist das Jugendamt zu hören.

(2) Die Unterbringung erfolgt auf Kosten der oder des für das Kind Unterhaltspflichtigen. Von der Geltendmachung des Kostenersatzanspruchs ist abzusehen, wenn hierdurch die gemeinsame Unterbringung gefährdet würde.

§ 15 Persönlicher Gewahrsam, Kostenbeteiligung

(1) Der Untersuchungsgefangene darf nur Sachen in Gewahrsam haben oder annehmen, die ihm von der Anstalt oder mit deren Zustimmung überlassen werden.

(2) Eingebrachte Sachen, die der Untersuchungsgefangene nicht in Gewahrsam haben darf, sind für ihn aufzubewahren, sofern dies nach Art und Umfang möglich ist. Dem Untersuchungsgefangenen wird Gelegenheit gegeben, seine Sachen, die er während des Vollzugs der Untersuchungshaft und für seine Entlassung nicht benötigt, zu verschicken oder mit Zustimmung der Anstalt beim Besuch zu übergeben. Geld wird ihm gutgeschrieben. Der Untersuchungsgefangene kann über rechtmäßig eingebrachtes und für ihn eingezahltes Geld verfügen. Der Einkauf nach § 18 Abs. 2 und 3 kann der Höhe. nach beschränkt werden.

(3) Werden eingebrachte Sachen, deren Aufbewahrung nach Art oder Umfang nicht möglich ist, von dem Untersuchungsgefangenen trotz Aufforderung nicht aus der Anstalt verbracht, so ist die Anstalt berechtigt, diese Sachen auf seine Kosten aus der Anstalt entfernen zu lassen.

(4) Aufzeichnungen und andere Sachen, die Kenntnisse über Sicherungsvorkehrungen der Anstalt vermitteln oder Schlussfolgerungen auf diese zulassen, dürfen vernichtet oder unbrauchbar gemacht werden.

(5) Die Zustimmung nach Absatz 1 kann widerrufen werden, wenn es zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer erheblichen Störung der Ordnung der Anstalt erforderlich ist.

(6) Der Untersuchungsgefangene kann an den Betriebskosten der in seinem Gewahrsam befindlichen Geräte beteiligt werden.

§ 16 Ausstattung des Haftraums

(1) Der Untersuchungsgefangene darf seinen Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen ausstatten. Lichtbilder nahestehender Personen und Erinnerungsstücke von persönlichem Wert werden ihm belassen.

(2) Sachen, deren Überlassung eine verfahrenssichernde Anordnung entgegensteht, sind ausgeschlossen. Vorkehrungen und Gegenstände, die die Übersichtlichkeit des Haftraums behindern oder die in anderer Weise die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden, können ausgeschlossen werden.

§ 17 Kleidung

(1) Der Untersuchungsgefangene darf eigene Kleidung tragen. Soweit er nicht über vollständige Kleidung verfügt oder nicht in der Lage ist, für regelmäßigen Wechsel und für die Reinigung und Instandhaltung der eigenen Sachen zu sorgen, wird er mit Anstaltskleidung und Anstaltswäsche ausgestattet. Insoweit ist er. verpflichtet, Anstaltskleidung zu tragen. Der Anstaltsleiter kann anordnen, dass Reinigung und Instandhaltung nur durch Vermittlung der Anstalt erfolgen dürfen.

(2) Soweit es zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung oder zur Gewährleistung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist, kann das in Absatz 1 Satz I genannte Recht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

§ 18 Verpflegung und Einkauf

(1) Zusammensetzung und Nährwert der Anstaltsverpflegung müssen den Anforderungen an eine gesunde Ernährung entsprechen und werden ärztlich überwacht. Auf ärztliche Anordnung wird besondere Verpflegung gewährt. Dem Untersuchungsgefangenen ist zu ermöglichen, Speisevorschriften seiner Religionsgemeinschaft zu befolgen.

(2) Der Untersuchungsgefangene kann auf eigene Kosten aus einem von der Anstalt vermittelten Angebot einkaufen Die Anstalt soll für ein Angebot sorgen, das auf Wünsche und Bedürfnisse der Untersuchungsgefangenen Rücksicht nimmt.

(3) Dem Untersuchungsgefangenen soll die Möglichkeit eröffnet werden, Gegenstände über den Versandhandel zu beziehen. Der Bezug erfolgt über den Anstaltsleiter, der auch Zulassung und Verfahren regelt.

(4) Gegenstände, deren Überlassung eine verfahrenssichernde Anordnung entgegensteht, oder die geeignet sind, die Sicherheit oder Ordnung der Anstatt zu gefährden, sind vom Einkauf und Versandhandel ausgeschlossen.

§ 19 Annehmlichkeiten

Annehmlichkeiten, die nicht in den §§ 16 bis 18 geregelt sind, darf sich der Untersuchungsgefangene auf seine Kosten verschaffen, soweit und solange weder eine verfahrenssichernde Anordnung entgegensteht noch die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet wird.

§ 20 Gesundheitsfürsorge

(1) Für die körperliche und geistige Gesundheit des Untersuchungsgefangenen ist zu sorgen. Der Untersuchungsgefangene hat die notwendigen Anordnungen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene zu befolgen.

(2) Dem Untersuchungsgefangenen wird ermöglicht, sich täglich mindestens eine Stunde im Freien aufzuhalten.

(3) Wird ein Untersuchungsgefangener schwer krank, so sind die Gesundheitssorgeberechtigten oder, soweit diese nicht erreichbar sind, ein Angehöriger oder eine Person seines Vertrauens unverzüglich zu benachrichtigen. Dasselbe gilt, wenn ein Untersuchungsgefangener verstirbt. Dem Wunsch, auch andere Personen zu benachrichtigen, soll nach Möglichkeit entsprochen werden.

§ 21 Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge

(1) Bei Lebensgefahr, schwerwiegender Gefahr für die Gesundheit des Untersuchungsgefangenen oder bei Gefahr für die Gesundheit anderer Personen sind zwangsweise medizinische Untersuchung und Behandlung sowie Ernährung zulässig. Diese Maßnahmen müssen für die Beteiligten zumutbar und dürfen nicht mit erheblicher Gefahr für Leben oder Gesundheit des Untersuchungsgefangenen verbunden sein. Zur Durchführung der Maßnahmen ist die Anstalt nicht verpflichtet, solange von einer freien Willensbestimmung des Untersuchungsgefangenen ausgegangen werden kann.

(2) Zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene ist die zwangsweise körperliche Untersuchung außer im Fall des Absatzes 1 Satz 1 zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist.

(3) Die Maßnahmen dürfen nur auf Anordnung und unter Leitung eines Arztes durchgeführt werden, unbeschadet der Leistung erster Hilfe für den Fall, dass ein Arzt nicht rechtzeitig erreichbar und mit einem Aufschub Lebensgefahr verbunden ist.

§ 22 Medizinische Leistungen

(1) Untersuchungsgefangene haben Anspruch auf medizinische Leistungen nach den §§ 33 bis 38 des Jugendstrafvollzugsgesetzes Sachsen-Anhalt.

(2) Der Anstaltsleiter soll dem Untersuchungsgefangenen gestatten, auf eigene Kosten einen beratenden Arzt seiner Wahl hinzuzuziehen, wenn der Anstaltsarzt dies befürwortet. Die Erlaubnis kann versagt werden, wenn der Untersuchungsgefangene den gewählten Arzt und den Anstaltsarzt nicht wechselseitig von der Schweigepflicht entbindet oder wenn es zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist.

§ 23 Verlegung, Überstellung und Ausführung zur medizinischen Behandlung

(1) Ein kranker oder hilfsbedürftiger Untersuchungsgefangener kann in eine zur Behandlung seiner Krankheit oder zu seiner Versorgung besser geeignete Anstalt oder in ein Vollzugskrankenhaus verlegt oder überstellt werden.

(2) Erforderlichenfalls kann ein Untersuchungsgefangener zur medizinischen Behandlung ausgeführt oder in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzugs gebracht werden.

(3) Zuvor ist dem Gericht und der Staatsanwaltschaft nach Möglichkeit Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. In dringenden Fällen kann der Anstaltsleiter das Gericht und die Staatsanwaltschaft nachträglich benachrichtigen. Bei Verlegungen und Überstellungen gilt § 7 Abs. 5 entsprechend.

Abschnitt 4
Arbeit, Bildung, Freizeit

§ 24 Arbeit und Bildung

(1) Der Untersuchungsgefangene ist nicht zur Arbeit verpflichtet.

(3) Geeigneten Untersuchungsgefangenen soll Gelegenheit zum Erwerb oder zur Verbesserung schulischer und beruflicher Kenntnisse gegeben werden, soweit es die besonderen Bedingungen der Untersuchungshaft zulassen.

(4) Das Zeugnis oder der Nachweis über eine Bildungsmaßnahme darf keinen Hinweis auf die Inhaftierung enthalten.

§ 25 Arbeitsentgelt und Ausbildungsbeihilfe, Taschengeld

(1) Wer eine Arbeit oder sonstige Beschäftigung ausübt, erhält Arbeitsentgelt.

(2) Der Bemessung des Arbeitsentgelts sind 9 v. H. der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch zugrunde zu legen (Eckvergütung). Ein Tagessatz ist der 250. Teil der Eckvergütung; das Arbeitsentgelt kann nach einem Stundensatz bemessen werden.

(3) Das Arbeitsentgelt kann je nach Leistung des Untersuchungsgefangenen und der Art der Arbeit gestuft werden. 75 v. H. der Eckvergütung dürfen nur dann unterschritten werden, wenn die Arbeitsleistungen des Untersuchungsgefangenen den Mindestanforderungen nicht genügen. Das für Justiz zuständige Ministerium wird ermächtigt, eine Rechtsverordnung über die Vergütungsstufen nach Satz 10 und 2 zu erlassen.

(4) Die Höhe des Arbeitsentgelts ist dem Untersuchungsgefangenen schriftlich bekannt zu geben.

(5) Soweit Beitrage zur Bundesagentur für Arbeit zu entrichten sind, kann vom Arbeitsentgelt ein Betrag einbehalten werden, der dem Anteil des Untersuchungsgefangenen am Beitrag entsprechen würde, wenn er diese Bezüge als Arbeitnehmer erhielte

(6) Nimmt der Untersuchungsgefangene während der Arbeitszeit an einer Bildungsmaßnahme teil, kann er eine Ausbildungsbeihilfe erhalten. Die Absätze 2 bis 5 gelten entsprechend

(7) Erhält ein Untersuchungsgefangener ohne sein Verschulden weder Ausbildungbeihilfe noch Arbeitsentgelt, wird ihm bei Bedürftigkeit auf Antrag ein angemessenes Taschengeld gewährt. Bedürftig ist ein Untersuchungsgefangener, soweit ihm im laufenden Monat nicht ein Betrag bis zur Höhe des Taschengeldes aus eigenen Mitteln zur Verfügung steht. Das Taschengeld beträgt 14 v. H. der Eckvergütung.

(8) Der Untersuchungsgefangene kann über das Arbeitsentgelt, die Ausbildungsbeihilfe und sein Taschengeld verfügen. § 15 Abs. 2 Satz 5 gilt entsprechend.

§ 26 Freizeit und Sport

Zur Freizeitgestaltung sind geeignete Angebote vorzuhalten. Insbesondere sollen Sportmöglichkeiten und Gemeinschaftsveranstaltungen angeboten werden.

§ 27 Zeitungen und Zeitschriften

(1) Der Untersuchungsgefangene kann durch Vermittlung der Anstalt auf eigene Kosten oder auf Kosten Dritter Zeitungen und Zeitschriften durch den Verlag, die Post oder den Handel beziehen. Vom Bezug ausgeschlossen sind Zeitungen und Zeitschriften, auch einzelne Ausgaben davon, deren Verbreitung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist.

(2) Zeitungen oder Zeitschriften, auch einzelne Ausgaben davon, können dem Untersuchungsgefangenen vorenthalten werden, wenn dies zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung erforderlich ist oder wenn deren Inhalte die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden würden.

§ 28 Besitz von Gegenständen für die Freizeitbeschäftigung, Radio und Fernsehen

(1) Der Untersuchungsgefangene darf Bücher und andere Gegenstände zur Fortbildung oder zur Freizeitbeschäftigung besitzen.

(2) Dies gilt nicht, wenn der Besitz, die Überlassung oder die Benutzung des Gegenstandes

  1. mit Strafe oder Geldbuße bedroht wäre,
  2. verfahrenssichernde Anordnungen entgegenstehen oder
  3. die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet wurde.

(3) Elektronische Medien können zugelassen werden, wenn verfahrenssichernde Anordnungen oder Gründe der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt nicht entgegenstehen.

(4) Der Untersuchungsgefangene darf am Hörfunk- und Fernsehempfang (Rundfunkempfang) teilnehmen. Der Rundfunkempfang kann vorübergehend ausgesetzt oder einzelnen Untersuchungsgefangenen untersagt werden, wenn dies zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt unerlässlich ist.

(5) Eigene Hörfunk- und Fernsehgeräte werden unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 zugelassen.

(6) Eine nach den Absätzen 3 und 5 erteilte Erlaubnis kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 widerrufen werden.

Abschnitt 5
Religionsausübung

§ 29 Seelsorge

(1) Dem Untersuchungsgefangenen darf religiöse Betreuung durch einen Seelsorger seiner Religionsgemeinschaft nicht versagt werden. Auf Wunsch ist ihm zu helfen, mit einem Seelsorger seiner Religionsgemeinschaft in Verbindung zu treten.

(2) Untersuchungsgefangene, die keiner Religionsgemeinschaft angehören, haben Anspruch auf einen Seelsorger oder können seelsorgerische Betreuung in Anspruch nehmen.

(3) Der Untersuchungsgefangene darf grundlegende religiöse Schriften besitzen.

(4) Dem Untersuchungsgefangenen sind Gegenstände des religiösen Gebrauchs in angemessenem Umfang zu belassen.

§ 30 Religiöse Veranstaltungen

(I) Der Untersuchungsgefangene hat das Recht, am Gottesdienst und an anderen religiösen Veranstaltungen seines Bekenntnisses teilzunehmen.

(2) Die Zulassung zu den Gottesdiensten oder zu religiösen Veranstaltungen einer anderen Religionsgemeinschaft bedarf der Zustimmung des Seelsorgers der Religionsgemeinschaft.

(3) Ein Untersuchungsgefangener ist von der Teilnahme am Gottesdienst oder an anderen religiösen Veranstaltungen auszuschließen, wenn dies zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung oder aus Gründen der Sicherheit der Anstalt geboten ist; der Seelsorger ist vorher zu hören.

§ 31 Weltanschauungsgemeinschaften

Für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten die §§ 29 und 30 entsprechend.

Abschnitt 6
Besuche, Schriftwechsel, Telefongespräche und Pakete

§ 32 Grundsatz

Der Untersuchungsgefangene hat das Recht, mit Personen außerhalb der Anstalt im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes zu verkehren, soweit eine verfahrenssichernde Anordnung nicht entgegensteht.

§ 33 Recht auf Besuch

(1) Der Untersuchungsgefangene darf regelmäßig Besuch empfangen. Die Gesamtdauer beträgt mindestens zwei Stunden im Monat.

(2) Kontakte des Untersuchungsgefangenen zu seinem Ehegatten oder zu seinem eingetragenen Lebenspartner und seinen Kindern und Kontakte des minderjährigen Untersuchungsgefangenen zu seinen Eltern werden besonders gefördert. Deren Besuche werden nicht auf die Besuchszeit nach Absatz 1 angerechnet.

(3) Besuche sollen darüber hinaus zugelassen werden, wenn sie persönlichen, rechtlichen oder geschäftlichen Angelegenheiten dienen, die nicht von dem Untersuchungsgefangenen schriftlich erledigt, durch Dritte wahrgenommen oder bis zur voraussichtlichen Entlassung aufgeschoben werden können.

(4) Aus Gründen der Sicherheit der Anstalt können Besuche davon abhängig gemacht werden, dass sich die Besucher mit technischen Mitteln absuchen oder durchsuchen lassen.

(5) Besuche können untersagt werden, wenn die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde.

§ 34 Besuche von Verteidigern, Rechtsanwälten und Notaren

(1) Besuche von Verteidigern sowie von Rechtsanwälten und Notaren in einer den Untersuchungsgefangenen betreffenden Rechtssache sind zu gestatten. § 33 Abs. 4 gilt entsprechend. Eine inhaltliche Überprüfung der mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen ist nicht zulässig.

(2) Verteidiger, Rechtsanwälte und Notare müssen sich als solche gegenüber der Anstalt durch die Vollmacht des Untersuchungsgefangenen oder die Bestellungsanordnung des Gerichts ausweisen.

§ 35 Überwachung der Besuche

(1) Besuche dürfen aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt optisch überwacht werden. Die optische Überwachung kann mit technischen Hilfsmitteln durchgeführt werden, die betroffenen Personen sind vorher darauf hinzuweisen

(2) Der Anstaltsleiter kann die akustische Überwachung im Einzelfall anordnen, wenn sie aus Gründen der Sicherheit der Anstalt oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt erforderlich ist.

(3) Besuche dürfen abgebrochen werden, wenn Besucher oder der Untersuchungsgefangene gegen dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes getroffene Anordnungen verstoßen. Dies gilt auch bei einem Verstoß gegen verfahrenssichernde Anordnungen. Dem Abbruch nach Satz 1 soll eine Abmahnung vorausgehen.

(4) Besuche von Verteidigern, Rechtsanwälten und Notaren werden nicht überwacht.

(5) Gegenstände dürfen beim Besuch nicht übergeben werden. Dies gilt nicht für Schriftstücke und sonstige Unterlagen, die ein Verteidiger übergibt und die Rechtsanwälte oder Notare zur Erledigung einer den Untersuchungsgefangenen betreffenden Rechtssache übergeben.

§ 36 Recht auf Schriftwechsel

(1) Der Untersuchungsgefangene hat das Recht, auf eigene Kosten Schreiben abzusenden und zu empfangen.

(2) Der Anstaltsleiter kann den Schriftwechsel mit bestimmten Personen untersagen, wenn die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde.

§ 37 Überwachung des Schriftwechsels

(1) Ein- und ausgehende Schreiben werden auf verbotene Gegenstände überwacht. Der Anstaltsleiter kann die Textkontrolle anordnen, wenn sie aus Gründen der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt erforderlich ist.

(2) Der Schriftwechsel des Untersuchungsgefangenen mit seinen Verteidigern sowie mit seinen Rechtsanwälten und Notaren in einer den Untersuchungsgefangenen betreffenden Rechtssache wird nicht überwacht.

(3) Nicht überwacht werden Schreiben des Untersuchungsgefangenen an Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie an deren Mitglieder, soweit die Schreiben an die Anschriften dieser Volksvertretungen gerichtet sind und den Absender zutreffend angeben. Entsprechendes gilt für Schreiben an das Europäische Parlament und dessen Mitglieder, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, den Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe und weitere Einrichtungen, mit denen der Schriftverkehr aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland geschützt ist. Satz I gilt auch für Schreiben an die Bürgerbeauftragten der Länder und die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder. Schreiben der in den Sätzen I bis 3 genannten Stellen, die an den Untersuchungsgefangenen gerichtet sind, werden nicht überwacht, sofern die Identität des Absenders zweifelsfrei feststeht.

(4) Verteidiger-, Anwalts- und Notarpost ist als solche deutlich sichtbar zu kennzeichnen. Ausgehende Schreiben hat der Untersuchungsgefangene mit einer zutreffenden Angabe des Absenders zu versehen. Der Verteidiger muss sich als solcher gegenüber der Anstalt ausgewiesen haben.

(5) Für den schriftlichen Verkehr mit dem Bewährungshelfer, den Bediensteten der Führungsaufsicht und dem Gerichtshelfer gilt Absatz 4 entsprechend.

§ 38 Weiterleitung von Schreiben, Aufbewahrung

(1) Der Untersuchungsgefangene hat das Absenden und den Empfang seiner Schreiben durch die Anstalt vermitteln zu lassen, soweit nichts anderes gestattet ist.

(2) Eingehende und ausgehende Schreiben sind unverzüglich weiterzuleiten.

(3) Der Untersuchungsgefangene hat eingehende Schreiben unverschlossen zu verwahren, sofern nichts anderes gestattet wird. Er kann sie verschlossen zu seiner Habe geben.

§ 39 Anhalten von Schreiben

(1) Der Anstaltsleiter kann Schreiben anhalten, wenn im Ergebnis der Überwachung nach § 37 Abs. 1,

  1. es die Aufgabe des Untersuchungshaftvollzugs oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erfordern,
  2. die Weitergabe in Kenntnis ihres Inhalts einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklichen würde,
  3. sie Beleidigungen, üble Nachreden oder Verleumdungen zum Nachteil der Bediensteten der Anstalt enthalten,
  4. sie in Geheim- oder Kurzschrift, unlesbar, unverständlich oder ohne zwingenden Grund in einer fremden Sprache abgefasst sind,

(2) Ausgehenden Schreiben, die grob unrichtige oder erheblich entstellende Darstellungen von Anstaltsverhältnissen oder Beleidigungen, üble Nachreden oder Verleumdungen zum Nachteil der Bediensteten der Anstalt enthalten, kann ein Begleitschreiben beigefügt werden, wenn der Untersuchungsgefangene auf deren Absendung besteht.

(3) Sind Schreiben angehalten worden, wird das dem Untersuchungsgefangenen mitgeteilt. Soweit angehaltene Schreiben nicht beschlagnahmt werden, werden sie an die Absender zurückgegeben oder, sofern dies unmöglich oder aus besonderen Gründen untunlich ist, verwahrt.

(4) Sehreiben, deren Überwachung nach § 37 Abs. 2 und 3 ausgeschlossen ist, dürfen nicht angehalten werden.

§ 40 Telefongespräche

Dem Untersuchungsgefangenen kann gestattet werden, auf eigene Kosten Telefongespräche zu führen. Die Bestimmungen über den Besuch gelten mit Ausnahme von § 33 Abs. 1 entsprechend. Ist die Überwachung des Telefongesprächs erforderlich, ist die beabsichtigte Überwachung den Gesprächspartnern des Untersuchungsgefangenen unmittelbar nach Herstellung der Verbindung durch die Anstalt oder den Untersuchungsgefangenen mitzuteilen. Der Untersuchungsgefangene ist rechtzeitig vor Beginn des Telefongesprächs über die beabsichtigte Überwachung und die Mitteilungspflicht nach Satz 3 zu unterrichten;

§ 41 Pakete

(1) Der Empfang von Paketen mit Nahrungs- und Genussmitteln ist dem Untersuchungsgefangenen nicht gestattet. Der Empfang von Paketen mit anderem Inhalt bedarf der Erlaubnis des Anstaltsleiters, welcher Zeitpunkt und Höchstmenge für die Sendung und für einzelne Gegenstände festsetzen kann. Für den Ausschluss von Gegenständen gilt § 18 Abs. 4 entsprechend.

(2) Pakete sind in Gegenwart des Untersuchungsgefangenen zu öffnen, an den sie adressiert sind. Ausgeschlossene Gegenstände können zu seiner Habe genommen oder dem Absender zurückgesandt werden. Nicht ausgehändigte Gegenstände, durch die bei der Versendung oder Aufbewahrung Personen verletzt oder Sachschäden verursacht werden können, dürfen vernichtet werden. Die hiernach getroffenen Maßnahmen werden dem Untersuchungsgefangenen eröffnet.

(3) Der Empfang von Paketen kann vorübergehend versagt werden, wenn dies wegen der Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt geboten erscheint.

(4) Dem Untersuchungsgefangenen kann gestattet werden, Pakete zu versenden. Die Anstalt kann ihren Inhalt aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt überprüfen.

Abschnitt 7
Sicherheit und Ordnung

§ 42 Grundsatz

Die Pflichten und Beschränkungen, die dem Untersuchungsgefangenen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt auferlegt werden, sind so zu wählen, dass sie in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und den Untersuchungsgefangenen nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen.

§ 43 Verhaltensvorschriften

(1) Der Untersuchungsgefangene darf durch sein Verhalten gegenüber Bediensteten, Mitgefangenen und anderen Personen das geordnete Zusammenleben nicht stören. Er hat sich nach der Tageseinteilung der Anstalt (Arbeitszeit, Freizeit, Ruhezeit) zu richten.

(2) Der Untersuchungsgefangene hat die Anordnungen der Bediensteten zu befolgen, auch wenn er sich durch diese beschwert fühlt. Einen ihm zugewiesenen Bereich darf er nicht ohne Erlaubnis verlassen.

(3) Der Untersuchungsgefangene hat seinen Haftraum und die ihm von der Anstalt überlassenen Sachen in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln.

(4) Der Untersuchungsgefangene hat Umstände, die eine Gefahr für das Leben oder eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten, unverzüglich zu meiden.

§ 44 Absuchung und Durchsuchung

(1) Der Untersuchungsgefangene, seine Sachen und der Haftraum dürfen mit technischen Mitteln abgesucht und durchsucht werden. Die Durchsuchung männlicher Untersuchungsgefangener darf nur von Männern, die Durchsuchung weiblicher Untersuchungsgefangener darf nur von Frauen vorgenommen werden. Das Schamgefühl ist zu schonen.

(2) Nur bei Gefahr im Verzug oder auf Anordnung des Anstaltsleiters im Einzelfall ist es zulässig, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen. Sie darf bei männlichen Untersuchungsgefangenen nur in Gegenwart von Männern, bei weiblichen Untersuchungsgefangenen nur in Gegenwart von Frauen erfolgen. Sie ist in einem geschlossenen Raum durchzuführen. Andere Gefangene dürfen nicht anwesend sein.

§ 45 Erkennungsdienstliche Maßnahmen

(1) Zur Sicherung des Vollzugs, zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder zur Identitätsfeststellung sind mit Kenntnis dds Untersuchungsgefangenen zulässig:

  1. die Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken,
  2. die Aufnahme von Lichtbildern,
  3. die Feststellung äußerlicher körperlicher Merkmale,
  4. die elektronische Erfassung biometrischer Merkmale von Fingern oder Händen oder Gesicht und
  5. Messungen.

(2) Die hierbei gewonnenen Unterlagen oder Daten werden zur Gefangenenpersonalakte genommen oder in personenbezogenen Dateien gespeichert. Sie können auch in kriminalpolizeilichen Sammlungen gespeichert werden. Die nach Absatz 1 erhobenen Daten dürfen nur für die in Absatz 1, in § 48 Abs. 2 und in § 89 Abs. 2 Nr. 4 genannten Zwecke verarbeitet werden.

(3) Wird der Untersuchungsgefangene entlassen, sind diese in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten spätestens nach drei Monaten zu löschen. Wird der Untersuchungsgefangene in eine andere Anstalt verlegt oder wird unmittelbar im Anschluss an den Vollzug oder in Unterbrechung der Untersuchungshaft eine andere Haftart vollzogen, können die nach Absatz 1 erhobenen Daten der betreffenden Anstalt übermittelt und von dieser für die in Absatz 2 Satz 3 genannten Zwecke verarbeitet werden.

(4) Personen, die aufgrund des Absatzes I erkennungsdienstlich behandelt worden sind, können bei einer nicht nur vorläufigen Einstellung des Verfahrens, einer unanfechtbaren Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens oder einem rechtskräftigen Freispruch nach der Entlassung verlangen, dass die gewonnenen erkennungsdienstlichen Unterlagen unverzüglich vernichtet werden. Sie sind über dieses Recht bei der erkennungsdienstlichen Behandlung und bei der Entlassung aufzuklären.

§ 46 Lichtbildausweise

Die Anstalt kann den Untersuchungsgefangenen verpflichten, einen Lichtbildausweis mit sich zu führen, wenn dies aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstatt erforderlich ist. Dieser ist bei der Entlassung oder bei der Verlegung in eine andere Anstalt einzuziehen und zu vernichten.

§ 47 Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelkonsum

(1) Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt kann der Anstaltsleiter allgemein oder im Einzelfall Maßnahmen anordnen, die geeignet sind, den Konsum von Suchtmitteln festzustellen. Gegen einzelne Untersuchungsgefangene kann eine Kontrolle angeordnet werden, wenn sie im Verdacht stehen, Suchtmittel zu besitzen oder solche zu konsumieren. Die Maßnahmen nach Satz 1 und 2 dürfen nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sein.

(2) Wird SuchtmitteIkonsum festgestellt, können die Kosten der Maßnahmen dem Untersuchungsgefangenen auferlegt werden.

§ 48 Festnahmerecht

(1) Ein Untersuchungsgefangener, der entwichen ist oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Anstalt aufhält, kann durch die Anstalt oder auf ihre Veranlassung hin festgenommen und in die Anstalt zurtickgebracht werden, solange ein unmittelbarer Bezug zur Entweichung besteht.

(2) Nach § 45 Abs. 1 und § 88 erhobene und zur Identifizierung oder Festnahme erforderliche Daten dürfen den Vollstreckungs- und Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden, soweit dies für Zwecke der Fahndung und Festnahme des entwichenen oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Anstalt aufhaltenden Untersuchungsgefangenen erforderlich ist.

§ 49 Besondere Sicherungsmaßnahmen

(1) Gegen einen Untersuchungsgefangenen können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach seinem Verhalten oder aufgrund seines seelischen Zustands in erhöhtem Maße die Gefahr der Entweichung, von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen, der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht.

(2) Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig:

  1. der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen und Kleidungsstücken, deren Missbrauch zu befürchten ist oder die geeignet sind, einen Flucht- oder Selbsttötungsversuch zu fördern,
  2. die verstärkte Beobachtung des Untersuchungsgefangenen, auch mit technischen Hilfsmitteln,
  3. die verstärkte Durchsuchung des Untersuchungsgefangenen, seiner Sachen und seines Haftraumes.
  4. die Absonderung von anderen Gefangenen,
  5. die Zusammenlegung mit einem zuverlässigen Gefangenen in einem Haftraum,
  6. der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
  7. die Beschränkung und, abgesehen vom Verkehr mit Verteidigern, Rechtsanwälten und Notaren, ausnahmslose Überwachung des Verkehrs mit der Außenwelt,
  8. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände und
  9. die Fesselung.

(3) Maßnahmen nach Absatz 2 sind auch zulässig, wenn die Gefahr einer Befreiung oder eine erhebliche Störung der Ordnung der Anstalt anders nicht vermieden oder behoben werden kann.

(4) Bei einer Ausführung, Vorführung oder beim Transport ist die Fesselung auch dann zulässig, wenn die Gefahr einer Entweichung besteht.

§ 50 Einzelhaft

Die unausgesetzte Absonderung eines Untersuchungsgefangenen (Einzelhaft) ist nur zulässig, wenn dies aus Gründen, die in seiner Person liegen, unerlässlich ist. Einzelhaft von mehr als einem Monat Gesamtdauer im Vollzugsjahr bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde und wird dem Gericht und der Staatsanwaltschaft von der Anstalt mitgeteilt. Während des Vollzugs der Einzelhaft ist der Untersuchungsgefangene in besonderem Maße zu betreuen.

§ 51 Fesselung

In der Regel dürfen Fesseln nur an den Händen oder an den Füßen angelegt werden. Im Interesse des Untersuchungsgefangenen kann der Anstaltsleiter eine andere Art der Fesselung anordnen. Die Fesselung wird zeitweise gelockert, soweit dies notwendig ist.

§ 52 Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen, Verfahren

(1) Besondere Sicherungsmaßnahmen ordnet der Anstaltsleiter an. Bei Gefahr im Verzug können auch andere Bedienstete diese Maßnahmen vorläufig anordnen. Die Entscheidung des Anstaltsleiters ist unverzüglich einzuholen.

(2) Wird ein Untersuchungsgefangener ärztlich behandelt oder beobachtet oder bildet sein seelischer Zustand den Anlass der Sicherungsmaßnahme, ist vorher eine ärztliche Stellungnahme einzuholen. Ist dies wegen Gefahr im Verzug nicht möglich, wird die Stellungnahme unverzüglich nachträglich eingeholt.

(3) Die Entscheidung wird dem Untersuchungsgefangenen von dem Anstaltsleiter mündlich eröffnet und schriftlich begründet.

(4) Besondere Sicherungsmaßnahmen sind in angemessenen Abständen daraufhin zu überprüfen, ob und in welchem Umfang sie aufrechterhalten werden müssen.

(5) Besondere Sicherungsmaßnahmen nach § 49 Abs. 2 Nrn. 8 und 9 sind der Aufsichtsbehörde, dem Gericht und der Staatsanwaltschaft unverzüglich mitzuteilen, wenn sie länger als drei Tage aufrechterhalten werden.

§ 53 Ärztliche Überwachung

(1) Ist ein Untersuchungsgefangener in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht oder gefesselt (§ 49 Abs. 2 Nrn. 8 und 9), sucht ihn der Arzt unverzüglich und in der Folge möglichst täglich auf. Dies gilt nicht bei einer Fesselung während einer Ausführung, Vorführung oder eines Transports (§ 49 Abs. 4).

(2) Der Arzt ist regelmäßig zu hören, solange eine besondere Sicherungsmaßnahme nach § 49 Abs. 2 Nr. 4 oder Einzelhaft nach § 50 andauert.

Abschnitt 8
Unmittelbarer Zwang

§ 54 Begriffsbestimmungen

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen.

(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.

(3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln und Reizstoffe.

(4) Waffen sind die dienstlich zugelassenen Hieb- und Schusswaffen.

§ 55 Allgemeine Voraussetzungen

(1) Die Bediensteten dürfen unmittelbaren Zwang anwenden, wenn sie Vollzugs- und Sicherungsmaßnahmen rechtmäßig durchführen und der damit verfolgte Zweck auf keine andere Weise erreicht werden kann.

(2) Gegen andere Personen als Untersuchungsgefangene darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, Gefangene zu befreien oder widerrechtlich in die Anstalt einzudringen, oder wenn sie sich unbefugt darin aufhalten.

(3) Das Recht zur Anwendung unmittelbaren Zwangs aufgrund anderer Rechtsvorschriften bleibt unberührt.

§ 56 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

(1) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs sind diejenigen zu wählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigen.

(2) Unmittelbarer Zwang unterbleibt, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.

§ 57 Handeln auf Anordnung

Für das Handeln auf Anordnung gilt § 36 des Beamtenstatusgesetzes.

§ 58 Androhung

Unmittelbarer Zwang ist vorher anzudrohen. Die Androhung darf nur dann unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen oder unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, zu verhindern oder eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.

§ 59 Schusswaffengebrauch

(1) Schusswaffen dürfen nur gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs bereits erfolglos waren oder keinen Erfolg versprechen. Gegen Personen ist ihr Gebrauch nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch Waffenwirkung gegen Sachen erreicht werden kann.

(2) Schusswaffen dürfen nur die dazu bestimmten Bediensteten gebrauchen und nur, um angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. Ihr Gebrauch unterbleibt, wenn dadurch erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet würden.

(3) Der Gebrauch von Schusswaffen ist vorher anzudrohen. Als Androhung gilt auch ein Warnschuss. Ohne Androhung dürfen Schusswaffen nur dann gebraucht werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.

(4) Gegen Untersuchungsgefangene dürfen Schusswaffen gebraucht werden,

  1. wenn sie eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug trotz wiederholter Aufforderung nicht ablegen,
  2. wenn sie eine Gefangenenmeuterei (§ 121 des Strafgesetzbuches) unternehmen oder
  3. um ihre Entweichung zu vereiteln oder um sie wieder zu ergreifen.

(5) Gegen andere Personen dürfen Schusswaffen gebraucht werden, wenn sie es unternehmen, Gefangene gewaltsam zu befreien oder gewaltsam in eine Anstalt einzudringen.

Abschnitt 9
Disziplinarmaßnahmen

§ 60 Voraussetzungen

(I) Der Anstaltsleiter kann Disziplinarmaßnahmen anordnen, wenn ein Untersuchungsgefangener rechtswidrig und schuldhaft

  1. gegen Strafgesetze verstößt oder eine Ordnungswidrigkeit begeht,
  2. gegen eine verfahrenssichernde Anordnung verstößt,
  3. andere Personen verbal oder tätlich angreift,
  4. Lebensmittel oder fremdes Eigentum zerstört oder beschädigt,
  5. verbotene Gegenstände in die Anstalt bringt,
  6. sich am Einschmuggeln verbotener Gegenstände beteiligt oder sie besitzt,
  7. entweicht oder zu entweichen versucht oder
  8. in sonstiger Weise wiederholt oder schwerwiegend gegen die Hausordnung verstößt oder das Zusammenleben in der Anstalt stört.

(2) Von einer Disziplinarmaßnahme ist abzusehen, wenn es genügt, den Untersuchungsgefangenen zu verwarnen.

(3) Disziplinarmaßnahmen sind auch zulässig, wenn wegen derselben Verfehlung ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wird.

§ 61 Arten der Disziplinarmaßnahmen

  1. Zulässige Disziplinarmaßnahmen sind:
  1. Verweis,
  2. die Beschränkung oder der Entzug des Einkaufs bis zu drei Monaten,
  3. die Beschränkung oder der Entzug von Annehmlichkeiten nach § 19 bis zu drei Monaten,
  4. die Beschränkung oder der Entzug des Rundfunkempfangs bis zu drei Monaten; der gleichzeitige Entzug des Hörfunk- und Fernsehempfangs jedoch nur bis zu zwei Wochen,
  5. die Beschränkung oder der Entzug der Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung oder der Ausschluss von gemeinsamer Freizeit oder von einzelnen Freizeitveranstaltungen bis zu drei Monaten,
  6. der Entzug der zugewiesenen Arbeit oder Beschäftigung bis zu vier Wochen,
  7. der Ausschluss von Unterricht, Berufsausbildung, beruflicher Fort- und Weiterbildung und
  8. Arrest bis zu vier Wochen:

(2) Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden.

(3) Arrest darf nur wegen schwerer oder wiederholter Verfehlungen verhängt werden.

(4) Bei der Auswahl der Disziplinarmaßnahmen sind Grund und Zweck der Haft sowie die psychischen Auswirkungen der Untersuchungshaft und des Strafverfahrens auf den Untersuchungsgefangenen zu berücksichtigen. Durch die Anordnung und den Vollzug einer Disziplinarmaßnahme dürfen die Verteidigung, die Verhandlungsfähigkeit und die Verfügbarkeit des Untersuchungsgefangenen für die Verhandlung nicht beeinträchtigt werden.

§ 62 Vollzug der Disziplinarmaßnahmen, Aussetzung zur Bewährung

(1) Disziplinarmaßnahmen werden in der Regel sofort vollstreckt.

(2) Disziplinarmaßnahmen können ganz oder teilweise bis zu sechs Monate zur Bewährung ausgesetzt werden.

(3) Arrest wird in Einzelhaft vollzogen. Der Untersuchungsgefangene kann in einem besonderen Arrestraum untergebracht werden, der den Anforderungen entsprechen muss, die an einen zum Aufenthalt bei Tag und Nacht bestimmten Haftraum gestellt werden. Soweit nichts anderes angeordnet wird, ruhen die Befugnisse des Untersuchungsgefangenen aus den §§ 16, 17 Abs. 1, § 18 Abs. 2 und 3, §§ 19, 24 Abs. 2 und 3, §§ 26, 27 Abs. 1 und § 28.

§ 63 Disziplinarbefugnis

(1) Disziplinarmaßnahmen ordnet der Anstaltsleiter an. Bei einer Verfehlung auf dem Weg in eine andere Anstalt zum Zweck der Verlegung ist die aufnehmende Anstalt zuständig.

(2) Die Aufsichtsbehörde entscheidet, wenn sich die Verfehlung gegen den Anstaltsleiter richtet.

(3) Disziplinarmaßnahmen, die gegen den Untersuchungsgefangenen in einer anderen Anstalt oder während einer anderen Haft angeordnet worden sind, werden auf Ersuchen vollstreckt. § 62 Abs. 2 gilt entsprechend.

§ 64 Verfahren

(1) Der Anstaltsleiter ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Der betroffene Untersuchungsgefangene wird gehört. Er ist darauf hinzuweisen, dass es ihm freisteht, sich zu äußern. Die Erhebungen werden in einer Niederschrift festgehalten; die Äußerung des Untersuchungsgefangenen ist zu vermerken.

(2) Bei schweren Verfehlungen soll sich der Anstaltsleiter vor der Entscheidung mit Personen besprechen, die an der Betreuung des Untersuchungsgefangenen mitwirken.

(3) Vor der Anordnung von Disziplinarmaßnahmen gegen Untersuchungsgefangene, die sich in ärztlicher Behandlung befinden, oder gegen Schwangere oder stillende Mütter ist ein Arzt zu hören.

(4) Die Entscheidung wird dem Untersuchungsgefangenen vom Anstaltsleiter mündlich eröffnet und schriftlich begründet.

(5) Bevor Arrest vollzogen wird, ist ein Arzt zu hören. Während des Arrestes steht der Untersuchungsgefangene unter ärztlicher Aufsicht. Der Vollzug unterbleibt oder wird unterbrochen, wenn die Gesundheit des Untersuchungsgefangenen oder der Fortgang des Strafverfahrens gefährdet würde.

Abschnitt 10
Beschwerde

§ 65 Beschwerderecht

(1) Der Untersuchungsgefangene kann sich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden in vollzuglichen Angelegenheiten, die ihn selbst betreffen, an den Anstaltsleiter wenden

(2) Besichtigen Vertreter der Aufsichtsbehörde die Anstalt, so ist zu gewährleisten, dass die Untersuchungsgefangenen sich in vollzuglichen Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, an diese wenden können.

(3) Die Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde bleibt unberührt.

Abschnitt 11
Ergänzende Bestimmungen für junge Untersuchungsgefangene

§ 66 Anwendungsbereich

(1) Auf Untersuchungsgefangene, die zur Tatzeit das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten und die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (junge Untersuchungsgefangene), .findet dieses Gesetz nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnitts Anwendung.

(2) Von einer Anwendung der Bestimmungen dieses Abschnitts sowie des § 11 Abs. 2 auf volljährige junge Untersuchungsgefangene kann abgesehen werden, wenn die erzieherische Ausgestaltung des Vollzugs für diese nicht oder nicht mehr angezeigt ist. Die Bestimmungen dieses Abschnitts können ausnahmsweise auch über die Vollendung des 24. Lebensjahres hinaus angewendet werden, wenn dies im Hinblick auf die voraussichtlich nur noch geringe Dauer der Untersuchungshaft zweckmäßig erscheint.

§ 67 Vollzugsgestaltung

(1) Der Vollzug ist erzieherisch zu gestalten. Die Fähigkeiten des jungen Untersuchungsgefangenen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Lebensführung in Achtung der Rechte Anderer sind zu fördern.

(2) Dem jungen Untersuchungsgefangenen sollen neben altersgemäßen Bildungs-, Beschäftigungs- und Freizeitmöglichkeiten auch sonstige entwicklungsfördernde Hilfestellungen angeboten werden. Die Bereitschaft zur Annahme der Angebote ist zu wecken und zu fördern.

(3) In diesem Gesetz vorgesehene Beschränkungen können dem minderjährigen Untersuchungsgefangenen auch auferlegt werden, soweit es dringend geboten ist, um ihn vor einer Gefährdung seiner Entwicklung zu bewahren.

§ 68 Zusammenarbeit und Einbeziehung Dritter

(1) Die Zusammenarbeit der Anstalt mit staatlichen und privaten Einrichtungen erstreckt sich insbesondere auch auf Jugendgerichtshilfe, Jugendamt, Schulen und berufliche Bildungsträger.

(2) Die Personensorgeberechtigten sollen, soweit dies möglich ist und eine verfahrenssichernde Anordnung nicht entgegensteht, in die Gestaltung des Vollzugs einbezogen werden.

(3) Die Personensorgeberechtigten und das Jugendamt werden von der Aufnahme, von einer Verlegung und der Entlassung unverzüglich unterrichtet, soweit eine verfahrenssichernde Anordnung nicht entgegensteht.

§ 69 Ermittlung des Förder- und Erziehungsbedarfs, Maßnahmen

(1) Nach der Aufnahme wird der Förder- und Erziehungsbedarf des jungen Untersuchungsgefangenen unter Berücksichtigung seiner Persönlichkeit und seiner Lebensverhältnisse ermittelt.

(2) In einer Konferenz mit an der Erziehung maßgeblich beteiligten Bediensteten werden der Förder- und Erziehungsbedarf erörtert und die sich daraus ergebenden Maßnahmen festgelegt. Diese werden mit dem jungen Untersuchungsgefangenen besprochen und den Perspnensorgeberechtigten auf Verlangen mitgeteilt.

(3) Zur Erfüllung der Aufgabe nach Absatz 1 dürfen personenbezogene Daten abweichend von § 88 Abs. 2 ohne Mitwirkung des Betroffenen erhoben werden bei Stellen, die Aufgaben der Jugendhilfe wahrnehmen, bei der Jugendgerichtshilfe und bei Personen und Stellen, die bereits Kenntnis von der Inhaftierung haben.

§ 70 Unterbringung

(1) Die jungen Untersuchungsgefangenen können in Wohngruppen untergebracht werden, zu denen neben den Hafträumen weitere Räume zur gemeinsamen Nutzung gehören.

(2) Die gemeinschaftliche Unterbringung während der Bildung, Arbeit lind Freizeit kann über § 12 Abs. 3 hinaus eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, wenn dies aus erzieherischen Gründen angezeigt ist, wenn schädliche Einflüsse auf die jungen Untersuchungsgefangenen zu befürchten sind oder während der ersten zwei Wochen nach der Aufnahme.

(3) Eine gemeinsame Unterbringung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 ist nur zulässig, wenn schädliche Einflüsse auf die jungen Untersuchungsgefangenen nicht zu befürchten sind.

§ 71 Schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung, Arbeit

(1) Ein schulpflichtiger Untersuchungsgefangener nimmt in der Anstalt am allgemein- oder berufsbildenden Unterricht in Anlehnung an die für öffentliche Schulen geltenden Bestimmungen teil, sofern geeigneter Unterricht angeboten werden kann.

(2) Minderjährige Untersuchungsgefangene können zur Teilnahme an schulischen und beruflichen Orientierungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder speziellen Maßnahmen zur Förderung ihrer schulischen, beruflichen oder persönlichen Entwicklung verpflichtet werden.

(3) Den übrigen jungen Untersuchungsgefangenen kann die Teilnahme an den in Absatz 2 genannten Maßnahmen angeboten werden.

(4) Im Übrigen bleibt § 24 Abs. 2 unberührt.

§ 72 Besuche, Schriftwechsel, Telefongespräche

(1) Abweichend von § 33 Abs. 1 Satz 2 beträgt die Gesamtdauer des Besuchs für Angehörige mindestens vier Stunden im Monat. Über § 33 Abs. 3 hinaus sollen Besuche auch dann zugelassen werden, wenn sie die Erziehung fördern.

(2) Besuche von Kindern junger Untersuchungsgefangener und von Eltern oder Personensorgeberechtigten minderjähriger Untersuchungsgefangener werden besonders gefördert. Deren Besuche werden nicht auf die Besuchszeit nach Absatz 1 angerechnet.

(3) Bei minderjährigen Untersuchungsgefangenen können Besuche, Schriftwechsel und Telefongespräche auch untersagt werden, wenn Personensorgeberechtigte nicht einverstanden sind.

(4) Besuche dürfen über § 35 Abs. 3 hinaus auch abgebrochen werden, wenn von Besuchern ein schädlicher Einfluss ausgeht.

(5) Der Schriftwechsel kann über § 36 Abs. 2 hinaus bei Personen, die nicht Angehörige des jungen Untersuchungsgefangenen sind, auch untersagt werden, wenn zu befürchten ist, dass der Schriftwechsel einen schädlichen Einfluss auf den jungen Untersuchungsgefangenen hat.

(6) Für Besuche, Schriftwechsel und Telefongespräche mit Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes gelten die §§ 34, 35 Abs. 4, § 37 Abs. 2 und § 39 Abs. 4 entsprechend.

§ 73 Freizeit und Sport

(1) Zur Ausgestaltung der Freizeit sind geeignete Angebote vorzuhalten. Der junge Untersuchungsgefangene ist zur Teilnahme und Mitwirkung an Freizeitangeboten zu motivieren.

(2) Über § 16 Abs. 2 hinaus ist der Besitz eigener Fernsehgeräte und elektronischer Medien ausgeschlossen, wenn erzieherische Gründe entgegenstehen.

(3) Es sind ausreichende und geeignete Angebote vorzuhalten, um dem jungen Untersuchungsgefangenen eine sportliche Betätigung von mindestens zwei Stunden wöchentlich zu ermöglichen.

§ 74 Besondere Sicherungsmaßnahmen

§ 49 Abs. 3 gilt mit der Maßgabe, dass der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien nicht zulässig ist.

§ 75 Erzieherische Maßnahmen, Disziplinarmaßnahmen

(1) Verstöße des jungen Untersuchungsgefangenen gegen Pflichten, die ihm durch oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, sind unverzüglich im erzieherischen Gespräch aufzuarbeiten. Daneben können Maßnahmen angeordnet werden, die geeignet sind, dem jungen Untersuchungsgefangenen sein Fehlverhalten bewusst zu machen (erzieherische Maßnahmen). Erzieherische Maßnahmen sind insbesondere:

  1. die Erteilung von Weisungen und Auflagen.
  2. die Beschränkung oder der Entzug einzelner Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung bis zu einer Woche und
  3. der Ausschluss von gemeinsamer Freizeit oder, von einzelnen Freizeitveranstaltungen bis zu einer Woche.

(2) Der Anstaltsleiter legt fest, welche Bediensteten befugt sind, erzieherische Maßnahmen anzuordnen

(3) Es sollen solche erzieherischen Maßnahmen angeordnet werden, die mit der Verfehlung in Zusammenhang stehen.

(4) Disziplinarmaßnahmen dürfen nur angeordnet werden, wenn erzieherische Maßnahmen nach Absatz 1 nicht ausreichen, um dem jungen Untersuchungsgefangenen das Unrecht seiner Handlung zu verdeutlichen

(5) Gegen junge Untersuchungsgefangene darf die Disziplinarmaßnahme nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 nicht verhängt werden. Maßnahmen nach § 61 Abs. 1 Nrn. 2 und 3, Nr. 4 Halbsatz 1 sowie Nr. 5 sind nur his zu zwei Monaten zulässig. Arrest ist nur bis zu zwei Wochen zulässig und erzieherisch auszugestalten.

Abschnitt 12
Aufbau der Anstalt

§ 76 Gliederung, Räume

(1) Soweit es zur Umsetzung der Trennungsgrundsätze erforderlich ist, werden in der Anstalt gesonderte Abteilungen für den Vollzug der Untersuchungshaft eingerichtet.

(2) Räume für den Aufenthalt während der Ruhe- und Freizeit sowie Gemeinschafts- und Besuchsräume sind zweckentsprechend auszugestalten.

§ 77 Festsetzung der Belegungsfähigkeit, Verbot der Überbelegung

(1) Die Aufsichtsbehörde setzt die Belegungsfähigkeit der Anstalt so fest, dass eine angemessene Unterbringung während der Ruhezeit gewährleistet ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine ausreichende Anzahl von Plätzen für Arbeit und Bildung sowie von Räumen für Seelsorge. Freizeit, Sport und Besuche zur Verfügung steht.

(2) Hafträume dürfen nicht mit mehr Untersuchungsgefangenen als zugelassen belegt werden.

(3) Ausnahmen von Absatz 2 sind nur vorübergehend und nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde zulässig.

§ 78 Arbeitsbetriebe, Einrichtungen zur schulischen und beruflichen Bildung

(1) Arbeitsbetriebe und Einrichtungen zur schulischen und beruflichen Bildung sollen vorgehalten werden.

(2) Beschäftigung und Bildung können auch in geeigneten privaten Einrichtungen und Betrieben erfolgen. Die technische und fachliche Leitung kann Angehörigen dieser Einrichtungen und Betriebe übertragen werden.

§ 79 Anstaltsleitung

(1) Der Anstaltsleiter trägt die Verantwortung für den gesamten Vollzug der Untersuchungshaft und vertritt die Anstalt nach außen. Er kann einzelne Aufgabenbereiche auf andere Bedienstete übertragen. Die Aufsichtsbehörde kann sich die Zustimmung zur Übertragung vorbehalten.

(2) Für jede Anstalt ist ein Beamter der Laufbahngruppe 2 zum hauptamtlichen Leiter zu bestellen.

§ 80 Bedienstete

Die Anstalt wird mit dem für den Vollzug der Untersuchungshaft erforderlichen Personal ausgestattet. Fortbildung sowie Praxisberatung und -begleitung für die Bediensteten sind zu gewährleisten.

§ 81 Seelsorger

(1) Die Seelsorger werden im Einvernehmen mit der jeweiligen Religionsgemeinschaft im' Hauptamt bestellt oder vertraglich verpflichtet.

(2) Wenn die geringe Anzahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge nach Absatz 1 nicht rechtfertigt, ist die seelsorgerische Betreuung auf andere Weise zuzulassen.

(3) Mit Zustimmung des Anstaltsleiters darf der Anstaltsseelsorger sich freier Seelsorgehelfer bedienen und diese für Gottesdienste sowie für andere religiöse Veranstaltungen von außen zuziehen.

§ 82 Medizinische Versorgung

(1) Die ärztliche Versorgung ist durch hauptamtliche Anstaltsärzte sicherzustellen. Sie kann aus besonderen Gründen nebenamtlichen oder vertraglich verpflichteten Ärzten übertragen werden.

(2) Die Pflege der Kranken soll von Bediensteten ausgeübt werden, die eine Erlaubnis nach dem Krankenpflegegesetz besitzen. Solange diese nicht zur Verfügung stehen, können auch Bedienstete eingesetzt werden, die eine sonstige Ausbildung in der Krankenpflege erfahren haben.

§ 83 Mitverantwortung der Untersuchungsgefangenen

Den Untersuchungsgefangenen soll ermöglicht werden, an der Verantwortung für Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse teilzunehmen, die sich ihrer Eigenart und der Aufgabe der Anstalt nach für ihre Mitwirkung eignen.

§ 84 Hausordnung

(1) Der Anstaltsleiter erlässt eine Hausordnung. Die Aufsichtsbehörde kann sich die Genehmigung vorbehalten.

(2) In die Hausordnung sind insbesondere Anordnungen aufzunehmen über die

  1. Besuchszeiten, Häufigkeit und Dauer der Besuche,
  2. Arbeitszeit, Freizeit und Ruhezeit sowie
  3. Gelegenheit, Anträge und Beschwerden anzubringen oder sich an einen Vertreter der Aufsichtsbehörde zu wenden.

Abschnitt 13
Aufsicht, Beirat

§ 85 Aufsichtsbehörde

Das für Justiz zuständige Ministerium führt die Aufsicht über die Anstalt.

§ 86 Vollstreckungsplan, Vollzugsgemeinschaften

Die Aufsichtsbehörde regelt die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Anstalt in einem Vollstreckungsplan. Im Rahmen von Vollzugsgemeinschaften kann der Vollzug der Untersuchungshaft auch in Vollzugseinrichtungen anderer Länder vorgesehen werden.

§ 87 Beirat

(1) Bei der Anstalt ist ein Beirat zu bilden. Bedienstete dürfen nicht Mitglieder des Beirats sein.

(2) Die Mitglieder des Beirats wirken bei der Gestaltung des Vollzugs der Untersuchungshaft und bei der Betreuung der Untersuchungsgefangenen mit. Sie unterstützen den Anstaltsleiter durch Anregungen und Verbesserungsvorschläge.

(3) Die Mitglieder des Beirats können insbesondere Wünsche, Anregungen und Beanstandungen entgegennehmen. Sie können sich über die Unterbringung, Verpflegung, ärztliche Versorgung, Beschäftigung, Bildung und Betreuung unterrichten sowie die Anstalt besichtigen. Sie können die Untersuchungsgefangenen in ihren Räumen aufsuchen. Unterhaltung und Schriftwechsel werden vorbehaltlich einer verfahrenssichernden Anordnung.nicht überwacht.

(4) Die Mitglieder des Beirats sind verpflichtet, außerhalb ihres Amtes über alle Angelegenheiten, die ihrer Natur nach vertraulich sind, besonders über Namen und Persönlichkeit der Untersuchungsgefangenen, Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt auch nach Beendigung ihres Amtes.

Abschnitt 14
Datenschutz

§ 88 Erhebung personenbezogener Daten

(1) Die Anstalt und die Aufsichtsbehörde dürfen personenbezogene Daten erheben, soweit dies für den Vollzug der Untersuchungshaft erforderlich ist.

(2) Personenbezogene Daten sind bei dem Betroffenen zu erheben. Ohne seine Mitwirkung dürfen sie nur erhoben werden, wenn

  1. eine Rechtsvorschrift dies vorsieht oder zwingend voraussetzt oder
  2. eine Erhebung
    1. nach Art oder Geschäftszweck der zu erfüllenden Verwaltungsaufgabe bei anderen Personen oder Stellen erforderlich ist oder
    2. bei dem Betroffenen einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde.

und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt werden

(3) Werden personenbezogene Daten bei dem Betroffenen erhoben, so ist dieser von der verantwortlichen Stelle über

  1. die Identität der verantwortlichen Stelle,
  2. die Zweckbestimmungen der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung und
  3. die Kategorien von Empfängern nur, soweit der Betroffene nach den Umständen des Einzelfalls nicht mit der Übermittlung an diese rechnen muss,

zu unterrichten. Werden personenbezogene Daten bei dem Betroffenen aufgrund einer Rechtsvorschrift erhoben, die zur Auskunft verpflichtet, oder ist die Erteilung der Auskunft Voraussetzung für die Gewährung von Rechtsvorteilen, so ist der Betroffene hierauf, sonst auf die Freiwilligkeit seiner Angaben hinzuweisen. Soweit nach den Umständen des Einzelfalles erforderlich oder auf Verlangen, ist er über die Rechtsvorschrift und über die Folgen der Verweigerung von Angaben aufzuklären.

(4) Daten über Personen, die nicht Untersuchungsgefangene sind, dürfen ohne ihre Mitwirkung bei Personen oder Stellen außerhalb der Anstalt oder Aufsichtsbehörde nur erhoben werden, wenn sie für die Sicherheit der Anstalt oder die Sicherung des Vollzugs der Untersuchungshaft unerlässlich sind und die Art der Erhebung schutzwürdige Interessen des Betroffenen nicht beeinträchtigt.

(5) Über eine ohne seine Kenntnis vorgenommene Erhebung personenbezogener Daten wird der Betroffene unter Angabe dieser Daten unterrichtet, soweit der in Absatz 1 genannte Zweck dadurch nicht gefährdet wird. Sind die Daten bei anderen Personen oder Stellen erhoben worden, kann die Unterrichtung unterbleiben, wenn

  1. die Daten nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen des überwiegenden berechtigten Interesses Dritter, geheim gehalten werden müssen oder
  2. der Aufwand der Unterrichtung außer Verhältnis zum Schutzzweck steht und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt werden.

(6) Werden personenbezogene Daten statt bei dem Betroffenen bei einer nichtöffentlichen Stelle erhoben, so ist die Stelle auf die Rechtsvorschrift, die zur Auskunft verpflichtet, sonst auf die Freiwilligkeit ihrer Angaben hinzuweisen.

§ 89 Verarbeitung und Nutzung

(1) Die Anstalt und die Aufsichtsbehörde dürfen personenbezogene Daten verarbeiten und nutzen, soweit dies für den Vollzug erforderlich ist.

(2) Die Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten für andere Zwecke ist zulässig, soweit dies

  1. zur Abwehr von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen
    1. gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind,
    2. eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer.Mitglieder zum Ziele haben oder
    3. auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden.
  2. zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit,
  3. zur Abwehr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechte einer anderen Person,
  4. zur Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten sowie zur Verhinderung oder Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten, durch welche die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet wird, oder
  5. für Maßnahmen der Strafvollstreckung oder strafvollstreckungsrechtliche Entscheidungen

erforderlich ist.

(3) Eine Verarbeitung oder Nutzung für andere Zwecke liegt nicht vor, soweit sie dem gerichtlichen Rechtsschutz im Zusammenhang mit diesem Gesetz oder den in § 10 Abs. 3 des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Februar 2002 (GVBl. LSa S. 54), zuletzt geändert durch Artikel 15 des Gesetzes vom 18. November 2005 (GVBl. LSa S. 698, 701), genannten Zwecken dient.

(4) Über die in den Absätzen 1 und 2 geregelten Zwecke hinaus dürfen zuständigen öffentlichen Stellen personenbezogene Daten übermittelt werden, soweit dies für

  1. Maßnahmen der Gerichtshilfe, Jugendgerichtshilfe, Bewährungshilfe oder Führungsaufsicht,
  2. Entscheidungen in Gnadensachen,
  3. gesetzlich angeordnete Statistiken der Rechtspflege,
  4. die Erfüllung von Aufgaben, die den für Sozialleistungen zuständigen Leistungsträgern durch Rechtsvorschrift übertragen worden sind,
  5. die Einleitung von Hilfsmaßnahmen für Angehörige des Untersuchungsgefangenen,
  6. dienstliche Maßnahmen der Bundeswehr im Zusammenhang mit der Aufnahme und Entlassung von Soldaten,
  7. ausländerrechtliche Maßnahmen oder
  8. die Durchführung der Besteuerung

erforderlich ist. Eine Übermittlung für andere Zwecke ist auch zulässig, soweit eine andere gesetzliche Bestimmung dies vorsieht und sich dabei ausdrücklich auf personenbezogene Daten über Untersuchungsgefangene bezieht.

(5) Die Anstalt oder die Aufsichtsbehörde darf öffentlichen oder nichtöffentlichen Stellen auf schriftlichen Antrag mitteilen, ob sich eine Person in der Anstalt im Untersuchungshaftvollzug befindet, soweit

  1. die Mitteilung zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der öffentlichen Stelle liegenden Aufgaben erforderlich ist oder
  2. von nichtöffentlichen Stellen ein berechtigtes Interesse an dieser Mitteilung glaubhaft dargelegt wird und der Untersuchungsgefangene kein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung hat.

Der Untersuchungsgefangene wird vor der Mitteilung gehört, es sei denn, es ist zu besorgen, dass dadurch die Verfolgung des Interesses der Antragsteller vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde, und eine Abwägung ergibt, dass dieses Interesse das Interesse des Untersuchungsgefangenen an seiner vorherigen Anhörung überwiegt. Ist die Anhörung unterblieben, wird der betroffene Untersuchungsgefangene über die Mitteilung der Anstalt oder Aufsichtsbehörde nachträglich unterrichtet.

(6) Bei einer nicht nur vorläufigen Einstellung des Verfahrens, einer unanfechtbaren Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens oder einem rechtskräftigen Freispruch sind auf Antrag des betroffenen Untersuchungsgefangenen die Stellen, die eine Mitteilung nach Absatz 5 erhalten haben, über den Verfahrensausgang in Kenntnis zu setzen. Der betroffene Untersuchungsgefangene ist auf sein Antragsrecht hinzuweisen.

(7) Akten mit personenbezogenen Daten dürfen nur anderen Anstalten, Aufsichtsbehörden, den für strafvollzugs-, strafvollstreckungs- und strafrechtliche Entscheidungen zuständigen Gerichten sowie den Strafvollstreckungs- und Strafverfolgungsbehörden überlassen werden. Die Überlassung an andere öffentliche Stellen ist zulässig, soweit die Erteilung einer Auskunft einen unvertretbaren Aufwand erfordert oder nach Darlegung der Akteneinsicht begehrenden Stellen für die Erfüllung der Aufgabe nicht ausreicht. Entsprechendes gilt für die Überlassung von Akten an die von der Anstalt mit Gutachten beauftragten Stellen

(8) Sind mit personenbezogenen Daten, die nach den Absätzen 1, 2 oder 4 übermittelt werden dürfen, weitere personenbezogene Daten von Betroffenen oder von Dritten in Akten so verbunden, dass eine Trennung nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist, so ist die Übermittlung auch dieser Daten zulässig, soweit nicht berechtigte Interessen von Betroffenen oder Dritten an deren Geheimhaltung offensichtlich überwiegen. Eine Verarbeitung oder Nutzung dieser Daten durch die Empfänger ist unzulässig.

(9) Bei der Überwachung der Besuche oder des Schriftwechsels sowie bei der Überwachung des Inhalts von Paketen bekannt gewordene personenbezogene Daten dürfen nur

  1. für die in Absatz 2 aufgeführten Zwecke,
  2. für den gerichtlichen Rechtsschutz im Zusammenhang mit diesem Gesetz,
  3. zur Wahrung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt,
  4. zur Abwehr von Gefährdungen der Untersuchungshaft oder
  5. zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung verarbeitet und genutzt werden.

(10) Personenbezogene Daten, die nach § 88 Abs. 4 über Personen, die nicht Untersuchungsgefangene sind, erhoben worden sind, dürfen nur zur Erfüllung des Erhebungszwecks und für die in Absatz 2 Nrn. 1 bis 4 geregelten Zwecke oder zur Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten von erheblicher Bedeutung sowie von anstaltsbezogenen Straftaten verarbeitet oder genutzt werden.

(11) Die Übermittlung von personenbezogenen Daten unterbleibt, soweit die in § 92 Abs. 2 oder § 94 Abs. 3 und 6 geregelten Einschränkungen oder besondere gesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen.

(12) Die Verantwortung füro die Zulässigkeit der Übermittlung trägt die übermittelnde Anstalt oder die Aufsichtsbehörde. Erfolgt die Übermittlung auf Ersuchen einer öffentlichen Stelle, trägt diese die Verantwortung. In diesem Fall prüft die übermittelnde Anstalt oder die Aufsichtsbehörde nur, ob das Übermittlungsersuchen im Rahmen der Aufgaben des Empfängers liegt und die Absätze 9 bis 11 der Übermittlung nicht entgegenstehen, es sei denn, dass besonderer Anlass zur Prüfung der Zulässigkeit der Übermittlung besteht.

§ 90 Einrichtung automatisierter Übermittlungs- und Abrufverfahren

Für die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das die Übermittlung personenbezogener Daten nach § 89 Abs. 1, 2 und 4 ermöglicht, gilt § 7 Abs. 1bis 4 des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger.

§ 91 Zweckbindung

Von der Anstalt oder der Aufsichtsbehörde übermittelte personenbezogene Daten dürfen nur zu dem Zweck verarbeitet oder genutzt werden, zu dessen Erfüllung sie übermittelt worden sind. Die Empfänger dürfen die Daten für andere Zwecke nur verarbeiten oder nutzen, soweit sie ihnen auch für diese Zwecke hätten übermittelt werden dürfen, und wenn im Fall einer Übermittlung an nichtöffentliche Stellen die übermittelnde Anstalt oder Aufsichtsbehörde zugestimmt hat. Die Anstalt oder die Aufsichtsbehörde hat die nichtöffentlichen Empfänger auf die Zweckbindung nach Satz 1 hinzuweisen.

§ 92 Schutz besonderer Daten

(1) Das religiöse oder weltanschauliche Bekenntnis und personenbezogene Daten eines Untersuchungsgefangenen, die anlässlich ärztlicher Untersuchungen erhoben worden sind, dürfen in der Anstalt nicht allgemein kenntlich gemacht werden. Andere personenbezogene Daten des Untersuchungsgefangenen dürfen innerhalb der Anstalt allgemein kenntlich gemacht werden, soweit dies für ein geordnetes Zusammenleben in der Anstalt erforderlich ist. § 89 Abs. 9 bis 11 bleibt unberührt.

(2) Personenbezogene Daten, die

  1. Ärzten, Zahnärzten oder Angehörigen eines anderen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert,
  2. Berufspsychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlussprüfung,
  3. staatlich anerkannten Sozialarbeitern oder staatlich anerkannten Sozialpädagogen oder
  4. Suchtkrankenhelfern

von einem Untersuchungsgefangenen als Geheimnis anvertraut oder über einen Untersuchungsgefangenen sonst bekannt geworden sind, unterliegen auch gegenüber der Anstalt und der Aufsichtsbehörde der Schweigepflicht. Die in Satz 1 genannten Personen haben sich gegenüber dem Anstaltsleiter zu offenbaren, soweit dies für die Aufgabenerfüllung der Anstalt oder der Aufsichtsbehörde oder zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leib oder Leben von Gefangenen oder Dritten erforderlich ist. Ärzte sind zur Offenbarung ihnen im Rahmen der allgemeinen Gesundheitsfürsorge bekannt gewordener Geheimnisse befugt, soweit dies für die Aufgabenerfüllung der Anstalt oder der Aufsichtsbehörde unerlässlich oder zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leib oder Leben von Gefangenen oder Dritten erforderlich ist. Sonstige Offenbarungsbefugnisse bleiben unberührt. Der Untersuchungsgefangene ist vor der Erhebung der Daten über die nach den Sätzen 2 und 3 bestehenden Offenbarungsbefugnisse zu unterrichten.

(3) Die nach Absatz 2 Satz 2 und 3 offenbarten Daten dürfen nur für den Zweck, für den sie offenbart wurden oder für den eine Offenbarung zulässig gewesen wäre, und nur unter denselben Voraussetzungen verarbeitet oder genutzt werden, unter denen eine in Absatz 2 Satz 1 genannte Person selbst hierzu befugt wäre. Der Anstaltsleiter kann unter diesen Voraussetzungen die unmittelbare Offenbarung gegenüber bestimmten Bediensteten allgemein zulassen.

(4) Sofern Ärzte oder Psychologen außerhalb des Vollzugs mit der Untersuchung oder Behandlung eines Untersuchungsgefangenen beauftragt werden, gilt Absatz 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass die beauftragten Personen auch zur Unterrichtung des in der Anstalt tätigen Arztes oder des in der Anstalt mit der Behandlung des Untersuchungsgefangenen betrauten Psychologen befugt sind.

§ 93 Schutz der Daten in Akten und Dateien

(1) Die Bediensteten dürfen sich von personenbezogenen Daten nur Kenntnis verschaffen, soweit dies zur Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben oder für die Zusammenarbeit in der Anstalt erforderlich ist.

  1. Akten und Dateien mit personenbezogenen Daten sind durch die erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen gegen unbefugten Zugang und unbefugten Gebrauch zu schützen. Gesundheitsakten und Krankenblätter sind getrennt von anderen Unterlagen zu führen und besonders zu sichern. Im Übrigen gilt für die Art und den Umfang der Schutzvorkehrungen § 6 des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger.

§ 94 Berichtigung, Löschung und Sperrung 15

(1) Die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten sind spätestens fünf Jahre nach der Entlassung des Untersuchungsgefangenen oder der Verlegung des Untersuchungsgefangenen in eine andere Anstalt zu löschen Hiervon können bis zum Ablauf der Aufbewahrungsfrist für die Gefangenenpersonalakte die Angaben über Familienname, Vorname, Geburtsname, Geburtstag, Geburtsort, Eintritts- und Austrittsdatum des Untersuchungsgefangenen ausgenommen werden, soweit dies für das Auffinden der Gefangenenpersonalakte erforderlich ist.

(2) Personenbezogene Daten in Akten müssen nach Ablauf von fünf Jahren seit der Entlassung des Untersuchungsgefangenen gesperrt werden. Sie dürfen danach nur übermittelt oder genutzt werden, soweit dies

  1. zur Verfolgung von Straftaten,
  2. für die Durchführung wissenschaftlicher Forschungsvorhaben nach § 96,
  3. zur Behebung einer Beweisnot oder
  4. zur Feststellung, Durchsetzung oder Abwehr von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit dem Vollzug der Untersuchungshaft

unerlässlich ist. Diese Verwendungsbeschränkungen enden, wenn der Untersuchungsgefangene erneut zum Vollzug einer Freiheitsentziehung aufgenommen wird oder wenn er eingewilligt hat.

(3) Erhält die Anstalt von einer nicht nur vorläufigen Einstellung des Verfahrens, einer unanfechtbaren Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens oder einem rechtskräftigen Freispruch Kenntnis, so tritt an die Stelle der in Absatz 1 Satz 1 genannten Frist eine Frist von einem Monat ab Kenntniserlangung.

(4) Bei der Aufbewahrung von Akten mit nach Absatz 2 gesperrten Daten dürfen folgende Fristen nicht überschritten werden:

Gefangenenpersonalakten,

Gesundheitsakten und Krankenblätter 20 Jahre,

Gefangenenbücher 30 Jahre.

Dies gilt nicht, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Aufbewahrung für die in Absatz 2 Satz 2 genannten Zwecke weiterhin erforderlich ist. Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem auf das Jahr der aktenmäßigen Weglegung folgenden Kalenderjahr. Die Bestimmungen des Archivgesetzes Sachsen-Anhalt bleiben unberührt.

(5) Wird festgestellt, dass unrichtige Daten übermittelt worden sind, ist dies den Empfängern mitzuteilen, wenn es zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Betroffenen erforderlich ist.

(6) Im Übrigen gilt für die Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten auch § 16 des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger.

§ 95 Auskunft an den Betroffenen, Akteneinsicht

(1) Dem Betroffenen ist auf Antrag Auskunft zu erteilen über

  1. die zu seiner Person gespeicherten Daten, auch soweit sie sich auf die Herkunft dieser Daten bezieht,
  2. die Empfänger oder Kategorien der Empfänger, an die die Daten weitergegeben werden, und
  3. den Zweck der Speicherung.

In dem Antrag soll die Art der personenbezogenen Daten, über die Auskunft erteilt werden soll, näher bezeichnet werden. Sind die personenbezogenen Daten weder automatisiert noch in nicht automatisierten Dateien gespeichert, wird die Auskunft nur erteilt, soweit der Betroffene Angaben macht, die das Auffinden der Daten ermöglichen, und der für die Erteilung der Auskunft erforderliche Aufwand nicht außer Verhältnis zu dem von dem Betroffenen geltend gemachten Informationsinteresse steht. Die Anstalt oder die Aufsichtsbehörde bestimmt das Verfahren, insbesondere die Form der Auskunftserteilung, nach pflichtgemäßem Ermessen.

(2) Absatz 1 gilt nicht für personenbezogene Daten, die nur deshalb gespeichert sind, weil sie aufgrund gesetzlicher, satzungsmäßiger oder vertraglicher Aufbewahrungsvorschriften nicht gelöscht werden dürfen, oder ausschließlich Zwecken der Datensicherung oder der Datenschutzkontrolle dienen und eine Auskunftserteilung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde.

(3) Bezieht sich die Auskunftserteilung auf die Übermittlung personenbezogener Daten an Behörden der Staatsanwaltschaft, an Polizeidienststellen, Verfassungsschutzbehörden, den Bundesnachrichtendienst, den Militärischen Abschirmdienst und, soweit die Sicherheit des Bundes berührt wird, andere Behörden des Bundesministeriums der Verteidigung, so ist sie nur mit Zustimmung dieser Stellen zulässig.

(4) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit

  1. die Auskunft die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit der verantwortlichen Stelle liegenden Aufgaben gefährden würde,
  2. die Auskunft die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährden oder sonst dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde,
  3. die Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder wegen der überwiegenden berechtigten Interessen Dritter geheim gehalten werden müssen oder
  4. der Auskunft eine verfahrenssichernde Anordnung entgegensteht oder sie deren Umsetzung gefährden würde,

und deswegen das Interesse des Betroffenen an der Auskunftserteilung oder der Gewährung von Akteneinsicht zurücktreten muss.

(5) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf einer Begründung nicht, soweit durch die Mitteilung der tatsächlichen oder rechtlichen Gründe, auf die die Entscheidung gestützt wird, der mit der Auskunftsverweigerung verfolgte Zweck gefährdet würde. In diesem Fall ist der Betroffene darauf hinzuweisen, dass er sich an den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann.

(6) Wird dem Betroffenen keine Auskunft erteilt, so ist sie auf sein Verlangen dem Landesbeauftragten für den Datenschutz zu erteilen, soweit nicht die Aufsichtsbehörde im Einzelfall feststellt, dass dadurch die Sicherheit des Landes Sachsen-Anhalt, eines anderen Bundeslandes oder des Bundes gefährdet würde. Die Mitteilung des Landesbeauftragten für den Datenschutz an den Betroffenen darf keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der speichernden Stelle zulassen, sofern diese nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt.

(7) Die Auskunft nach Absatz 1 ist unentgeltlich.

(8) Soweit eine Auskunft für die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen nicht ausreicht und er hierfür auf die Einsichtnahme angewiesen ist, erhält der Betroffene Akteneinsicht.

§ 96 Auskunft und Akteneinsicht für wissenschaftliche Zwecke

§ 476 der Strafprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass auch elektronisch gespeicherte personenbezogene Daten übermittelt werden können.

§ 97 Anwendung des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger

Die Regelungen des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger gelten unmittelbar, soweit dieses Gesetz keine abschließenden Regelungen enthält.

Abschnitt 15
Schlussbestimmungen

§ 98 Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden die folgenden Grundrechte eingeschränkt:

  1. das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes, Artikel 5 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung des Lande Sachsen-Anhalt),
  2. das Grundrecht der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes, Artikel 5 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt),
  3. das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Briefgeheimnisses sowie des Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 Abs. 1 des Grundgesetzes, Artikel 14 Abs.1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt) und
  4. das Grundrecht auf den Schutz personenbezogener Daten (Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes. Artikel 6 Abs. 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt).

§ 99 Ersatz von Aufwendungen

Der Untersuchungsgefangene ist verpflichtet, der Anstatt Aufwendungen zu ersetzen, die er durch eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Selbstverletzung oder Verletzung anderer Gefangener oder durch die vorsätzliche oder fahrlässige Beschädigung von Anstaltseigentum verursacht hat. Anspräche aus sonstigen Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

§ 100 Gerichtlicher Rechtsschutz

Für den gerichtlichen Rechtsschutz des Untersuchungsgefangenen gelten § 119 Abs. 5 und § 119a der Strafprozessordnung.

§ 101 Änderung von Aufbewahrungsbestimmungen

Abschnitt I, Rubrik Justizvollzugsbehörden", Unterabschnitt C, Lfd. Nr. 821, Spalte 6 der Anlage zu § 1 Abs. 1 der Justizaufbewahrungsverordnung vom 16. Juni 2009 (GVBl. LSa S. 264), geändert durch Verordnung vom 21. Dezember 2009 (GVBl. LSa S. 740), erhält folgende Fassung:

"zu Nummern 821 bis 824:

Bei Vorliegen besonderer Umstände kann nur unter den Voraussetzungen von § 184 Abs. 3 Satz 2 StVollzG, § 94 Abs. 4 Satz 2 UVol1zG LSA, § 104 Abs. 3 Satz 2 JStVollzG LSa eine längere Aufbewahrungsfrist angeordnet werden."

§ 102 Sprachliche Gleichstellung

Personen- und Funktionsbezeichnungen in diesem Gesetz gelten jeweils in männlicher und weiblicher Form.

§ 103 Inkrafttreten

(1) Dieses Gesetz tritt vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 am 1. Juni 2010 in Kraft.

(2) § 24 Abs. 2 und 3 tritt am 1. Januar 2011 in Kraft.

(3) § 70 Abs. 1 tritt am 1. Januar 2015 in Kraft.

ENDE

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