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Referenzwerte für Perfluoroctansäure (PFOA) und Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) im Blutplasma Humar
- Stellungnahme der Kommission "Human-Biomonitoring" des Umweltamtes -
(Bundesgesundheitsbl. Nr. 8/2009 S. 878)
Einleitung
In den vergangenen Jahren wurde die weltweite Verbreitung von perfluorierten Verbindungen (PFC) in der Umwelt offenkundig und zunehmend Gegenstand umweltmedizinischtoxikologischer Untersuchungen. Zur inneren PFC-Belastung der Allgemeinbevölkerung liegen mittlerweile umfangreiche Daten aus Deutschland und verschiedenen anderen Ländern vor. Diese Daten erlauben die Ableitung von Referenzwerten für Perfluoroctansäure (PFOA) und Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) in Humanblut. Die vorliegende Stellungnahme der Kommission Human-Biomonitoring beschreibt die Grundlagen für die Ableitung dieser Referenzwerte.
Verwendung, Vorkommen und Verbreitung
Die Substanzklasse der perfluorierten Verbindungen (PFC) umfasst eine umfangreiche Gruppe chemisch sehr ähnlicher Verbindungen, die über mehrere Jahrzehnte in großen Mengen hergestellt wurden. PFOa wurde vor allem als Lösungsvermittler zur Herstellung von Perfluorethylen verwendet. PFOS-Derivate hingegen wurden vorwiegend in Verbraucherprodukten vor allem zur Oberflächenveredelung eingesetzt, insbesondere als wasser-, öl-, und schmutz abweisende Beschichtungen für Papier, Lebensmittelverpackungen, Küchengeschirr, Textilien und Teppichböden [1, 2].
Gelangen diese Verbindungen mit dem Abwasser oder aus den Produkten selbst in die Umwelt, verbleiben sie dort zum Teil nahezu unverändert, zum Teil werden sie zu stabilen Substanzen abgebaut, die ebenfalls sehr lange Zeit in der Umwelt verbleiben. Die Verteilung in der Umwelt erfolgt ganz überwiegend über den Wasserpfad. Entsprechend lassen sich diese Substanzen auch im Trinkwasser finden [3]. Wegen ihrer tensidähnlichen Eigenschaften werden diese Verbindungen im deutschen Sprachraum auch als perfluorierte Tenside (PFT) bezeichnet. Vor allem die beiden Hauptvertreter der nicht weiter abbaubaren Verbindungen, Perfluoroctansäure (PFOA) und Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) lassen sich in geringen Konzentrationen weltweit in vielen Umweltmedien nachweisen. Auch im Blut der Allgemeinbevölkerung werden PFOa und PFOS weltweit gefunden, wobei die Konzentrationen von PFOS in der Regel etwa dreifach höher sind als die von PFOA. Mit steigendem Industrialisierungsgrad ist ein Trend zu höheren Konzentrationen beim Menschen feststellbar, wenn auch die Unterschiede nicht auffallend groß sind und die Belastung der Bevölkerung weltweit bemerkenswert ähnlich ist [2, 4, 5]. Die kürzer- und längerkettigen Homologe von PFOa und PFOS sowie diverse Vorläufersubstanzen finden sich nur in deutlich geringeren Konzentrationen im Humanblut und sind mit den derzeit verfügbaren Analyseverfahren schwer zu erfassen. Aus diesem Grundliegen für PFOa und PFOS die meisten Human-Biomonitoring-Daten vor [6].
PFOa und PFOS wurden auch als Industriechemikalien eingesetzt. Die Herstellung und Verwendung von PFOS ist gemäß Richtlinie 2006/122/EG der Europäischen Union [7] auch in Deutschland ab dem 27. Juni 2008 untersagt:
Aufnahme, Metabolismus und toxikologische Bewertung von PFOa und PFOS
PFOa und PFOS werden nach Inkorporation im Organismus nicht weiter abgebaut und nur sehr langsam wieder ausgeschieden. Im menschlichen Körper konnten nach Beendigung einer berufsbedingten Exposition Halbwertszeiten von etwa fünf (PFOS) beziehungsweise vier Jahren (PFOA) abgeschätzt werden [8]. Vor allem PFOS ist deutlich bioakkumulativ und reichert sich in der Nahrungskette an. Am Ende der marinen Nahrungskette stehen Seevögel, Eisbären, und auch der Mensch [9]. So konnte gezeigt werden, dass Personen mit hohem Verzehr von Ostseefischen höhere Konzentrationen an PFOa und PFOS im Blut aufweisen als vergleichbare andere Personen [10.
In einer aktuellen anlassbezogenen Studie über die Konzentrationen perfluorierter Verbindungen im Blutplasma von Anglern am Möhnesee wurde gezeigt, dass die mittlere PFOS-Belastung im Blut mit 25 µg/L im Bereich der allgemeinen Hintergrundbelastung der deutschen Bevölkerung liegt. Es zeigt sich jedoch eine deutliche Abhängigkeit vom Ausmaß des Fischverzehrs. Bei langjährigem hohem Verzehr von PFOS-belastetem Möhneseefisch (ein- bis drei Fischmahlzeiten pro Woche) ergeben sich Konzentrationen im Bereich von mehreren hundert µg/L PFOS im Blut mit einem Maximalwert von 649 µg/L. Aufgrund der unklaren Belastungssituation vor 2006 - also vor Aufdecken der PFOS-Belastung von Möhneseefisch [11] - und der langen Verweildauer im Körper kann heute nicht mehr geklärt werden, welche Mengen an PFOS über belasteten Fisch in den Jahren vorher aufgenommen wurden [12].
Die Exposition der Allgemeinbevölkerung erfolgt vermutlich vor allem durch Aufnahme von PFOA, PFOS und möglicherweise auch anderen PFC mit dem Trinkwasser und mit der Nahrung [6, 13]. Die durchschnittliche tägliche Aufnahme wird danach auf 1-2 ng/kg Körpergewicht (PFOS) und 1-5 ng/kg Körpergewicht (PFOA) geschätzt. In wieweit auch andere Expositionsquellen, zum Beispiel mit PFC beschichtete oder imprägnierte Verbraucherprodukte im Hinblick auf die Exposition der Bevölkerung von Bedeutung sind, ist nicht bekannt.
Eine erste umfassende toxikologische Bewertung von PFOS wurde im Jahre 2002 von einem Expertengremium der OECD [14] vorgenommen. Für PFOa legte die U.S. Environmental Protection Agency im Jahre 2005 eine umfangreiche toxikologische Bewertung vor [15]. Eine neuere zusammenfassende humantoxikologische Bewertung von PFOa und PFOS wurde von Dieter [16] veröffentlicht.
(Stand: 06.07.2018)
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