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Regelwerk, Arbeitsschutz, Arbeits- und Sozialrecht

Merkblatt zur Berufskrankheit Nr. 1316
"Erkrankungen der Leber durch Dimethylformamid"

Stand Dezember 1997
(BArbBl. 12/97 S. 30)


Zur Übersicht in der Anlage 1 der BKV

Dimethylformamid (DMF, Ameisensäuredimethylamid, Formyldimethylamin) ist ein Lösemittel, das aufgrund seiner hervorragenden physikochemischen Eigenschaften breiten industriellen Einsatz findet. An Arbeitsplätzen liegt DMF als farblose Flüssigkeit vor. Bei einem relativ hohen Dampfdruck von 3,53 mbar bei 20 °C gelangt DMF beim offenen Umgang schnell in die Luft am Arbeitsplatz. Da DMF nur wenig geruchsintensiv ist, entfällt eine nennenswerte Warnwirkung bei niedrigen Konzentrationen.

1. Vorkommen und Gefahrenquellen

DMF ist keine natürlich vorkommende Substanz. Es ist mischbar mit Wasser und mit verschiedenen organischen Verbindungen. Aufgrund dieser physikochemischen Eigenschaften ist es eines der am meisten

verwendeten Losemittel. Hauptabnehmer für DMF ist die Kunstlederproduktion. DMF wird insbesondere aber auch in der Produktion von Polyacrylnitrilfasem, von Pflanzenschutzmitteln, von Speziallacken sowie bei der Kunststoffbeschichtung (Polyurethane) verwendet. In diesen Produktionsbereichen wird DMF als Lösemittel, Absorptionsmittel für Gase und als Synthese-Ausgangstoff eingesetzt. Früher fand es auch Anwendung zur Herstellung von pharmazeutischen und kosmetischen Produkten.

Neben der Aufnahme über die Atemluft wird DMF auch indirekt aus der Dampfphase sowie bei direktem Hautkontakt perkutan leicht resorbiert.

II. Pathophysiologie

Sowohl bei dermaler als auch bei inhalativer Aufnahme wird DMF rasch im Organismus verteilt. Die Metabolisierung von DMF erfolgt durch mikrosomale Enzymsysteme in der Leber. Als Hauptmetabolit erscheint im Harn N-Hydroxymethyl-N-Methylformamid. Der Metabolismus von DMF zeigt Wechselwirkungen mit dem Ethylalkoholabbau und eine hemmende Wirkung auf die Aldehyddehydrogenase.

Kritisches Zielorgan ist die Leber. Ergebnisse aus tierexperimentellen Untersuchungen an verschiedenen Spezies bestätigen diese spezielle Organschädigung ungeachtet des Aufnahmeweges (oral, inhalativ, dermal). Im Tierversuch äußert sich die Hepatotoxizität makroskopisch in herdförmigen, über alle Leberbereiche verteilten, nekrotischen Veränderungen, besonders ausgeprägt im Bereich der Leberpforte. Mikroskopisch imponieren die nekrotischen Areale durch eine Fibrose mit Hämosiderin- und Calziumablagerungen unter Beteiligung von Makrophagen mit scharfer Abgrenzung zu nicht geschädigtem Gewebe. Die in tierexperimentellen Untersuchungen beobachteten Myokard- und Nierenschäden sowie zentralnervöse Effekte wurden beim Menschen nicht beobachtet.

Nach Kontamination größerer Hautareale mit flüssigem DMF wurde eine rasch einsetzende Irritation mit Hyperämie beschrieben. Als weitere lokale Wirkungen sind Entfettung, Quellung und vermehrte Schuppung der Haut sowie Reizungen an den Augenbindehäuten bekannt. Hinweise für eine sensibilisierende Potenz von DMF ergaben sich bislang nicht.

III. Krankheitsbild und Diagnose

Arbeitsmedizinische Erfahrungen mit DMF, gesammelt insbesondere bei akzidentiell hohen Expositionen (WHO 1991) und in epidemiologischen Studien (Redlich et al. 1988, Fleming et al. 1990, Wang et al. 1991), weisen die Leber sowohl nach akuter als auch nach chronischer Einwirkung als kritisches Zielorgan einer DMF-Schädigung aus. Die Leberzellschädigung führt zu biochemischen Veränderungen im Serum (z.B. Erhöhung der g-GT und Transaminasen). Im fortgeschrittenen Stadium kommen. Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen, Appetits- und Gewichtsverlust hinzu. Es ist schwierig, zwischen alkoholinduzierter und toxischer Hepatopathie anderer Genese zu differenzieren. In Leberbiopsien zeigten sich mikrovesikuläre Fetteinlagerungen und Veränderungen des Leberparenchyms ohne ausgeprägte entzündliche Infiltrate. Der feingewebliche Gesamteindruck entsprach einer Leberschädigung toxischen Ursprungs. Die subjektiven Beschwerden können reversibel sein.

IV. Weitere Hinweise

Insbesondere bei akuten Vergiftungen ist auch von Blutdruckveränderungen, Tachykardien und EKG-Abnormitäten berichtet worden. Bei gleichzeitigem Alkoholkonsum können die bekannten Symptome der Alkoholintoleranz vom Disulfiramtyp (Flush-Syndrom) bereits durch Aufnahme geringer Mengen DMF schon bei Konzentrationen unterhalb des MAK-Wertes auftreten. Als Ursache dafür wird die hemmende Wirkung von DMF auf die Aldehyddehydrogenase mit einer Akkumulation von Acetaldehyd betrachtet. Träger des HBs-Antigen reagieren möglicherweise empfindlicher auf eine DMF-Exposition.

V. Literatur

Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung: Bekanntmachung einer Empfehlung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats beim BMa - Sektion "Berufskrankheiten" - zu Erkrankungen der Leber durch Dimethylformamid; Bundesarbeitsblatt, 4/96), 29 - 31

Cai, S.X., Huang, M.Y., Xi, L.Q., Li, Y.L., Qu, J.B., Kawai, T., Yasugi, T., Mizunuma, K., Watanabe, T., Ikeda, M.: Occupational dimethylformamide exposure. 3. Health effects of dimethylformamide after occupational exposure at bw concentrations; Int. Arch. Occup. Environ. Health 63 (1992), 461-468

Fleming, L.E., Shalat, S.L., Redlich, C.A.: Liver injury in workers exposed to dimethylformamide; Scand. J. Work Environ. Health 16 (1990), 289-292

Henschler, D. (Hrsg.): Dimethylformamid, In: Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten der Kommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft; VCH Verlagsgesellschaft, Weinheim (1992)

Lauwerys R.R., Kivits, A., Lhoir, M., Rigolet, P., Houbeau, D., Buchet, J.P., Roels, H.A.: Biological surveillance of workers exposed to dimethylformamide and the influence of skin protection on its percutaneous absorption; Int. Arch. Occup. Environ. Health 45 (1980), 189-203

Lun, A., W. Schimmelpfennig, G. Roschlau: Zur Hepatotoxizität von Dimethylformamid; Z. klin. Med. 42 (1987), 2003 -2006

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