Regelwerk

Richtwerte für Glykolether und Glykolester in der Innenraumluft

Fassung 2013
(Bundesgesundheitsbl. Nr.2 von 02/2013 S. 286)



Mitteilung der Adhoc-Arbeitsgruppe Innenraumrichtwerte der Kommission Innenraumlufthygiene und der Obersten Landesgesundheitsbehörden

Einführung

Unter der Bezeichnung Glykolether wird eine Substanzgruppe von über 80 Verbindungen zusammengefasst. Glykol steht für eine ältere Bezeichnung von organischen Verbindungen mit 2 benachbarten Hydroxygruppen. Hierzu zählen Ethylenglykol (chemische Bezeichnung: 1,2-Ethandiol), Propylenglykol (1,2-Propandiol) und Butylenglykol. Durch Austausch des Wasserstoffatoms einer oder beider Hydroxygruppe(n) durch einen Kohlenwasserstoffrest (z.B. eine Methylgruppe) entstehen Glykolether (Abb. 1). Bezogen auf die Anzahl der dabei gebildeten Alkoxyverknüpfungen lassen sich folgende Untergruppen unterscheiden: Ethylenglykolether (EGE), Diethylenglykolether (DEGE), Triethylenglykolether (TEGE), Propylenglykolether (PGE), Dipropylenglykolether (DPGE), Tripropylenglykolether (TPGE) und Butylenglykolether (BGE). Zugerechnet zu den Glykolethern werden üblicherweise auch deren Ester mit Essigsäure, die sog. Glykoletheracetate.

Die Toxizität von verschiedenen Glykolethern wurde schon mehrfach einzeln oder als Gruppe analysiert (z.B. [ 1, 2, 3]). Für einige Glykolether liegen neuere MAK-Begründungen (MAK: maximale Arbeitsplatzkonzentration) vor. Danach ist die Datenlage für die meisten Glykolether gut, allerdings liegen relativ wenige Inhalationsstudien vor. Es gibt aber auch einige Substanzen mit schlechter Datenlage. Zumindest einige Glykolether weisen ähnliche toxikologische Eigenschaften auf [ 2]. Somit ist es sinnvoll, eine stoffübergreifende Bewertung vorzunehmen, um eine vergleichbare Behandlung der einzelnen Stoffe bei der Ableitung von Richtwerten zu erlauben.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob auf Basis der gut untersuchten Verbindungen auch Richtwerte für andere, schlecht untersuchte Glykolether abgeleitet werden können. Dies ist entweder durch "read across" möglich, d. h. Übertragung der Ergebnisse von einer auf eine andere Verbindung oder durch eine Stoffgruppenbetrachtung [ 4]. Voraussetzung für die Anwendung von Stoffgruppenbetrachtungen in der Toxikologie ist, dass für eine Gruppe von Chemikalien mit ähnlichen Struktureigenschaften typische und übereinstimmende toxikologische Eigenschaften gefunden werden. Im Folgenden werden daher die relevanten toxikologischen Eigenschaften der Gruppe der Glykolether in Hinblick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede analysiert und daraus Vorschläge für Richtwerte abgeleitet.

Diese Begründung stützt sich im Wesentlichen auf den Review von ECETOC ("European center for Ecotoxicology and Toxicology of Chemicals" [ 2]). Für die zur Beurteilung der Glykolether besonders wichtigen Endpunkte wiederholte Verabreichung und Reproduktionstoxizität wurde die neuere Literatur recherchiert sowie alle bewertungsrelevanten Studien ausgewertet.

Abb. 1 Allgemeine Strukturformel für Glykolether, -ester und -diether

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Addendum

Die Datenblätter zu den Richtwerten für 14 Glykolether bzw. Glykolester in der Innenraumluft stehen als Supplementary Material zu diesem Artikel unter dx.doLorg/10.1007/s00103-012- 1597-x und http://www.umweltbundesamt.de/ gesundheit/innenraumhygiene/richtwerteirluft. htm zum Herunterladen bereit.

Zusammenfassung

Zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung setzt die Adhoc-Arbeitsgruppe Innenraumrichtwerte der Kommission Innenraumlufthygiene und der Obersten Landesgesundheitsbehörden Richtwerte für die Innenraumluft fest. Für eine gesundheitliche Bewertung von Glykolethern und Glykolestern in der Innenraumluft wurde mit dem Ziel einer einheitlichen Bewertung die gesamte Stoffgruppe mit Daten zu 47 Verbindungen analysiert. Für einige Glykolether stehen Effekte auf das Reproduktionssystem und hämatologische Effekte im Vordergrund, während andere zu Effekten in Leber und Niere führen. Darüber hinaus wurden bei einigen Glykolethern auch Reizwirkungen im Atemtrakt nachgewiesen. Für 14 Verbindungen lagen aussagefähige Inhalationsstudien vor oder es konnten Analogien zu eng verwandten Verbindungen hergestellt werden. Für diese Stoffe wurden individuelle Richtwerte abgeleitet, die für den Richtwert I der jeweiligen Verbindung zwischen 0,02 und 2 mg/m3 liegen (Tab. 1). Bei der Ableitung der Richtwerte wurde die zeitliche Exposition der Bevölkerung im Vergleich zu Beschäftigten oder Tierversuchen berücksichtigt, die Dauer der jeweiligen Studie, die interindividuelle Variabilität mit einem Faktor von 10 und die bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen höhere Atemrate mit einem Faktor von 2. Zur Extrapolation vom Versuchstier auf den Menschen wurden toxikodynamische Unterschiede in der Regel mit einem Faktor von 2,5 berücksichtigt. Für Verbindungen mit unzureichender Datenlage wurden auf Basis statistischer Auswertungen der Daten zu allen Glykolethern ein Default-Richtwert II von 0,05 ml/m3 und ein Default-Richtwert I von 0,005 ml/m3 vorgeschlagen. Zur Gesamtbewertung aller gefundenen Glykolether und Glykolester in der Innenraumluft wird das Verhältnis aus der Konzentration jeder Verbindung, geteilt durch ihren Richtwert, gebildet und zu einem Summenrichtwert addiert. Die Summenrichtwerte gelten als eingehalten, wenn ihr Wert jeweils 1 unterschreitet.

Schlüsselwörter

Glykolether
Innenraumluft
Wiederholte Verabreichung
Reproduktionstoxizität
Richtwert

1 Stoffidentifikation

1.1 Nomenklatur

Für Glykolether haben sich verschiedene Nomenklatursysteme eingebürgert (Tab. 3). So existieren beispielsweise für einen Butylether des Dipropylenglykols

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