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Regelwerk; BGI/GUV-I / DGUV-I

BGI 849 / DGUV Information 214-012 - Festmachen von Binnenschiffen
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) Information

(Ausgabe 2010aufgehoben)




Berufsgenossenschaftliche Informationen (BG-Informationen) enthalten Hinweise und Empfehlungen, die die praktische Anwendung von Regelungen zu einem bestimmten Sachgebiet oder Sachverhalt erleichtern sollen.

BG-Informationen richten sich in erster Linie an den Unternehmer und sollen ihm Hilfestellung bei der Umsetzung seiner Pflichten aus staatlichen Arbeitsschutzvorschriften oder Unfallverhütungsvorschriften geben sowie Wege aufzeigen, wie Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren vermieden werden können.

Der Unternehmer kann bei Beachtung der in BG-Informationen enthaltenen Empfehlungen, insbesondere den beispielhaften Lösungsmöglichkeiten, davon ausgehen, dass er damit geeignete Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren getroffen hat. Sind zur Konkretisierung staatlicher Arbeitsschutzvorschriften von den dafür eingerichteten Ausschüssen technische Regeln ermittelt worden, sind diese vorrangig zu beachten.

Der Begriff Festmachen ist im Sinne dieser Information eine allgemeine Umschreibung für eine Hafenarbeit im Zusammenhang mit dem Vertäuen oder Lösen von Schiffen am Liegeplatz.

In den Seehäfen werden die Trossen und Leinen der Seeschiffe von Festmachern entgegengenommen. Aber auch in den Binnenhäfen werden zunehmend hilfreiche Hände beim Festmachen der Binnenschiffe tätig. Diese sind meistens bei den entsprechenden Umschlagsfirmen tätig und werden daher hin und wieder beim Fest machen der den Hafen anlaufenden Binnenschiffe hinzugezogen.

Hinweis

Diese BG-Information wurde von der Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft in Zusammenarbeit mit dem Fachausschuss "Verkehr" in der Abteilung Sicherheit und Gesundheitsschutz (SiGe) bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) erarbeitet und wird von der Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft herausgegeben.

Die BGI 849 wurde in das Sammelwerk der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung aufgenommen und kann bei der Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft bezogen werden.

Erstes Kapitel
Gefahren beim Festmachen

1.1 Sturz- und Stolpergefahren

Die Beschaffenheit des Untergrundes im Bereich der Kaianlagen - Schlaglöcher, unebene Pflasterung, Schienen sowie Pfützen, Schlamm, Ladungsrückstände, Feuchtigkeit oder Eisbildung - tragen hauptsächlich zur Gefährdung durch Stürzen oder Stolpern in diesem Bereich bei.

Der Absturz von der Kaianlage in die Hafengewässer birgt schwere Unfall folgen und ist daher vorrangig zu beachten.

Erhöhte Absturzgefährdung besteht, wenn beim Festmachen bzw. Loswerfen des Schiffes nicht auf sichere Verkehrswege und Arbeitsflächen geachtet wird oder Sicherheitsabstände, z.B. zwischen Kran und Kaikante, nicht eingehalten werden.

1.2 Quetschgefahren

Bei unsachgemäßer Handhabung der Festmacheleinen oder -drähte bilden Quetschungen ebenso wie bei der Bedienung von Winden erhebliches Gefährdungspotenzial.

1.3 Mechanische Gefahren

Durch das Werfen der Seile können Verletzungen beim missglückten Auffangen entstehen, ebenso wie sich durch die beim Fieren verklemmenden Trossen, die die beim Festmachen helfende Person gefährden.

Ist der Arbeitsbereich beim Festmachen auch gleichzeitig Fahr- oder Arbeitsbereich von Kranen, Flurförderzeugen oder anderen Fahrzeugen, ist hier die Gefahr des Erfasst- oder Überfahrenwerdens zu berücksichtigen.

1.4 Physische Belastungen

Überbelastungen des Körpers beim Ziehen von Tauen, eventuell durch ungünstige Körperhaltung verstärkt, stellen Gefahrenmomente in dieser Rubrik dar.

1.5 Belastungen aus Wahrnehmung und Handhabbarkeit

Zu dieser Gruppe der Gefahren gehören fehlende oder falsche Absprache der Signale sowie Sprachschwierigkeiten innerhalb der Arbeitsgruppe oder zwischen der Arbeitsgruppe der beim Festmachen helfenden Personen und der Besatzung auf dem zu bedienenden Schiff.

Hinzu kommen auch Gefahren, die durch fehlende Praxis im Umgang mit Schiffs tauen und -drähten hervorgerufen werden.

1.6 Gefahren aufgrund mangelnder Berücksichtigung der Ergonomie und der Arbeitsumgebungsbedingungen

Hierzu gehören Gefahren aus mangelnder Beleuchtung, unzureichende Platzverhältnisse am Kai und auch die Auswirkungen der Schicht- und Nachtarbeit.

Ebenfalls wirken sich auch bei Festmacharbeiten widrige Witterungsbedingungen, wie z.B. Nässe, Eisbildung, herumliegende Gegenstände und starker Wind, nach teilig auf die Arbeitsumgebungsbedingungen aus.

Zweites Kapitel
Maßnahmen zur Reduzierung der Unfallgefahr für die beim Festmachen helfenden Personen

2.1 Technische Maßnahmen

An Land müssen regelmäßige Begehungen der Ufereinfassungen bzw. Kai- und Landanlagen zur Überprüfung des sicheren Zustandes durchgeführt werden und auf die Besitzer bzw. Betreiber der Landanlage in Gesprächen Einfluss genommen werden, damit bauliche Mängel abgestellt werden. Auch die Mitarbeiter in den Häfen müssen ihren Vorgesetzten aufgetretene Mängel an Festmacheinrichtungen, Kaileitern, Treppen usw. melden, damit sie abgestellt werden können (§ 16 UVV "Grundsätze der Prävention" - BGV A1).

Wasserfahrzeuge und schwimmende Anlagen sind an den dafür vorgesehenen Vorrichtungen sicher festzumachen. Dieses ist nur möglich, wenn auch die hafenseitigen Festmacheinrichtungen sicher sind.

Durch den Festmacher sind daher Poller, Ringe oder Festmachekreuze vor dem Festmachen auf sichtbare Mängel zu überprüfen.

Sichtbare Mängel können z.B. sein beim

Festgestellte Mängel sind der Hafenbehörde, dem Hafenamt oder dem Eigentümer der Umschlagstelle mit der Maßgabe zur Beseitigung der Mängel mitzuteilen.

Das Fahrzeug ist bis zur Mängelbeseitigung an anderen, unbeschädigten Festmacheinrichtungen festzumachen.

An Land muss selbstverständlich eine geeignete Beleuchtung des Arbeitsbereiches (Kai, Festmacheinrichtungen) vorhanden sein, wenn die natürlichen Lichtverhältnisse nicht ausreichen.

2.2 Organisatorische Maßnahmen

Eine gewissenhafte Vorbereitung des Arbeitsablaufes ist die Grundvoraussetzung für einen sicheren Arbeitsablauf. Hierzu gehört auch die Überprüfung der Einsatzfähigkeit der Landanlagen.

Eine gründliche Einweisung und Einübung der Arbeitsaufgaben bei neuen Mitarbeitern ist erforderlich. Jedoch darf auch die "auffrischende" Unterweisung bei allen übrigen Mitarbeitern nicht vernachlässigt werden.

Einer schlechten Verständigung zwischen den Beteiligten kann durch Verabredung eindeutiger Zeichen entgegengewirkt werden.

2.3 Persönliches Verhalten beim Festmachen

2.3.1 Allgemein

Durch aufmerksames Arbeiten mit technisch einwandfreien Hilfsmitteln kann die Unfallgefahr beträchtlich reduziert werden.

Mindestens die eigenen Standplätze und Betriebswege müssen frei sein von Stolperstellen und Ladungsresten wie granulatförmige Ladung, Schrott u.Ä., um die Leinen sicher entgegenzunehmen und sie dann z.B. über die Poller legen zu können.

Der Aufenthalt im Bereich unter Spannung stehender Trossen und Leinen (insbesondere in Zugrichtung) ist zu vermeiden (§ 30 UVV "Wasserfahrzeuge mit Betriebserlaubnis auf Binnengewässern" - BGV D19).

Wurfleinen sollten generell nicht gefangen werden, der Aufenthalt im Wurfbereich sollte vermieden werden.

2.3.2 Festmachen auf Pollern

Kann das Festmacheseil nicht direkt dem Helfer an Land zugereicht und das Seilauge über den Poller gelegt werden, ist wie folgt vorzugehen:

Durch ein Besatzungsmitglied wird dem Helfer eine Wurfleine zugeworfen, an der das eigentliche Festmacheseil herangezogen wird; dieses kann dann zum Poller gezogen und dort über den Poller gelegt werden.

Achtung: Beim Auflegen einer Leine auf einen Poller nie in das Seilauge greifen! Quetschgefahr! Wurfleinen nicht auffangen!

2.3.3 Festmachen an einem Festmachring

Für das Annehmen des Seiles und die Handhabung gilt das unter 2.3.1 Geschriebene sinngemäß.

Jedoch muss das Auge mit einem entsprechenden Schäkel versehen sein (in manchen Gegenden auch "Fretter" oder "Kuhmaul" genannt).

Dieser Schäkel wird über den Ring geschoben, anschließend verschraubt und zum Schluss wieder mit 1/2 Umdrehung gelöst.

Wichtig: Nie das Seilauge durch den Ring ziehen und dann mit durchgestreckter Stange halten. Durch Schiffsbewegungen kann "Lose" in die Verbindung kommen, sodass die Stange herausrutscht. Notfalls kann statt des Schäkels kurzfristig ein Haken benutzt werden, der, nachdem das Schiff ruhig liegt, von der Binnenschiffsbesatzung wieder durch einen Schäkel ersetzt wird.

2.3.4 Festmachen an einem Kreuzpoller

Auch hier ist das Festmacheseil normalerweise, wie unter 2.3.1 beschrieben, über die senkrechte Kopfstange des Kreuzpollers zu hängen. Alternativ kann das Seil auch an der unteren Stange angeschäkelt werden.

Wichtig: Kreuzpoller werden heute nicht mehr neu eingebaut und sind in der Regel nur noch in alten, gemauerten Kaianlagen und Schleusen vorzufinden. Sie wurden in der Regel für eine Zugkraft von 50 kN (≈ 5 t) ausgelegt, was für die heutigen Binnenschiffe von mehr als 80 m Länge bzw. 9,5 m Breite nicht mit Sicherheit ausreicht. Hier sind gegenüber der normalen Befestigung (Vor- und Achterleine, Spring) weitere Leinen auszubringen (insbesondere bei Liegeplätzen auf dem Strom).

2.3.5 Sonstige Hinweise

Die Schiffsbesatzung oder andere Sachkundige müssen das richtige Hantieren mit den Festmachedrähten oder -seilen den beim Festmachen Helfenden zeigen, bevor diese es in der Praxis anwenden müssen.

Vorher ist für freie Arbeitsfläche im Kaibereich oder auf der Berme, insbesondere zwischen Kaikante und Umschlagseinrichtungen zu sorgen, um den meist knappen Sicherheitsabstand nicht noch weiter zu reduzieren und damit die Leinen sicher angenommen werden können.

Zur Standardausstattung der beim Festmachen helfenden Personen müssen zur Vermeidung von Unfallgefahren folgende Ausrüstungsgegenstände gehören und auch benutzt werden:

  1. Sicherheitsschuhe
  2. Schutzhelm
  3. Schutzhandschuhe
  4. automatisch aufblasbare Rettungsweste


.

Ausrüstung der beim Festmachen helfenden Personen Anhang 1


Bezeichnung Größe/ Typ Norm Weitere Informationen
Schutzausrüstung      
1. Sicherheitsschuhe S 3 DIN EN ISO 345 BGR 191
2. Industrieschutzhelm   DIN EN 397 BGR 193
3. Schutzhandschuhe Faust DIN EN 420 BGR 195
4. Rettungsweste 150 N DIN EN ISO 12402-3 BGR 201


Weitere Informationen zu den Schutzausrüstungen finden Sie in der BG-Information "Persönliche Schutzausrüstungen (PSA) in der Binnenschifffahrt" (BGI 765).


.

Eigenschaften von Festmachedrähten und -seilen Anhang 2


1 Naturfaserseile (Manila und Sisal) DIN EN 698
  Da heute diese Seile kaum benutzt werden, wird auf eine Beschreibung verzichtet.
2 Chemiefaserseile
  - Material:
    - Polyamid (Perlon, Nylon) DIN EN 696
    - Polyester (Trevira, Diolen) DIN EN 697
    - Polypropylen (Hostalen) DIN EN 699
  - Anwendung:

Als Festmacheleine oder Rettungswurfleine, da die Seile im Wesentlichen schwimmfähig sind.
Chemiefaserseile aus Polyethylen dürfen wegen der sehr hohen Dehnung nicht verwendet werden.

  - Vorteile:
    - hohe Reißfestigkeit: Polyamid 180 N/mm2
    Polyester 150 N/mm2
    Polypropylen 120 N/mm2
    - ausreichende Dehnung (Bewegung des stillliegenden Schiffes wird sanft abgefangen)
    - verrottungsfest
    - leicht
  - Nachteile:
    - hitzeempfindlich, z.B. bei Reibung am Poller
    - hohe Beschleunigung und entsprechende Schlagkraft (wegen der damit verbundenen Verletzungsgefahr werden diese Seile seltener benutzt) beim Reißen des Seiles oder der Festmacheinrichtung (Ring, Poller o.Ä.)
3 Stahldraht-Seile
  - Material:
unlegierter Stahl, gezogen, verzinkt ISO 2408
  - Anwendung:
Ankerdraht (z.B. bei Heckankern von Binnenschiffen)
Festmachedraht
  - Vorteile:
    - keine elektrostatische Aufladung
    - geringere Beschleunigung beim Reißen des Seiles oder Brechen der Festmacheinrichtung
  - Nachteile:
    - geringe Dehnung (Bewegungen des stillliegenden Schiffes werden fast stoßartig abgefangen)
    - schwer
    - Korrosion
    - empfindlich bei Knickung
    - darf nicht geknotet werden
    - darf nur mit Pressklemme DIN EN 13411-3
    oder Spleiß

verwendet werden.

DIN 3089-2


.

Bildteil  


Abbildung 1 - Der Schäkel gehört in den Ring und nicht an einen anderen Schäkel. Auf Festigkeit und Haltekraft des Ringes achten!

Abbildung 2 - Vorläufig festgemacht mit einem Festmachehaken. Die Hakenspitze zeigt nach oben, der Ring sichert durch sein Gewicht den Haken zusätzlich

Abbildung 3 - Festmachepoller neben einer Böschungstreppe. Treppe nicht mit der Festmache leine kreuzen. - Stolpergefahr -

Abbildung 4 - Alter Kreuzpoller - Kommt nur noch in alten Hafenanlagen vor. Vor Benutzung auf sicheren Zustand achten!


ENDE

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