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Regelwerk; Arbeits- und Sozialrecht

Anwendungsbestimmungen der Ministerien zur Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen
- Niedersachsen -

Vom 27. Oktober 2020
(Nds.MBl. Nr. 54 vom 02.12.2020 S. 1446)
Gl.-Nr.: 11120



Nach § 38a Satz 1 GGO sind Gesetz- und Verordnungsentwürfe, die die Aufnahme oder Ausübung eines Berufes oder einer bestimmten Art seiner Ausübung beschränken und dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/36/EG 1 unterliegen, auf ihre Übereinstimmung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach Maßgabe der Richtlinie (EU) 2018/958 2 zu überprüfen.

Die nachstehenden Bestimmungen beinhalten eine am Text der Richtlinie (EU) 2018/958 orientierte praktische Anweisung zur Erfüllung der Richtlinienvorgaben, insbesondere ein Prüfraster für die Durchführung der Verhältnismäßigkeitsprüfung sowie Hinweise zur Öffentlichkeitsbeteiligung und zur laufenden Überwachung der Verhältnismäßigkeit nach Erlass von Vorschriften, und konkretisieren und ergänzen insofern die Regelungen in § 38a GGO.

A.
Prüfraster für die Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen

I. Prüfung der Verhältnismäßigkeit

1. Vor der Einführung neuer oder der Änderung bestehender Vorschriften, die dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/36/EG unterfallen und die den Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung beschränken, ist eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit nach den folgenden Bestimmungen durchzuführen. Der Umfang der Prüfung muss im Verhältnis zu der Art, dem Inhalt und den Auswirkungen der Vorschrift stehen.

2. Jede Vorschrift i. S. der Nummer 1 ist mit einer Erläuterung zu versehen, die so ausführlich ist, dass eine Bewertung der Übereinstimmung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ermöglicht wird.

3. Die Gründe, aus denen hervorgeht, dass eine Vorschrift gerechtfertigt und verhältnismäßig ist, sind durch qualitative und, soweit möglich und relevant, quantitative Elemente zu substantiieren.

4. Vorschriften i. S. von Nummer 1 dürfen weder eine direkte noch eine indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatszugehörigkeit oder des Wohnsitzes darstellen und müssen durch Ziele des Allgemeininteresses i. S. des Artikels 6 der Richtlinie (EU) 2018/958 gerechtfertigt sein. Sie müssen für die Verwirklichung des angestrebten Ziels geeignet sein und dürfen nicht über das zur Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinausgehen.

5. Das Ergebnis der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist in der Begründung des Gesetz- oder Verordnungsentwurfs darzustellen (§ 39 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 GGO).

II. Durchführung der Verhältnismäßigkeitsprüfung

1. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind sämtliche der folgenden Punkte zu berücksichtigen:

  1. die Eigenart der mit den angestrebten Zielen des Allgemeininteresses verbundenen Risiken, insbesondere der Risiken für Dienstleistungsempfängerinnen und Dienstleistungsempfänger, einschließlich Verbraucherinnen und Verbraucher, Berufsangehörige und Dritte;
  2. die Frage, ob bestehende Regelungen spezifischer oder allgemeiner Art, etwa die Regelungen in Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Produktsicherheit oder des Verbraucherschutzes, nicht ausreichen, um das angestrebte Ziel zu erreichen;
  3. die Eignung der Vorschrift zur Erreichung des angestrebten Ziels, sowie die Frage, ob sie diesem Ziel tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise gerecht wird und somit den Risiken entgegenwirkt, die bei vergleichbaren Tätigkeiten in ähnlicher Weise identifiziert wurden;
  4. die Auswirkungen auf den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr innerhalb der EU, die Wahlmöglichkeiten für die Verbraucherinnen und Verbraucher und die Qualität der bereitgestellten Dienstleistungen;
  5. die Frage, ob zur Erreichung des im Allgemeininteresse liegenden Zieles auch auf mildere Mittel zurückgegriffen werden kann; wenn die Vorschrift nur durch den Verbraucherschutz gerechtfertigt ist und sich die identifizierten Risiken auf das Verhältnis zwischen dem oder der Berufsangehörigen und der Verbraucherin oder dem Verbraucher beschränken und sich deshalb nicht negativ auf Dritte auswirken, ist i. S. dieses Buchstabens insbesondere zu prüfen, ob das Ziel durch Maßnahmen erreicht werden kann, die milder sind als die Maßnahme, die Tätigkeiten vorzubehalten.

2. Darüber hinaus sind bei der Prüfung die folgenden Punkte zu berücksichtigen, wenn sie für die Art und den Inhalt der neu eingeführten oder geänderten Vorschrift relevant sind:

  1. der Zusammenhang zwischen dem Umfang der Tätigkeiten, die von einem Beruf erfasst sind oder die einem Beruf vorbehalten sind und der erforderlichen Berufsqualifikation;
  2. der Zusammenhang zwischen der Komplexität der betreffenden Aufgaben und der Notwendigkeit, dass diejenigen, die die Aufgaben wahrnehmen, im Besitz einer bestimmten Berufsqualifikation sind, insbesondere in Bezug auf Niveau, Eigenart und Dauer der erforderlichen Ausbildung oder Erfahrung;
  3. die Möglichkeit, die berufliche Qualifikation auf alternativen Wegen zu erlangen;
  4. die Frage, ob und warum die bestimmten Berufen vorbehaltenen Tätigkeiten mit anderen Berufen geteilt oder nicht geteilt werden können;

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(Stand: 22.12.2020)

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