Für einen individuellen Ausdruck passen Sie bitte dieEinstellungen in der Druckvorschau Ihres Browsers an. Regelwerk, Arbeitsschutz, BKV |
![]() |
Berufskrankheiten-Verordnung
Empfehlung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats "Berufskrankheiten"
Vom 1. Februar 2007
(GMBl. Nr. 23 vom 13.04.2007 S. 474)
Der Ärztliche Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat empfohlen, in die Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung folgende neue Berufskrankheit aufzunehmen:
"Lungenkrebs durch das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen".
Die hierzu vom Ärztlichen Sachverständigenbeirat erarbeitete wissenschaftliche Begründung lautet wie folgt:
Wissenschaftliche Begründung für die Berufskrankheit
"Lungenkrebs durch das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischenaromatischen
Kohlenwasserstoffen"
Der Ärztliche Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales empfiehlt, eine neue Berufskrankheit "Lungenkrebs durch das Zusammenwirken von Asbestfaserstaubund polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK)" in die Anlage der Berufskrankheiten-Verordnung aufzunehmen.
Diese Empfehlung wird wie folgt begründet:
0 Vorbemerkung:
Das Berufskrankheitenrecht regelt bisher im Wesentlichen die gesundheitlichen Folgen von einzelnen Noxen monokausal. Die Berücksichtigung des multikausalen Zusammenwirkens einer gleichzeitigen Exposition oder aufeinanderfolgender Expositionen gegenüber mehreren Noxen bereitet daher oftmalsrechtliche Probleme. Das Zusammenwirken arbeitsbedingter Noxen spielt insbesondere auch bei der Krebsverursachung eine beachtliche Rolle. Diekrebserzeugende Wirkung von Arbeitsstoffen oder ionisierender Strahlung kannsich sowohl in der Erhöhung des Tumorrisikos als auch in einer Vorverlegung des Erkrankungs- bzw. Todeszeitpunktes (sog. Linksverschiebung) äußern.
Im Rahmen der allgemeinen Ausführungen in dieser wissenschaftlichen Begründung wird nur das krebserzeugende Zusammenwirken bei gleichzeitigeroder aufeinander folgender Inkorporation zweier oder mehrerer gentoxischer Stoffe einschließlich ionisierender Strahlung betrachtet. Eine derartige Synkanzerogenese führt in der Regel im gleichen Zielorgan zu einer Summation(Addition) der gentoxischen Effekte [Hayes 2001]. Darüber hinaus ist das1 Zusammenwirken verschiedener gentoxischer Arbeitsstoffe v. a. in Bezug auf die Entwicklung von Lungenkrebs tierexperimentell [Varga et al. 1996a,b, Loli et al. 2004, Kimizuka et al. 1987, Heinrich et al. 1986] und teilweise epidemiologisch belegt [Greim 2005, Henschler 2004, Pastorino et al. 1984, Gustavsson et al. 2003] ( Tabelle 1 s. u.).
Die nachfolgenden Ausführungen betreffen speziell das Zusammenwirkender beiden gentoxischen Arbeitsstoffgruppen mit lungenkrebserzeugender Wirkung Asbestfaserstaub und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) vom Typ des Benzo[a]pyrens. Damit erfolgt zunächst eine Beschränkung auf zwei nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft für den Menschen gesichert gentoxisch krebserzeugenden Stoffen der Kategorie K 1,weil sie BK-rechtlich jeweils über einen definierten Dosisgrenzwert verfügen.
Definitionsgemäß werden von der Senatskommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe nur gruppentypisch durch epidemiologische Methoden ermittelte krebserzeugende Stoffe als K 1-Kanzerogene berücksichtigt. Dies setzt voraus, dass solche Humankanzerogene am Arbeitsplatz
Tabelle 1: Synkanzerogenese der kanzerogenen Wirkungen von zwei Stoffen epidemiologisch eindeutig nachgewiesen [in Anlehnung an Henschler 2006]
| Stoff 1 | Stoff 2 | Zielorgan | addativ/überadditiv |
| Asbest | Pyrolyseprodukte aus organischen Materialien/PAK | Lunge | überadditiv |
| Asbest | Ionisierende Strahlen | Lunge | mindestens additiv |
| Radon | Pyrolyseprodukte aus organischen Materialien | Lunge | mindestens additiv |
| Bischlormethylether | Monochlordimethylether | Lunge | wahrscheinlich additiv |
Abb. 1: Mehrstufenmodell (multi stage) der Kanzerogenese am Beispiel des Bronchialkarzinoms [nach Harris et al. 1991]

Für die Vielzahl aus belastbaren Tierversuchen auch für den Menschen als eindeutig krebserzeugend eingestuften Arbeitsstoffe (Kategorie K 2) liegen demgegenüber belastbare epidemiologische Erkenntnisse nicht oder nur unzureichend vor.
Kanzerogenese allgemein
Folgende Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die Grundprinzipien der Kanzerogenese sind beim gegenwärtigen Wissensstand als unstrittig zugrunde zu legen:
a) Krebserkrankungen entstehen in der Regel multikausal durch stufenweise aufeinander folgende gentoxische Veränderungen (multi stage) im Erbgut der Zellen (DNA). Mit der Initiation erfolgt der erste Schritt auf dem Wegzur Krebsentstehung. Die initiierte Zelle unterliegt einer klonalen Selektion,d. h. ihre Vermehrung wird in einer Abfolge weiterer Schritte gegenüber der Vermehrung anderer, nicht gentoxisch geschädigter Zellen bevorteilt.Jede Stufe der Kanzerogenese beinhaltet erneute genetische Veränderungen,wie z.B. die Aktivierung von "Krebsgenen" (Onkogenen) und die Inaktivierung von "Antikrebsgenen" (Tumorsuppressorgenen) (Abb. 1 s. o.).
Nach Hanahan und Weinberg (2000) erwirbt eine Zelle sechs essentielle Eigenschaften, um sich nach entsprechender Vermehrung klinisch als Krebs zu erkennen zu geben. Diese sind
(Stand: 17.06.2025)
Alle vollständigen Texte in der aktuellen Fassung im Jahresabonnement
Nutzungsgebühr: ab 105.- € netto
(derzeit ca. 7200 Titel s.Übersicht - keine Unterteilung in Fachbereiche)
Die Zugangskennung wird kurzfristig übermittelt
? Fragen ?
Abonnentenzugang/Volltextversion