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Methoden zur Bestimmung der Toxizität

B.10. Mutagenität - In-vitro-Test auf Chromosomenaberrationen in Säugetierzellen

Anhang V
zur RL 67/548/EWG

zur aktuellen Fassung

Stand: RL 2000/32/EG, ABl. 2000 L 136 S. 1

B.10. 1. Methode

Diese Methode entspricht der OECD TG 473, In vitro Mammalian Chromosome Aberration Test (1997).

B.10. 1.1. Einleitung

Der In-Vitro-Test auf Chromosomenaberrationen dient zum Nachweis von Agenzien, die in Säugerzellkulturen strukturelle Chromsomenaberrationen auslösen. (1) (2) (3). Dabei ist zwischen strukturellen Chromosomentyp- und Chromatidentypaberrationen zu unterscheiden. Bei der Mehrzahl der chemischen Mutagene sind die Aberrationen dem Chromatidentyp zuzuordnen, doch kommen auch Chromosomentypaberrationen vor. Eine Zunahme der Polyploidie ist möglicherweise ein Hinweis darauf, daß ein chemischer Stoff numerische Aberrationen hervorzurufen vermag. Allerdings ist diese Methode nicht zur Messung numerischer Aberrationen bestimmt und wird daher auch nicht routinemäßig dafür eingesetzt. Chromsomenmutationen und ähnliche Vorgänge sind die Ursache für zahlreiche humangenetische Erkrankungen. Es spricht manches dafür, daß Chromsomenmutationen und ähnliche Vorgänge, die Änderungen in Onkogenen und Tumorsuppressorgenen somatischer Zellen auslösen, an der Entstehung von Krebs bei Menschen und Versuchstieren beteiligt sind. Beim In-vitro-Chromosomenaberrationstest können Kulturen von etablierten Zellinien und Zellstämmen oder primäre Zellkulturen zum Einsatz kommen. Die verwendeten Zellen werden unter dem Gesichtspunkt der Wachstumsfähigkeit in Kultur, der Karyotypstabilität, der Chromosomenzahl, der Chromosomenvielfalt und der spontanen Häufigkeit von Chromosomenaberrationen ausgewählt. In vitro durchgeführte Versuche erfordern in der Regel den Zusatz eines exogenen Fremdstoff-Metabolisierungssystems. Mit diesem System lassen sich aber die In-vivo-Bedingungen bei Säugetieren nicht gänzlich nachvollziehen. Es sind unbedingt Bedingungen zu vermeiden, bei denen positive Ergebnisse auftreten, die nicht die intrinsische Mutagenität widerspiegeln und möglicherweise aus Veränderungen des pH-Wertes bzw. der Osmolalität oder hochgradiger Zytotoxizität herrühren (4) (5).

Dieser Test dient zum Nachweis möglicher Mutagene und Kanzerogene in Säugetierzellen. Viele chemische Verbindungen, bei denen der Test positiv ausfällt, haben eine kanzerogene Wirkung auf Säugetiere, doch besteht keine absolute Korrelation zwischen Test und Kanzerogenität. Die Korrelation ist von der chemischen Klasse abhängig, und es gibt zunehmende Anzeichen dafür, daß bestimmte Kanzerogene durch diesen Test nicht nachweisbar sind, da ihre Wirkung anscheinend auf anderen Mechanismen als einer direkten DNA-Schädigung beruht.

Siehe auch Allgemeine Einleitung Teil B.

B.10. 1.2. Definitionen

Chromatidentypaberration: strukturelle Chromsomenanomalie, gekennzeichnet durch Bruch einzelner Chromatiden oder Bruch und Reunion zwischen Chromatiden.

Chromosomentypaberration: strukturelle Chromosomenanomalie, gekennzeichnet durch Bruch oder Bruch und Reunion beider Chromatiden an gleicher Position.

Endoreduplikation: Prozeß, bei dem der Kern nach einer S-Phase der DNA-Replikation keine Mitose durchläuft, sodern in eine weitere S-Phase eintritt. Das Ergebnis sind Chromosomen mit 4, 8, 16, ... Chromatiden.

Gap: achromatische Läsion von geringerer Breite als eine Chromatide und mit minimaler Verlagerung der Chromatide(n).

Mitoseindex: Anteil der Zellen einer Zellpopulation, die sich zum Beobachtungszeitpunkt in Metaphase befinden; Gradmesser für den Vermehrungsgrad dieser Population.

Numerische Aberration: Abweichung der Chromosomenzahl vom Normalwert, der für die verwendeten Zellen charakteristisch ist.

Polyploidie: Vorhandensein von mehr als zwei haploiden Chromosomensätzen (n) (z.B. 3n, 4n usw.).

Strukturelle Aberration: Veränderung der Chromosomenstruktur, nachweisbar durch mikroskopische Untersuchung des Metaphase-Stadiums der Zellteilung, äußert sich in Form von Deletionen und Fragmenten, intrachromosomalen oder reziproken Translokationen.

B.10. 1.3. Prinzip der Prüfmethode

Die Behandlung der Zellkulturen mit der Prüfsubstanz erfolgt mit und ohne Zusatz eines Fremdstoff-Metabolisierungssystems. Nach Ablauf eines vorher festgelegten Zeitraums werden die Zellkulturen mit einem Spindelgift (z.B. Colcemid® oder Colchicin) behandelt, gewonnen und gefärbt, woraufhin die Metaphasezellen mikroskopisch auf Chromosomenaberrationen untersucht werden.

B.10. 1.4. Beschreibung der Prüfmethode

B.10. 1.4.1. Vorbereitungen

B.10. 1.4.1.1. Zellen

Es können verschiedene Zellinien, Zellstämme oder primäre Zellkulturen, auch menschliche Zellen, Verwendung finden (z.B. Fibroblasten des chinesischen Hamsters, Lymphozyten aus dem peripheren Blut von Menschen oder anderen Säugern).

B.10. 1.4.1.2. Kulturmedien und Inkubationsbedingungen

Zur Kultivierung sind geeignete Kulturmedien und Inkubationsbedingungen (Kulturgefäße, CO2 -Konzentration, Temperatur und Feuchtigkeit) zu verwenden. Etablierte Zellinien und -stämme sind routinemäßig auf Stabilität der modalen Chromosomenzahl und Mycoplasmaverunreinigung zu überprüfen und sollten bei Verunreinigung nicht herangezogen werden. Die normale Dauer des Zellzyklus bei den gewählten Zellen und Inkubationsbedingungen sollte bekannt sein.

B.10. 1.4.1.3. Vorbereitung der Kulturen

Etablierte Zellinien und -stämme: die Zellen werden aus Stammkulturen gewonnen, im Kulturmedium in einer solchen Dichte überimpft, daß die Kultur vor dem Zeitpunkt der Gewinnung nicht konfluent wird, und bei 37 °C inkubiert.

Lymphozyten: mit einem Antikoagulans (z.B. Heparin) behandeltes Vollblut oder separierte Lymphozyten von gesunden Probanden werden dem Kulturmedium beigegeben, das ein Mitogen (z.B. Phytohämagglutinin) enthält, und bei 37 °C inkubiert.

B.10. 1.4.1.4. Stoffwechselaktivierung

Die Behandlung der Zellen mit der Prüfsubstanz sollte sowohl mit als auch ohne Zusatz eines geeigneten Fremdstoff-Metabolisierungssystems erfolgen. Das am häufigsten verwendete System ist eine durch Ko-Faktoren ergänzte post-mitochondriale Fraktion (S9) aus der Leber von Nagetieren, die mit enzyminduzierenden Agenzien wie Aroclor 1254 (6) (7) (8) (9) oder einem Gemisch aus Phenobarbiton und β-Naphtoflavon (10) (11) (12) vorbehandelt wurde.

Die post-mitochondriale Fraktion wird im Endmedium in der Regel in Konzentrationen von 1 bis 10 % v/v verwendet. Der Zustand des Stoffwechselsystems ist möglicherweise von der geprüften chemischen Klasse abhängig. In bestimmten Fällen ist es ggf. zweckmäßig, mehr als eine Konzentration der post-mitochondrialen Fraktion zu verwenden.

Eine Reihe von Entwicklungen, darunter die Herstellung gentechnisch veränderter Zellinien zur Expression spezifischer Aktivierungsenzyme, eröffnen vielleicht die Möglichkeit für eine endogene Aktivierung. Die Wahl der verwendeten Zellinien sollte wissenschaftlich begründet sein (z.B. durch die Relevanz des Isoenzyms Cytochrom P450 für den Stoffwechsel der Prüfsubstanz).

B.10. 1.4.1.5. Prüfsubstanz/Zubereitung

Feste Prüfsubstanzen sollten vor der Zellbehandlung in geeigneten Lösungsmitteln oder Vehikeln gelöst oder suspendiert und ggf. verdünnt werden. Flüssige Prüfsubstanzen können den Versuchssystemen vor der Behandlung direkt beigegeben und/oder verdünnt werden. Es sind frische Zubereitungen der Prüfsubstanz zu verwenden, es sei denn, die Stabilität der Substanz bei Lagerung wird nachgewiesen.

B.10. 1.4.2. Prüfbedingungen

B.10. 1.4.2.1. Lösungsmittel/Vehikel

Die Lösungsmittel/Vehikel sollten nicht im Verdacht stehen, mit der Prüfsubstanz eine chemische Reaktion einzugehen, und sie sollten mit dem Überleben der Zellen und der S9-Aktivität kompatibel sein. Werden keine allgemein bekannten Lösungsmittel/Vehikel verwendet, so sind Daten zur Kompatibilität beizubringen. Es ist zu empfehlen, als erste Wahl möglichst die Verwendung eines wäßrigen Lösungsmittels/Vehikels in Erwägung zu ziehen. Bei der Prüfung wasserinstabiler Substanzen sollten die verwendeten organischen Lösungsmittel frei von Wasser sein. Das Wasser läßt sich durch Zusatz eines Molekularsiebs entfernen.

B.10. 1.4.2.2. Expositionskonzentration

Zu den Kriterien, die bei der Bestimmung der höchsten Konzentration zu berücksichtigen sind, zählen die Zytotoxizität, die Löslichkeit im Versuchssystem und die Veränderungen des pH-Wertes oder der Osmolalität. Die Zytotoxizität sollte im Hauptversuch mit und ohne Stoffwechselaktivierung unter Verwendung eines geeigneten Indikators für Zellintegrität und -wachstum wie Konfluenzgrad, Anzahl der lebensfähigen Zellen oder Mitoseindex bestimmt werden. Es ist möglicherweise sinnvoll, die Zytotoxizität und Löslichkeit in einem Vorversuch zu bestimmen.

Es sind mindestens drei analysierbare Konzentrationen zu verwenden. Wenn Zytotoxizität auftritt, sollten diese Konzentrationen den Bereich vom Höchstwert bis zu geringer oder nicht vorhandener Toxizität umfassen. Im Normalfall bedeutet dies, daß sich die Konzentrationen maximal um einen Faktor zwischen 2 und √ 10 unterscheiden. Zum Zeitpunkt der Gewinnung sollte die höchste Konzentration eine deutliche Verminderung des Konfluenzgrades, der Anzahl der Zellen oder des Mitoseindexes (jeweils um mehr als 50 %) erkennen lassen. Der Mitoseindex ist nur ein indirekter Gradmesser für zytotoxische/zytostatische Wirkungen und hängt davon ab, wieviel Zeit seit der Behandlung vergangen ist. Allerdings ist der Mitoseindex für Suspensionskulturen vertretbar, bei denen andere Methoden zur Toxizitätsbestimmung möglicherweise umständlich oder unpraktisch sind. Informationen über die Zellzykluskinetik, z.B. die mittlere Generationszeit (MGZ), könnten als zusätzliche Angaben herangezogen werden. Bei der MGZ handelt es sich jedoch um einen Gesamtdurchschnittswert, der nicht immer das verspätete Auftreten von Teilpopulationen erkennen läßt, und schon ein leichter Anstieg der mittleren Generationszeit kann eine erhebliche Verzögerung des Zeitpunkts der optimalen Ausbeute an Aberrationen zur Folge haben.

Bei relativ nichtzytotoxischen Substanzen sollte die Höchstkonzentration bei Versuchen 5 µl/ml, 5 mg/ml oder 0.01 M betragen, je nachdem, welcher Wert am niedrigsten ist. Im Falle relativ unlöslicher Substanzen, die bei Konzentrationen unterhalb der unlöslichen Konzentration nicht toxisch sind, sollte die höchste verwendete Dosis eine Konzentration oberhalb der Löslichkeitsgrenze im Endmedium nach Ablauf der Behandlungszeit sein. In bestimmten Fällen (z.B. wenn die Toxizität nur bei einer Konzentration auftritt, die über der geringsten unlöslichen Konzentration liegt) ist es ratsam, die Prüfung bei mehr als einer Konzentration mit sichtbarer Ausfällung vorzunehmen. Möglicherweise ist es sinnvoll, die Löslichkeit zum Anfang und Abschluß der Behandlung zu bestimmen, da sich die Löslichkeit im Versuchssystem während der Exposition aufgrund des Vorhandenseins von Zellen, S9, Serum usw. verändern kann. Die Unlöslichkeit ist mit dem bloßen Auge erkennbar. Die Ausfällung sollte die Bewertung nicht beeinträchtigen.

B.10. 1.4.2.3. Negativ- und Positivkontrollen

Für jeden Versuch sind gleichzeitig Positiv- und Negativ-(Lösungsmittel- oder Vehikel-)Kontrollen mit und ohne Zusatz eines Stoffwechselaktivierungssystems anzulegen. Bei Stoffwechselaktivierung sollte die Positivkontrollsubstanz jene Substanz sein, die zur mutagenen Reaktion eine Aktivierung benötigt.

Zur Positivkontrolle sollte ein bekanntes Clastogen in Expositionskonzentrationen verwendet werden, die voraussichtlich eine reproduzierbare und erkennbare Zunahme gegenüber dem Hintergrund ergeben, womit sich die Empfindlichkeit des Versuchssystems demonstrieren läßt.

Die Positivkontrollkonzentrationen sollten so gewählt werden, daß die Wirkungen eindeutig sind, aber beim Ablesen nicht sofort die Identität der kodierten Objektträger erkennen lassen. Es kommen beispielsweise folgende Positivkontrollsubstanzen in Frage:

Stoffwechselaktivierungsstatus Substanz CAS-
Nummer
EINECS-
Nummer
Ohne exogene Stoffwechselaktivierung Methylmethansulfonat 66-27-3 200-625-0
Ethylmethansulfonat 62-50-0 200-536-7
Ethylnitrosoharnstoff 759-73-9 212-072-2
Mitomycin C 50-07-7 200-008-6
4-Nitroquinolin-N-oxid 56-57-5 00-281-1
Mit exogener Stoffwechselaktivierung Benzo[a]pyren 50-32-8 200-028-5
Cyclophosphamid 50-18-0 200-015-4
Cyclophosphamidmonohydrat 6055-19-2  

Es können auch andere geeignete Positivkontrollsubstanzen verwendet werden. Gegebenenfalls sollten Positivkontrollen herangezogen werden, die der gleichen chemischen Klasse angehören wie der Prüfstoff. Bei jedem Gewinnungszeitpunkt sind Negativkontrollen hinzuzuziehen, bei denen das Behandlungsmedium lediglich Lösungsmittel oder Vehikel enthält und die auf die gleiche Weise wie die Behandlungskulturen behandelt werden. Darüber hinaus sollten auch unbehandelte Kontrollen verwendet werden, wenn nicht historische Kontrolldaten belegen, daß das gewählte Lösungsmittel keine schädlichen oder mutagenen Wirkungen hervorruft.

B.10. 1.4.3. Verfahren

B.10. 1.4.3.1. Behandlung mit der Prüfsubstanz

Proliferierende Zellen werden mit und ohne Zusatz eines Stoffwechselaktivierungssystems mit der Prüfsubstanz behandelt. Die Behandlung der Lymphozyten sollte ca. 48 Stunden nach der mitogenen Stimulierung beginnen.

B.10. 1.4.3.2. Im Normalfall sollten für jede Konzentration zwei parallele Kulturen verwendet werden, die auch nachdrücklich für Negativ-(Lösungsmittel-)Kontrollkulturen empfohlen werden. Läßt sich anhand von historischen Daten nachweisen, daß zwischen den Zweifachkulturen nur eine minimale Abweichung besteht (13) (14), so ist ggf. die Verwendung von Einfachkulturen für jede Konzentration vertretbar.

Gasförmige oder flüchtige Substanzen sind mit Hilfe geeigneter Methoden zu prüfen, z.B. in hermetisch verschlossenen Kulturgefäßen (15) (16).

B.10. 1.4.3.3. Zeitpunkt der Gewinnung der Kulturen

Beim ersten Versuch sollten die Zellen 3 bis 6 Stunden lang mit und ohne Zusatz eines Metabolisierungssystems mit der Prüfsubstanz behandelt werden, wobei eine Aufarbeitung nach Ablauf eines Zeitraums erfolgt, der etwa der 1,5fachen Dauer des normalen Zellzyklus nach Behandlungsbeginn entspricht (12). Ergibt dieses Protokoll sowohl mit als auch ohne Zusatz eines Metabolisierungssystems negative Ergebnisse, so sollte ein weiterer Versuch ohne Aktivierung vorgenommen werden, bei dem eine kontinuierliche Behandlung bis hin zur Probenahme nach Ablauf eines Zeitraums erfolgt, der etwa der 1,5fachen Dauer des normalen Zellzyklus entspricht. Bestimmte Stoffe sind möglicherweise leichter nachweisbar, wenn der Zeitraum für die Behandlung/Probenahme mehr als die 1,5fache Dauer des normalen Zellzyklus beträgt. Negative Befunde bei Zusatz eines Metabolisierungssystems bedürfen der Bestätigung durch Einzelfallprüfung. In jenen Fällen, in denen eine Bestätigung negativer Befunde nicht für erforderlich gehalten wird, ist eine Begründung anzugeben.

B.10. 1.4.3.4. Chromosomenpräparation

Die Zellkulturen werden vor der Gewinnung in der Regel ein bis drei Stunden lang mit Colcemid® oder Colchicin behandelt. Für die Chromosomenpräparation wird jede Zellkultur gesondert gewonnen und aufgearbeitet. Zur Chromosomenpräparation gehören die Behandlung der Zellen mit hypotoner Lösung, die Fixierung und Färbung.

B.10. 1.4.3.5. Analyse

Alle Objektträger, auch die für die Positiv- und Negativkontrollen, sind vor der mikroskopischen Untersuchung von unabhängiger Seite zu kodieren. Da es bei der Fixierung häufig zum Bruch eines Teils der Metaphasezellen unter Verlust von Chromosomen kommt, sollten die ausgewerteten Zellen daher eine Zentromerzahl enthalten, die bei allen Zelltypen dem Modalwert ± 2 entspricht. Es sind mindestens 200 gut gespreitete Metaphasen je Konzentration und Kontrolle zu analysieren und bei Zweifachkulturen gleichmäßig auf diese zu verteilen. Eine Reduzierung dieser Zahl ist möglich, wenn eine hohe Zahl von Aberrationen beobachtet wird.

Obwohl es bei der Prüfung um den Nachweis struktureller Chromosomenaberrationen geht, ist das Auftreten von Polyploidie und Endoreduplikation unbedingt zu vermerken.

B.10. 2. Daten

B.10. 2.1. Aufbereitung der Ergebnisse

Versuchseinheit ist die Zelle, und daher ist der Anteil der Zellen mit struktureller Chromosomenaberration bzw. strukturellen Chromosomenaberrationen zu bewerten. Für die Versuchs- und Kontrollkulturen sind die unterschiedlichen typen struktureller Chromosomenaberrationen mit Anzahl und Häufigkeit aufzuführen. Gaps werden getrennt erfaßt und angegeben, aber in der Regel nicht bei der Gesamthäufigkeit der Aberrationen berücksichtigt.

Zu erfassen sind auch Maßnahmen, die in den Hauptprüfungen auf Aberrationen gleichzeitig zur Bestimmung der Zytotoxizität aller behandelten und Negativkontrollkulturen durchgeführt werden.

Es sind die Daten für die einzelnen Kulturen zu dokumentieren. Zusätzlich sollten alle Daten in tabellarischer Form zusammengefaßt werden.

Bei einer eindeutigen positiven Reaktion ist eine Verifizierung nicht erforderlich. Nicht eindeutige Ergebnisse sind durch weitere Prüfungen abzuklären, möglichst unter Abänderung der Versuchsbedingungen. Die Notwendigkeit der Bestätigung negativer Ergebnisse wurde in 1.4.3.3 dargelegt. Bei Folgeversuchen sollte die Abänderung der Studienparameter zur Erweiterung des Umfangs der bewerteten Bedingungen in Betracht gezogen werden. Zu den Studienparametern, die für eine Abänderung in Frage kommen, gehören die Abstände der Konzentrationen und die Stoffwechselaktivierungsbedingungen.

B.10. 2.2. Bewertung und Interpretation der Ergebnisse

Es gibt mehrere Kriterien für die Bestimmung eines positiven Ergebnisses, wie z.B. eine konzentrationsbezogene Zunahme oder reproduzierbare Zunahme der Anzahl der Zellen mit Chromosomenaberrationen. Zunächst sollte die biologische Relevanz der Ergebnisse untersucht werden. Als Hilfsmittel bei der Bewertung der Versuchsergebnisse können statistische Methoden dienen (3) (13). Die statistische Signifikanz sollte aber nicht der einzige bestimmende Faktor für eine positive Reaktion sein.

Eine zahlenmäßige Zunahme der polyploiden Zellen deutet möglicherweise darauf hin, daß die Prüfsubstanz mitotische Prozesse zu hemmen und numerische Chromosomenaberrationen hervorzurufen vermag. Eine zahlenmäßige Zunahme der Zellen mit endoreduplizierten Chromosomen ist möglicherweise ein Anzeichen dafür, daß die Prüfsubstanz die Zellzyklusprogression zu hemmen vermag (17) (18).

Eine Prüfsubstanz, bei der die Ergebnisse nicht den obengenannten Kriterien entsprechen, gilt in diesem System als nichtmutagen.

Auch wenn die meisten Versuche eindeutig positive oder negative Ergebnisse liefern, erlaubt der Datensatz in seltenen Fällen keine definitive Aussage über die Aktivität der Prüfsubstanz. Es kommt vor, daß sich die Ergebnisse unabhängig davon, wie oft der Versuch wiederholt wird, weiterhin als nicht eindeutig oder als fragwürdig erweisen.

Positive Befunde beim In-vitro-Chromosomenaberrationstest deuten darauf hin, daß die Prüfsubstanz in kultivierten somatischen Säugetierzellen strukturelle Chromosomenaberrationen hervorruft. Negative Befunde sind ein Anzeichen dafür, daß die Prüfsubstanz unter diesen Versuchsbedingungen keine Chromosomenaberrationen in kultivierten somatischen Säugetierzellen hervorruft.

B.10. 3. Abschlussbericht

Prüfbericht

Der Prüfbericht muß die folgenden Angaben enthalten:

Lösungsmittel/Vehikel

Zellen:

Prüfbedingungen:

Ergebnisse:

Mittelwerten und Standardabweichungen.

Diskussion der Ergebnisse.

Schlußfolgerungen.

B.10. 4. Literaturhinweise

(1) Evans, H. J. (1976), Cytological Methods for Detecting Chemical Mutagens, in: Chemical mutagens, Principles and Methods for their Detection, Vol. 4, Hollaender, A. (ed) Plenum Press, New York and London, pp. I-29.

(2) Ishidate, M. Jr. and Sofuni, T. (1985), The In Vitro Chromosomal Aberration Test Using Chinese Hamster Lung (CHL) Fibroblast Cells in Culture, in: Progress in Mutation Research, Vol. 5. Ashby, J. et al., (eds) Elsevier Science Publishers, Amsterdam-New York-Oxford. pp. 427 -432.

(3) Galloway, S. M., Armstrong, M. J., Reuben, C., Colman, S., Brown, B., Cannon, C., Bloom, A. D., Nakamura, F., Ahmed, M., Duk, S., Rimpo, J., Margolin, G. H., Resnick, M. A., Andersen, G. and Zeiger, E. (1978), Chromosome aberration and sister chromatic exchanges in Chinese hamster ovary cells: Evaluation of 108 chemicals, Environs. Molec. Mutagen 10 (suppl. 10), pp. 1 -175.

(4) Scott, D., Galloway, S. M., Marshall, R. R., Ishidate, M. Jr., Brusick, D., Ashby, J. and Myhr, B. C. (1991), Genotoxicity under Extreme Culture Conditions. a report from ICPEMC Task Group 9, Mutation Res., 257, pp. 147 -204.

(5) Morita, T., Nagaki, T., Fukuda, I. and Okumura, K. (1992), Clastogenicity of low pH to Various Cultured Mammalian Cells, Mutation Res., 268, pp. 297 -305.

(6) Ames, B. N., McCann, J. and Yamasaki, E. (1975), Methods for Detecting Carcinogens and Mutagens with the Salmonella/Mammalian Microsome Mutagenicity Test, Mutation Res., 31, pp. 347 -364.

(7) Maron, D. M. and Ames, B. N. (1983), Revised Methods for the Salmonella Mutagenicity Test, Mutation Res., 113, pp. 173 -215.

(8) Natarajan, A. T., Tates, A. D., van Buul, P. P. W., Meijers, M. and de Vogel, N. (1976), Cytogenetic Effects of Mutagen/Carcinogens after Activation in a Microsomal System In Vitro, J. Induction of Chromosome Aberrations and Sister Chromatid Exchange by Diethylnitrosamine (DEN) and Dimethylnitrosamine (DMN) in CHO Cells in the Presence of Rat-Liver Microsomes, Mutation Res., 37, pp. 83 -90.

(9) Matsuoka, A., Hayashi, M. and Ishidate, M. Jr. (1979), Chromosomal Aberration Tests on 29 Chemicals Combined with S9 Mix In Vitro, Mutation Res., 66, pp. 277 -290.

(10) Elliot, B. M., Combes, R. D., Elcombe, C. R., Gatehouse, D. G., Gibson, G. G., Mackay, J. M. and Wolf, R. C. (1992), Report of UK environmental Mutagen Society Working Party. Alternatives to Aroclar 1254-induced S9 in In Vitro Genotoxicity Assays, Mutagenesis, 7, pp. 175 -177.

(11) Matsushima, T., Sawamura, M., Hara, K. and Sugimura, T. (1976), a Safe Substitute for Polychlorinated Biphenyls as an Inducer of Metabolic Activation Systems, in: de Serres, F. J., Fouts, J. R., Berid, J. R. and Philpot, R. M. (eds), In Vitro Metabolic Activation in Mutagenesis Testing, Elsevier, North-Holland, pp. 85 -88.

(12) Galloway, S. M., Aardema, M. J., Ishidate, M. Jr., Iven, J. L., Kirkland, D. J., Morita, T., Mosesso, P., Sofuni, T. (1994), Report from Working Group on in In Vitro Tests for Chromosomal Aberrations, Mutation Res., 312, pp. 241 -261.

(13) Richardson, C., Williams, D. A., Allen, J. A., Amphlett, G., Chanter, D. O. and Phillips, B. (1989), Analysis of Data from In Vitro Cytogenetic Assays, in: Statistical Evaluation of Mutagenicity Test Data, Kirkland, D. J., (ed) Cambridge University Press, Cambridge, pp. 141 -154.

(14) Soper, K. A. and Galloway, S. M. (1994), Replicate Flasks are not Necessary for In Vitro Chromosome Aberration Assays in CHO Cells, Mutation Res., 312, pp. 139 -149.

(15) Krahn, D. F., Barsky, F. C. and McCooey, K. T. (1982), CHO/HGPRT Mutation Assay: Evaluation of Gases and Volatile Liquids, in: Tice, R. R., Costa, D. L., Schaich, K. M. (eds), Genotoxic Effects of Airborne Agents, New York, Plenum, pp. 91 -103.

(16) Zamora, P. O., Benson, J. M., Li, A. P. and Brooks, A. L. (1983), Evaluation of an Exposure System Using Cells Grown on Collagen Gels for Detecting Highly Volatile Mutagens in the CHO/HGPRT Mutation Assay, Environmental Mutagenesis, 5, pp. 795 -801.

(17) Locke-Huhle, C. (1983), Endoreduplication in Chinese hamster cells during alpha-radiation induced G2 arrest, Mutation Res., 119, pp. 403 -413.

(18) Huang, Y., Change, C. and Trosko, J. E. (1983), Aphidicolin-induced endoreduplication in Chinese hamster cells, Cancer Res., 43, pp. 1362 -1364.

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