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17. TRK-Wert für Ethylenoxid

(BArbBl. 11/90 S. 48; 9/92 S. 56)


1 ml/m3(2 mg/m3)

Ethylenoxid ist im Verzeichnis der krebserzeugenden Arbeitsstoffe bei Massengehalten> 0,1 % in die Gruppe III (gefährdend) eingeordnet.

Arbeitsmedizinische Erfahrungen

Ethylenoxid wirkt auf die Haut reizend. Bei hohen Konzentrationen kann es bei längerem Hautkontakt zu Blasenbildung und bei Bindehautkontakt konzentrationsabhängig zur Verätzung kommen. Nach inhalativer Aufnahme sind Kopfschmerzen. Übelkeit, Erbrechen, Atemnot und Cyanose beobachtet worden. Höhere Konzentrationen können durch narkotische Wirkung zum Tode führen. Im Zusammenhang mit möglichen Expositionen von > 700 ml/m3 sind reversible Neuropathien an den Extremitäten beschrieben worden [1]. Bei Expositionen im Bereich 5 bis 10 ml/m3sind leicht erhöhte Lymphozytenzahlen beschrieben [2]; nach [3] fanden sich keine Abweichungen des Blutbildes bei 50 ml/m3.

Chromosomenaberrationen bzw. Sisterchromatid Exchange (SCE) sind bei Expositionen von 50 bis 200 ml/m3, insbesondere bei über 10jähriger Exposition, z.T. signifikant erhöht [3], dagegen bei < 5 ml/m3 nicht beobachtet worden [4].

In einer epidemiologischen Studie (s. auch [5. 6]) an drei Kohorten fand sich eine statistisch signifikante Assoziation zwischen der Ethylenoxidgefährdung mit erhöhter Blutkrebs-(Leukämie-)-Rate.

Insgesamt standen 0,8 erwarteten 8 beobachtete Todesfälle an Leukämie gegenüber [7]. Ferner weisen insgesamt 6 beobachtete Todesfälle an Magenkrebs in 2 der 3 genannten Kohorten gegenüber 0,65 erwarteten ebenfalls auf ein signifikant erhöhtes Tumorrisiko hin. Zwei weitere Studien zeigten keine Leukämieüberhäufigkeit [8, 9].

In einer neuen multizentrischen Kohortenstudie an insgesamt 2658 Arbeitern mit früherer Exposition gegenüber Ethylenoxid fand sich ebenfalls kein Hinweis auf eine Leukämieüberhäufigkeit [10]; 2,35 erwarteten standen 2 beobachtete Todesfälle an Leukämie gegenüber. Eine - allerdings statistisch nicht signifikante - Überhäufigkeit fand sich für Carcinome der Speiseröhre (SMR = 2,0) und des Magens (SMR = 1,38). Die Gesamtzahl an beobachteten Todesfällen durch Krebserkrankungen war niedriger als erwartet (SMR = 0,97).

Untersuchungen an weiblichen Krankenhausbeschäftigten zeigten im Zusammenhang mit Ethylenoxidposition bei der Instrumentensterilisation während der Schwangerschaft eine signifikant erhöhte Rate an spontanen Fehlgeburten [11].

Toxikologische Erfahrungen [12, 13]

Die alkylierenden Eigenschaften von Ethylenoxid konnten auch durch den Nachweis einer DNA-Alkylierung bei exponierten Mäusen erkannt werden. Ethylenoxid zeigte bei sehr verschiedenartigen Testobjekten - einschließlich Ratte und Maus - eine mutagene Wirkung. Darüber hinaus ließen sich beim Säuger nach Inhalation Chromosomenschäden nachweisen.

Bei Mäusen blieb eine Behandlung der Haut mit jeweils etwa 10 Milligramm Ethylenoxid pro Maus (3mal/Woche 0,1 ml einer 10 %igen Lösung in Aceton) über die Lebenszeit ohne krebserzeugende Wirkung. Nach Injektion unter die Haut (sehr empfindlicher Test) von je 0,1; 0,3 bzw. 1 Milligramm Ethylenoxid pro Maus (1mal/Woche über etwa die gesamte Lebenszeit) entwickelten sich bei 7 %, 12 % bzw. 15 % der eingesetzten Mäuse meist bösartige, lokale Tumoren (2,5 % bei der Tricaprylin-Kontrolle). Die hohe Dosierung kann als die maximalverträgliche angesehen werden.

Bei Ratten führt die Schlundsonden-Applikation von 7,5 bzw. 30 mg Ethylenoxid pro Kilogramm Körpergewicht (in Speiseöl, 2mal/Woche über die Lebenszeit) bei 16 % bzw. 62 % der Tiere zur Induktion von Vormagenkarzinomen.

Ratten, die Ethylenoxid praktisch über die Lebenszeit (2 Jahre) in Konzentrationen von 10 ppm, 33 ppm bzw. 100 ppm inhaliert hatten (6 Std./Tag; 5mal/Woche) entwickelten zu 38 %, 53 % bzw. 70 % monozytäre Leukämien (31 % bei der Kontrolle); bei männlichen Ratten traten intraperitoneale Mesotheliome bei 8 %, 22 % bzw. 47 % der Tiere auf (5 % bei der Kontrolle). Ein zweiter, ähnlich angesetzter Versuch scheint ein vergleichbares Ergebnis erbracht zu haben (noch nicht endgültig publiziert) .

Bei den beiden letztgenannten Versuchen wurde besonders gründlich nach Hirntumoren gesucht. Nachfolgend die Zahl der gefundenen Hirntumoren, bezogen auf die Zahl der untersuchten Ratten:

  0 ppm 10 ppm 33 ppm 50 ppm 100 ppm
1. Versuch (Weibchen) 2/470 2/237 8/237   11/238
2. Versuch (Männchen) 0/76     2/77 5/79

Für entsprechende histologische Kontrollen wurde eine Hirntumor-Rate von» 1 % angegeben.

Analytik

Zur Messung von Ethylenoxid in der Luft in Arbeitsbereichen eignet sich die Probenahme durch Adsorption an Aktivkohle und die anschließende analytische Bestimmung des Sorbats mit Hilfe der Gaschromatographie. Die Bestimmungsgrenze beträgt unter Praxisbedingungen bei zweistündiger Probenahme 0,025 ml/m3 [14].

Zur Beurteilung verkürzter Expositionen sowie von Expositionsspitzen wird eine Mittelungsdauer nicht unter 15 min empfohlen; hierbei liegt die Bestimmungsgrenze bei 0,2 ml/m3.

Herstellung und Verwendung

Ethylenoxid wird derzeit in der Bundesrepublik Deutschland in einer Menge von 600000 t/a hergestellt. Es wird eingesetzt bei der Herstellung von Ethylenglykolen, Polyethylenglykolen, Ethylenglykolethern, Ethylenchlorhydrin, Ethanolaminen sowie oberflächenaktiven Stoffen auf der Basis von Ethoxilaten (Addukte mit z.B. Alkoholen, Phenolen, Säuren, Amiden).

Ethylenoxid tötet Sporen und vegetative Zellen. Es darf nur noch verwendet werden zur Sterilisation von medizinischen Instrumenten und ist nicht mehr zulässig zur Entkeimung von Gewürzen, Trockengemüse, Tee, Futtermitteln, Drogen und Quellmitteln. Hierbei darf die Ethylenoxid-Sterilisation jedoch nur bei Sterilisiergut verwendet werden, das wegen seiner Hitzeempfindlichkeit thermisch sterilisiert werden kann [15].

  Ergebnisse von Arbeitsbereichsmessungen

1. Chemische Industrie (einschließlich Lagerung und Umschlag)

Bei Herstellung und Weiterverarbeitung von Ethylenoxid liegen die Arbeitsplatzkonzentrationen (Schichtmittelwerte) in der Regel unter 1 ml/m3. Bei Ab- und Umfüllvorgängen, Wartungsarbeiten und Probenahmen können - wenn auch meist kurzfristig - höhere Konzentrationen auftreten. Insbesondere bei Ethylenoxylierungsprodukten höherer Viskosität kann die Verwendung ständig geschlossener Systeme technische Probleme bereiten.

2. Medizinischer Bereich

Bei der Verwendung von Ethylenoxid zur Sterilisation sind bei automatischen Anlagen nach dem Stand der Technik Konzentrationen deutlich unterhalb 1 ml/m3als Schichtmittelwert erreichbar. Ethylenoxidemissionen treten in der Regel nur beim Öffnen der Sterilisatoren und bei der Herausnahme des Sterilgutes auf.

Die hieraus sich ergebenden Konzentrationsspitzen werden durch die Raumlüftung innerhalb weniger Minuten wieder bis deutlich unterhalb 1 ml/m3abgebaut.

26 repräsentative Messungen während dieser Zeiten (15-min-Mittelwerte, Meßbeginn bei Öffnung des Sterilisators) erbrachten in 90 % der Fälle Ergebnisse zwischen der Bestimmungsgrenze und 4 ml/m3.

3. Sterilisation

Bei der Sterilisation von medizinischen Geräten, wie Nahtmaterial, Infusionsschläuchen, Einmalspritzen sind bei Neuanlagen nach dem Stand der Technik Konzentrationen unter 1 ml/m3 während des Betriebes erreichbar. Beim Öffnen der Sterilisatoren treten je nach Art und Oberfläche der behandelten Materialien kurzzeitige Spitzenwerte auf, so daß Atemschutz verwendet werden muß.

Literatur

[1] Janson, E. K.: Fed. Reg. 43 (19), 3801 (1978).

[2] Joyner, R. E.: Arch. Envir. Health 8, 700 (1964).

[3] Abrahams, R. H.: (1980) HIMa Rep. Nr. 80 - 4, 27.

[4] Ehrenberg, L. u. a.: Int. Atomic EnAg. Rep. 5 M 92/96, 327 (1967).

[5] Hogstedt. C., N. Malmqvist, B. Wadman (1979): Leukemia in workers exposed to ethylene oxide. JAMa 241: 1132 - 1133.

[6] Hogstedt, C., O. Rohlen, B. S. Berndtsson, O. Axelson, L. Ehrenberg (1979): a cohort study of mortality and cancer incidence in ethylene oxide production workers. Br. J. Indust. Med. 36: 276/280.

[7] Hogstedt, C., L. Aringer, A. Gustavsson (1986): Epidemiologic Support for Ethylene Oxide as a Cancer-causing Agent. JAMa 255: 1575 - 1578.

[8] Morgan, R. W., K. W. Claxton, B. J. Divine, S. D. Kaplan, V. B. Harris (1981): Mortality among ethylene oxide workers. J. Occup. Med. 23: 767 - 769.

[9] Thiess, A. M., R. Frentzel-Beyme, R. Link, W. G. Stocker (1982): Mortality study on employees exposed to alkylene oxide (ethylene oxide/propylene oxide) and their derivatives (pre-publication copy). Occup. Safety and Health Scr. No. 46, ILO, Geneva.

[10] Kiesselbach, N., K. Ulm, H. J. Lange, U. Korallus (1990): a multicentre mortality study of workers exposed to ethylene oxide. Br. J. Industr. Med. 47: 182 - 188.

[11] Hemminski, R., P. Mutanen, I. Saloniemi, M. L. Niemi, H. Vainio (1982): Spontaneous abortions in hospital staff engaged in sterilizing instruments with chemical agents. Br. Med. J. 285: 1461 - 1463.

[12] "Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe" (Toxikologisch-areitsmedizinische Begründung von MAK-Werten) der Arbeitsstoffkommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Verlag Chemie, Weinheim.

[13] Federal Register (USA) Vol. 49, No. 122, Juni 1984. 2573 - 24809

[14] Von den Berufsgenossenschaften anerkannte Analysenverahren zur Feststellung der Konzentrationen krebserzeugender Arbeitsstoffe in der Luft in Arbeitsbereichen, ZH 1/120.

[15] Empfehlungen des Bundesgesundheitsamtes zur Frage der Verwendung von Ethylenoxid; Bundesgesundheitsblatt 29 Nr. 1, Januar 1986. S. 21 - 22.


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