TRGS 440 Ermitteln und Beurteilen von Gefährdungen durch Gefahrstoffe am Arbeitsplatz: (4)
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Ermittlung der Zumutbarkeit des Einsatzes von Ersatzlosungen nach den §§ 16 und 36 GefStoffV Anlage 3

Die folgenden Ausführungen sollen Arbeitgebern, betrieblichen Arbeitsschutzabteilungen und Überwachungsbehörden Kriterien zur Prüfung der Zumutbarkeit an die Hand gegeben werden. Die Prüfung erfolgt, wenn festgestellt wurde, dass die ins Auge gefaßten Änderungen

Es werden wesentliche betriebliche Faktoren dargestellt, die durch den Einsatz von Ersatzstoffen und Ersatzverfahren beeinflusst werden.

Nicht alle Einflussfaktoren sind in einfacher Weise kostenmäßig zu erfassen. Die dargestellten Einflussfaktoren sind grundsätzlich auf alle Arten von Ersatzlösungen anwendbar, das heißt, für

In den meisten Fällen ist es ausreichend, die Einflussfaktoren qualitativ zu beschreiben (positiver Einfluss/kein Einfluss/negativer Einfluss). Wichtig ist aber, dass alle Faktoren geprüft werden, auch wenn sie im konkreten Fall keinen Einfluss leisten. Ein Vergleich einzelner Kosten (z.B. Preis des Stoffes gegen Preis des Ersatzstoffes) ist nicht ausreichend.

Auf Grund der qualitativen Beschreibung lässt sich in vielen Fällen schon eine abschließende Bewertung der Zumutbarkeit durchführen. Falls sich auf dieser Basis keine eindeutige Entscheidung treffen lässt, sollten einzelne oder mehrere der Faktoren genauer untersucht werden.

Wird keiner der Einflussfaktoren zum Negativen verändert, ist die Zumutbarkeit der Ersatzlösung offensichtlich. Die ins Auge gefassten Veränderungen sind unverzüglich in die Wege zu leiten.

Auch falls einzelne Einflussfaktoren negativ sind, ist die Ersatzlösung oftmals zumutbar.

Falls nach weitest möglicher Quantifizierung der negative Einfluss überwiegt, hängt die Beurteilung der Zumutbarkeit in hohem Maße von den betrieblichen Randbedingungen ab. Starre Beurteilungsregeln können daher nicht formuliert werden. Es ist jedoch hervorzuheben, dass höhere Kosten einer Ersatzlösung nicht automatisch zur Beurteilung "nicht zumutbar" führen können.

Insbesondere wenn die zu ersetzenden Stoffe ein hohes Risiko aufweisen, ist der Verringerung des Risikos ein hohes Gewicht beizumessen. Dies gilt vor allem bei krebserzeugenden, fortpflanzungsgefährdenden und erbgutverändernden Stoffen. Aber auch für Stoffe mit sehr giftigen, giftigen oder sensibilisierenden Eigenschaften, sowie für Stoffe mit weniger gefährlichen Eigenschaften, sofern eine hohe Exposition gegeben ist sind im Einzelfall höhere Kosten zumutbar, als bei Stoffen mit geringerem Risiko und geringerer Exposition.

Das folgende Schema mit den für die Ermittlung der Zumutbarkeit zu berücksichtigenden Faktoren soll eine Hilfe für den Arbeitgeber darstellen. Ob und in welchem Ausmaß Einflussfaktoren durch die vorgesehene Ersatzlösung beeinflusst werden, hängt wesentlich von den individuellen Randbedingungen der Betriebe ab (Umgang mit weiteren Gefahrstoffen, Arbeitsorganisation, technischer Standard etc.).

Ermittlung der Zumutbarkeit des Einsatzes von Ersatzlosungen nach den §§ 16 und 36 GefStoffV

Einflussfaktoren Änderung
+/0/-
Bemerkungen
Materialkosten
Preisvergleich (auch Hilfsstoffe), Verbrauchsmengen
   
Anlagekosten
Neuanlage, Energie
   
Technische Schutzmaßnahmen
Lüftungsmaßnahmen, Brand/Ex-Schutz
   
Arbeitskosten
Vor-/Nacharbeiten, Rüstzeiten, Verfahrensdauer, Mitarbeiterqualifikation
   
Persönliche Schutzmaßnahmen
Schutzausrüstung, Hygienemaßnahmen, Schwarz/Weiß-Bereiche
   
Arbeitsmedizinische Vorsorge
Ausfallzeiten, Wege- und Untersuchungskosten
   
Transportkosten
Frachttarife, Verpackung...
   
Lagerkosten
WGK, VbF,
   
Entsorgungskosten
Recycling, Abwasser, Abluft
   
Arbeitsplatzmessungen    
Weitere Einflussfaktoren
Firmenimage
   
Abschließende Bewertung    

Für jeden der Einflussfaktoren ist zu ermitteln, ob sich die ins Auge gefaßte Ersatzlösung positiv (+), negativ (-) oder neutral (0) auswirkt. Als weitere Einflussfaktoren können im Einzelfall noch Versicherungs- und Organisationskosten, Gesundheitsquote, Sicherheitsbewusstsein, Motivation der Beschäftigten, Branchenimage, ISO 9000, Kennzeichnung, Gütesiegel, Genehmigungsverfahren, u.a. relevant werden.

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Stoff- oder verfahrensspezifische Informationen des AGS zu Ersatzstoffen  02a Anlage 4

1. Amine im Urethan-Cold-Box Kernherstellungsverfahren in Gießereien

Zur Herstellung von Kernen mit chemisch gebundenen Formstoffen in Gießereien werden in Deutschland ca. 500.000 t Formstoffe nach dem Urethan-Cold-Box-Verfahren (Marktanteil von 60 %) verarbeitet.

Dabei kommen zur Begasung und damit zur Aushärtung der Sandkerne neben Triethylamin (TEA) u. a. die folgenden Amine zur Anwendung:

Aus technologischer Sicht ist nicht auszuschließen, dass auch andere leichtflüchtige niedemiolekulare Trialkylamine als Kembegasungsmittel beim Cold-Box-Verfahren eingesetzt werden können.

Der Beraterkreis "Toxikolgie" des AGS hat die vorhandene Datenlage der genannten Kernbegasungsmitteln ermittelt und soweit vorhanden wie folgt bewertet:

Triethylamin (TEA; CAS-Nr.: 121-44-8)

Der Luftgrenzwert ist im September 2001 in der TRGS 900 auf 1 ppm (4,2 mg/m3) abgesenkt worden bei einer Spitzenbegrenzung mit dem Überschreitungsfaktor =1=. Triethylamin ist hautresorptiv (H). Die Reaktion mit nitrosierenden Agentien kann zur Bildung von N-Nitrosodiethylamin führen. Die Substanz wirkt ätzend an Haut und Auge und verursacht konzentrationsabhängig Sehstörungen und Corneaverdikkung bzw. Cornea-Odeme oberhalb von 1,44 - 2,7 ppm (ca. 6 - 11 mg/m3).

Die MAK-Werte Begründung führt dazu aus:

"Bei Arbeitern führt die 8-stündige Exposition gegenüber durchschnittlichen Triethylamin-Konzentrationen von 3 ml/m3 mit Kurzzeitexpositionen von mehr als 4 ml/m3 zu subjektiven visuellen Störungen, die als blaugraues, vernebeltes oder verschwommenes Sehen beschrieben wurden. In Einzelfällen wurde auch bei niedrigeren 8-Stunden-Mittelwerten im Bereich von 1 ml/m3 über visuelle Störungen berichtet, wobei hier möglicherweise erhöhte Kurzzeitexpositionen verantwortlich waren. Bei höheren Konzentrationen zeigen sich Irritationseffekte, wobei die Cornea leicht getrübt erscheinen kann, was sich jedoch einige Stunden nach Expositionsende normalisiert, ohne bleibende Schädigungen zu hinterlassen.

Die Ursache der durch tertiäre Amine hervorgerufenen visuellen Störungen wird auf die Pupillenerweiterung (kompetitive Hemmung von Acetylcholin und ähnlichen Agonisten), den Verlust der Adaptation (Paralyse des ciliären Muskels und damit Unfähigkeit zur Fokussierung) und die Ausbildung von Odemen der Cornea zurückgeführt."

N,N-Dimethylethylamin (DMEA; CAS-Nr.: 598-56-1)

Der derzeit gültige Luftgrenzwert beträgt 25 ppm (76 mg/m3) bei einer Spitzenbegrenzung mit dem Überschreitungsfaktor =1=. Die MAK-Kommission hat den MAK-Wert im Jahr 2000 auf 2 ppm (6,1 mg/m3) abgesenkt. Der Beraterkreis Toxikolgie und der Ua V haben die Beratung zu den MAK-Werten 2000 zur Festlegung bzw. Änderung von Luftgrenzwerten in der TRGS 900 aufgenommen. Die Substanz wirkt beim Menschen reizend auf Auge, Nase und Rachen und verursacht konzentrationsabhängige Sehstörungen und Gorneaverdickung bzw. Cornea-Odeme.

N,N-Dimethyl-n-propylamin (DMPA; CAS-Nr.: 926-63-6)

Es liegen nur unvollständige chemisch-physikalische und keinerlei toxikologische Daten zu dieser Substanz vor. Daher ist eine Bewertung durch den Beraterkreis "Toxikolgie" nicht möglich. Aufgrund der Struktur ist mit einer Reiz-/Atzwirkung der Substanz an Haut und Auge zu rechnen. Die Aufstellung eines Luftgrenzwertes ist auf dieser Datenbasis nicht möglich.

N,N-Dimethylisopropylamin (DMIA; CAS-Nr.: 996-35-0)

N,N-Dimethylisopropylamin führt zu Reizwirkungen und Sehstörungen wie bei Triethylamin beschrieben. Die MAK-Komniission hat die Substanz in die Ankündigungsliste für die Aufstellung eines MAK-Wertes aufgenommen. Bis zum Vorliegen eines MAK-Wert-Vorschlages sollte vorsorglich ein Luftgrenzwert in Höhe des MAK-Wertes für Triethylamin zugrundegelegt werden (1 ppm = 4,2 mg/m3) bei einer Spitzenbegrenzung mit dem Überschreitungsfaktor =1=.

Weitere flüchtige, niedermolekulare Amine

Eine Ermittlung der Datenlage und arbeitsmedizinisch-toxikolgischen Bewertung wurde durch des AGS und seinen Gremien nicht vorgenommen. Vor ihrem Einsatz sollte eine vergleichende Bewertung nach der TRGS 440 vorgenommen werden.

Schlußfolgerungen für das Substitutionsgebot nach § 16 Gefahrstoffverordnung und notwendige technische Arbeitsschutzmaßnahmen zur Verringerung der Exposition:

Keine der aus technologischer Sicht möglichen niedermolekularen Amine kann zur Zeit aus toxikolgisch-arbeitsmedizinischer Sicht als geeigneter Ersatzstoff für das Kembegasungsmittel Triethylamin empfohlen werden. Bei Einsatz der genannten Kernbegasungsmittel sollten durch technische Maßnahmen die genannten bzw. empfohlenen Luftgrenzwerte unterschritten werden. Falls dies nicht möglich ist, sollte die Anwendung alternativer Verfahren geprüft werden.

Bei Einsatz von Begasungsmitteln, die aufgrund der fehlenden Daten noch nicht arbeitsmedizinisch-toxikologisch bewertet werden konnten oder können, wird aus Gründen der Prävention empfohlen, die Exposition der Arbeitnehmer zu minimieren. Als Anhalt für die zu treffenden Schutzmaßnahmen sollte der Größenbereich der für die niedermolekularen Amine bereits festgelegten Grenzwerte (1-2 ppm) bei einer Spitzenbegrenzung mit dem Überschreitungsfaktor =1= zugrunde gelegt werden.

Dieser Größenbereich kann nur bei konsequenter Umsetzung der im folgenden genannten technischen Maßnahmen für den gesamten Arbeitsbereich erreicht werden:


ENDE

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