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KAS 14 - Merkblatt Verstopfungen von Rohrleitungen
Kommission für Anlagensicherheit (KAS)
Fassung 06/2014aufgehoben
(siehe auch TRBS 2141)
Die Kommission für Anlagensicherheit (KAS) ist ein nach § 51a Bundes-Immissionsschutzgesetz beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit gebildetes Gremium.
Ihre Geschäftsstelle ist bei der GFI Umwelt - Gesellschaft für Infrastruktur und Umwelt mbH in Bonn eingerichtet.
Anmerkung:
Dieses Werk wurde mit großer Sorgfalt erstellt. Dennoch übernehmen der Verfasser und der Auftraggeber keine Haftung für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie für eventuelle Druckfehler. Aus etwaigen Folgen können daher keine Ansprüche gegenüber dem Verfasser und/oder dem Auftraggeber gemacht werden.
Dieses Werk darf für nichtkommerzielle Zwecke vervielfältigt werden. Der Auftraggeber und der Verfasser übernehmen keine Haftung für Schäden im Zusammenhang mit der Vervielfältigung oder mit Reproduktionsexemplaren.
Vorwort
Nach § 51a Abs. 2 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) soll die Kommission für Anlagensicherheit (KAS) gutachtlich Möglichkeiten zur Verbesserung der Anlagensicherheit aufzeigen.
Die dazu durchgeführte Erfassung und Auswertung sicherheitsbedeutsamer Ereignisse durch die Kommission für Anlagensicherheit hat das Ziel, Erkenntnisse zum sicheren Betrieb von Anlagen zu gewinnen, um sie zu verbreiten und deren Umsetzung in der Praxis zu ermöglichen. Dadurch sollen ähnliche Ereignisse künftig vermieden und der Stand der Sicherheitstechnik, des technischen Regelwerkes und des Sicherheitsmanagements weiter entwickelt werden.
Bei der Auswertung von Ereignisberichten durch den früheren Unterausschuss Ereignisauswertung (UA-ER) der Störfall-Kommission (SFK) sind in einigen Fällen Gemeinsamkeiten bezüglich Ursachen, Auswirkungen oder Ereignisart festgestellt worden. Ereignisse mit gemeinsamen Merkmalen wurden zu Schwerpunktthemen zusammengefasst.
Das frühere Merkblatt "Verstopfungen von Rohrleitungen" (SFK-GS-39) basiert auf Vorkommnissen in Leitungen und Leitungssystemen zum innerbetrieblichen Transport fluider Medien. Aufgrund neuer Erkenntnisse hat der Ausschuss Ereignisauswertung der Kommission für Anlagensicherheit eine Ergänzung des Merkblattes vorgenommen.
Gegenüber der Fassung des Merkblattes KAS-14 von November 2009 ist in dieser Fassung das Ereignis Nr. 17a neu aufgenommen worden.
1 Einleitung
Das Merkblatt "Verstopfungen von Rohrleitungen" richtet sich an Betreiber und Planer von Prozess anlagen, sowie an Überwacher und Sachverständige. Diese sollen auf mögliche Gefahren für Menschen und Umwelt hingewiesen und für besondere Gefahrenschwerpunkte sensibilisiert werden.
Das Merkblatt gibt Hinweise bezüglich
Die aufgeführten Störungen basieren auf der Auswertung von realen Ereignissen und erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.
Das Merkblatt "Verstopfungen von Rohrleitungen" stellt eine zusätzliche Informationsquelle bei der Auslegung und dem Betrieb von Rohrleitungen dar.
2 Anwendungsbereich
Rohrleitungen stellen für den innerbetrieblichen Transport 1von Fluiden das wichtigste Verbindungsmedium dar. Die Förderung der Fluide erfolgt durch ein Druckgefälle zwischen Quell- und Zielort, so dass innerhalb der Rohrleitungen während des Förderprozesses in der Regel ein erhöhter Druck herrscht.
Konstruktion, Montage, Betrieb und Instandhaltung von Rohrleitungen werden durch die gehandhabten Stoffe, Prozess- und Umgebungsparameter bestimmt. Dieses Merkblatt beschreibt insbesondere Gefahren, die auf Grund einer unzureichenden Berücksichtigung dieser Parameter auftreten können.
3 Störungsursachen
3.1 Erstarren von Medien
Bei niedrigen Umgebungstemperaturen und unzureichender Isolierung bzw. Beheizung können die in Rohrleitungen geförderten Medien erstarren und einen Pfropf bilden.
3.2 (Polymerisations-) Reaktionen
Reaktionen zwischen dem Rohrleitungsmaterial und dem zu fördernden (aggressiven) Medium können zu Ablagerungen der Reaktionsprodukte und damit zu Verstopfungen führen.
In diskontinuierlich betriebenen Rohrleitungen (z.B. Probenahmestutzen) sowie in nicht durchströmten Rohrleitungsstücken (z.B. nicht genutzte T -Stücke oder tote Winkel hinter Armaturen) kann es bei reaktiven Chemikalien (z.B. Monomeren) zu unerwünschten (Polymerisations-) Reaktionen kommen, die zu einer Verstopfung der Rohrleitung führen.
Einige Medien sind nur warm pumpfähig, gleichzeitig neigen sie zu einer thermisch induzierten Polymerisation. Werden die entsprechenden Rohrleitungen beheizt, kann die Oberflächentemperatur der Rohrwandung die Polymerisationstemperatur übersteigen und die Polymerisation auslösen.
3.3 Agglomeratbildung, Ablagerungen und Verbleib von Fremdkörpern
Einige Stoffe (z.B. waschaktive Substanzen) durchlaufen in Abhängigkeit ihrer wässrigen Verdünnung ein Maximum der Viskosität, andere Stoffe neigen (z.B. durch Feuchtigkeitseinfluss) zum "Verbacken" oder zu Agglomeratbildung, was ebenfalls zu Verstopfungen führen kann.
Verstopfungen können auch auftreten bei dem Transport feststoffhaltiger Flüssigkeiten, wenn der Feststoff an Stellen geringer Strömungsgeschwindigkeit sedimentieren kann.
Bei Rohrleitungen mit ungünstiger geometrischer Gestaltung können Fremdkörper z.B. nach Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten zu Verstopfungen führen.
4 Auswirkungen
4.1 Druckaufbau in der Rohrleitung mit Bauteilversagen
Durch eine Verstopfung kann es in Rohrleitungen zu einem Druckaufbau kommen. Neben dem Druck des Förderorgans (z.B. Pumpe) ist auch die thermische Ausdehnung einer beidseitig eingeschlossenen Flüssigkeit (z.B. in Folge einer Erwärmung durch eine Begleitheizung oder durch Sonnenbestrahlung) für eine Druckerhöhung zu berücksichtigen.
Wird der Auslegungsdruck von Rohrleitungen oder Dichtungen überschritten, kann es zum Bauteilversagen mit Stoffaustritt kommen.
4.2 Druckaufbau in der Rohrleitung mit Spontanentlastung
Hat sich in einer druckbeaufschlagten Rohrleitung ein Pfropf gebildet, kann dieser sich (z.B. durch Auftauen) spontan lösen. Dabei kann der Pfropf geschossartig beschleunigt werden und mechanische Schäden verursachen. Bei Pfropfen an Rohrleitungsenden (z.B. Probenahmestellen, Öffnungen) kann durch den spontan freigegebenen Durchlass das unter erhöhtem Druck stehende Fluid in unerwarteter Menge austreten.
4.3 Fehlmessung von Prozessparametern
Messstellen für Prozessparameter (z.B. Manometer, Thermometer) sind mit der eigentlichen Anlage in einigen Fällen über dünne Rohrleitungen verbunden oder befinden sich am Ende von Rohrleitungsstücken. Kommt es in der Rohrleitung vor den Messaufnehmern zu einer Verstopfung, werden die Prozessparameter falsch bestimmt und ggf. falsche Schlüsse über den Zustand der Anlage gezogen.
4.4 Versagen von Druckentlastungseinrichtungen
Werden über Druckentlastungseinrichtungen (z.B. Sicherheitsventile) Stoffe abgeführt, die erstarren oder polymerisieren können, kann es durch den entsprechenden Effekt zu einer Verstopfung und damit zum Versagen der Druckentlastungseinrichtung kommen.
4.5 Erzwingen einer falschen Strömungsrichtung
Kommt es in Rohrleitungssystemen zu einer Verstopfung, kann durch den Verschluss eine falsche Strömungsrichtung des Fluids erzwungen werden und somit unkontrollierte Wege und Reaktionen auftreten.
5 Maßnahmen
5.1 Grundlagen
Bei der Planung und bei Änderungen von Anlagen und Verfahren sind neben dem Normalbetrieb auch Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebes zu berücksichtigen. Hierzu gehört auch die Möglichkeit der Verstopfung von Rohrleitungen.
5.2 Allgemeine Maßnahmen
Allgemeine Maßnahmen gegen Verstopfungen in Rohrleitungen sind:
5.3 Probenahmestellen
Probenahmeeinrichtungen sind so zu gestalten, dass
z.B. durch das Lösen von Verstopfungen, ausgeschlossen ist.
Beim Umgang mit gefährlichen Stoffen ist z.B. eine geschlossenen Probenahme oder eine Schleuse vorzusehen.
5.4 Begleitheizungen
Bei Begleitheizungen ist stets zu berücksichtigen, dass es in einem allseits geschlossenen System zu einer Thermalexpansion und damit zu einem Druckaufbau kommen kann. Entsprechende Druckentlastungsvorrichtungen (z.B. Überströmventile) sind vorzusehen.
Beim Verlegen elektrischer Begleitheizungen ist darauf zu achten, dass eine möglichst gleichmäßige Beheizung der Rohrleitung erreicht wird.
Besteht für Rohrleitungen mit gefährlichem Stoffinhalt bei Ausfall der Begleitheizung die Gefahr, dass Teilbereiche einfrieren, sollte die Funktion der Begleitheizung überwacht werden, um gegebenenfalls rechtzeitig entleeren zu können.
Besteht ein Rohrleitungssystem aus mehreren Teilsystemen, die einzeln in Betrieb genommen werden können, ist eine Trennung der Begleitheizung in einzeln abstellbare Teilsysteme zu diskutieren.
Muss eine technische Sicherheitseinrichtung (z.B. Sicherheitsventil) begleitbeheizt werden, so ist diese Begleitheizung solange aufrecht zu erhalten, wie Produkt bei erhöhter Temperatur im System vorhanden ist.
Werden thermisch sensible Stoffe gefördert, so ist die zulässige Temperaturobergrenze festzulegen und
5.5 Messleitungen
Messleitungen können infolge Produktablagerungen, Verkieselung usw. verstopfen. Ein zusätzliches (örtliches) Messgerät kann ggf. Abhilfe schaffen. Es ist zu prüfen, ob die Verstopfung erkennende (z.B. Einperlung) oder vor Verstopfung geschützte Messverfahren (z.B. Einbau in einer Stickstoffleitung) zur Messung eingesetzt werden können.
5.6 Toträume
Toträume und Säcke, in denen sich unkontrolliert Produkt sammeln oder absetzen kann, sind grundsätzlich zu vermeiden. Sind solche Bereiche nicht auszuschließen, müssen Produktablagerungen durch Reinigungs- oder Spülvorgänge in vom Betrieb abhängigen Zeitintervallen beseitigt werden. In Folge von Umbaumaßnahmen nicht mehr benötigte T-Stücke sind durch abzweigungsfreie Rohrelemente zu ersetzen.
5.7 Instandhaltungsarbeiten
Für Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten sind in der Regel Erlaubnisscheine vorzusehen, die potenzielle Gefahren vor, während und nach den Tätigkeiten berücksichtigen.
Vor dem Öffnen eines unter Druck stehenden Systems muss dafür Sorge getragen werden, dass der zu öffnende Raum sicher vom System abgetrennt und entleert ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach einiger Zeit durch undichte Absperrarmaturen sich erneut ein Druck aufbauen kann.
Bei Anlagen ist nach einer Wasserdruckprüfung bei Temperaturen unterhalb des Gefrierpunktes für eine ausreichende Trocknung der Rohrleitungen zu sorgen.
5.8 Relevante Bestimmungen
Für den Betrieb von Rohrleitungen sind Anforderungen des Umweltschutzes und des Arbeitsschutzes zu beachten. Insbesondere sind die Bestimmungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG), Wasserhaushaltsgesetzes ( WHG) und des Produktsicherheitsgesetzes ( ProdSG) mit den zugehörigen Verordnungen sowie die Vorschriften des Sozialgesetzbuches VI (Berufsgenossenschaftliche Regeln) zu beachten.
6 Ereignisberichte
Leckage mit Produktaustritt durch Druckaufbau in Rohrleitungen
Ereignis 1
In einer Anlage kam es zu einer Störung an der elektrischen Begleitheizung einer Rohrleitung. Da das geförderte Produkt einen Schmelzpunkt oberhalb der Umgebungstemperatur besaß, froren Teile der Leitung zu. Nach der Reparatur der Begleitheizung wurde die Leitung wieder aufgetaut. Dabei wurden einzelne Bereiche stärker erwärmt als andere, so dass in der Leitung noch dichte Pfropfen vorhanden waren, während andere Teile bereits deutlich erwärmt wurden. Der so zwischen zwei Pfropfen entstandene Flüssigkeitsdruck führte zur Leckage an einer Flanschdichtung. Es traten kleinere Mengen einer stark ätzenden Aminverbindung aus, ein Mitarbeiter erlitt durch die entstandenen Nebel leichte Hautreizungen.
Ereignis 2
In einem Phosphor verarbeitenden Betrieb wird gereinigter weißer Phosphor über eine 50 m lange Produktleitung (DN 25) von einem Phosphortank zu einer Vorlage gefördert. Diese Leitung ist begleitbeheizt und zur Vorlage hin geneigt. Für Wartungsarbeiten wurde die Leitung vom Phosphortank gelöst, mit heißem Wasser gespült und blindgeflanscht. Mit dem anderen Ende tauchte sie offen in die kalte Deckwasserschicht der Vorlage ein.
Während der Wartungsarbeiten wurden über eine zweite mit dem Phosphortank verbundene Leitung Straßentankzüge befüllt. Die Heizung beider Leitungen konnte schaltungsbedingt nur gemeinsam erfolgen. Damit war die blindgeflanschte Leitung an den Abfülltagen weiter beheizt. In der vermutlich schlecht gespülten Leitung konnte daher Restphosphor in Richtung Vorlage fließen und durch Erstarren an der kalten Eintrittsstelle einen Verschluss bilden. Am Unfalltag hatte sich ein so großer Druck aufgebaut, dass die Dichtung am Blindflansch zerstört wurde und es zu einer Freisetzung von weißern Phosphor aus der Produktleitung kam. Der hohe Verteilungsgrad des ausgetretenen Phosphors führte zu einer spontanen Verbrennungsreaktion. Druckwelle und Feuerball verursachten einen größeren Schaden an Leitungen, Armaturen und der Fensterfront des Betriebes.
Ereignis 3
Eine Anlage wurde nach einem Produktionsstillstand bei Temperaturen unterhalb der Frostgrenze wieder angefahren. Da die Anlage vor dem Stillstand nicht vollständig gereinigt worden war, war eine Rohrleitung durch wasserhaltiges Produkt verstopft und es kam zu einem Druckaufbau im System. In einem Wärmetauscher kam es dabei zur Leckage, wobei Produkt in den Kühlwasserkreislauf und hierüber in die Umgebung gelangte.
Ereignis 4
In einem Tanklager für druckverflüssigte Gase wurde ein Kugelbehälter im Rahmen einer wiederkehrenden Prüfung einer Wasserdruckprobe unterzogen. Bei diesem Vorgang gelangte Wasserdampf in ein Rohrleitungsnetz, über das die Entspannungsgase der Hochfackel einer Verbrennungs anlage zugeführt werden. Auf Grund der niedrigen Außentemperatur kam es an Ventilen des Rohrleitungsnetzes durch Eisbildung zu einem Rohrleitungsverschluss.
Zur gleichen Zeit wurden in einem anderen Kugelbehälter Stoffumstellungen durchgeführt, wobei Entspannungen von Mischgasen zur Fackel vorgenommen werden mussten. Wegen des Eispfropfens im Entspannungssystem kam es zu einem Druckanstieg im Kugelbehälter und schließlich in Folge undichter Flanschverbindungen zum Austritt von Gas. Durch Anlegen von Dampfschläuchen konnte die Vereisung beseitigt und ein weiterer Gasaustritt verhindert werden.
Ereignis 5
In einem Destillationsbetrieb werden jodhaltige organische Rückstände aufbereitet. Während der Destillation wird zur Reduktion des Jods eine alkalische Natriumhypophosphit-Lösung sowie Sojaöl kontinuierlich aus Fässern zugepumpt. Die Zuführung besteht aus zwei flexiblen Gummischläuchen, die in einem Überrohr zusammengefasst sind. Während einer Füllstandsprüfung der Fässer rutschte der Schlauch auf der Druckseite der Pumpe ab und die alkalische Lösung führte zu Verätzungen des Anlagenfahrers.
Ursache für das Abrutschen des Gummischlauches, der mit einer Schlauchschelle gesichert war, war eine Verstopfung des Schlauches. In einer nachgeschalteten Untersuchung wurde die Unbeständigkeit des Schlauchmaterials gegenüber Sojaöl festgestellt. Dadurch kam es zur Auflösung der beiden Schläuche im Überrohr und durch die Reaktion von Sojaöl und Natronlauge zur Bildung eines Salzpfropfens.
Lösen von Pfropfen in druckführenden Leitungen
Ereignis 6
In einem Betrieb werden aus einer Leitung (Prozessdruck 48 bar) über eine Ermetoleitung mit zwei Ermetoventilen Proben in eine Glasflasche gezogen. Bei einer Probenahme öffnete der Mitarbeiter wegen einer Verstopfung die Ventile weiter als zum normalen Füllen der Probenflasche erforderlich gewesen wäre. Als die Leitung plötzlich frei wurde, kam es zu einem Produktaustritt, bei dem ein Mitarbeiter durch Einatmen giftiger Gase verletzt wurde.
Ereignis 7
In einem Tanklager für druckverflüssigte Gase sollte ein Kugelbehälter im Rahmen von Revisionsarbeiten einer Wasserdruckprobe unterzogen werden. Das beim Befüllen mit Wasser zu verdrängende Gasgemisch sollte zusammen mit einem Stickstoffstrom in das Rohrleitungsnetz zur Fackel (Verbrennung) geleitet werden.
Da nach dem Öffnen des Ventils kein Gasaustritt in das Rohrleitungsnetz erfolgte und es zu einem Druckanstieg im Kugelbehälter kam, vermutete das Personal, dass es aufgrund der niedrigen Außentemperatur an Ventilen des Rohrleitungsnetzes durch Eisbildung zum Rohrleitungsverschluss gekommen war.
Nach dem Lösen des endständigen Blindflansches der Rohrleitung bestätigte sich, dass die gesamte Leitung verstopft war. Der Flansch wurde wieder abgeblindet, jedoch legte sich Eis zwischen die Dichtungsflächen, so dass eine offene Stelle entstand, die zunächst unbemerkt blieb.
Zur Beseitigung der Vereisung der Rohrleitung wurde ein Dampfschlauch um die Leitung gewickelt und die Vereisung damit aufgetaut. Der Druck des Kugelbehälters konnte sich daraufhin bis zum Leitungsende fortpflanzen, wo der nicht vollständig verschlossene Blindflansch eine Gasfreisetzung ermöglichte.
Ereignis 8
An einer Rohrleitung für Isobutan war das Entwässerungsventil durch Vereisung verstopft. Daher wurde nach dem Öffnen des Ventils zunächst kein Kondensatabfluss festgestellt. Durch weiteres Öffnen des Ventils löste sich die Vereisung und es wurde plötzlich Isobutan freigesetzt, welches sich entzündete.
Ereignis 9
Die Kondensat-Entwässerungsleitung eines 40 bar-Dampfsystems war mit einem Ventil verschlossen, die drucklose Seite der Rohrleitung blieb zur Umgebung offen. In Folge einer Undichtigkeit an dem Ventil kam es zum Austritt von Kondensat, das bei niedriger Außentemperatur in der Rohrleitung zu einer Vereisung und zum Verschluss führte. Der zwischen undichtem Ventil und der Vereisungsstelle entstandene Druck blieb unerkannt.
Beim Auftauen der Vereisung wurde der Eispfropfen geschossartig in der Leitung beschleunigt. Beim Auftreffen auf einen 90° C-Bogen entstanden so hohe Kräfte, dass die Leitung (DN 50) aus ihrer massiven Halterung gerissen und verbogen wurde.
Ereignisse in Folge Verstopfen von Druckentlastungseinrichtungen
Ereignis 10
In einem Flachbodentank wurde ein Stoff mit einem Schmelzpunkt von 40 °C bei ca. 100 °C flüssig gelagert. Der Tank wurde bei Atmosphärendruck betrieben, die Gasphase mit Stickstoff überlagert. Zur Vorbereitung von Reparaturarbeiten wurde der Tank bis auf ein Volumen von ca. 2 m3 entleert (Restfüllstand ca. 5 cm). Bei den Reparaturarbeiten wurde danach auch die Beheizung der Überdrucksicherung abgestellt. Dies führte zum Zukristallisieren des Flammensiebes oberhalb der Überdrucksicherung. Durch den einströmenden Stickstoff kam es zum Druckaufbau im Lagerbehälter und infolge eines unzulässigen Überdrucks zu einem Schaden durch plastische Verformung.
Ereignis 11
In einem Schienentankwagen mit Methacrylsäure kam es zu einer durchgehenden Polymerisationsreaktion. Das Druckentlastungsventil des Behälters wurde durch das Polymer verstopft und blockiert, so dass kein Druckausgleich mehr erfolgen konnte. Es kam zu einer Explosion.
(Die Polymerisation wurde wahrscheinlich durch die Anwesenheit von Eisenspuren ausgelöst. Diese wiederum werden auf die Korrosion des Edelstahltanks zurückgeführt, die durch eine saure Waschlösung verursacht wurde. Der Tankwagen aus Edelstahl wurde zum erstenmal eingesetzt, üblicherweise wurden Tankwagen mit einer Kunstharzbeschichtung verwendet.)
Fehlmessungen von Prozessparametern
Ereignis 12
An einem Schaufeltrockner war nach einer Überfüllung die Leitung zur Druckmessung durch Produkt verstopft. Daher wurde ein Überdruck im Trockner nicht erkannt und beim Öffnen des Trockners trat der ätzende Stoff aus.
Ereignis 13
Der Inhalt eines im Freien aufgestellten Acrylsäuretanks wurde mittels einer Zirkulationspumpe ständig über zwei Rohrleitungssysteme im Kreislauf gefahren, um eine gleichmäßige Verteilung des Inhibitors im Gemisch sicherzustellen und die Temperatur im Lagertank mittels eines Wärmeaustauschers konstant zu halten. Die mit dem Tank verbundenen Rohrleitungssysteme führten u. a. durch das benachbarte Gebäude.
Aufgrund eines Ausfalls der elektrischen Energieversorgung, kam die Zirkulationspumpe zum Stillstand und die Beheizung des Gebäudes fiel aus. Bei niedrigen Außentemperaturen kühlte das Gebäude schnell aus und in nicht isolierten Rohrleitungsabschnitten kam es durch Auskristallisation der Acrylsäure zur Verstopfung. Die Temperaturüberwachung war in einem nicht eingefrorenen Rohrleitungsbereich installiert, weshalb die Produkttemperatur nicht richtig erfasst wurde.
Nach ca. 30 Minuten konnte die Anlage wieder in Betrieb genommen werden. Hierbei förderte die Zirkulationspumpe gegen die verstopfte Leitung, wodurch sich die Temperatur der Acrylsäure auf der Druckseite der Pumpe stark erhöhte und eine Polymerisationsreaktion einsetzte. Nach dem Auftauen der eingefrorenen Leitungsabschnitte gelangten die Polymerisationskeime über die Kreislaufleitung in den Lagertank zurück, wo eine zunächst langsam verlaufende Polymerisationsreaktion in Gang gesetzt wurde. Diese beschleunigte sich und führte nach vier Tagen zum Bersten des Lagertanks und einem anschließenden Brand.
Falsche Strömungsrichtung in Folge von Verstopfungen
Ereignis 14
In der Absorptionskolonne einer Zinntetrachlorid anlage wurden chlorhaltige Abgase mit Natronlauge im Kreislauf berieselt und dadurch das Chlor ausgewaschen. Durch eine abweichende Spezifikation der Natronlauge kristallisierte diese aus, es kam zu einer Verstopfung des Natronlaugeablaufs der Abgasabsorption und zum Austritt von Chlorgas.
Ereignis 15
In einer Porzellankolonne wird durch Oleumdestillation erzeugtes SO3 mit H2SO4 absorbiert. Bei Reparaturarbeiten an der Kolonne fielen teilweise Füllkörper in das Kolonnenunterteil. Beim Anfahren der Absorptionskolonne wurden diese in die Säureablaufleitung gespült und führten dort zum Stau der Schwefelsäure bis in Höhe des SO3-Gasaustritts. Damit kam es zur Verlagerung der Absorption, einschließlich der Wärmetönung, in die Gaseintrittsleitung. Die Leitung platzte infolge der Wärmespannungen und ca. 140 kg SO3-Gas wurden freigesetzt.
Ereignis 16
In einer Anlage wurde gasförmiges SO3als Reaktand eingesetzt. Das überschüssige SO3 wurde durch einen Flüssigkeitsstrahler abgesaugt, mit Wasser ausgewaschen und zu Schwefelsäure umgesetzt.
Auf Grund der tiefen Außentemperaturen kristallisierte SO3als Feststoff im Bereich der Ansaugleitungen aus und der Flüssigkeitsstrahler versagte. Nach Erkennen der Störung wurde die Anlage sofort abgefahren und die SO3-Zufuhr abgestellt. Trotzdem kam es zu einem Austritt von gasförmigen SO3, da das flüssig in einen Verdampfer zudosierte Schwefeltrioxid noch nachverdampfte.
Ereignis 17
Ein Lagerbehälter wurde mit Oleum befüllt und das Rohrleitungssystem anschließend mit Druckluft gespült. Um den notwendigen Druckausgleich zu gewährleisten, verfügte der Oleum-Lagertank über eine Entlüftungsleitung, die mit einer Abgas-Reinigungs anlage verbunden war. Diese Entlüftungsleitung hatte sich auf Grund der tiefen Außentemperaturen mit SO3-Kristallen zugesetzt.
In Folge der verstopften Abgasleitung entstand im Lagerbehälter ein leichter Überdruck, wodurch flüssiges Oleum aus dem Behälter über die Abgaswäsche ins Freie gelangte. In Verbindung mit der Feuchtigkeit der Luft bildete sich "rauchende Schwefelsäure", die das Betriebsgelände vernebelte.
Ereignis 17a
Ein Eisenbahnkesselwagen (EKW) von 24 m3, der mit Oleum befüllt war, wurde über eine Produkttransferleitung und eine Gaspendelleitung mit einem Lagertank verbunden. Die Übernahme des Oleums aus dem EKW zum stationären Behälter erfolgt mittels Tauchpumpe. Die Entlüftungsleitung des Lagertanks ist mit einer Abtauchung (Schwefelsäure 95 %) zum Abluftwäscher ausgerüstet. An die, mit 0,03 bar Unterdruck betriebene, Entlüftungsleitung des Lagertanks ist ein beheizter Dosierschrank mit offener Absaugung angeschlossen.
Bei der Übernahme von Oleum aus dem beheizbaren EKW in den Lagertank war der Entlüftungsstutzen (Anschluss der Gaspendelleitung) des EKW durch Oleum-Kristalle blockiert.
Infolge der Beheizung 2 des EKW und der fehlenden Entlüftungsmöglichkeit stieg der Innendruck im EKW an. Infolgedessen wurde das Oleum durch die angeschlossene geöffnete Produkttransferleitung in den Lagerbehälter gedrückt. Nachdem der Inhalt des EKW durch den entstandenen Überdruck in den Lagertank entleert war, entspannte sich die Gasphase aus dem EKW entweder durch die Produkttransferleitung oder durch den gelösten Verschluss in der Gaspendelleitung in den Lagertank.
Der spontane Druckausgleich führte zur kurzzeitigen Überlastung des Entlüftungssystems im Lagertank. Daraus resultierte ein Austritt von SO3-Gasen aus der offenen Entlüftungsklappe des ebenfalls an das Entlüftungssystem angeschlossenen Dosierschrankes.
Verstopfungen als Ursache für Undichtigkeiten
Ereignis 18
In einer Ölraffinerie blieb in einer Anlageneinheit zur Abtrennung von Asphalt und Propan nach einem Entnahmevorgang von hoch siedenden Kohlenwasserstoffen (Asphalt, Schweröle) ein Ablassventil aufgrund der Verstopfung durch Asphalt versehentlich teilweise geöffnet. Da die Entnahme der hochsiedenden Kohlenwasserstoffe über ein gegenüber der Atmosphäre offenes System erfolgte und keine Information über die Stellung des Ventils vorlag, wurde die Störung nicht bemerkt. Beim Ablassen eines niedrig siedenden Kohlenwasserstoffs (Propan) löste sich die Verstopfung durch den anliegenden erhöhten Druck und der brennbare Stoff wurde in die Atmosphäre freigesetzt.
Ereignis 19
Das Absperrventil eines Entspannungsleitungs-Systems in einer Ölraffinerie wurde durch Ablagerungen blockiert und war nicht mehr gasdicht. Zur Instandsetzung sollte das Ventil ausgebaut werden. Im Rahmen der Instandsetzungsarbeiten wurde der betroffene Leitungsabschnitt durch Ventile vermeintlich vollständig abgesperrt und mit dem Ausbau des defekten Absperrventils begonnen. Da auch diese Ventile verstopft waren und nicht vollständig schlossen, kam es zur Freisetzung von brand- und explosionsfähiger Flüssigkeit und nachfolgend zu einem Brand in der Ölraffinerie.
Im Entspannungsleitsystem bildeten sich über Jahre hinweg Ablagerungen, die zur Verstopfung der Ventile führten. Da die Schließfunktion der Ventile nicht überprüft werden konnte, war die Verstopfung und unzureichende Schließwirkung nicht ohne weiteres erkennbar.
Ereignis 20
Eine Kreislaufpumpe, die in einer Raffinerie bei einem Systemdruck von 8 bar 200 °C heißes Produkt (sog."Vakuumdestillat") fördert, war defekt und musste repariert werden. Zu diesem Zweck wurde ein Ersatzaggregat in Betrieb genommen. Die defekte Pumpe wurde abgestellt, abgeschiebert und gespült.
Bei der späteren Demontage des Pumpendeckels wurden die Reparaturschlosser mit einem Schwall heißen Produkts übergossen. Aufgrund eines undichten Schiebers - im Durchgang zur Pumpe hatte sich verharztes Produkt abgelagert - konnte nach dem Entleeren und Spülen der Pumpe wieder heißes Produkt in den Pumpenraum gelangen und den Systemdruck von 8 bar aufbauen.
Sonstige Ereignisse im Zusammenhang mit Verstopfungen
Ereignis 21
Die Eintrittsleitung eines Tanks, in dem sich Aceton, Hexan, Xylol und Soda befand, war verstopft. Die Blockade wurde mit Druckluft beseitigt. Die Druckluft reagierte chemisch mit dem Tankinhalt. Die Folge war eine durchgehende Reaktion und die Explosion des Tanks.
Ereignis 22
In einer Düngemittelherstellung kam es nach einer Prozessumstellung zu einer Vermischung von Stoffen des alten und des neuen Prozesses. Aufgrund einer Verstopfung am Auslass eines Sprühtrockners erhöhten sich Verweilzeit und Temperatur des Produktes. Eine Zersetzungsreaktion setzte ein und führte zur Freisetzung eines toxischen Stoffes sowie zu Sekundärbränden.
Die Ursache für die Verstopfung am Auslass des Trockners ist möglicherweise, dass nach dem Chargenwechsel Stoffe aus unterschiedlichen Prozessen miteinander in Kontakt kamen und aushärteten.
Ereignis 23
Im Zuge der Instandsetzung eines Entleerungsventils sollte eine Entpropaner- Kolonne über eine Entspannungsleitung druckentlastet werden. Die zu einem Auffangbehälter führende Entspannungsleitung war an der tiefsten Stelle mit einem Sammelbehälter für Flüssigkeit versehen. Da der Abfluss am Sammelbehälter aufgrund von Schmutzablagerungen verstopft war, befand sich eine große Flüssigkeitsmenge in der Entspannungsleitung. Bei der Druckentlastung traf Flüssiggas auf die Flüssigkeitsvorlage in der Leitung; die resultierenden Kräfte bewirkten eine Verschiebung und Beschädigung der Leitung.
Ereignis 24
Zur Herstellung des Wirkstoffes Fentanylbase wurde eine Fentanylbase/n-Heptan-Suspension (gekühlt) mittels Stickstoff vom Rührkessel in eine Filternutsche gedrückt. Während dieses Prozesses wurde festgestellt, dass ausschließlich Flüssigkeit und kein Feststoff vom Kessel zur Filternutsche transportiert wurde. Daraufhin wurde die Flüssigkeit mit Unterdruck zurückgezogen. Danach fand eine erneute Beaufschlagung statt. Anschließend kam es zur Zündung des Gemisches und Freisetzung aus der Filternutsche.
Eine Verstopfung führte zur Störung des Stoffstromes. Durch das Zurückziehen der Flüssigkeit wurde die Inertisierung aufgehoben.
7 Literatur
Interne Ereignisdatenbank der KAS bei der BAM Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung. 1) Rohrfernleitungen unterliegen einem eigenen Regelwerk und sollen hier nicht näher betrachtet werden.
2) Redaktionelle Anmerkung: Niedrige Außentemperatur
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(Stand: 17.12.2025)
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