Vorschlag für einen Beschluss des Rates über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten: Teil II der integrierten Leitlinien zu Europa 2020 KOM (2010) 193 endg.
871. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2010
A.
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik (AS), der Finanzausschuss (Fz), der Ausschuss für Kulturfragen (K) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die mit den integrierten Leitlinien konkretisierte Strategie Europa 2020. Der Bundesrat sieht wie die Kommission einen grundlegenden Bedarf, die Politiken von Kommission und Mitgliedstaaten besser zu verknüpfen und einen europäischen Mehrwert zu schaffen. Er verweist auf die zur "Mitteilung der Kommission: Europa 2020 - Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum" erfolgten Stellungnahmen des Bundesrates (BR-Drucksachen 113/10(B) ) und 113/10(B) (2)).
- 2. Der Bundesrat weist darauf hin, dass der vorgesehene Mechanismus von verbindlichen nationalen Zielen und der Überwachung durch die Kommission nicht in die durch den Lissabon-Vertrag soeben eingeführte klare Kompetenzverteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten eingreifen darf.
- 3. Dies gilt insbesondere für die auf Artikel 148 AEUV gestützte Leitlinie für Beschäftigungspolitik (BR-Drucksache 113/10(B) , Ziffer 11).
- 4. Handlungsoptionen der Mitgliedstaaten müssen gewahrt bleiben. Über das "Wie" der Umsetzung haben die Mitgliedstaaten zu entscheiden. Die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit sind ohne Einschränkung zu wahren.
- 5. [Um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen,] unterstützt der Bundesrat {lediglich} quantifizierbare Zielvorgaben für Klimaschutz und Energie, sofern sie nicht über die im Jahr 2007 vom Europäischen Rat beschlossenen Vorgaben hinausgehen (BR-Drucksache 113/10(B) , Ziffer 19).
- 6. {Fz}
- 7. Der Bundesrat unterstützt das Streben nach einer effizienteren Koordinierung der strategiebezogenen Maßnahmen im Bereich der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik, weist aber noch einmal auf mögliche Probleme hinsichtlich der von der Kommission angestrebten Ausweitung der Koordinierungsmechanismen der (zentralen) Währungsunion auf den Bereich der (dezentralen) Wirtschaftspolitik hin.
- 8. Insbesondere bestehen Bedenken beim vorgesehenen "thematischen Ansatz", der über "Kernziele" Empfehlungen an die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 AEUV ermöglichen soll.
- 9. Quantifizierte Zielvorgaben dürfen deshalb nur den Charakter von unverbindlichen Durchschnittsbezugswerten haben, müssen aber den Mitgliedstaaten die Auswahl und die Instrumente der Umsetzung in ihren nationalen Politiken überlassen (BR-Drucksache 113/10(B) , Ziffer 28).
- 10. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Regionen bedeutende Akteure bei der Realisierung der gesamten Europa-2020-Strategie sind und die Akzeptanz der darauf beruhenden Inhalte und Maßnahmen der Leitlinien auch von dieser Politikebene vorliegen muss. Die EU sollte daher strikt das Subsidiaritätsprinzip wahren und sich auf ihre Rahmenkompetenz beschränken, damit Spielräume sowohl für nationale als auch regionale Politikgestaltung erhalten bleiben. Dies gilt auch für [das Bereitstellen von Fördermitteln für die Regionalförderung] bzw. {die Auswahl und den Einsatz der Instrumente der Regional- und Strukturpolitik}.
- 11. Der Bundesrat teilt die Auffassung des Europäischen Rates, dass die Rahmenbedingungen für Unternehmen auch durch Bürokratieabbau und intelligente Rechtsetzung weiter zu verbessern sind. Er hält neben der Verringerung bestehender auch die Vermeidung zusätzlicher Verwaltungslasten für dringend geboten. Der Bundesrat appelliert daher auch an die Organe der EU, neue Informationspflichten und Verwaltungslasten, nach Möglichkeit durch Vermeidung neuer Rechtsvorschriften, auf ein Minimum zu beschränken und die sogenannten Erfüllungskosten, die durch die Befolgung inhaltlicher EU-Vorgaben entstehen, als weiteres anspruchsvolles Reduktionsziel aufzunehmen.
- 12. Der Bundesrat lehnt deshalb die im "Beschluss des Rates über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten" in Artikel 2 Satz 1 enthaltenen Berichtspflichten ab, insbesondere, da hierzu keine Rechtsgrundlage und Zuständigkeit der EU bestehen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich vor Beschlussfassung im Rat dafür einzusetzen, dass auf die in Artikel 2 Satz 1, 2. Halbsatz vorgeschlagene Berichtspflicht über die Berücksichtigung der Leitlinien in den beschäftigungspolitischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten verzichtet wird.
- 13. Der Bundesrat begrüßt die Reduzierung von bisher 24 auf 10 Leitlinien. Aus Sicht des Bundesrates dient dies der Klarheit der Schwerpunktsetzung und befördert das gemeinsame Anliegen, die politischen Ziele der EU auch in der Öffentlichkeit klarer und verständlicher zu vermitteln.
- 14. [Der Bundesrat begrüßt ferner grundsätzlich,] dass die Kommission in den zehn integrierten Leitlinien zu Europa 2020 den Rahmen für die {Umsetzung der} Strategie Europa 2020 sowie für Reformen auf der Ebene der Mitgliedstaaten {grundsätzlich} absteckt, [die die Grundlage für die von den Mitgliedstaaten zu erstellenden nationalen Reformprogramme bilden sollen. Der Bundesrat hält es insbesondere für sinnvoll, die Werte Innovation und Wettbewerbsfähigkeit in Einklang zu bringen mit der Sanierung der Haushalte der Mitgliedstaaten.]
- 15. Der Bundesrat unterstützt den Vorschlag, dass die Leitlinien bis 2014 weitgehend unverändert bleiben sollten, auch wenn sie jährlich erstellt werden müssen, damit das Hauptaugenmerk auf ihre Umsetzung gerichtet werden kann.
Zu Leitlinie 1:
- 16. Im Hinblick auf die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise sowie die Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der "Griechenland-Hilfe" sowie die Errichtung eines Notfallfonds für die Eurozone misst der Bundesrat namentlich der Leitlinie 1: Gewährleistung der Qualität und langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen eine große Rolle zu. Danach sollen die Mitgliedstaaten Strategien zur Konsolidierung ihrer Haushalte auf der Grundlage des Stabilitäts- und Wachstumspakts umsetzen. Der Bundesrat teilt auch die Vorstellung der Kommission, dass möglichst bald mit der Konsolidierung des Haushalts begonnen werden sollte und die mittelfristigen Haushaltsziele erreicht werden sollten.
- 17. Voraussetzung für ein Gelingen ist aber nicht nur eine stärkere Koordinierung der Wirtschaftspolitik und Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten, sondern darüber hinaus auch eine konsequente Überwachung der Umsetzung der sich aus der Leitlinie 1: Gewährleistung der Qualität und langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen ergebenden Erfordernisse. Eine jährliche Gesamtbewertung durch die Kommission reicht hierfür nicht aus. Vielmehr sollte die Überprüfung der Umsetzung regelmäßig auf der Agenda des Europäischen Rates stehen und ein Sanktionssystem festgelegt werden. Eine Schuldenbremse auf europäischer Ebene sollte verbindlich festgelegt werden.
- 18. Der Bundesrat warnt [zudem auch in diesem Kontext] vor einer inhaltlichen Vermengung der Regelungen zum Stabilitäts- und Wachstumspakt und zur Durchsetzung finanzpolitischer Disziplin in Europa mit den Reformprogrammen der Strategie Europa 2020 und ihrer integrierten Leitlinien. Eine Aufweichung des Stabilitäts- und Wachstumspakts muss unbedingt verhindert werden (BR-Drucksache 113/10(B) , Ziffer 30).
- 19. Deshalb muss sichergestellt werden, dass der Europäische Wachstums- und Stabilitätspakt und die EU-Strategie 2020 nicht in der Weise miteinander verknüpft werden, dass unzureichende Konsolidierungsanstrengungen in den Haushaltspolitiken der Mitgliedstaaten der EU mit der vermeintlich notwendigen Umsetzung der neuen Strategie für Wachstum und Beschäftigung begründet werden oder umgekehrt.
- 20. Um künftig Beeinträchtigungen für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu verhindern, ist die Etablierung einer krisenfesten internationalen Finanzmarktarchitektur notwendig. Der Bundesrat unterstützt daher die Kommission bei ihrer Arbeit, die Regeln für die Finanzmärkte auf der Grundlage marktwirtschaftlicher Prinzipien neu auszurichten und so stabile, verantwortungsvolle Finanzmärkte zu gewährleisten. Der Bundesrat weist darauf hin, dass bei der Erarbeitung der neuen Regelungen nach Lösungen gesucht werden muss, die den Banken bei der Kreditvergabe im Interesse der Wirtschaft ausreichend große Spielräume belassen.
- 21. Auf europäischer Ebene muss sich die künftige EU-Strategie in einen möglichst eng gefassten Haushaltsrahmen für die Jahre ab 2014 einpassen, der die geltende Haushaltsobergrenze fortführt, aber auch einen klaren Mehrwert für Innovation, Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit gewährleistet.
Zu Leitlinien 2 und 3:
- 22. Der Bundesrat begrüßt die Feststellung der Kommission in ihrer allgemeinen Begründung zu den Leitlinien, wonach die Strukturreformen der EU und der Mitgliedstaaten dann wirklich zu Wachstum und Beschäftigung beitragen, wenn sie die Wettbewerbsfähigkeit der EU in der Weltwirtschaft stärken. Er bedauert jedoch, dass diese Feststellung vor allen innerhalb der Leitlinie 2: Beseitigung makroökonomischer Ungleichgewichte und der Leitlinie 3: Abbau von Ungleichgewichten in der Eurozone nicht wieder explizit Berücksichtigung findet. Der Bundesrat vermisst die Klarstellung, dass der Abbau der Ungleichgewichte nicht über eine Schwächung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Überschussländer gehen kann. Nach Auffassung des Bundesrates ist es vielmehr vorrangige Aufgabe der wettbewerbsschwachen Länder, umgehend strukturelle Reformen, z.B. auf den Produkt- und Arbeitsmärkten oder im Bereich der sozialen Sicherungssysteme, einzuleiten.
Zu Leitlinie 2:
- 23. Der Bundesrat teilt die Ziele der Kommission, die makroökonomischen Ungleichgewichte zu beseitigen sowie die Erhöhung der Beschäftigungsquote und den Abbau der strukturellen Arbeitslosigkeit voranzutreiben. Um die Arbeitslosigkeit in Europa zu senken, bedarf es nach Ansicht des Bundesrates [einer moderaten Entwicklung der Arbeitskosten], {einer Lohnpolitik, die sich an den Produktivitätsfortschritten orientiert,} eines leistungsfähigen und vor allem auf die Bedürfnisse der Geringqualifizierten zugeschnittenen Steuer- und Abgabensystems sowie einer konsequenten Wachstums- und Investitionspolitik.
- 24. Ein Abbau der makroökonomischen Ungleichgewichte wird aber nicht erreicht durch eine übermäßige, expansiv orientierte Lohnpolitik.
- 25. Die in der Leitlinie 2: "Beseitigung der Ungleichgewichte" in Bezug auf die Rahmenbedingungen für die Tarifverhandlungssysteme erhobene Forderung, dass die Entwicklung der Arbeitskosten in Europa auch die Notwendigkeit der Verringerung der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte berücksichtigen soll, lehnt der Bundesrat ab. Aufgabe der Lohnpolitik ist es, Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt zum Ausgleich zu bringen, und nicht Leistungsbilanzungleichgewichte abzubauen. Eine Abkehr von der Politik moderater Lohnabschlüsse der letzten Jahre in Deutschland würde die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft schwächen. Darüber hinaus stellt der Bundesrat klar, dass die Lohnfindung in Deutschland in der Autonomie der Tarifpartner liegt.
Zu Leitlinie 3:
- 26. Die Leitlinie 3: Abbau von Ungleichgewichten in der Eurozone fordert dazu auf, hohe und fortbestehende Unterschiede in den Leistungsbilanzpositionen und andere makroökonomische Ungleichgewichte zu verringern.
- 27. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Kommission, wonach zum Abbau der Ungleichgewichte in der Eurozone die Länder mit Leistungsbilanzüberschüssen einen Beitrag leisten können, indem sie ihre Binnenwirtschaft stärken.
- 28. Der Bundesrat betont, dass es sich dabei aber nicht um weitere expansive fiskalpolitische Maßnahmen handeln kann.
- 29. Eine nachhaltige Steigerung der binnenwirtschaftlichen Nachfrage muss [vorrangig] darauf setzen, {die Anstrengungen für Forschung, Entwicklung und Innovationen sowie} die inländischen Investitionen zu steigern. Nur so ist ein nachhaltiges Wachstum ganz Europas zu erreichen.
- 30. Die Steigerung der Investitionen ist darüber hinaus ein maßgeblicher Baustein zur Realisierung der Leitlinie "Optimierung der FuE- sowie der Innovationsforschung, Stärkung des Wissensdreiecks und Freisetzung des Potenzials der digitalen Wirtschaft" und der Leitlinie "Verbesserung der Ressourceneffizienz und Abbau der Treibhausgasemissionen".
- 31. Darüber hinaus ist der private Konsum wie die private Investitionstätigkeit von stabilen Zukunftserwartungen abhängig. Dazu bedarf es nachhaltig tragfähiger öffentlicher Finanzen, die dem privaten Sektor hinreichende finanzielle Dispositionsmöglichkeiten belassen. Die Mitgliedstaaten sollten deshalb mit der strukturellen Konsolidierung ihrer öffentlichen Haushalte sobald als möglich beginnen. Dies wäre nach Auffassung des Bundesrates ein wirkungsvoller Beitrag zur Stärkung der privaten Konsumnachfrage.
Zu Leitlinie 4:
- 32. Das in der Leitlinie 4: Optimierung der FuE- sowie der Innovationsförderung, Stärkung des Wissensdreiecks und Freisetzung des Potenzials der digitalen Wirtschaft angestrebte Kernziel der EU, dass bis 2020 drei Prozent des BIP der EU für FuE aufgewendet werden sollen, wird begrüßt. Unabhängig hiervon muss die Kommission aber sicherstellen, dass die europäische Kooperation im Bereich Forschung und Innovation unter den Prämissen von Freiwilligkeit und variabler Geometrie steht und die nationalen Kompetenzen in der Forschungs- und Innovationspolitik nicht in Frage gestellt werden. Unterschiedliche Forschungsansätze der Mitgliedstaaten, die einen produktiven Wettbewerb der Forscher und Forscherinnen sichern, müssen bei aller Notwendigkeit der europaweiten Zusammenarbeit auch in Zukunft autonom gesteuert werden können.
Zu Leitlinie 5:
- 33. Leitlinie 5: Verbesserung der Ressourceneffizienz und Abbau der Treibhausgase wird vom Bundesrat unterstützt. Dies gilt auch für das vorgeschlagene Kernziel, bis 2020 die Treibhausgasemissionen um 30 Prozent zu senken, falls die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind. Voraussetzung ist hierfür jedoch, dass damit nicht zu hohe Kosten für die Unternehmen entstehen, die die internationale Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen.
- 34. Europa hat sich grundsätzlich zur Begrenzung des CO₂-Ausstoßes primär für das Treibhausgashandelssystem entschieden. Bei der Einführung nationaler Energiesteuersysteme wären daher die möglicherweise eintretenden negativen Wechselwirkungen zu untersuchen und bei der Gesetzgebung zu berücksichtigen. Für eine geplante Überarbeitung der Energiesteuerrichtlinie gilt weiterhin, dass die Europäische Kommission alles unterlassen sollte, was die Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedstaaten schwächt. Insbesondere müssen die Energiepreise einschließlich Steuern international wettbewerbsfähig sein.
Zu Leitlinie 6:
- 35. Der Bundesrat unterstützt grundsätzlich die Leitlinie 6: Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen und Verbraucher und Modernisierung der industriellen Basis. Sie wird aber zu wenig der Bedeutung der KMU gerecht und sollte daher die Belange des Mittelstandes bereits in der Überschrift zum Ausdruck bringen. Der Mittelstand umfasst 99 Prozent der Unternehmen und ist die wesentliche Säule der Wirtschaft. Der mit dem "Small Business Act" der Europäischen Kommission zugrunde liegende Leitgedanke, künftige Regelungen nach dem Prinzip "Vorfahrt für KMU" zu gestalten, muss auf allen politischen und verwaltungstechnischen Entscheidungsebenen zur Handlungsmaxime werden. Die Besonderheiten von KMU müssen daher stärker berücksichtigt werden. Dazu müssen die Auswirkungen geplanter Rechtsvorschriften und Verwaltungsmaßnahmen in einer Gesetzesfolgenabschätzung gerade im Hinblick auf KMU bewertet und Maßnahmen entwickelt werden, die speziell auf KMU zugeschnitten sind. Die mit dem "Small Business Act" angestoßenen Maßnahmen müssen dringend auf ihre Realisierung und ihren Zielerreichungsgrad hin überprüft werden.
Zu Leitlinien 5 und 6:
- 36. Der Bundesrat betrachtet eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zum Einsatz öffentlicher Beschaffung und Steuern als Mittel der Politiksteuerung, wie sie in den Leitlinien 5 und 6 beschrieben wird, kritisch. Die von der GD Binnenmarkt durchgeführte Evaluation der Vorgaben des europäischen Vergaberechts sollte in jedem Fall abgewartet werden, bevor weitere Legislativakte zum Vergaberecht auf europäischer Ebene beschlossen werden. Auch die Überlegungen und Aktivitäten anderer Fachpolitiken der Kommission müssen besser mit europäischen Initiativen im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe koordiniert werden, um nicht die Kohärenz mit den Richtlinien der öffentlichen Auftragsvergabe zu gefährden und die Anwender vor weitere und neue rechtliche Probleme zu stellen. Eine verbindliche Koordinierung der Kommissionsdienststellen zur Erhöhung der Transparenz und Anwenderfreundlichkeit der Rechtsetzung ist hier unerlässlich. Der Bundesrat erinnert aber daran, dass das wesentliche Ziel der Auftragsvergabe die effektive Bedarfsdeckung bleiben muss. Der Entscheidungsspielraum der Kommunen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben in der Daseinsvorsorge muss erhalten bleiben und weiter gestärkt werden. Hilfestellungen über Informationsportale durch Auslegungs- und Anwendungshilfen, z.B. zur Berücksichtigung von ökologischen, innovativen und sozialen Kriterien bei der Auftragsvergabe, könnten jedoch sinnvoll sein.
Zu Leitlinie 7:
- 37. Der Bundesrat begrüßt, dass die Leitlinie 7 schwerpunktmäßig auf die Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen zielt. Damit wird an die bisherigen beschäftigungspolitischen Leitlinien angeknüpft. Er teilt die Auffassung, dass eine Kombination aus flexiblen und rechtssicheren Arbeitsverträgen, einer aktiven Arbeitsmarktpolitik, effektivem lebenslangen Lernen, einer Politik zur Förderung der Arbeitskräftemobilität und angemessenen Systemen der sozialen Sicherung zur Absicherung beruflicher Übergänge eine Erfolg versprechende Politikstrategie zur Bewältigung der beschäftigungspolitischen Herausforderungen darstellt.
Zu Leitlinie 8:
- 38. Der Bundesrat weist darauf hin, dass Mehrsprachigkeit eine herausragende berufsübergreifende Kompetenz ist, die insbesondere die in Leitlinie 8 erwähnte und erwünschte geografische Mobilität der Arbeitnehmer unterstützt. Daher bittet der Bundesrat die Bundesregierung sich vor Beschlussfassung im Rat dafür einzusetzen, dass die Mehrsprachigkeit in Leitlinie 8, Absatz 1 Satz 3 als herausragende Kompetenz Erwähnung findet.
Zu Leitlinien 8 und 9:
- 39. Der Bundesrat empfiehlt, eine Zusammenlegung der Leitlinien 8 und 9 zu prüfen. Weiter wird eine stärkere Prioritätensetzung innerhalb dieser Leitlinien für sinnvoll gehalten. Die Anpassung vorhandener Qualifikationen an künftig nachgefragte Qualifikationen wie die Verbesserung der Qualität der Bildung sind nach Ansicht des Bundesrates entscheidende Voraussetzungen, sowohl die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft als auch die Beschäftigungsfähigkeit der Individuen strukturell zu stärken.
- 40. Der Bundesrat ist überzeugt, dass die allgemeine und berufliche Bildung eine wichtige Rolle für die Zukunft der EU und ihrer Mitgliedstaaten spielt und wesentliche Voraussetzung für Wachstum und Beschäftigung, Wettbewerbsfähigkeit und Innovation ist. Der Bundesrat stellt fest, dass der Bildung deshalb eine große Bedeutung für die integrierten Leitlinien zu Europa 2020 zukommt, die den Rahmen für die Europa-2020-Strategie sowie für Reformen auf der Ebene der Mitgliedstaaten abstecken. Der Bundesrat weist aber erneut darauf hin, dass Bildung weit über ökonomisch motivierte Zielsetzungen hinausgeht, unter anderem auch der Persönlichkeitsbildung und Wertevermittlung dient und daher auch im Rahmen der integrierten Leitlinien nicht der Wirtschafts-, Sozial- oder Beschäftigungspolitik untergeordnet werden darf, sondern als eigenständiger Politikbereich zu betrachten ist.
- 41. Vor diesem Hintergrund bekräftigt der Bundesrat die zur "Mitteilung der Kommission: Europa 2020 - Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum" angenommenen Stellungnahmen - BR-Drucksache 113/10(B) und BR-Drucksache 113/10(B) (2) -. Diese Beschlüsse enthalten insbesondere zum Bildungsbereich detaillierte Aussagen zu kompetenzrechtlichen Fragestellungen im Rahmen von Europa 2020, die angesichts des engen Zusammenhangs zwischen der Strategie und der ihrer Umsetzung dienenden integrierten Leitlinien auch für letztere relevant sind. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission in dem Entwurf für die integrierten Leitlinien zu Europa 2020 auf konkrete Vorgaben zur Gestaltung der mitgliedstaatlichen Bildungssysteme weitgehend verzichtet und insoweit die eng gefassten Unionskompetenzen im Bildungsbereich grundsätzlich nicht überschreitet.
- 42. Der Bundesrat betont nochmals, dass Verwarnungen an Mitgliedstaaten im Bereich der Bildungspolitik angesichts der vertraglichen Kompetenzverteilung ausgeschlossen sind und sicherzustellen ist, dass es zu keiner faktischen Gleichstellung des Bildungsbereichs mit Politikbereichen kommt, für die weitergehende Steuerungs- und Überwachungsmechanismen vorgesehen sind - vgl. zuletzt BR-Drucksache 113/10(B) (2) -. Während auf der Grundlage der beschäftigungspolitischen Leitlinien gemäß Artikel 148 AEUV allenfalls Empfehlungen an einzelne Mitgliedstaaten gerichtet werden können, können Mitgliedstaaten gemäß Artikel 121 AEUV im Zusammenhang mit den Grundzügen der Wirtschaftspolitik verwarnt werden. Um die Möglichkeit von Verwarnungen im Bildungsbereich auszuschließen, müssen deshalb bildungspolitische Ausführungen in den Grundzügen der Wirtschaftspolitik, d. h. in Teil I der integrierten Leitlinien, unterbleiben. Soweit in Leitlinie 4 in den beiden letzten Sätzen des zweiten Absatzes und damit in Teil I der integrierten Leitlinien bildungspolitische Aussagen enthalten sind, fordert der Bundesrat daher deren Streichung bzw. die Übernahme in Teil II der integrierten Leitlinien, d. h. in die Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten. Abgesehen davon haben die in Leitlinie 4 getroffenen Aussagen zu Absolventen mathematischnaturwissenschaftlicher und technischer Studiengänge und insbesondere zu Unterrichts-Curricula einen engeren Bezug zu den in Teil II der integrierten Leitlinien befindlichen Leitlinien 8 und 9 und sollten daher auch aus inhaltlichen Gründen besser dort verankert werden.
Zu Leitlinie 9:
- 43. Der Bundesrat weist erneut darauf hin, dass Deutschland ein sehr differenziertes System der beruflichen Bildung besitzt und einige berufliche Bildungsgänge auf sekundärer oder postsekundärer Ebene angesiedelt hat, die von den meisten anderen Mitgliedstaaten dem tertiären Bereich zugerechnet werden - BR-Drucksache 113/10(B) -. Diesen Besonderheiten hat der Europäische Rat dadurch Rechnung getragen, dass er sich in seinen Schlussfolgerungen vom 26. März 2010 zum Ziel gesetzt hat, den Anteil der Bevölkerung, der ein Hochschulstudium abgeschlossen hat oder über einen gleichwertigen Abschluss verfügt, zu erhöhen. Vor diesem Hintergrund spricht sich der Bundesrat dafür aus, die Überschrift der Leitlinie 9, wonach der Zugang zur Hochschulbildung verbessert werden soll, um die der Hochschulbildung gleichwertige Bildung zu ergänzen.
- 44. Der Bundesrat erinnert daran, dass der Europäische Rat auf seiner Tagung am 26. März 2010 bezüglich des Bildungsbereichs auf die Festlegung numerischer Ziele verzichtet und diese Entscheidung auf seine Sitzung im Juni 2010 vertagt hat. Welche EU-Kernziele konkret angestrebt werden, muss daher für den Bildungsbereich erst noch entschieden werden. Vor diesem Hintergrund ist sicherzustellen, dass die Formulierung der in den integrierten Leitlinien nach Leitlinie 9 genannten Bildungsziele der letztlich vom Europäischen Rat vorgenommenen Festlegung entspricht.
- 45. Der Vorschlag in Leitlinie 9 Satz 4, Maßnahmen zu treffen, die gewährleisten, dass Lernmobilität junger Menschen und Lehrer zur Regel wird, würde unabsehbare Kosten verursachen. Der Bundesrat weist darauf hin, dass eine Akzeptanz dieses Vorschlags nur möglich ist, wenn deutlich wird, dass es sich um eine freiwillige Maßnahme handelt. Daher fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, sich vor Beschlussfassung im Rat dafür einzusetzen, dass in Leitlinie 9 Satz 4 die Aufforderung zum Treffen entsprechender Maßnahmen in einen Vorschlag für wünschenswerte Maßnahmen geändert wird.
Zu Leitlinie 10:
- 46. Der Bundesrat betont, dass Artikel 148 AEUV nur als Rechtsgrundlage für beschäftigungspolitische Leitlinien geeignet ist. Er fordert deshalb, entsprechend der Ergebnisse des Bildungsministerrats vom 11. Mai 2010 auch im Zusammenhang mit der Leitlinie 10 auf Empfehlungen gegenüber den Mitgliedstaaten sowie auf Verwarnungen zu verzichten.
- 47. Der Bundesrat erinnert daran, dass der Europäische Rat auf seiner Tagung am 26. März 2010 bezüglich des Armutsziels weder einen Indikator bestimmt noch eine Quantifizierung vorgenommen hat. Eine Entscheidung diesbezüglich wird voraussichtlich beim Europäischen Rat im Juni fallen. Vor diesem Hintergrund ist sicherzustellen, dass die Formulierung der in Leitlinie 10 genannten Ziele der letztlich vom Europäischen Rat vorgenommenen Festlegung entspricht.
- 48. Der Bundesrat begrüßt das Bestreben der Kommission, allen Einwohnern lebenslang Zugangsmöglichkeiten am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben zu bieten und somit Armut und soziale Ausgrenzung dadurch zu verringern, dass Hindernisse für die Erwerbsbeteiligung insbesondere von Frauen, älteren Arbeitnehmern, jungen Menschen, Behinderten und legalen Migranten abgebaut werden. Die Schaffung von Arbeitsplätzen ist der beste Weg zur Armutsbekämpfung.
Weiteres:
- 49. Der Bundesrat stellt fest, dass der Europäische Sozialfonds (ESF) auch künftig das entscheidende Instrument zur Umsetzung der beschäftigungspolitischen Leitlinien in allen Mitgliedstaaten und Regionen sein wird. Er unterstützt, dass unter anderem mittels der beschäftigungspolitischen Leitlinien eine enge Verzahnung des ESF mit der Europa-2020-Strategie stattfindet. Mit Blick auf die kommende Förderperiode spricht sich der Bundesrat allerdings dafür aus, das Förderspektrum des ESF nicht auf weitere Maßnahmen der Armutsbekämpfung wie Sozialtransfers und Gesundheitsversorgung auszuweiten. Hier handelt es sich um originäre Maßnahmen der sozialen Sicherung, die auch künftig durch nationale Leistungen sichergestellt werden sollten.
- 50. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Länder wichtige Akteure bei der Umsetzung der integrierten Leitlinien sind, und bittet deshalb die Bundesregierung, die Länder bei der Erstellung des nationalen Reformprogramms rechtzeitig und umfassend zu beteiligen.
Direktzuleitung der Stellungnahme
- 51. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.
B.
- 52. Der Ausschuss für Frauen und Jugend empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.