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Regelwerk

LV 9 - Handlungsanleitung zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen beim Heben und Tragen von Lasten
Veröffentlichung des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI)

(Quelle: lasi-info.com; Ausgabe 04/2001;06/2023 aufgehoben)




Vorwort zur 4. veränderten Auflage

Vor fünf Jahren wurde, nachdem die Lastenhandhabungsverordnung in Kraft getreten war, die Handlungsanleitung zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen beim Heben und Tragen von Lasten erstmals vom Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) veröffentlicht. Seitdem sind mehr als 15.000 Exemplare in Deutschland verteilt worden. Sicherheitsfachkräfte, Betriebsärzte, Arbeitsgestalter sowie Aufsichtskräfte der Unfallversicherungsträger und der Arbeitsschutzbehörden haben das Kernstück dieser Handlungsanleitung, die Leitmerkmalmethode, angewendet. Ihre dabei gesammelten Erfahrungen sind von den Autoren der Methode zusammengetragen und ausgewertet worden / 1/. Eine Reihe von Hinweisen konnte in dieser Auflage der Handlungsanleitung berücksichtigt werden. Das Arbeitsblatt und auch die Bewertungsverfahren wurden modifiziert.

Wie aktuell diese Thematik auch heute noch ist, beweist die Tatsache, dass die Problematik der Muskel- und Skelett-Erkrankungen in den Mittelpunkt der Europäischen Woche 2000 für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit gestellt wurde. Der Prävention dieser Erkrankungen muss auch in Zukunft eine hohe Bedeutung beigemessen werden. Neben menschlichem Leid verursachen sie jährlich Produktionsausfallkosten in Höhe von 23 Milliarden DM sowie weitere 49 Milliarden DM für stationäre und ambulante Betreuung, Medikamente und Heil- bzw. Hilfsmittel. Die Leitmerkmalmethode / 2/ hat sich zur Gefährdungsbeurteilung beim Heben und Tragen bewährt und wird auch in ihrer modifizierten Form einen wichtigen Beitrag zur Prävention von Muskel-Skelett-Erkrankungen leisten.

Potsdam, April 2001

Ernst-Friedrich Pernack


Vorwort der 1. Auflage

Eine angemessene körperliche Aktivität des Menschen dient der Erhaltung und Förderung wichtiger Funktionen, insbesondere des Herz-Kreislauf- und des Bewegungssystems. Fehl- und Überbelastungen in Form von schwerer körperlicher Arbeit, so bei der Handhabung schwerer Lasten in ungünstigen Körperhaltungen, können dagegen zur "Materialermüdung", zu Verschleißerscheinungen und anderen Schäden führen.

Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems zählen zu den am häufigsten genannten Gründen für krankheitsbedingte Fehlzeiten. Wie bisherige Untersuchungen belegen, sind Arbeitsbelastungen nicht unwesentlich an der Entstehung und Unterhaltung von Muskel-Skelett-Erkrankungen beteiligt.

Mit der EG-Richtlinie 90/269/EWG über Mindestvorschriften bezüglich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der manuellen Handhabung von Lasten werden Mindestforderungen an Arbeitsbedingungen formuliert. Danach sind die Arbeitgeber unter anderem verpflichtet, die Arbeitsbedingungen hinsichtlich ihrer möglichen gesundheitsschädigenden Wirkung zu beurteilen und falls erforderlich, Gestaltungsmaßnahmen abzuleiten. Die Richtlinie orientiert auf eine menschengerechte Gestaltung der Arbeit mit dem Ziel, tätigkeitsbedingte gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Schädigungen weitestgehend zu vermeiden und die Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer zu erhalten.

Auf der Grundlage des Gesetzes über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz - ArbSchG) wurde mit der Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der manuellen Handhabung von Lasten bei der Arbeit (Lastenhandhabungsverordnung - LasthandhabV) die Richtlinie 90/269/EWG in deutsches Recht umgesetzt.

Der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) hat seinen Unterausschuss 6 "Arbeitsstätten und Ergonomie" beauftragt, aus der großen Zahl wissenschaftlicher Publikationen und z. T. konträren Positionen der Autoren eine praxistaugliche Methodik für die Erfassung und Bewertung der Belastungen durch manuelle Handhabung von Lasten abzuleiten. Damit wird ein Beitrag zur Einführung der Lastenhandhabungsverordnung, die am 20. Dezember 1996 in Kraft getreten ist und die die Umsetzung o. g. EG-Richtlinie in das deutsche Recht darstellt, in die betriebliche Praxis geleistet.

Durch eine Arbeitsgruppe von Mitarbeitern aus den Arbeitsschutzverwaltungen der Bundesländer Thüringen und Brandenburg sowie aus der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wurde in Abstimmung mit dem LASI-Unterausschuss 5 "Arbeitsmedizin" und einer Reihe von Fachexperten, denen an dieser Stelle für Ihre Hinweise gedankt sei, eine mehrstufige Vorgehensweise entwickelt. Die erste Stufe, das orientierende Verfahren, versetzt die Arbeitgeber branchenunabhängig in die Lage, den Verpflichtungen aus der Lastenhandhabungsverordnung nachzukommen, Belastungen am Arbeitsplatz durch Hebe- und Tragetätigkeiten hinsichtlich ihres Gefährdungspotentials zu beurteilen, Gestaltungsdefizite zu erkennen und präventiv tätig zu werden. Zugleich wird den Aufsichtskräften der staatlichen Arbeitsschutzverwaltungen und der Unfallversicherungsträger ein Instrumentarium zur Einschätzung und Überprüfung der mit manueller Lastenhandhabung verbundenen Gefährdung zur Verfügung gestellt.

Potsdam, Dezember 1996

Ernst-Friedrich Pernack


1 Grundlagen der Bewertung körperlicher Arbeit

Schwere körperliche Arbeit stellt hohe Anforderungen an das Herz-Kreislauf-System, die Atmung und den Stütz- und Bewegungsapparat. Während maßvolle, den Leistungsvoraussetzungen des Menschen entsprechende Belastungen zur Erhaltung und Förderung der Körperfunktionen erforderlich sind, können Fehl- oder Überbelastungen zu Leistungsminderungen und/oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen / 3/.

Die Fähigkeit, Lasten zu handhaben, wird in erster Linie durch die an der Lastenhandhabung beteiligte Muskulatur begrenzt. Gesundheitliche Störungen, akuter oder chronischer Art, treten überwiegend im Bereich des Stütz- und Bewegungssystems auf / 4/.

Die Bewertung von Tätigkeiten, die mit der Manipulation von Lasten verbunden sind, erfordert geeignete Kriterien. Das in der Literatur diskutierte 4-Kriterien-Modell kommt dabei der Komplexität des Belastungs- und Beanspruchungsmodells am nächsten. Neben physiologischen und biomechanischen Parametern werden psychophysikalische und, soweit vorhanden, epidemiologische Erkenntnisse zum Vergleich herangezogen / 5/.

Welche physiologischen Faktoren für die Bewertung herangezogen werden können, ist von der Form der körperlichen Arbeit abhängig. Dynamische Arbeit kann anhand der Höhe des Muskelstoffwechsels - gemessen durch die Sauerstoffaufnahme oder indirekt durch die Herzschlagfrequenz - einer Bewertung zugeführt werden. Für statische Arbeit sind die aufgewendete Muskelkraft, die Belastungszeiten, die Aufeinanderfolge der Belastungen und biomechanische Betrachtungen zur Beurteilung geeignet. Als psychophysikalische Vergleichsgröße zur Beschreibung der Beeinträchtigungsfreiheit existieren derzeit maximal akzeptierte Lasten für ausgewählte Hebeaufgaben.

Die Beurteilung von Hebe- und Tragetätigkeiten war bis zum Inkrafttreten des Arbeitsschutzgesetzes in Deutschland nur für ausgewählte Berufs- oder Arbeitnehmergruppen vorgeschrieben. Im Folgenden wird insbesondere auf die Gesundheitsgefährdung und die rechtliche Situation zur Belastungsbeurteilung bei Hebe- und Tragetätigkeiten eingegangen.

2 Zur Gesundheitsgefährdung

Verschiedenartige mechanische Belastungen können, sofern die Belastbarkeit der entsprechenden Abschnitte des Stütz- und Bewegungssystems überschritten wird, zu krankhaften Veränderungen führen. So, wie langjährig ausgeführte Arbeiten in kniender Körperhaltung häufig Meniskusschäden bedingen, kann langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten zu Überforderungen in den belasteten Abschnitten des Muskel-Skelett Systems führen und insbesondere die Wirbelsäule schädigen.

Wenngleich längst nicht alle Schädigungsmechanismen aufgeklärt sind, so lässt das derzeitige Wissen dennoch die Ableitung einer Reihe begründeter Maßnahmen zur Verhinderung von Verschleißkrankheiten der Wirbelsäule zu.

Die Wirbelsäule mit ihren 24 freien Wirbelkörpern, auf dem knöchernen Becken aufsitzend und verbunden durch dazwischengelegene Bandscheiben und von den das Rückenmark umschließenden Wirbelbögen ausgehenden kleinen Wirbelgelenken (facettengelenke), dient zusammen mit Bändern und Rückenmuskulatur als zentrales Achsorgan der Stellung des Körpers im Raum. Die Rückenmuskulatur selbst erlaubt im Zusammenspiel mit der gesamten Skelettmuskulatur die Bewegung des Körpers im Raum. Gleichzeitig ist sie ein wichtiges Kompensationselement für die von außen wirkenden Kräfte beim Lastentransport.

Die natürlichen Krümmungen der Wirbelsäule erhöhen die Flexibilität der Wirbelsäule und verbessern ihre Dämpfungs- und Federungsfunktion.

Die Kräfte, die in den verschiedenen Bereichen der Wirbelsäule wirken, nehmen von der oberen Hals- zur unteren Lendenwirbelsäule zu. Ausdruck hierfür ist die in gleicher Richtung zunehmende Masse der Wirbelkörper.

Die zwischen den Wirbelkörpern gelegenen Bandscheiben bestehen aus einem zentralen Gallertkern, der von einem Faserring eingeschlossen wird. Die Fasern dieses Ringes sind gleichsam scherengitterartig schichtweise angeordnet und in der Grund- bzw. Deckplatte (Knorpelplatte) der übereinander gelegenen Wirbelkörper fest verankert.

Da der Gallertkern physikalisch dem Wasser vergleichbare Eigenschaften aufweist, sich also praktisch nicht komprimieren lässt, wird die beim Lastentransport entstehende Kompressionskraft auf die Fasern des umschließenden Ringes und damit als Zugkräfte auf den Wirbelkörper übertragen (s. Abb. 1).

Abb. 1 Verteilung axial angreifender Druckkräfte im Gallertkern und in den Ringfasern der Bandscheibe bei parallel untereinander stehenden Wirbelkörpern / 6/

Experimentelle Untersuchungen haben gezeigt, dass es bei Überschreitung bestimmter axialer Kompressionskräfte und intaktem Faserring zu Einbrüchen in die Deck- und Schlussplatten der Wirbelkörper kommt.

Eine solche, wie in Abbildung 1 dargestellt, quasi symmetrisch auf die Bandscheibe wirkende Kompressionskraft ist in der Betriebspraxis nur selten anzutreffen.

Allein beim Anheben und Absetzen einer Last treten mit der Änderung der physiologischen Krümmungen der einzelnen Wirbelsäulenabschnitte durch Beugung und Streckung im Bewegungssegment andere Kraftverteilmuster in der Bandscheibe auf (s. Abb. 2).

Abb. 2 Verteilung axial angreifender Druckkräfte im Gallertkern und den Ringfasern der Bandscheibe bei winklig untereinander stehenden Wirbelkörpern (Beugung der Wirbelsäule) / 6/

Die in Abbildung 2 gezeigten Verhältnisse sind für alle wesentlichen Zwangshaltungen mit vorgebeugtem Oberkörper - auch ohne manuelle Lastenhandhabung - charakteristisch.

Da eine Last nicht immer direkt vor dem Körper, sondern auch unter seitlicher Verdrehung angehoben wird, kommt es zu gegensätzlichen Drehungen benachbarter Wirbelkörper (Torsion) und dem Auftreten von Scherkräften. Hierdurch wird der Faserring der Bandscheibe zusätzlich belastet und nicht selten - zudem bei ruckartigem Heben - überlastet. Es kommt zu vorzeitigen und verstärkten Alterungsprozessen, zu Rissen im Fasergewebe und damit können die zentral in der Bandscheibe gelegenen Gallertsubstanzen in die Umgebung gelangen und auf das Rückenmark bzw. die aus ihm heraustretenden Nervenfasern drücken (Bandscheibenvorfall).

Eine auf diese Weise geschädigte Bandscheibe ist natürlich wesentlich weniger widerstandsfähig als eine gesunde. Hierin liegt ein Grund dafür, dass akute Bandscheibenvorfälle häufig bei alltäglichen und keineswegs nur bei überdurchschnittlich hohen Belastungen auftreten.

In Überlegungen zu den Schädigungsmechanismen der Wirbelsäule ist weiterhin einzubeziehen, dass die die Deck- und Schlussplatten der Wirbelkörper auskleidende Knorpelschicht wie auch die Bandscheiben selbst keine Blutgefäße besitzen. Das bedeutet, dass die zur Energiegewinnung notwendigen energiereichen Substanzen und der Sauerstoff durch Diffusion an den Ort des Stoffwechsels gelangen müssen. Solange beim Tragevorgang die Druckkräfte auf Bandscheibe und angrenzendes Knorpelgewebe wirken, ist dieser Vorgang - in Abhängigkeit von der wirkenden Kraft - verlangsamt bis vollständig unterbrochen.

Insofern sind die durch das Heben und Tragen schwerer Lasten ausgelösten Mechanismen krankhafter Veränderungen in den Bewegungssegmenten der Wirbelsäule sehr komplexer Natur. Sie führen schließlich zum Bandscheibenverschleiß und begleitend zu krankhaften Ab- und Umbauveränderungen u. a. im Bereich der kleinen Wirbelgelenke, die für die Auslösung der bei wiederkehrenden Belastungen chronisch auftretenden Rückenschmerzen wesentlich mitverantwortlich sind.

Aus diesen kurzen Anmerkungen über Entstehungsmechanismen von Verschleißkrankheiten der Wirbelsäule beim Heben und Tragen von Lasten lassen sich folgende grundsätzliche Vorbeugungsmaßnahmen für die Betriebspraxis ableiten, sofern ein manueller Lastentransport unumgänglich ist:

  1. Die zu hebende und zu tragende Last so gering als möglich halten (= Minimierung axialer Druckkräfte).
  2. Die Last mit "gestrecktem Rücken", d. h. mit gebeugten Knien anheben (weitgehende Aufrechterhaltung der physiologischen Krümmung der Wirbelsäule und damit Erhaltung der Dämpfungs- und Federungsfunktion und Vermeidung ungleicher Kraftverteilungen in der Bandscheibe).
  3. Lasten direkt vor dem Körper aufnehmen und absetzen (= Vermeidung von Rotations- und Scherkräften).
  4. Ununterbrochenen Trageweg und damit Tragezeit sowie gebeugte und gebückte Körperhaltung so gering als möglich halten (Aufrechterhaltung der Nährstoff- und Sauerstoffzufuhr). Beim Einlegen von Pausen sollte die Last in Greifraumhöhe "geparkt" werden.
  5. Ruckartiges Anheben der Last unbedingt vermeiden (= Erhaltung des Faserringes der Bandscheiben).

Zudem können durch regelmäßige Übungen zur Körperhaltung, die ein gezieltes Training von Rücken- und Bauchmuskulatur einschließen ("Rückenschulen"), die körperlichen Voraussetzungen zur Bewältigung von Arbeitsanforderungen beim Heben und Tragen von Lasten verbessert und Schäden der Wirbelsäule wirksam entgegen getreten werden.

3 Zur rechtlichen Situation

Das Arbeitsschutzgesetz / 7/ enthält grundsätzliche Forderungen zur Sicherheit und zum Gesundheitsschutz der Beschäftigten. Es verpflichtet den Arbeitgeber zu allgemeinen Maßnahmen der Verhütung von Unfällen und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren sowie zur menschengerechten Gestaltung der Arbeit.

Mindestvorschriften bezüglich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der manuellen Handhabung von Lasten bei der Arbeit sind in der Lastenhandhabungsverordnung (Artikel 2 der Verordnung zur Umsetzung von EG-Einzelrichtlinien zur EG-Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz vom 04. Dezember 1996 BGBl. I S. 1841) / 8/ festgeschrieben. Der breite Anwendungsbereich erstreckt sich mit wenigen Ausnahmen auf jede Art von manueller Lastenhandhabung, die auf Grund ihrer Merkmale oder der ergonomischen Bedingungen eine Gefährdung für Sicherheit und Gesundheit insbesondere der Lendenwirbelsäule mit sich bringt. Danach hat der Arbeitgeber unter Zugrundelegung des Anhangs der Lastenhandhabungsverordnung geeignete Maßnahmen zu treffen, um manuelle Handhabungen von Lasten, die eine Gefährdung für Sicherheit und Gesundheit mit sich bringen, zu vermeiden. Dort wo sich Gefährdungen nicht völlig vermeiden lassen, ist die Gefährdung möglichst gering zu halten (Minimierungsgebot).

Zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen gemäß § 5 Arbeitsschutzgesetz und § 2 (2) Lastenhandhabungsverordnung wurde im Einvernehmen mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern sowie Fachleuten der Unfallversicherungsträger und des staatlichen Arbeitsschutzes die Leitmerkmalmethode (LMM) zur Anwendung empfohlen. Mit der komplexen Bewertung einzelner Leitmerkmale werden alle für die Lastenhandhabung essentiellen Forderungen des Anhanges der Lastenhandhabungsverordnung berücksichtigt. Das Arbeitsblatt der LMM eignet sich darüber hinaus zur Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung gemäß § 6 Arbeitsschutzgesetz im Hinblick auf die Gefährdung durch Heben und Tragen von Lasten.

Die LMM wird inzwischen nicht nur von den Arbeitsschutzbehörden der Länder und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, sondern auch von Unfallversicherungsträgern wie z.B. der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Berlin / 9/ und der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen / 10/ zur Beurteilung von Hebe- und Tragetätigkeiten empfohlen. In der LMM sind Risikobereiche und Richtwerte, jedoch keine rechtlich verbindlichen Grenzwerte ausgewiesen. Sie ermöglicht ohne größeren Aufwand eine orientierende Aussage über Art und Höhe der Belastung und weist auf Interventionsschwerpunkte im Sinne der Risikominimierung hin. Für weitergehende Fragestellungen insbesondere im Berufskrankheitenfeststellungsverfahren, im Tarifrecht oder für eine komplexe Arbeitsgestaltung sind spezielle Verfahren auf der Grundlage einer umfassenden Arbeitsstudie notwendig.

Unabhängig von den Forderungen der Lastenhandhabungsverordnung gelten für besonders schutzbedürftige Personengruppen spezielle Präventionsvorschriften. So dürfen gemäß § 4 (4) des Mutterschutzgesetzes / 11/ werdende Mütter nicht mit Arbeiten beschäftigt werden, bei denen regelmäßig Lasten von mehr als 5 kg Masse oder gelegentlich Lasten von mehr als 10 kg ohne mechanische Hilfsmittel gehoben, bewegt oder befördert werden.

Für den Bereich Bergbau fordert die Gesundheitsschutz-Bergverordnung / 12/ neben einer sachgerechten Unterweisung die Vermeidung bzw. Minimierung der Gefährdung durch manuellen Lastentransport.

Die Unfallverhütungsvorschrift "Gesundheitsdienst" BGV C8 / 13/ legt fest, dass zum "Heben und Umlagern von Patienten fahrbare Hebevorrichtungen und sonstige Hilfsmittel bereitzustellen und zu verwenden sind".

Im Paragrafen 10 der Unfallverhütungsvorschrift "Müllbeseitigung" BGV C27 / 14/ werden 35 kg als maximale Einzellast definiert, die nicht weiter als 15 m getragen werden darf.

Im Sinne der Prävention von Berufskrankheiten und anderen arbeitsbedingten Erkrankungen haben einzelne Unfallversicherungsträger branchenbezogene Informationsschriften und Merkblätter herausgegeben. Im "Merkblatt zur Handhabung von Mauersteinen" BGI 695 / 15/ werden Verarbeitungsgewichte für Einhand- und Zweihandsteine angegeben. Während Zweihandsteine max. 25 kg schwer sein dürfen, sind die maximalen Verarbeitungsgewichte für Einhandmauersteine von der erforderlichen Greifspanne abhängig.

Die Informationsschriften zu "Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Transport- und Lagerarbeiten" BGI 582 / 16/ und "Kreuzweisheiten" BGI 714 / 17/ stützen sich bei der Angabe zumutbarer Lasten noch auf Empfehlungen nach HETTINGER 1977 und des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) 1981 / 18/. Darin werden zwar Einflüsse von Geschlecht, Alter sowie der Häufigkeit der Lastenhandhabung bei der Angabe von Lastgrenzen berücksichtigt. Die Darstellung lässt aber die bei der manuellen Handhabung eingenommene Körperhaltung sowie allgemeine Ausführungsbedingungen unberücksichtigt. Die angegebenen Beurteilungshilfen sind daher für eine vollständige Beurteilung der Arbeitsbedingungen gemäß § 2 (2) Lastenhandhabungsverordnung nicht geeignet.

4 Methodische Hinweise zur Belastungsanalyse

Körperliche Arbeit tritt in der Betriebspraxis in mannigfaltigen Formen auf und erfordert daher im Hinblick auf ihre Analyse und Bewertung unterschiedliche methodische Vorgehensweisen.

Eine differenzierende Betrachtung der Belastung

hat sich hierfür als zweckmäßig erwiesen. Bei der Analyse und Bewertung von Hebe- und Tragetätigkeiten stehen biomechanische Aspekte im Vordergrund der Betrachtung.

Die Auswahl eines für die wissenschaftliche Analyse der Hebe- und Tragetätigkeiten geeigneten Methodeninventars und die angemessene Beurteilung der Messergebnisse erfordern spezielle Fachkenntnisse. In den Unternehmen und Dienststellen, aber auch bei Sicherheitsfachkräften, Betriebsärzten, Aufsichtskräften der staatlichen Arbeitsschutzverwaltungen und der Unfallversicherungsträger können diese nicht in jedem Fall vorausgesetzt werden. Trotzdem sind Arbeitgeber und alle am Arbeitsschutz beteiligten Personen mit dem Inkrafttreten der entsprechenden Rechtsverordnung gehalten, eine Beurteilung der Arbeitsbelastungen durchzuführen und Maßnahmen zur Belastungsminimierung einzuleiten.

Mit dieser Handlungsanleitung wird eine gestufte Vorgehensweise zur Belastungsanalyse und -beurteilung vorgeschlagen. Wichtig ist dabei der Hinweis, dass die Belastungsanalyse nach EG-Richtlinie 90/269/EWG lediglich für die Prävention gilt und keine Bedeutung für das Berufskrankheiten-Feststellungsverfahren hat.

Das Verfahren der ersten Stufe kann Fachleuten zur Vororientierung dienlich sein, ist aber in erster Linie für den Anwenderkreis ohne besondere arbeitswissenschaftliche Kenntnisse gedacht (z.B.: Arbeitsvorbereiter, Technologen, Sicherheitsbeauftragte ...). Einzige Voraussetzung für die Anwendung ist eine gute Kenntnis der zu beurteilenden Hebe- oder Tragetätigkeit.

In der zweiten Stufe wird eine Reihe von Verfahren zur Anwendung empfohlen, die eine quantifizierte Gefährdungsbeurteilung ermöglichen. Als Anwenderkreis dieser Verfahren sind besonders geschulte Personen, Betriebsärzte, Sicherheitsfachkräfte sowie Mitarbeiter überbetrieblicher sicherheitstechnischer oder betriebsärztlicher Dienste denkbar.

Die dritte Stufe umfasst wissenschaftliche Untersuchungen zur Belastung und Beanspruchung beim Heben und Tragen von Lasten und sollte wissenschaftlichem Fachpersonal vorbehalten sein.

Tabelle 1: Gestuftes Vorgehen zur Gefährdungsbeurteilung und Bewertung körperlicher Arbeit

Stufe Inhalt Anwender
1 orientierendes Verfahren Betriebspraktiker, Arbeitgeber
2 quantitative Verfahren ergonomisch geschultes Personal
3 wissenschaftliche Untersuchungen wissenschaftliches Fachpersonal


5 Orientierendes Verfahren zur Gefährdungsbeurteilung (Erste Stufe)

5.1 Anforderungen

Ein orientierendes Verfahren hat eine Reihe allgemeiner Anforderungen zu erfüllen. Hierzu zählen insbesondere eine ausreichende Genauigkeit bei möglichst geringem Zeitaufwand. Das Verfahren muss ohne nennenswerte Einschränkungen auf die Mehrzahl der Arbeitstätigkeiten anwendbar sein und soll vom Anwender keine speziellen Fachkenntnisse verlangen.

Ein orientierendes Verfahren zur Analyse und Bewertung von Arbeitsbelastungen soll zudem Gestaltungsdefizite als Ursache für ein hohes Gefährdungspotential offensichtlich werden lassen.

In dem hierzu erarbeiteten orientierenden Verfahren sind die für die Bewertung von Arbeitsbelastungen im Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur Berufskrankheit 2108 veröffentlichten Kriterien weitestgehend berücksichtigt / 19/. Für eine Analyse und Bewertung der Wirbelsäulenbelastung im Rahmen eines Berufskrankheiten-Feststellungsverfahrens selbst ist dieses Verfahren jedoch aufgrund seines lediglich orientierenden Charakters nicht geeignet.

5.2 Die Leitmerkmalmethode

Das Verfahren wurde angelehnt an die Modellvorstellungen von WATERS et. al. / 20/ des National Institute of Occupational Safety and Health (NIOSH) erarbeitet. Die sieben am Arbeitsplatz zu erfassenden Sachverhalte des NIOSH-Verfahrens werden bei dem beigefügten orientierenden Verfahren auf vier reduziert. Anhand dieser vier Leitmerkmale Zeit, Last, Haltung und Ausführungsbedingungen wird eine Punktsumme ermittelt, die ein Maß der Belastung für die Hebe- oder Tragetätigkeit darstellt. Mit Hilfe der Punktsumme erfolgen die Zuordnung zu Risikostufen sowie die Ableitung von Gestaltungserfordernissen.

5.2.1 Leitmerkmal Zeit

Die Bestimmung der Zeitwichtung erfolgt anhand der Tabelle zum Leitmerkmal "Zeit" getrennt für drei mögliche Formen der Lastenhandhabung.

Für Tätigkeiten, die durch regelmäßiges Wiederholen kurzer Hebe-, Absenk- und Umsetzvorgänge gekennzeichnet sind, ist die Anzahl der Vorgänge bestimmend für die Zeitwichtung.

Teiltätigkeiten, die durch Halten einer Last gekennzeichnet sind, werden anhand der Gesamtdauer des Haltens (Gesamtdauer = Anzahl der Haltevorgänge x Dauer für einen einzelnen Haltevorgang) bewertet.

Für Teiltätigkeiten, die durch das Tragen einer Last gekennzeichnet sind, wird der Gesamtweg, der mit Last gegangen wird, zugrunde gelegt. Dabei wird eine mittlere Geschwindigkeit beim Laufen von ca. 4 km/h bzw. 1 m/s angenommen.

5.2.2 Leitmerkmal Last

Die Bestimmung der Lastwichtung erfolgt anhand der Tabelle zum Leitmerkmal "Last" getrennt für Männer und Frauen. Unabhängig davon gelten die Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes!

Werden im Verlauf der zu beurteilenden Teiltätigkeit unterschiedliche Lasten bewegt, so kann, sofern die größte Einzellast bei Männern 40 kg und bei Frauen 25 kg nicht überschreitet, der Lastmittelwert zur Bewertung herangezogen werden.

Zum Vergleich können auch Spitzenlastwerte verwendet werden. Dann muss jedoch die verringerte Häufigkeit zugrunde gelegt werden, auf keinen Fall darf dann die Gesamthäufigkeit aller Hebevorgänge in die Bewertung einfließen.

Bei Hebe-/Halte-/Trage-/Absetztätigkeiten ist die wirksame Last zu berücksichtigen. Mit der wirksamen Last ist die Gewichtskraft gemeint, die der Beschäftigte tatsächlich ausgleichen muss. Die Last ist somit nicht immer gleich dem Gewicht des Gegendstandes. Beim Kippen eines Kartons wirken nur etwa 50 % des Kartongewichtes.

Beim Ziehen und Schieben von Lasten ist eine gesonderte Beurteilung erforderlich.

Werden im Verlauf der Teiltätigkeiten Lasten mit unterschiedlichen Gewichten gehoben, so ist die mittlere Last für die Risikobeurteilung zu verwenden.

5.2.3 Leitmerkmal Körperhaltung

Die Ermittlung der Belastungshöhe erfordert eine gute Kenntnis der beim Heben oder Tragen eingenommenen Körperhaltung. Die für den Bewegungsverlauf charakteristische Körperhaltung kann vier Risikoklassen zugeordnet werden. Das Verfahren sieht die Möglichkeit vor, aufrechtes Gehen oder Stehen mit der Last dicht am Körper als niedriges Risiko (Wichtung 1) einzuschätzen.

In der nächsten Risikostufe ist der Umgang mit Lasten nahe am Körper schon mit geringem Vorbeugen bis etwa 30 ° oder mit geringem Vorhalten oder Verdrehen zugelassen (Wichtung 2).

Kritischer bewertet werden muss das tiefe Beugen, das weite Vorbeugen jeweils mit der zu handhabenden Last. Das Arbeiten oberhalb der Schulterhöhe muss für die Wirbelsäule nicht zwingend ein erhöhtes Risiko darstellen, sollte aber bei einer komplexen Herangehensweise wegen der raschen Muskelermüdung mit der Risikostufe 4 bewertet werden (Wichtung 4).

Im ungünstigsten Fall werden die unter Stufe 4 beschriebenen Arbeitshaltungen mit eingeschränkter Haltungsstabilität auftreten, d. h. die Beschäftigten arbeiten hockend oder kniend bzw. müssen sich bei gleichzeitigem Verdrehen weit vorbeugen (Wichtung 8). Die Bestimmung der Körperhaltungswichtung erfolgt anhand der Piktogramme in der Tabelle zum Leitmerkmal "Körperhaltung". Wählen Sie bitte die für die Teiltätigkeit charakteristischen Körperhaltungen.

5.2.4 Leitmerkmal Ausführungsbedingungen

Die Ausführungsbedingungen haben unstrittig einen geringeren Einfluss auf die Gesamtbelastung als die übrigen drei Leitmerkmale. Trotzdem können ungünstige Ausführungsbedingungen vorhandene Belastungen durch Last, Haltung und Zeit noch erhöhen. Das Verfahren sieht die Möglichkeit vor, zwischen günstigen (Wichtung 0), ungünstigen Ausführungsbedingungen (Wichtung 1) und besonders ungünstigen Ausführungsbedingungen (Wichtung 2) zu unterscheiden, wobei unter guten ergonomischen Bedingungen insbesondere angemessene klimatische Verhältnisse, entsprechende Fußbodenbeschaffenheit, gute Luftqualität, ausreichend freie Bewegungsfläche und eine angemessene Beleuchtung zu verstehen sind.

Zur Bestimmung der Ausführungsbedingungswichtung sind die zeitlich überwiegenden Ausführungsbedingungen zu verwenden. Gelegentlicher Diskomfort ohne sicherheitstechnische Bedeutung ist nicht zu berücksichtigen. Sicherheitsrelevante Merkmale sind im Textfeld "Überprüfung des Arbeitsplatzes aus sonstigen Gründen" zu dokumentieren.

5.2.5 Die Bewertung

Die für die Last, die Haltung oder die Ausführungsbedingungen ermittelte Risikowichtung ist mit der im ersten Schritt ermittelten Zeitwichtung zu multiplizieren. Die zur Tätigkeitsbewertung erforderliche "Punktsumme" ist die Summe der für die Last, Körperhaltung und Ausführungsbedingungen ermittelten Produkte aus Risikowichtung und Zeitwichtung.

Risikowichtung Last
+ Risikowichtung Haltung
+ Risikowichtung Ausführungsbedingungen

Zwischensumme x Zeitwichtung = Punktsumme

Anhand der Punktsumme kann die Zuordnung zu unterschiedlichen Risikostufen erfolgen. Welche Gestaltungsmaßnahmen erforderlich sind, kann aus einzelnen Teilsummen abgeleitet werden.

Bewertungsgrundlage sind biomechanische Wirkungsmechanismen in Verbindung mit Dosismodellen. Hierbei wird berücksichtigt, dass die interne Belastung der Lendenwirbelsäule entscheidend von der Oberkörpervorneigung und dem Lastgewicht abhängt sowie mit steigender Belastungsdauer und/oder -häufigkeit, Seitneigung und/oder Verdrehung zunimmt.

Zusammenfassende Bewertungen bei mehreren Teiltätigkeiten sind problematisch, da sie über die Aussagefähigkeit dieser orientierenden Analyse hinausgehen. Sie erfordern in der Regel weitergehende arbeitsanalytische Verfahren zur Gefährdungsbeurteilung.

5.2.6 Ableitung von Gestaltungsmaßnahmen

Aus dieser Gefährdungsabschätzung sind sofort Gestaltungsnotwendigkeiten und -ansätze erkennbar. Grundsätzlich sind die Ursachen hoher Wichtungen zu beseitigen. Im Einzelnen sind das bei einer hohen Zeitwichtung organisatorische Regelungen, bei hoher Lastwichtung die Reduzierung des Lastgewichtes oder der Einsatz von Hebehilfen und bei hoher Haltungswichtung die Verbesserung der Arbeitsplatzgestaltung.

Auch für die nach Arbeitsschutzgesetz  § 6 geforderte Dokumentation der Arbeitsbedingungen ist das ausgefüllte Arbeitsblatt geeignet.

6 Quantitative Verfahren zur Gefährdungsbeurteilung (Zweite Stufe)

6.1 Anforderungen

Bei risikobehafteten Tätigkeiten, unklaren Einschätzungen oder speziellen Fragestellungen werden aufwendigere Verfahren der Analyse und Bewertung ausgewählt. Diese müssen von ergonomisch geschultem Personal durchgeführt werden. Diese Verfahren sind zumeist geeignet, detaillierte Angaben zu bestimmten Belastungsarten machen zu können, die dann eine Risikoeinschätzung ermöglichen oder die insbesondere subjektive Kriterien wie Alter, Geschlecht und Körperhöhe für die Risikoeinschätzung im Einzelfall berücksichtigen.

Zur umfassenden Lösung spezieller Probleme im Bereich der Belastungs- und Beanspruchungsanalyse bei Hebe- und Tragetätigkeiten eignet sich keines der bisher bekannten quantitativen Verfahren. Es bietet sich also an, die Verfahren problembezogen mit ihren Vor- und Nachteilen zu benennen.

Die Verfahren der zweiten Stufe sollten zur Anwendung am Arbeitsplatz für Felduntersuchungen geeignet sein bzw. ein geeignetes Hilfsmittel u. a. für Arbeitsgestalter und Projektanten darstellen.

6.2 Verfahren für die spezielle Belastungsanalyse

Methoden zur Gefährdungsbeurteilung der Analysestufe 2 umfassen solche Verfahren, mit Hilfe derer quantitative Aussagen zur Belastung aus biomechanischer Sicht gewonnen werden können.

Die folgende Übersicht empfiehlt für unterschiedliche Belastungsarten und Untersuchungszielstellungen Verfahren, die nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse angewendet werden können. An dieser Stelle muss betont werden, dass die Verfahren nur hinsichtlich ihrer Anwendungsmöglichkeiten beschrieben werden. Eine Wertung untereinander oder zu hier nicht aufgeführten Verfahren ist nicht erfolgt.

Alle Verfahren der zweiten Stufe werden, mit dem Quellenhinweis und einigen Anwendungsempfehlungen versehen, im nun folgenden Teil lediglich genannt. Für die Anwendung der Verfahren sind Kenntnisse aus der Originalliteratur oder das eingehende Studium des Forschungsberichtes 804 "Modellhafte Erprobung des Leitfadens Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der manuellen Handhabung von Lasten" / 1/ oder des "Leitfadens für die Beurteilung von Hebe- und Tragetätigkeiten" / 5/ unbedingt anzuraten.

Biomechanische Modellrechnungen / 21/; / 22/; / 23/; / 24/; / 25/; / 26/

Für folgende Belastungsart
zur Anwendung empfohlen:
Handhaben von Lasten unter Berücksichtigung von Körperhaltungen und Bewegungsabläufen.
Ziel der Untersuchung: Quantitative Abschätzung der Belastung einzelner Wirbelsäulenabschnitte
Grenzen des Verfahrens:
  • Nur für Aussagen zur WS-Belastung geeignet; Vor sicht, die Belastungsgrenzen für Frauen sind durch die Anatomie der Geschlechtsorgane bedingt niedriger!
  • Die Berechnungen sind für dynamische und/oder asymmetrische Bewegungsabläufe mit erheblichen Aufwendungen verbunden.


Maximal akzeptierte Lasten / 27/

Für folgende Belastungsart zur Anwendung empfohlen: Heben von Lasten vom Boden über unterschiedliche Hubwege unter Berücksichtigung unterschiedlicher Lasttiefen und Hubfrequenzen
(AYOUB et.al.1989)
Ziel der Untersuchung: Unterschiedliche Bewegungsabläufe oder Arbeitsaufgaben untereinander oder mit max. akzeptierten Lasten vergleichen
Belastungsempfindung berücksichtigen!
Grenzen des Verfahrens:
  • Nur für definierte Tätigkeiten und vorgegebene Hubfrequenzen und Lasttiefen werden maximale Lasten empfohlen.
  • Das Verfahren berücksichtigt neben physischen Parametern auch die subjektive Belastungsempfindung. Die Möglichkeit der mechanischen Überbelastung der Wirbelsäule z.B. bleibt unberücksichtigt.


NIOSH-Verfahren / 20/

Für folgende Belastungsart zur Anwendung empfohlen: Beidhändiges Heben bzw. Absetzen einer Last, langsame gleichförmige, repetitive Hubprozesse
Ziel der Untersuchung: Aussagen zum potentiellen Gesundheitsrisiko unter Berücksichtigung epidemiologischer, biomechanischer, physiologischer und psychologischer Kriterien
(Berechnung empfohlener Grenzlasten) z.B. Arbeitstätigkeiten projektieren
Grenzen des Verfahrens: Das Verfahren ist nur geeignet für:
  • wiederholtes, langsames, gleichförmiges Heben
  • keine Einschränkungen der Bewegungsfreiheit der ausführenden Person
  • ausreichende Haftung zwischen den Füßen der Person und der Standfläche
  • normale Umgebungsbedingungen


Refa-Verfahren
(Refa-Fachausschuss Chemie 1987) / 28/

Für folgende Belastungsart zur Anwendung empfohlen: Transportarbeit mit manuellem Greifen und Anheben bzw. Absetzen von Lasten ohne mechanische Hilfen
Ziel der Untersuchung: Ermittlung einer Grenzlast in Abhängigkeit von individuellen Leistungsvoraussetzungen und tätigkeitsbedingten Einflussfaktoren
Grenzen des Verfahrens: Das Verfahren ist nur geeignet für
  • kontinuierliche Bewegungsabläufe mit mäßiger Bewegungsgeschwindigkeit
  • normale Umgebungsbedingungen
  • ausreichende Standsicherheit und Haftung zwischen den Füßen der Person und der Standfläche
  • keine Einschränkungen der Bewegungsfreiheit


7 Wissenschaftliche Untersuchungen zur Bewertung körperlicher Arbeit (Dritte Stufe)

7.1 Anforderungen

In einer aktuellen Gegenstandsbestimmung zur körperlichen Schwerarbeit formulieren Frauendorf u. a. / 29/:

"Körperliche Arbeit kann als Auslöser körperlicher Beschwerden charakterisiert werden durch:

Diese Auflistung zeigt die erhebliche Breite an Belastungselementen, die im Begriff körperliche Arbeit vereinigt sind und die daraus erwachsende Vielfalt der resultierenden Beanspruchung und damit potentiellen Gesundheitsgefährdung.

Zudem sind in diesem Komplex (Belastung-Beanspruchung) individuelle Faktoren wie Leistungsfähigkeit, Leistungsbereitschaft, Übungs- und Trainingszustand u.v.a.m. als modellierende Faktoren zu berücksichtigen.

Entsprechende komplexe Untersuchungen erfordern daher eine wissenschaftliche Planung, ein interdisziplinär arbeitendes Fachteam und eine entsprechende apparativtechnische Ausstattung.

7.2 Wissenschaftliche Untersuchungen

Eine wissenschaftliche Bewertung körperlicher Arbeiten ist durch das Bemühen gekennzeichnet, die vielfältigen in der Praxis am Arbeitsplatz auftretenden Anforderungen und Belastungen möglichst umfassend zu berücksichtigen.

So lässt sich die Schwere einer dynamischen Muskelarbeit durch Messung der Sauerstoffaufnahme anhand der Dauerleistungsgrenze (unter Berücksichtigung der eingesetzten Muskelmasse) klassifizieren.

Die gleichzeitige Messung der Herzschlagfrequenz und ihre Verknüpfung mit dem aus der Sauerstoffaufnahme errechneten Energieumsatz lässt die Frage beantworten, ob weitere relevante Belastungsfaktoren (u. a. Klimaeinflüsse, statische Muskelarbeit, psychische Belastungen) zu berücksichtigen sind.

In diesem Fall wären dann weitergehende Analysen wie elektromyografische Untersuchungen, Körpertemperaturmessungen, spezielle arbeitspsychologische Verfahren u.a.m. in Anwendung zu bringen.

Für die Beurteilung der Belastungen des Skelett-Systems haben sich Analysen der Körperhaltungen nach Art, Dauer und Aufeinanderfolge sowie die Berücksichtigung der erforderlichen Kraftaufwendungen bewährt. Im Hinblick auf die Belastungen der Wirbelsäule sei auf Punkt 6.2 und die dort gegebenen Literaturhinweise verwiesen.

Nicht vernachlässigt werden dürfen die "Randbedingungen", unter denen die Untersuchungen vorgenommen werden. Einige davon sind im Punkt 7.1 unter "Sonstige Aspekte" aufgeführt.

Zudem sei der Vollständigkeit wegen genannt, dass die Untersuchungsergebnisse streng genommen immer nur für die Gruppe von Beschäftigten gelten, an denen sie gewonnen wurden bzw. für solche, die gleiche Eigenschaften (z.B. gesund, im Durchschnitt der Bevölkerung normal leistungsfähig, in die Tätigkeit hinreichend eingearbeitet) besitzen. Insofern haben arbeitsphysiologische Untersuchungen, die verallgemeinerungsfähige Ergebnisse erbringen sollen, stets auch entsprechende allgemeinärztliche, arbeitsmedizinische und leistungsphysiologische Untersuchungen der einbezogenen Beschäftigten zur Voraussetzung.

8 Ausgewählte Gestaltungshinweise zur Belastungsminimierung

Die nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes und § 2 der Lastenhandhabungsverordnung geforderte Beurteilung der Gefährdungen orientiert vor allem darauf, Defizite in der Gestaltung der Arbeitsbedingungen zu erkennen. Maßnahmen sind primär auf eine Vermeidung manueller Lastentransporte zu richten. Wo dies aus technologischen Gründen nicht möglich ist, muss eine Verringerung der Defizite erreicht werden. Die Belastung kann mit technischen, organisatorischen oder persönlichen Mitteln reduziert werden. Empfehlenswert ist es deshalb, an dem Belastungsfaktor gestalterisch anzusetzen, der in erster Linie das erhöhte Risiko verursacht, d. h. es sind die Leitmerkmale zu verbessern, die zu einer "erhöhten Punktsumme" geführt haben. Insbesondere das orientierende Verfahren nach STEINBERG / 2/ ist geeignet, auf technische oder organisatorische Mängel in der Gestaltung aufmerksam zu machen.

Die Verminderung der physischen Belastung kann über unterschiedliche Wege erreicht werden. Technische Hilfen wie z.B. Flaschenzüge, Gabelhubwagen, Sackkarren oder Transportbahnen vermeiden den manuellen Lastentransport bzw. reduzieren die physische Belastung wirkungsvoll. Eine Reduzierung der Last ist technologisch bedingt nicht immer durchzusetzen, wird aber in einigen Branchen bereits durch die Begrenzung von Mauersteingrößen oder die Optimierung von Abpackgrößen angestrebt.

Eine weitere Möglichkeit zur Reduzierung der Belastung stellen die ergonomische Gestaltung des Arbeitsplatzes und die daraus resultierenden Arbeitshaltungen dar. Dabei sollten Lastaufnahme- und Lastablagehöhe übereinstimmen und in natürlicher aufrechter Arbeitshaltung erreichbar sein. Am Arbeitsplatz sind ausreichend freie Bewegungsräume für den Umgang mit den Lasten zu schaffen. Eine verbesserte Form und Greifbarkeit der Last kann ebenfalls zu einer Belastungsreduzierung beitragen.

Auch über arbeitsorganisatorische Veränderungen, die zu einer Reduzierung von Hebehäufigkeiten oder belastenden Zeitanteilen führen, ist ein Einfluss auf die Höhe der Belastung möglich. Beispielsweise sollten notwendige Lastenhandhabungen möglichst von den Taktzeiten der Maschinen entkoppelt werden. Im Arbeitsablauf sind Tragezeiten zu verhindern oder die Wege so kurz wie möglich zu planen. Bei einem Wechsel von be- und entlastenden Tätigkeiten kann die Belastung vom Organismus am ehesten kompensiert werden.

Der Arbeitgeber vermindert das individuelle Risiko außerdem über einen der körperlichen Eignung des Arbeitnehmers entsprechenden Einsatz. All diese Gestaltungsmaßnahmen sind nur in Zusammenhang mit einer ausreichenden Unterweisung der Arbeitnehmer in richtigem Verhalten sinnvoll. Hinlänglich bekannt sind die guten Auswirkungen einer umfassenden und rechtzeitigen Information und Beteiligung der Arbeitnehmer auf die Akzeptanz von Gestaltungsmaßnahmen bzw. ihre Motivation in der Arbeit.

9 Literatur

/ 1/ STEINBERG, U.; CAFFIER, G.; MOHR, D.; LIEBERS, F.; BEHRENDT, S.:
Modellhafte Erprobung des Leitfadens Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der manuellen Handhabung von Lasten. - Bremerhaven: Wirtschaftsverlag NW, 1998. - Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin; Fb 804
/ 2/ STEINBERG, U.; WINDBERG, H.-J.:
Leitfaden Sicherheit und Gesundheit bei der Handhabung von Lasten. - Bremerhaven : Wirtschaftsverlag NW, 1997. - Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin; S. 43
/ 3/ CAFFIER, G.; STEINBERG, U.; KÖSSLER, F.:
Untersuchungen zu Erkrankungen des Stütz- und Bewegungssystems in der betriebsärztlichen Praxis. - In: Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin ; Fb 09.005
/ 4/ HETTINGER, T.; HAHN, B.:
Schwere Lasten leicht gehoben. Hrsg.: Bayerisches Staatsministerium für Arbeit, Familie und Sozialordnung. - München, 1991
/ 5/ BONGWALD, O.; LUTTMANN, A.; LAURIG,W.:
Leitfaden für die Beurteilung von Hebe- und Tragetätigkeiten. Hrsg.: Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften. - St. Augustin, 1995
/ 6/ BULLONG, P. G.; BOACHIE-ADJEL, O.:
Farbatlas der Wirbelsäulenerkrankungen. - Ins Dt. übertr. Von H. STÜTZ u. CH. HENDRICH
/ 7/ Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz - ArbSchG)
vom 7. August 1996 (BGBl. I S. 1246), geändert durch Artikel 9 des Gesetzes vom 27. September 1996 (BGBl. I S. 1461)
/ 8/ Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der manuellen Handhabung von Lasten bei der Arbeit ( Lastenhandhabungsverordnung)
Artikel 2 der "Verordnung zur Umsetzung von EG-Einzelrichtlinien zur EG-Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz" vom 4. Dezember 1996 (BGBl. I S. 1841)
/ 9/ Leitfaden zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen gemäß Arbeitsschutzgesetz
Hrsg.: Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Berlin, 1997
/ 10/ Berufsgenossenschaftliche Information "Manuelle Lastenhandhabung"
Hrsg.: BG für Fahrzeughaltungen, 2000
/ 11/ Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz - MuSchG)
in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. April 1968 (BGBl. I S. 315), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2911)
/ 12/ Bergverordnung zum gesundheitlichen Schutz der Beschäftigten (Gesundheitsschutz-Bergverordnung - GesBergV)
vom 31.07.1991 (BGBl. I S. 1751)
/ 13/ Berufsgenossenschaftliche Vorschrift (BGV C8) "Gesundheitsdienst"
/ 14/ Berufsgenossenschaftliche Vorschrift für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit "Müllbeseitigung" (BGV C27, Fass. 01.97, Ausg. 1999). -
Köln: Carl Heymanns Verlag
/ 15/ Berufsgenossenschaftliche Information (BGI 695) "Merkblatt zur Handhabung von Mauersteinen"
/ 16/ Berufsgenossenschaftliche Information (BGI 582) "Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Transport- und Lagerarbeiten"
/ 17/ Berufsgenossenschaftliche Information (BGI 714) "Kreuzweisheiten"
/ 18/ BMa (Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (1981)):
Gesundheitsgefährdung beim Heben und Tragen von Lasten. Schreiben an die Minister und Senatoren für Arbeit der Länder vom 1. Oktober 1981 - II Ib - 3708, Bundesarbeitsblatt 11(1981), S. 96
/ 19/ Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur Berufskrankheit Nr. 2108
/ 20/ WATERS, T. R.; PUTZ-ANDERSON, V.; GRAG, A.; FINE, C. J.:
Reviced NIOSH equation for the design and evaluation of manual lifting tasks. - In: Ergonomics 36 (1993) 7, S. 749
/ 21/ CHAFFIN, D. B.:
a computerized biomechanical model: developt of and used in studying gross body actions. - In: Journal of Biomechanics 2 (1969)
/ 22/ JÄGER, M.:
Biomechanisches Modell des Menschen zur Analyse und Beurteilung der Belastung der Wirbelsäule bei der Handhabung von Lasten. - Düsseldorf, 1987 (VDI-Reihe 17 Nr. 33.)
/ 23/ JÄGER, M.; HECKTOR, K.:
Möglichkeiten der erfolgreichen Nutzung von Ergon-Expert in der betrieblichen Praxis. - Dokumentation Arbeitswissenschaft, 36 (1994)
/ 24/ JÄGER, M.; LUTTMANN, A.:
The load on the lumbar spine during asymmetrical bimanual materials handling. - In: Ergonomics 35 (1992) 7/8, S. 783
/ 25/ JÄGER, M.; LUTTMANN, A.:
Entwicklung eines biomechanischen Modells zur Bestimmung der Belastung der Wirbelsäule. - In: Biomedizinische Technik 38 (1993), S. 393
/ 26/ JÄGER, M.; LUTTMANN, A.; LAURIG, W.:
Ein computergestütztes Werkzeug zur biomechanischen Analyse der Belastung der Wirbelsäule bei Lastenmanipulation "Der Dortmunder" - In: Med. Orth. Tech. 112 (1992) 6, S. 305
/ 27/ AYOUB, M. M.; MITAL, A.:
Manual handling, London. - Taylor of Francis, 1989
/ 28/ REFa (1987)
Handhabung von Lasten. Hrsg.: REFa - Fachausschuss Chemie (Manuskriptdruck)
/ 29/ FRAUENDORF, H.; KRUEGER, H.; NAUMANN, H.-J.; PFISTER, E.; SCHENK, K.; ULMER, H.-V.; WIRTH, D.:
Körperliche Schwerarbeit - aktuelle Gegenstandsbestimmung. - In: FRAUENDORF, H. und ULMER, H.-V.: Arbeitsphysiologische Feldforschung am Beispiel exemplarischer Arbeitsplatzstudien. - Mainz, Johannes Gutenberg Universität, 1997


.

Handlungsanleitung für die Beurteilung der Arbeitsbedingungen gemäß ArbSchG und LasthandhabV mit der LMM Anlage

Achtung!

Dieses Verfahren dient der orientierenden Beurteilung der Arbeitsbedingungen beim Heben und Tragen von Lasten. Trotzdem ist bei der Bestimmung der Zeitwichtung, der Lastwichtung, der Haltungswichtung und Ausführungsbedingungswichtung eine gute Kenntnis der zu beurteilenden Teiltätigkeit unbedingte Voraussetzung. Ist diese nicht vorhanden, darf keine Beurteilung vorgenommen werden. Grobe Schätzungen oder Vermutungen führen zu falschen Ergebnissen.

Die Beurteilung erfolgt grundsätzlich für Teiltätigkeiten und ist auf einen Arbeitstag zu beziehen.
Wechseln innerhalb einer Teiltätigkeit Lastgewichte und/oder Körperhaltungen, so sind Mittelwerte zu bilden. Treten innerhalb einer Gesamttätigkeit mehrere Teiltätigkeiten mit deutlich unterschiedlichen Lastenhandhabungen auf, sind diese getrennt einzuschätzen und zu dokumentieren.

Zur Beurteilung sind 3 Schritte erforderlich: 1. Bestimmung der Zeitwichtung, 2. Bestimmung der Wichtung der Leitmerkmale und 3. Bewertung.

Bei der Bestimmung der Wichtungen ist grundsätzlich die Bildung von Zwischenstufen (Interpolation) erlaubt. Eine Häufigkeit von 40 ergibt z.B. die Zeitwichtung 3. Einzige Ausnahme ist die wirksame Last von> 40 kg für den Mann und> 25 kg für die Frau. Diese Lasten ergeben kompromisslos eine Lastwichtung von 25.

1. Schritt: Bestimmung der Zeitwichtung

Die Bestimmung der Zeitwichtung erfolgt anhand der Tabelle getrennt für drei mögliche Formen der Lastenhandhabung:

2. Schritt: Bestimmung der Wichtungen von Last, Haltung und Ausführungsbedingungen

2.1 Lastgewicht

2.2 Körperhaltung

Die Bestimmung der Körperhaltungswichtung erfolgt anhand der Piktogramme in der Tabelle. Es sind die für die Teiltätigkeit charakteristischen Körperhaltungen beim Handhaben der Lasten zu verwenden. Werden als Folge des Arbeitsfortschritts unterschiedliche Körperhaltungen eingenommen, so kann ein Mittelwert aus den Haltungswichtungen für die zu beurteilende Teiltätigkeit gebildet werden.

2.3 Ausführungsbedingungen

Zur Bestimmung der Ausführungsbedingungswichtung sind die zeitlich überwiegenden Ausführungsbedingungen zu verwenden. Gelegentlicher Diskomfort ohne sicherheitstechnische Bedeutung ist nicht zu berücksichtigen. Sicherheitsrelevante Merkmale sind im Textfeld "Überprüfung des Arbeitsplatzes aus sonstigen Gründen" zu dokumentieren.

3. Schritt: Die Bewertung

Die Bewertung jeder Teiltätigkeit erfolgt anhand eines teiltätigkeitsbezogenen Punktwertes (Berechnung durch Addition der Wichtungen der Leitmerkmale und Multiplikation mit der Zeitwichtung).


Beurteilung von Lastenhandhabungen anhand von Leitmerkmalen

Version 2001

Die Gesamttätigkeit ist ggf. in Teiltätigkeiten zu gliedern. Jede Teiltätigkeit mit erheblichen körperlichen Belastungen ist getrennt zu beurteilen.

Arbeitsplatz/Teiltätigkeit:



1. Schritt: Bestimmung der Zeitwichtung (Nur eine zutreffende Spalte ist auswählen!)

Hebe- oder Umsetzvorgänge
(< 5 s)
Halten
(< 5 s)
Tragen
(< 5 m)
Anzahl am Arbeitstag Zeitwichtung Gesamtdauer am Arbeitstag Zeitwichtung Gesamtweg am Arbeitstag Zeitwichtung
< 10 1 < 5 min 1 < 300 m 1
10 bis < 40 2 5 bis 15 min 2 300 m bis < 1 km 2
40 bis < 200 4 15 min bis < 1 Stunde 4 1 km bis < 4 km 4
200 bis < 500 6 1 Stunde bis < 2 Stunden 6 4 bis < 8 km 6
500 bis < 1000 8 2 Stunden bis < 4 Stunden 8 8 bis < 16 km 8
> 1000 10 > 4 Stunden 10 > 16 km 10
Beispiele:
  • Setzen von Mauersteinen,
  • Einlegen von Werkstücken in eine Maschine,
  • Pakete aus einem Container entnehmen und auf ein Band legen
Beispiele:
  • Halten und Führen eines Gussrohlings bei der Bearbeitung an einem Schleifbock,
  • Halten einer Handschleifmaschine,
  • Führen einer Motorsense
Beispiele:
  • Möbeltransport,
  • Tragen von Gerüstteilen vom Lkw zum Aufstellort


2. Schritt: Bestimmung der Wichtungen von Last, Haltung und Ausführungsbedingungen

Wirksame Last1) für Männer Lastwichtung Wirksame Last1) für Frauen Lastwichtung
< 10 kg 1 < 5 kg 1
10 bis < 20 kg 2 5 bis < 10 kg 2
20 bis < 30 kg 4 10 bis < 15 kg 4
30 bis < 40 kg 7 15 bis < 25 kg 7
> 40 kg 25 > 25 kg 25
1) Mit der "wirksamen Last" ist die Gewichtskraft bzw. Zug-/Druckkraft gemeint, die der Beschäftigte tatsächlich bei der Lastenhandhabung ausgleichen muss. Sie entspricht nicht immer der Lastmasse. Beim Kippen eines Kartons wirken nur etwa 50 %, bei der Verwendung einer Schubkarre oder Sackkarre nur 10 % der Lastmasse.


Charakteristische Körperhaltungen und Lastposition2) Körperhaltung, Position der Last Haltungs-
wichtung
  • Oberkörper aufrecht, nicht verdreht
  • Last am Körper
1
  • geringes Vorneigen oder Verdrehen des Oberkörpers
  • Last am Körper oder körpernah
2
  • tiefes Beugen oder weites Vorneigen
  • geringe Vorneigung mit gleichzeitigem Verdrehen des Oberkörpers
  • Last körperfern oder über Schulterhöhe
4
  • weites Vorneigen mit gleichzeitigem Verdrehen des Oberkörpers
  • Last körperfern
  • eingeschränkte Haltungsstabilität beim Stehen
  • Hocken oder Knien
8
2) Für die Bestimmung der Haltungswichtung ist die bei der Lastenhandhabung eingenommene charakteristische Körperhaltung einzusetzen; z.B. bei unterschiedlichen Körperhaltungen mit der Last sind mittlere Werte zu bilden - keine gelegentlichen Extremwerte verwenden!


Ausführungsbedingungen Ausf.-wichtung
Gute ergonomische Bedingungen, z.B. ausreichend Platz, keine Hindernisse im Arbeitsbereich, ebener rutschfester Boden, ausreichend beleuchtet, gute Griffbedingungen 0
Einschränkung der Bewegungsfreiheit und ungünstige ergonomische Bedingungen (z.B. 1.: Bewegungsraum durch zu geringe Höhe oder durch eine Arbeitsfläche unter 1,5 m2 eingeschränkt oder 2.: Standsicherheit durch unebenen, weichen Boden eingeschränkt) 1
Stark eingeschränkte Bewegungsfreiheit und/oder Instabilität des Lastschwerpunktes (z.B. Patiententransfer) 2


3. Schritt: Bewertung

Die für diese Tätigkeit zutreffenden Wichtungen sind in das Schema einzutragen und auszurechnen

Anhand des errechneten Punktwertes und der folgenden Tabelle kann eine grobe Bewertung vorgenommen werden .3) Unabhängig davon gelten die Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes.

3) Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass mit steigenden Punktwerten die Belastung des Muskel-Skelett-Systems zunimmt. Die Grenzen zwischen den Risikobereichen sind aufgrund der individuellen Arbeitstechniken und Leistungsvoraussetzungen fließend. Damit darf die Einstufung nur als Orientierungshilfe verstanden werden.
4) Vermindert belastbare Personen sind in diesem Zusammenhang Beschäftigte, die älter als 40 oder jünger als 21 Jahre alt, "Neulinge" im Beruf oder durch Erkrankungen leistungsgemindert sind.
5) Gestaltungserfordernisse lassen sich anhand der Punktwerte der Tabellen ermitteln. Durch Gewichtsverminderung, Verbesserung der Ausführungsbedingungen oder Verringerung der Belastungszeiten können Belastungen vermieden werden.


Überprüfung des Arbeitsplatzes aus sonstigen Gründen erforderlich: [ ]

Begründung:


Datum der Beurteilung: Beurteilt von:

Herausgeber:
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Postfach 17 02 02, 44061 Dortmund
Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LAST), Franz-Josef-Roeder-Str. 23, 66119 Saarbrücken


Informationen zu dem Leitfaden Heben und Tragen von Lasten erteilen die für Fragen des Arbeitsschutzes zuständigen obersten Landesbehörden bzw. deren nachgeordnete Ämter für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik bzw. Gewerbeaufsichtsämter.

Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit
des Landes Rheinland-Pfalz Postfach 31 80
55021 Mainz
Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit
Postfach 6 12
99012 Erfurt
Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen
des Landes Brandenburg
Postfach 60 11 63
14411 Potsdam
Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales der Freien und Hansestadt Hamburg
Postfach 76 01 06
22051 Hamburg
Ministerium für Umwelt und Forsten des
Landes Rheinland-Pfalz Postfach 31 60
55021 Mainz
Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales
der Freien Hansestadt Bremen Postfach 10 15 27
28015 Bremen
Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit, Ernährung
und Verbraucherschutz Winzererstr. 9
80797 München
Ministerium für Umwelt und Verkehr des
Landes Baden-Württemberg
Postfach 10 34 39
70029 Stuttgart
Sozialministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern
19048 Schwerin
Ministerium für Arbeit, Soziales, Qualifikation und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen
Postfach 10 11 34
40190 Düsseldorf
Hessisches Sozialministerium
Postfach 31 40
65021 Wiesbaden
Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit
Postfach 10 03 29
01073 Dresden
Sozialministerium des
Landes Baden-Württemberg Postfach 10 34 43
70029 Stuttgart
Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales
des Landes Schleswig-Holstein
Postfach 11 21
24100 Kiel
Niedersächsisches Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales Postfach 1 41
30001 Hannover
Ministerium für Frauen, Arbeit, Gesundheit und Soziales
des Saarlandes
Postfach 10 24 53
66024 Saarbrücken
Ministerium für Arbeit, Frauen, Gesundheit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt
Postfach 37 40
39012 Magdeburg
Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen Berlin Abteilung IV
Oranienstr. 106
10969 Berlin


ENDE

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