umwelt-online: BGR 163 Sicherheit und Gesundheitsschutz beim Umgang mit krebserzeugenden und erbgutverändernden Gefahrstoffen (1)
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Regelwerk, BGR / DGUV-R

BGR 163 - Sicherheit und Gesundheitsschutz beim Umgang mit krebserzeugenden und erbgutverändernden Gefahrstoffen
Berufsgenossenschaftliche Regeln für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (BGR)
(bisher ZH 1/513)

(Ausgabe 01/1996)



(zurückgezogen nur zur Information)

1 Anwendungsbereich

1.1 Diese Regeln finden Anwendung auf den Umgang mit krebserzeugenden und erbgutverändernden Gefahrstoffen.

1.2 Diese Regeln finden auch Anwendung auf Arbeiten im Gefahrenbereich von krebserzeugenden und erbgutverändernden Gefahrstoffen.

Diese Regeln ergänzen die allgemeinen Festlegungen der Gefahrstoffverordnung sowie die speziellen Festlegungen zu den krebserzeugenden Gefahrstoffen einschließlich der zugehörigen Technischen Regeln für Gefahrstoffe ( TRGS). Beim Umgang mit krebserzeugenden und erbgutverändernden Gefahrstoffen sind insbesondere folgende Abschnitte der Gefahrstoffverordnung zu berücksichtigen:

Spezielle Regelungen für krebserzeugende und erbgutverändernde Gefahrstoffe enthalten unter anderem folgende Technische Regeln für Gefahrstoffe ( TRGS)

1.3 Diese Regeln finden keine Anwendung auf arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen.

Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen siehe UVV "Arbeitsmedizinische Vorsorge" (BGV A4).

2 Begriffsbestimmungen

2.1 Krebserzeugende und erbgutverändernde Gefahrstoffe im Sinne dieser Regeln sind

Das Berufsgenossenschaftliche Institut für Arbeitssicherheit (BIA) veröffentlicht jedes Jahr eine Gefahrstoffliste, in der alle Einstufungen und Bewertungen nach

zusammengefasst sind.

Zu den krebserzeugenden Gefahrstoffen gehören auch krebserzeugende Arzneistoffe.

Die MAK- und BAT-Werte-Liste der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft enthält hierzu folgende Hinweise:

"Bei einer Anzahl von Arzneimitteln muss aufgrund von Tierexperimenten oder Erfahrungen beim Menschen davon ausgegangen werden, dass sie krebserzeugende Wirkungen besitzen. Möglichkeiten der Exposition von Beschäftigten gegenüber solchen Substanzen bestehen bei Herstellung, therapeutischer Anwendung und in Forschungslaboratorien. Krebserzeugende Eigenschaften sind zu unterstellen bei Substanzen, denen ein gentoxischer therapeutischer Wirkungsmechanismus zugrunde liegt. Erfahrungen in der Therapie mit alkylierenden Zytostatika, wie Cyclophosphamid, Ethylenimin, Chlornaphazin sowie mit arsen- und teerhaltigen Salben, die über lange Zeit angewendet worden sind, bestätigen dies insofern, als bei diesen Patienten Tumorneubildungen beschrieben worden sind.

Demgemäß muss mit einer Gefährdung auch in Bereichen, in denen berufsmäßig mit diesen Substanzen umgegangen wird, gerechnet werden. Geeignete Vorsichtsmaßnahmen müssen gewährleisten, dass eine Exposition gegenüber solchen Substanzen verhindert wird."

Für den Umgang mit krebserzeugenden Arzneistoffen in Einrichtungen des Gesundheitsdienstes sind die Regelungen der UVV "Gesundheitsdienst" (BGV C8) und des Merkblattes M 620 "Sichere Handhabung von Zytostatika" der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege zu beachten.

Im übrigen bleiben arzneimittel- und apothekenrechtliche Vorschriften unberührt.

Im Hinblick auf die Verhinderung gesundheitsgefährlicher Kontakte mit krebserzeugenden Arzneistoffen siehe auch § 17 UVV "Gesundheitsdienst" (BGV C8).

2.2 Umgang im Sinne dieser Regeln ist das Herstellen einschließlich Gewinnen oder das Verwenden krebserzeugender oder erbgutverändernder Gefahrstoffe. Zum Umgang gehören auch Tätigkeiten, bei denen arbeits- oder verfahrensbedingt krebserzeugende oder erbgutverändernde Gefahrstoffe entstehen oder freigesetzt werden können.

Siehe auch § 3 Abs. 10 Chemikaliengesetz. Danach umfasst das Verwenden das

2.3 Gefahrenbereich im Sinne dieser Regeln ist ein Arbeitsbereich, in dem Versicherte krebserzeugenden oder erbgutverändernden Gefahrstoffen ausgesetzt sind, auch wenn sie selbst mit diesen nicht umgehen. Ein Gefahrenbereich entsteht nur durch solche Expositionen, die durch einen Umgang mit krebserzeugenden oder erbgutverändernden Gefahrstoffen verursacht werden.

Allgemeine Umwelt- oder Raumbelastungen begründen also keinen Gefahrenbereich im Sinne dieser Regeln.

2.4 Arbeitsbereich im Sinne dieser Regeln ist ein räumlich oder organisatorisch begrenzter Teil eines Betriebes, der einen oder mehrere Arbeitsplätze umfassen kann.

Ein Arbeitsbereich ist auch dadurch gekennzeichnet, dass sich der einzelne Versicherte im Rahmen seiner Tätigkeiten an den verschiedenen Arbeitsplätzen innerhalb dieses Bereiches unregelmäßig lange aufhält, die Aufenthaltsdauer an den einzelnen Arbeitsplätzen nicht genauer bestimmbar und eine weitere Unterteilung des Arbeitsbereiches in kleinere Einheiten daher nicht möglich ist.

Der Arbeitsbereich wird in der Arbeitsbereichsanalyse nach den Technischen Regeln für Gefahrstoffe TRGS 402 " Messung und Beurteilung der Konzentrationen gefährlicher Stoffe in der Luft in Arbeitsbereichen" festgelegt.

2.5 Stand der Technik im Sinne dieser Regeln ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zum Schutz der Gesundheit der Versicherten gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere vergleichbare Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen heranzuziehen, die mit Erfolg in der Praxis erprobt worden sind. Gleiches gilt für den Stand der Arbeitsmedizin und Hygiene.

Siehe auch § 3 Abs. 9 Gefahrstoffverordnung.

3 Allgemeine Anforderungen

3.1 Einrichtungen zum Umgang mit krebserzeugenden und erbgutverändernden Gefahrstoffen müssen nach den Bestimmungen dieser Regeln und im übrigen den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechend beschaffen sein, ausgewählt, verwendet und gewartet werden. Abweichungen von den allgemein anerkannten Regeln der Technik sind zulässig, wenn die gleiche Sicherheit auf andere Weise gewährleistet ist.

Allgemein anerkannte Regeln der Technik sind z.B. die im Anhang 1 aufgeführten Merkblätter und im Anhang 2 Nr. 1 aufgeführten Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) sowie die in Nummern 3 bis 7 aufgeführten Sicherheitsregeln, Regeln, Merkblätter und andere Schriften, DIN-Normen und VDE-Bestimmun gen, VDI-Richtlinien, DVS-Blätter und VDMA-Einheitsblätter.

3.2 Die in diesen Regeln enthaltenen technischen Lösungen schließen andere, mindestens ebenso sichere Lösungen nicht aus, die auch in technischen Regeln anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder anderer Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ihren Niederschlag gefunden haben können.

3.3 Prüfberichte von Prüflaboratorien, die in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen sind, werden in gleicher Weise wie deutsche Prüfberichte berücksichtigt, wenn die den Prüfberichten dieser Stellen zugrundeliegenden Prüfungen, Prüfverfahren und konstruktiven Anforderungen denen der deutschen Stelle gleichwertig sind. Um derartige Stellen handelt es sich vor allem dann, wenn diese die in der Normenreihe EN 45000 niedergelegten Anforderungen erfüllen.

4 Anzeigepflicht

4.1 Der Unternehmer hat der zuständigen Behörde unverzüglich, spätestens jedoch 14 Tage vor Beginn der Herstellung oder Verwendung anzuzeigen:

  1. Herstellungsverfahren, in welchem ein krebserzeugender Gefahrstoff vorkommt, entstehen oder freigesetzt werden kann sowie
  2. die Verwendung eines krebserzeugenden Gefahrstoffes. Siehe § 37 Gefahrstoffverordnung.

4.2 Der Unternehmer hat der Berufsgenossenschaft eine Durchschrift der Anzeige nach Abschnitt 4.1 zuzuleiten.

Siehe § 3 Abs. 1 UVV "Umgang mit Gefahrstoffen" (BGV B1) .

4.3 Die Anzeige nach Abschnitt 4.1 muss insbesondere folgende Angaben enthalten:

  1. die Stoffidentität, die Eigenschaften und die Menge des krebserzeugenden Gefahrstoffes,
  1. 2.eine Beschreibung des Herstellungs- oder des Verwendungsverfahrens oder der Verwendung einschließlich der durchzuführenden Tätigkeiten, des Verwendungszwecks, der Verwendungsart sowie der vorgesehenen Funktion des Gefahrstoffes,
  2. die getroffenen Schutzmaßnahmen und, falls vorgesehen, Art und Qualität der zu verwendenden Schutzausrüstung,
  3. das Ergebnis der Ermittlung nach Abschnitt 7.1 und begründende Angaben, warum
    1. keine Substitution nach Abschnitt 5 möglich ist,
    2. das Auftreten des Gefahrstoffs am Arbeitsplatz nicht zu vermeiden ist,
  4. die Zahl der Arbeitnehmer, die mit dem Gefahrstoff umgehen sowie
  5. Art und Ausmaß der Exposition durch den Gefahrstoff, insbesondere Messergebnisse, soweit sie vorliegen.
    Ein geeignetes Formular zur Erstattung der Anzeige siehe "Erfassungsbogen Gefahrstoffe" (BGI 757).
    Einige Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) enthalten als Anhang spezielle Formulare für die Anzeige des Umgangs mit bestimmten krebserzeugenden Gefahrstoffen, z.B.

4.4 Der zuständigen Behörde und der Berufsgenossenschaft ist unverzüglich nach Auswertung, spätestens jedoch innerhalb von 6 Monaten nach der erstmaligen Anzeige, das Ergebnis der Ermittlungen nach Abschnitt 7 mitzuteilen.

4.5 In der Anzeige nach Abschnitt 4.1 ist bei Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten an und in bestehenden Anlagen, Einrichtungen, Fahrzeugen (mit Ausnahme von Straßenfahrzeugen), Gebäuden oder Geräten, die besonders gefährliche krebserzeugende Gefahrstoffe nach § 15a Abs. 1 Gefahrstoffverordnung enthalten, zusätzlich der Nachweis zu erbringen, dass die personelle und sicherheitstechnische Ausstattung des Unternehmens nach Abschnitt 12 für diese Arbeiten geeignet ist. Abweichend von Satz 1 kann bei zugelassenen Unternehmen für die Asbestsanierung nach § 39 Abs. 1 Gefahrstoffverordnung die Beifügung der Zulassung in der Anzeige genügen.

Folgende Stoffe gelten nach § 15a Abs. 1 Gefahrstoffverordnung als besonders gefährliche krebserzeugende Stoffe:

haben sich in Prüfungen keine Anhaltspunkte auf krebserzeugende Wirkungen ergeben, sie gelten daher nicht als besonders gefährliche krebserzeugende Stoffe.

Siehe auch § 15a Abs. 1 Gefahrstoffverordnung.

4.6 Die Anzeige nach Abschnitt 4.3 ist zu wiederholen beim Wechsel der Arbeitsstätte sowie bei wesentlichen Änderungen

  1. des Herstellungsverfahrens oder der Verwendung,
  2. der Schutzmaßnahmen,
  3. der Zahl der Arbeitnehmer, die mit dem Gefahrstoff umgehen und
  4. des Ergebnisses der Prüfung der Möglichkeit, ungefährliche oder weniger gefährliche Ersatzstoffe oder Ersatzverfahren einzusetzen,

spätestens jedoch nach fünf Jahren. Satz 1 gilt nicht für gleichartige Tätigkeiten geringen Umfangs.

Zur Prüfung der Möglichkeit des Einsatzes von Ersatzstoffen oder Ersatzverfahren siehe Abschnitt 5 dieser Regeln sowie § 16 Abs. 2 und § 36 Abs. 1 Gefahrstoffverordnung.

4.7 Der Unternehmer hat den betroffenen Arbeitnehmern oder wenn ein Betriebs- oder Personalrat vorhanden ist, diesem Abdrucke der Anzeigen nach den Abschnitten 4.1 bis 4.6 zur Kenntnis zu geben.

4.8 Eine Anzeige nach den Abschnitten 4.1 und 4.3 ist nicht erforderlich, wenn krebserzeugende Gefahrstoffe

  1. zum Zweck der Überprüfung ihrer Eigenschaften oder ihrer Zusammensetzung verwendet werden,
  2. als Vergleichssubstanz für analytische Untersuchungen verwendet werden oder
  3. zum Zweck der Forschung oder für Lehr- und Ausbildungszwecke hergestellt und verwendet werden, soweit es sich bezogen auf den krebserzeugenden Gefahrstoff und das Arbeitsziel nicht um regelmäßig wiederkehrende Tätigkeiten handelt. Die Anzeigen für regelmäßig wiederkehrende Tätigkeiten sind abweichend von Abschnitt 4.1 bereitzuhalten und zu aktualisieren und der zuständigen Behörde auf Anfrage zu übermitteln.

4.9 Zusätzlich zu Abschnitt 4.8 ist eine Anzeige nicht erforderlich für den Umgang mit Dieselmotoremissionen im Freien und die Abgabe von benzolhaltigen Ottokraftstoffen an Tankstellen.

Siehe auch Technische Regeln für Gefahrstoffe TRGS 554 Dieselmotoremissionen (DME)

5 Ersatzstoffe, Ersatzverfahren

Der Unternehmer hat krebserzeugende oder erbgutverändernde Gefahrstoffe, soweit dies nach dem Stand der Technik möglich ist, durch Stoffe, Zubereitungen oder Erzeugnisse mit einem geringeren gesundheitlichen Risiko zu ersetzen, auch wenn dies mit einer Änderung des Herstellungs- oder Verwendungsverfahrens verbunden ist. Er muss das Herstellungs- oder Verwendungsverfahren, soweit dies nach dem Stand der Technik möglich ist, ändern, wenn dadurch auf die Verwendung des krebserzeugenden oder erbgutverändernden Gefahrstoffes verzichtet oder das Auftreten des krebserzeugenden oder erbgutverändernden Gefahrstoffes am Arbeitsplatz verhindert werden kann. Ist seine Substitution nach Satz 1 oder 2 nicht möglich, hat er zur Vermeidung der Exposition der Versicherten technische oder organisatorische Maßnahmen nach den Bestimmungen dieser Regeln zu treffen.

Siehe auch § 36 Abs. 2 Gefahrstoffverordnung.

Herstellungs- und Verwendungsbeschränkungen siehe § 15 und Anhang IV der Gefahrstoffverordnung.

Hinweise zu Ersatzstoffen und Ersatzverfahren für krebserzeugende und erbgutverändernde Gefahrstoffe enthalten die Technischen Regeln für Gefahrstoffe

TRGS 602 "Ersatzstoffe und Verwendungsbeschränkungen; Zinkchromate und Strontiumchromat als Pigmente für Korrosionsschutz-Beschichtungsstoffe",
TRGS 608 " Ersatzstoffe, Ersatzverfahren und Verwendungsbeschränkungen für Hydrazin in Wasser- und Dampfsystemen ",
TRGS 611 " Verwendungsbeschränkungen für wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitrosamine auftreten können",
TRGS 614 " Verwendungsbeschränkungen für Azo-Farbstoffe, die in krebserzeugende aromatische Amine gespalten werden können ".

6 Technische Schutzmaßnahmen

6.1 Allgemeines

6.1.1 Der Unternehmer hat Arbeitsverfahren so zu gestalten, dass krebserzeugende oder erbgutverändernde Gase, Dämpfe oder Schwebstoffe nicht entstehen oder frei werden, soweit dies nach dem Stand der Technik möglich ist. Er hat Arbeitsverfahren ferner so zu gestalten, dass die Versicherten mit krebserzeugenden oder erbgutverändernden festen oder flüssigen Stoffen oder Zubereitungen nicht in Hautkontakt kommen, soweit dies nach dem Stand der Technik möglich ist.

Bei krebserzeugenden oder erbgutverändernden Gefahrstoffen, die durch die Haut aufgenommen werden oder Hautkrebs erzeugen können, ist von einer Überschreitung der Auslöseschwelle auszugehen, wenn beim Umgang mit diesen Stoffen ein Hautkontakt besteht. Siehe auch Technische Regeln für Gefahrstoffe TRGS 150 "Unmittelbarer Hautkontakt mit Gefahrstoffen, die durch die Haut resorbiert werden können - hautresorbierbare Gefahrstoffe

Siehe auch § 19 Abs. 1 Gefahrstoffverordnung.

6.1.2 Bei der Auswahl und Gestaltung von Arbeitsverfahren hat der Unternehmer die Rangfolge der Schutzmaßnahmen einzuhalten, die in den § § 19 und 36 der Gefahrstoffverordnung festgelegt ist.

6.1.3 Ist die Sicherheitstechnik eines Arbeitsverfahrens fortentwickelt worden, hat sich diese bewährt und erhöht sich die Arbeitssicherheit hierdurch erheblich, so hat der Unternehmer das nicht entsprechende Arbeitsverfahren soweit zumutbar innerhalb einer angemessenen Frist dieser Fortentwicklung anzupassen.

Siehe § 19 Abs. 4 Gefahrstoffverordnung.

6.2 Verfahren

6.2.1 Der Unternehmer hat Verfahren unter Nutzung wissenschaftlicher und verfahrenstechnischer Erkenntnisse so zu entwickeln und auszuwählen, dass krebserzeugende oder erbgutverändernde Gefahrstoffe als Zwischenstufen und Verunreinigungen in Endprodukten vermieden werden.

β -Naphthylamino-sulfosäuren können z.B. unter Umgehung der f3-Naphthylamin-Stufe durch Umsetzung von β -Naphthol-sulfosäure mit Ammoniak hergestellt werden.

Das Starke-Säure-Verfahren zur Herstellung von Isopropanol ist nach Anhang IV Nr. 16 Gefahrstoffverordnung verboten.

6.2.2 Treten krebserzeugende oder erbgutverändernde Gefahrstoffe als Zwischenstufe auf, ist auf ihre Isolierung zu verzichten, soweit dies nach dem Stand der Verfahrenstechnik möglich ist.

Hier bieten sich die sogenannten "Eintopfverfahren" an, bei denen der krebserzeugende oder erbgutverändernde Gefahrstoff, ohne zwischendurch isoliert zu werden, in dem Reaktionsbehälter weiter umgesetzt wird.

6.2.3 Im Ende der Reaktion oder des Arbeitsvorganges dürfen krebserzeugende oder erbgutverändernde Gefahrstoffe als Verunreinigungen oder Beimischungen im isolierten End- oder Zwischenprodukt nur in einer Konzentration vorhanden sein, die nach dem Stand der Technik unvermeidbar ist.

Siehe auch § 36 Abs. 3 Gefahrstoffverordnung.

6.3 Verwendungsformen

6.3.1 Bevor mit krebserzeugenden oder erbgutverändernden Gefahrstoffen umgegangen wird, hat der Unternehmer zu prüfen, ob die Stoffe in Verwendungsformen eingesetzt werden können, durch die die Versicherten krebserzeugenden oder erbgutverändernden Gefahrstoffen nicht oder möglichst wenig ausgesetzt werden.

Siehe § 16 Abs. 2 Gefahrstoffverordnung.

6.3.2 Steht eine Verwendungsform nach Abschnitt 6.3.1 zur Verfügung, hat der Unternehmer diese einzusetzen.

Beispiele für emissionsarme Verwendungsformen mit einem geringeren gesundheitlichen Risiko sind:

6.4 Geschlossene Anlagen

6.4.1 Ist eine Substitution von krebserzeugenden oder erbgutverändernden Stoffen oder der Einsatz von Verwendungsformen nach Abschnitt 6.3 nicht möglich, hat der Unternehmer krebserzeugende oder erbgutverändernde Gefahrstoffe in geschlossenen Anlagen herzustellen oder zu verwenden, soweit dies nach dem Stand der Technik möglich ist.

Geschlossene Anlageteile oder Apparaturen sind nur solche, bei denen zwischen dem mit krebserzeugenden oder erbgutverändernden Gefahrstoffen verunreinigten Innenraum und der Umgebung keine betriebsmäßig offenen Verbindungen bestehen. Die anlagebedingten Undichtigkeiten an Dichtstellen dürfen nur so groß sein, dass Versicherte den krebserzeugenden oder erbgutverändernden Gefahrstoffen möglichst wenig ausgesetzt werden.

Anlagebedingte Undichtigkeiten können verringert werden durch

Siehe auch § 36 Abs. 3 Gefahrstoffverordnung.

6.4.2Besonders gefährliche krebserzeugende Gefahrstoffe nach § 15a Abs. 1 dürfen nur in geschlossenen Anlagen hergestellt oder verwendet werden.

Siehe § 36 Abs. 4 Gefahrstoffverordnung.

6.4.3 Beim Befüllen und Entleeren von geschlossenen Anlageteilen oder Apparaturen hat der Unternehmer dafür zu sorgen, dass technische Maßnahmen getroffen werden, die ein unkontrolliertes Austreten krebserzeugender oder erbgutverändernden Stoffe verhindern.

Als technische Maßnahmen beim Befüllen und Entleeren kommen z.B. die Anwendung des Gaspendelverfahrens oder das gefahrlose Ableiten der verdrängten Gasphase in Frage. Feststoffe können z.B. über Schleusen oder auf dem Weg über verlorene Verpackungen eingebracht werden. Hinweise enthält das Merkblatt T 025 "Flüssigkeiten - Umfüllen" der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie.

Dies bedeutet auch, dass bei der Zubereitung von Zytostatika mit krebserzeugenden Eigenschaften Substanzen im "geschlossenen System" gemischt bzw. gelöst werden und für das Herrichten von Spritzen oder Infusionen mit diesen Stoffen geeignete Werkbänke verwendet werden.

Werkbänke sind geeignet, wenn sie die Prüfkriterien nach DIN 12950-10 " Sicherheitswerkbänke für mikrobiologische und biotechnische Arbeiten; Anforderungen, Prüfung" bzw. des Prüfgrundsatzes GS-GES-04 "Zytostatika- Werkbänke" erfüllen.

Siehe auch Merkblatt M 620 "Sichere Handhabung von Zytostatika" der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege.

6.5 Anlagen mit Unterdruck

Ist der Umgang mit krebserzeugenden oder erbgutverändernden Gefahrstoffen in geschlossenen Anlageteilen oder Apparaturen nicht möglich, hat der Unternehmer dafür zu sorgen, dass durch Aufrechterhaltung eines ausreichenden Unterdruckes in der Anlage oder Apparatur diese Stoffe nicht austreten können. Die Einhaltung des Unterdruckes ist dauernd zu überwachen.

Dies wird z.B. erreicht, wenn die Einrichtungen zum Aufrechterhalten des Unterdruckes so ausgelegt sind, dass sie auch bei betriebsmäßig auftretenden Druckschwankungen wirksam bleiben.

Solche Druckschwankungen treten z.B. auf beim Befüllen und Entleeren von Apparaturen.

Die Überwachung der Einhaltung des Unterdruckes schließt auch ein, dass ein unzulässiger Druckanstieg durch eine selbsttätig wirkende Warneinrichtung optisch oder akustisch angezeigt wird. Diese Anlagen und Einrichtungen müssen regelmäßig gewartet und instandgehalten werden; siehe auch Abschnitt 11.

Bei Abbruch- und Sanierungsarbeiten an schwach gebundenen Asbestprodukten ist im Arbeitsbereich (Schwarzbereich) ein Unterdruck von mindestens 20 Pa (Pascal) gegenüber den angrenzenden Räumen aufrechtzuhalten, siehe auch Abschnitt 14.1.1 der Technischen Regeln für Gefahrstoffe TRGS 519 "Asbest; Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten

6.6 Räumliche Trennung

Kann der Austritt krebserzeugender oder erbgutverändernder Gefahrstoffe aus dem Anlageteil oder der Apparatur nicht verhindert werden, hat der Unternehmer für eine räumliche Trennung zwischen Arbeitsbereich und Austrittsstellen zu sorgen oder ein gefahrloses Abführen der austretenden Stoffe sicherzustellen.

Unter räumlicher Trennung versteht man z.B. die Aufstellung der fernbedienten Apparatur in geschlossenen Kammern oder im Freien.

Ein gefahrloses Ab führen der z.B. bei Leckagen an Wellendurchführungen von Pumpen austretenden flüssigen krebserzeugenden oder erbgutverändernden Gefahrstoffen ist sichergestellt, wenn diese Stoffe in einem geschlossenen Leitungssystem in den Prozess zurückgeführt werden.

6.7 Absaugung

6.7.1 Der Unternehmer hat Verfahren einzusetzen, bei denen verfahrens-bedingt keine krebserzeugenden oder erbgutverändernden Gefahrstoffe entstehen oder freigesetzt werden, soweit dies nach dem Stand der Technik möglich ist.

Siehe auch § 19 Abs. 1 Gefahrstoffverordnung.

6.7.2 Können arbeits- oder verfahrensbedingt entstehende krebserzeugende oder erbgutverändernde Gefahrstoffe in die Arbeitsbereichsatmosphäre gelangen, hat der Unternehmer dafür zu sorgen, dass sie an ihrer Entstehungs- oder Austrittsstelle so vollständig erfasst, abgesaugt und gefahrlos abgeführt werden, wie dies nach dem Stand der Technik möglich ist. Die Wirksamkeit der Absaugeinrichtungen ist zu überwachen.

Mit dem arbeits- oder verfahrensbedingten Entstehen oder Freisetzen krebserzeugender Gefahrstoffe ist z.B. bei folgenden Tätigkeiten zu rechnen:

Bei der Abführung von abgesaugten Gasen, Dämpfen, Nebeln, Rauchen oder Stäuben kann die Installation geeigneter Reinigungsanlagen erforderlich sein. Die Luftführung der abgesaugten Luft darf nicht an den Atemwegen der Versicherten vorbeiführen. Gefahrlos ab führen bedeutet auch, dass unzureichend gereinigte Abluft nicht durch offene Fenster oder Klimaanlagen wieder in Arbeitsbereiche gelangen kann.

Die Überwachung der Wirksamkeit von Absaugeinrichtungen schließt ein, dass eine Störung der Absaugeinrichtungen durch selbsttätig wirkende Warneinrichtungen akustisch oder optisch angezeigt wird.

Siehe auch § 19 Abs. 2 Gefahrstoffverordnung. Siehe auch

Hinsichtlich

Zur Luftreinigung eingesetzte Filter sollen so beschaffen sein, dass beim Filterwechsel oder bei der Filterreinigung außerhalb der Abscheideeinrichtung keine Gefährdung der Versicherten möglich ist.

6.8 Technische Lüftung

6.8.1 Ist eine Absaugung nicht oder nicht ausreichend möglich, sind die dem Stand der Technik entsprechenden Lüftungsmaßnahmen zu treffen.

Bei den Lüftungsmaßnahmen ist darauf zu achten, dass

Bei der Koks-, Eisen- und Stahlerzeugung entspricht die Aufstellung im Freien bzw. die offene Bauweise dem Stand der Technik.

Siehe auch § 19 Abs. 3 Gefahrstoffverordnung.

6.8.2 In Arbeitsbereiche, in denen mit krebserzeugenden oder erbgutverändernden Gefahrstoffen umgegangen wird, darf abgesaugte Luft nicht zurückgeführt werden.

Siehe auch § 36 Abs. 7 Gefahrstoffverordnung.

6.8.3 Abweichend von Abschnitt 6.8.2 darf die in einem Arbeitsbereich abgesaugte Luft dorthin zurückgeführt werden, wenn sie unter Anwendung behördlich oder berufsgenossenschaftlich anerkannter Verfahren oder Geräte ausreichend von krebserzeugenden oder erbgutverändernden Stoffen gereinigt ist. Die Luft muss dann so geführt oder gereinigt werden, dass krebserzeugende oder erbgutverändernde Stoffe nicht in die Atemluft anderer Versicherter gelangen.

Siehe auch § 36 Abs. 7 Gefahrstoffverordnung und Technische Regeln für Gefahrstoffe TRGS 560 " Luftrückführung beim Umgang mit krebserzeugenden Gefahrstoffen

6.9 Persönliche Schutzausrüstungen

Wird der Luftgrenzwert nicht unterschritten, hat der Unternehmer

  1. wirksame und hinsichtlich ihrer Trageeigenschaften geeignete persönliche Schutzausrüstungen zur Verfügung zu stellen und diese in gebrauchsfähigem, hygienisch einwandfreien Zustand zu halten und
  2. dafür zu sorgen, dass die Versicherten nur so lange beschäftigt werden, wie es das Arbeitsverfahren unbedingt erfordert und es mit dem Gesundheitsschutz vereinbar ist.

Dies gilt auch, wenn mit allergischen Reaktionen zu rechnen ist. Die Versicherten müssen die zur Verfügung gestellten persönlichen Schutzausrüstungen benutzen. Das Tragen von Atemschutz und Vollschutzanzügen darf keine ständige Maßnahme sein.

Persönliche Schutzausrüstungen müssen auch benutzt werden, wenn Hautkontakt mit hautresorptiven krebserzeugenden oder erbgutverändernden Gefahrstoffen nicht auszuschließen ist oder es aufgrund der räumlichen oder klimatischen Verhältnisse am Arbeitsplatz zu einer erhöhten Aufnahme krebserzeugender oder erbgutverändernder Gefahrstoffe über die Atmungsorgane kommen kann.

Siehe auch § § 19 Abs. 5 und 36 Abs. 5 Gefahrstoffverordnung.

Luftgrenzwerte siehe Technische Regeln für Gefahrstoffe TRGS 900 "Grenzwerte in der Luft am Arbeitsplatz; Luftgrenzwerte - MAK und TRK -".

7 Ermittlung und Beurteilung der Konzentration von Gefahrstoffen in der Luft in Arbeitsbereichen

7.1 Überwachungspflicht

7.1.1 Der Unternehmer hat vor dem Umgang mit krebserzeugenden oder erbgutverändernden Gefahrstoffen zur umfassenden Bewertung aller Gefahren für jede Tätigkeit, bei der eine Exposition gegenüber krebserzeugenden oder erbgutverändernden Gefahrstoffen auftreten kann, Art, Ausmaß und Dauer der Exposition der Versicherten zu ermitteln. Diese Bewertung muss in regelmäßigen Abständen und bei jeder Änderung der Bedingungen, die sich auf die Exposition der Versicherten gegenüber krebserzeugenden oder erbgutverändernden Gefahrstoffen auswirken können, erneut vorgenommen werden.

Siehe § 36 Abs. 1 Gefahrstoffverordnung.

Hinsichtlich der Überwachungspflicht siehe auch § 18 Gefahrstoffverordnung.

7.1.2 Ist das Auftreten eines oder mehrerer krebserzeugender oder erbgutverändernder Gefahrstoffe in der Luft in Arbeitsbereichen nicht sicher auszuschließen, hat der Unternehmer die Konzentration dieses Gefahrstoffes zu ermitteln. Die Gesamtwirkung verschiedener gefährlicher Stoffe in der Luft am Arbeitsplatz ist zu beurteilen.

Die Ermittlung im Rahmen einer Arbeitsbereichsanalyse kann erfolgen anhand von

"Ermittlung und Beurteilung der Konzentrationen gefährlicher Stoffe in der Luft in Arbeitsbereichen" bzw. TRGS 420 Verfahrens- und stoffspezifische Kriterien zur dauerhaft sicheren Einhaltung von Luftgrenzwerten "; solche verfahrens- und stoffspezifische Kriterien werden auch von den Berufsgenossenschaften als " BIA/BG-Empfehlungen" veröffentlicht.

Siehe auch § 18 Gefahrstoffverordnung.

Zur Planung, Durchführung und Beurteilung der Ermittlung sind die Technischen Regeln für Gefahrstoffe TRGS 402 und TRGS 403 "Bewertung von Stoffgemischen in der Luft am Arbeitsplatz" heranzuziehen.

Auch für krebserzeugende und erbgutverändernde Gefahrstoffe, die z.Zt. noch keinen Grenzwert haben, sollten Konzentrationsmessungen durchgeführt werden. Zur Gefahrenbeurteilung können in diesen Fällen andere Kriterien, z.B. ausländische Grenzwerte, herangezogen werden.

Siehe auch § 36 Abs. 1 Gefahrstoffverordnung.

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