Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität

A. Problem und Ziel

Im Internet und insbesondere in den sogenannten sozialen Medien ist eine zunehmende Verrohung der Kommunikation zu beobachten. So äußern sich Personen immer öfter allgemein, vor allem aber gegenüber gesellschaftlich und politisch engagierten Personen in einer Weise, die gegen das geltende deutsche Strafrecht verstößt und sich durch stark aggressives Auftreten, Einschüchterung und Androhung von Straftaten auszeichnet. Dadurch wird nicht nur das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen, sondern auch der politische Diskurs in der demokratischen und pluralistischen Gesellschaftsordnung angegriffen und in Frage gestellt. In der Öffentlichkeit stehende Personen und für das Gemeinwesen aktive Repräsentantinnen und Repräsentanten werden beispielsweise nach einer politischen Äußerung mit diffamierenden Äußerungen oder Morddrohungen überzogen, oder es wird zu Gewalt gegen sie aufgerufen. Mit diesen oft über einen langen Zeitraum für eine breite Öffentlichkeit wahrnehmbaren respektlosen und herabwürdigenden Inhalten sinkt allgemein die Hemmschwelle für weitere gleichgerichtete Äußerungen. In diesem verrohten Umfeld kommt es schon jetzt dazu, dass bestimmte Meinungen aus Sorge vor solchen Reaktionen nicht mehr geäußert werden. Dies kann sogar dazu führen, dass sich Menschen vollständig aus dem öffentlichen politischen Diskurs zurückzuziehen. Damit ist der freie Meinungsaustausch im Internet und letztendlich die Meinungsfreiheit gefährdet. Die eigene Meinung frei, unbeeinflusst und offen sagen und sich darüber austauschen zu können, stellt einen wesentlichen Grundpfeiler der demokratischen pluralistischen Gesellschaft dar, die der Staat mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen hat. Dies kann durch eine Vielzahl von Maßnahmen geschehen.

Zentral ist dabei eine effektive Strafverfolgung insbesondere von Hasskriminalität mit rechtsextremistischem Hintergrund, nicht nur, aber gerade auch bei Tatbegehungen im Internet.

Das seit 2017 geltende Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) ist ein wichtiger Baustein bei der Bekämpfung von Hasskriminalität im Netz. Der mit dem Gesetz eingeschlagene Weg, soziale Netzwerke mehr als bisher in die Verantwortung zu nehmen, hat dazu geführt, dass eine Vielzahl von Beschwerden wegen strafbarer Inhalte nach einer Überprüfung zu deren Löschung geführt hat. Über die Löschung hinaus ist es notwendig, strafbare Inhalte auch der Strafverfolgung zuzuführen. Oft erlangen die Strafverfolgungsbehörden aber keine Kenntnis von den auf eine NetzDG-Beschwerde hin gelöschten strafbaren Inhalten, sodass das Einstellen solcher Inhalte ohne strafrechtliche Konsequenzen bleibt und sich damit der Eindruck verstärkt, das Internet entwickele sich zu einem rechtsfreien Raum. Daher sollen die dem NetzDG unterliegenden Anbieter sozialer Netzwerke verpflichtet werden, bestimmte strafbare Inhalte an das Bundeskriminalamt (BKA) zu melden, damit von dort aus die Strafverfolgung durch die zuständigen Strafverfolgungsbehörden veranlasst werden kann.

Auch das materielle Strafrecht muss noch deutlicher als bisher auf die mit Hasskriminalität verbundenen Rechtsgutsverletzungen ausgerichtet werden - insbesondere durch angepasste Tatbestände und verschärfte Strafandrohungen.

Eine effektive Strafverfolgung setzt außerdem voraus, dass die Tatverdächtigen identifiziert und Beweise gesichert werden können. In der Strafprozessordnung (StPO) ist die Erhebung von Bestands- und Verkehrsdaten gegenwärtig explizit nur für Maßnahmen gegenüber Telekommunikationsdiensteanbietern geregelt. Eine spezielle Regelung für die Datenerhebung gegenüber Telemediendiensteanbietern fehlt bisher. Diese soll nun geschaffen werden.

Die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte stellt weiterhin ein ernstzunehmendes Problem dar, wie auch der Bericht der Bundesregierung über die im Jahr 2018 ergriffenen Maßnahmen zum Zweck der Löschung von Telemedienangeboten mit kinderpornografischem Inhalt im Sinne des § 184b des Strafgesetzbuches (StGB) belegt. Eine konsequente Strafverfolgung kann dazu beitragen, den Markt für entsprechende Produkte auszutrocknen und damit der weiteren Herstellung solcher Missbrauchsdarstellungen sowie der Gefahr entgegenzuwirken, dass Dritte zur Nachahmung angeregt werden. Hierdurch kann ein wichtiger Beitrag zum Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch geleistet werden. Deshalb soll die Meldepflicht auch für das Zugänglichmachen kinderpornografischer Inhalte gelten.

Das Bundeskriminalamtgesetz (BKAG) enthält bisher nur eine Befugnis des BKA zur Erhebung von Bestandsdaten gegenüber Telekommunikationsanbietern. Zur Wahrnehmung der Zentralstellenaufgaben nach § 2 BKAG ist eine Erweiterung der Regelung in § 10 BKAG auf Telemediendiensteanbieter angesichts der zunehmenden Nutzung von Telemediendiensten gegenüber Telekommunikationsdiensten dringend erforderlich.

Die geltende Rechtslage zu Auskünften aus dem Melderegister gewährleistet nicht immer im notwendigen Maße den Schutz vor Anfeindungen oder sonstigen Angriffen, die aufgrund der Erteilung von Melderegisterauskünften folgen können.

B. Lösung

Der Entwurf sieht als eine zentrale Neuerung die Einführung einer Meldepflicht der Anbieter sozialer Netzwerke im Sinne von § 1 Absatz 1 NetzDG vor, soweit sie nicht unter den Ausnahmetatbestand von § 1 Absatz 2 NetzDG fallen. Solche Anbieter sollen verpflichtet werden, ein System einzurichten, wonach bestimmte strafbare Inhalte an das BKA zu melden sind. Erfasst sein sollen nur solche Inhalte, bei denen es konkrete Anhaltspunkte für die Erfüllung eines Straftatbestandes gibt und die anhaltende negative Auswirkungen auf die Ausübung der Meinungsfreiheit in den sogenannten sozialen Medien haben können. Zusätzlich wird das Zugänglichmachen kinderpornografischer Inhalte erfasst, um den Handel mit kinderpornografischen Inhalten auszutrocknen und damit der weiteren Herstellung solcher Missbrauchsdarstellungen sowie der Gefahr entgegenzuwirken, dass Dritte zur Nachahmung in der realen Welt angeregt werden. Damit soll zum besseren Schutz der Kinder vor sexuellem Missbrauch beigetragen werden. Das Gesetz sieht daher die Einführung der Meldepflicht für bestimmte Straftaten aus dem Katalog des § 1 Absatz 3 NetzDG vor. Die Meldepflicht setzt des Weiteren voraus, dass die Anbieter durch eine nach dem NetzDG eingereichte Beschwerde von Nutzern auf nach deren Ansicht strafbare Inhalte aufmerksam gemacht werden und die Anbieter nach Überprüfung zu dem Ergebnis kommen, dass der Inhalt im vorgenannten Sinne strafbar ist. Der Fall der Zuwiderhandlung ist bußgeldbewehrt.

Der Katalog der rechtswidrigen Inhalte des § 1 Absatz 3 NetzDG soll zudem um das Delikt der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener nach § 189 StGB ergänzt werden, da die Erfahrungen aus der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke 2019 zeigen, wie sehr Hetze im Netz mittlerweile auch in dieser Form ihren Ausdruck findet.

Der Entwurf schlägt zudem vor, den Straftatenkatalog des § 126 StGB - Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten - dahingehend zu erweitern, dass zukünftig auch die Androhung einer gefährlichen Körperverletzung ( § 224 StGB) strafbar sein kann. Auch der Anwendungsbereich des § 140 StGB (Belohnung und Billigung von Straftaten) soll erweitert werden, sodass zukünftig nicht nur die Billigung begangener oder versuchter Straftaten vom Tatbestand erfasst wird, sondern auch die Billigung noch nicht erfolgter Straftaten.

Öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Absatz 3 StGB) getätigte beleidigende Äußerungen sollen zukünftig von einem Qualifikationstatbestand in § 185 StGB erfasst und im Höchstmaß mit zwei Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden können.

Um dem gesteigerten Unrechtsgehalt einer diffamierenden öffentlichen Äußerung über im politischen Leben des Volkes stehende Personen unabhängig von der Ebene, auf der sie sich politisch engagieren, Rechnung tragen zu können, wird in § 188 StGB (Üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens) verdeutlicht, dass dieser Tatbestand für Taten gegen Personen bis hin zur kommunalen Ebene gilt.

§ 241 StGB (Bedrohung) wird dahingehend erweitert, dass zukünftig auch die Bedrohung mit einer rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert vom Tatbestand erfasst ist. Gleichzeitig wird die Höchststrafe für die Bedrohung mit einem Verbrechen von einem auf zwei Jahre Freiheitsstrafe angehoben. Zudem soll zukünftig ein Qualifikationstatbestand, der als Höchststrafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vorsieht, ermöglichen, die öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Absatz 3 StGB) begangene Bedrohung sachgerecht zu erfassen.

In § 46 StGB (Grundsätze der Strafzumessung) sollen antisemitische Motive des Täters ausdrücklich als weiteres Beispiel für menschenverachtende Beweggründe und Ziele genannt werden, die bei der Strafzumessung besonders zu berücksichtigen sind.

In der StPO sollen die Regelungen über die Verkehrs- und Bestandsdatenerhebung gegenüber Telekommunikationsdiensteanbietern auf Maßnahmen gegenüber Telemediendiensteanbietern erweitert werden.

Die genannten Maßnahmen zielen auf eine intensivere und effektivere Strafverfolgung insbesondere zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität. Die Strafverfolgung selbst obliegt jedoch in diesem Bereich im Wesentlichen den Strafverfolgungsbehörden der Länder.

Durch die Änderungen in § 51 Absatz 1 des Bundesmeldegesetzes (BMG) soll es insbesondere Personen, die durch ihr berufliches oder ehrenamtliches Engagement, beispielsweise im kommunalpolitischen Bereich, in den Fokus gewaltbereiter Personen oder Gruppen geraten sind, erleichtert werden, eine Auskunftssperre zu erwirken.

C. Alternativen

Eine Alternative wäre die Beibehaltung des bisherigen, als unbefriedigend empfundenen Rechtszustands.

Einen alternativen Regelungsvorschlag zu den hier vorgeschlagenen Änderungen der §§ 188 und 241 StGB enthält der am 29. November 2019 vom Bundesrat beschlossene Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes von im politischen Leben des Volkes stehenden Personen (Bundesratsdrucksache 418/19(B) HTML PDF ), dessen Zielsetzung, die die Bundesregierung teilt, auf dem hier vorgeschlagenen Weg besser umgesetzt wird.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Keiner.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Der Wirtschaft entsteht ein (laufender) Erfüllungsaufwand von ca. 2,1 Millionen Euro jährlich und ein einmaliger Erfüllungsaufwand von 300 000 Euro.

Kleinere und mittlere Unternehmen sind von den Änderungen des Gesetzentwurfs nicht betroffen.

Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten: 50 000 Euro

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Der Entwurf führt zu Erfüllungsaufwand beim Bund.

Der für die Bundesverwaltung entstehende Erfüllungsaufwand verteilt sich auf das Bundesamt für Justiz, bei dem ein jährlicher Mehraufwand von 173 000 Euro entsteht, und auf das BKA, bei dem einmaliger Umsetzungsaufwand in Höhe von rund 27,5 Millionen Euro entsteht. Der jährliche Mehraufwand an Sachkosten für das BKA liegt aufgrund wachsender jährlicher Sachkosten bis zum Jahr 2024 bei 47,6 Millionen Euro. Der jährliche Mehraufwand an Personalkosten beim BKA liegt bei 19 Millionen Euro zuzüglich 5,7 Millionen Euro Sacheinzelkosten. Der Mehrbedarf an Sach- und Personalmitteln beim Bund soll finanziell und stellenmäßig im jeweiligen Einzelplan ausgeglichen werden. Über Einzelheiten zur Deckung des Mehrbedarfs wird im Rahmen kommender Haushaltsaufstellungsverfahren zu entscheiden sein.

Es ist zu vermuten, dass die Änderungen im Bundesmeldegesetz zu einer größeren Zahl von Anträgen auf Auskunftssperren führen werden. Verbunden wären damit voraussichtlich Mehrkosten für die Länder, die für den Vollzug des Melderechts zuständig sind, bzw. für die Kommunen, in denen die Meldebehörden in der Regel angesiedelt sind. Dabei ist mit Mehrkosten in Höhe von circa 99 000 Euro jährlich zu rechnen.

F. Weitere Kosten

Bei den Ländern sind Mehrkosten im justiziellen Kernbereich von jährlich 24 Millionen Euro zu erwarten.

Auswirkungen auf Einzelpreise und das allgemeine Preisniveau, insbesondere auf die Verbraucherpreise, sind nicht zu erwarten.

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität

Bundesrepublik Deutschland
Berlin, 21. Februar 2020 Die Bundeskanzlerin

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Dietmar Woidke

Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität mit Begründung und Vorblatt.

Federführend ist das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz.

Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 03.04.20

Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Strafgesetzbuches

Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 62 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In § 46 Absatz 2 Satz 2 wird nach dem Wort "fremdenfeindliche" ein Komma und das Wort "antisemitische" eingefügt.

2. In § 115 Absatz 3 Satz 1 wird nach den Wörtern "des Katastrophenschutzes" das Wort "oder" durch ein Komma ersetzt und werden nach den Wörtern "eines Rettungsdienstes" ein Komma und die Wörter "eines ärztlichen Notdienstes oder einer Notaufnahme" eingefügt.

3. In § 126 Absatz 1 Nummer 3 werden nach dem Wort "eine" die Wörter "gefährliche Körperverletzung (§ 224) oder eine" eingefügt.

4. § 140 wird wie folgt geändert:

5. In § 185 werden vor dem Wort "mittels" die Wörter "öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Absatz 3) oder" eingefügt.

6. In § 186 werden nach dem Wort "öffentlich" ein Komma und die Wörter "in einer Versammlung" eingefügt.

7. Dem § 188 Absatz 1 wird folgender Satz 2 angefügt:

"Das politische Leben des Volkes reicht bis hin zur kommunalen Ebene."

8. § 194 Absatz 1 wird wie folgt geändert:

9. § 241 wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Änderung der Strafprozessordnung

Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch Artikel 15 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2652) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert:

2. § 100g wird wie folgt geändert:

3. § 100j wird wie folgt geändert:

4. § 101a wird wie folgt geändert:

5. In § 101b Absatz 5 Nummer 2 in dem Satzteil vor Buchstabe a werden nach dem Wort "Verkehrsdaten" die Wörter "und Nutzungsdaten" eingefügt.

6. In § 374 Absatz 1 Nummer 5 wird die Angabe " § 241" durch die Wörter " § 241 Absatz 1 bis 3" ersetzt.

Artikel 3
Änderung des Bundesmeldegesetzes

§ 51 des Bundesmeldegesetzes vom 3. Mai 2013 (BGBl. I S. 1084), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 22. November 2019 (BGBl. I S. 1746) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Dem Absatz 1 werden die folgenden Sätze angefügt:

"Ein ähnliches schutzwürdiges Interesse ist insbesondere der Schutz der betroffenen oder einer anderen Person vor Bedrohungen, Beleidigungen sowie unbefugten Nachstellungen. Bei der Feststellung, ob Tatsachen im Sinne des Satzes 1 vorliegen, ist auch zu berücksichtigen, ob die betroffene oder eine andere Person einem Personenkreis angehört, der sich aufgrund seiner beruflichen oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit allgemein in verstärktem Maße Anfeindungen oder sonstigen Angriffen ausgesetzt sieht."

2. Absatz 3 wird wie folgt gefasst:

(3) Wurde eine Auskunftssperre eingetragen, sind die betroffene Person und, sofern die Eintragung auf Veranlassung einer in § 34 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1, 6, 7, 8 und 9 genannten Behörde von Amts wegen erfolgte, zusätzlich die veranlassende Stelle über jedes Ersuchen um eine Melderegisterauskunft unverzüglich zu unterrichten."

Artikel 4
Änderung des Bundeskriminalamtgesetzes

§ 10 des Bundeskriminalamtgesetzes vom 1. Juni 2017 (BGBl. I S. 1354; 2019 I S. 400) wird wie folgt geändert:

1. Absatz 1 wird wie folgt geändert:

2. In Absatz 2 werden nach den Wörtern " § 113 Absatz 1 Satz 3 des Telekommunikationsgesetzes" die Wörter "und § 15a Absatz 1 Satz 3 des Telemediengesetzes" eingefügt.

3. In Absatz 3 Satz 1 wird die Angabe "Satz 2" durch die Angabe "Satz 3" ersetzt.

4. In Absatz 4 Satz 1 wird die Angabe "Satz 2" durch die Angabe "Satz 3" ersetzt.

5. In Absatz 5 wird nach Satz 1 folgender Satz eingefügt:

"Satz 1 gilt entsprechend für denjenigen, der geschäftsmäßig eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt."

Artikel 5
Änderung des Telemediengesetzes

Das Telemediengesetz vom 26. Februar 2007 (BGBl. I S. 179), das zuletzt durch Artikel 11 des Gesetzes vom 11. Juli 2019 (BGBl. I S. 1066) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. § 14 Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

(2) Auf Anordnung der zuständigen Stellen darf der Diensteanbieter im Einzelfall Auskunft über Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum erforderlich ist."

2. Nach § 15 werden die folgenden §§ 15a und 15b eingefügt:

" § 15a Auskunftsverfahren bei Bestands- und Nutzungsdaten

(1) Wer geschäftsmäßig Telemediendienste erbringt, daran mitwirkt oder den Zugang zur Nutzung daran vermittelt, darf die nach § 14 Absatz 1 erhobenen Bestandsdaten und die nach § 15 Absatz 1 erhobenen Nutzungsdaten nach Maßgabe dieser Vorschrift zur Erfüllung von Auskunftspflichten gegenüber den in Absatz 3 genannten Stellen verwenden. Dies gilt nicht für Passwörter und andere Daten, mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder auf Speichereinrichtungen, die in diesen Endgeräten oder hiervon räumlich getrennt eingesetzt werden, geschützt wird. Die in eine Auskunft aufzunehmenden Bestandsdaten dürfen auch anhand einer zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesenen Internetprotokoll-Adresse bestimmt werden; hierfür dürfen Nutzungsdaten auch automatisiert ausgewertet werden. Für die Auskunftserteilung sind sämtliche unternehmensinternen Datenquellen zu berücksichtigen.

(2) Die Auskunft darf nur erteilt werden, soweit eine in Absatz 3 genannte Stelle dies unter Angabe einer gesetzlichen Bestimmung, die ihr eine Erhebung der in Absatz 1 in Bezug genommenen Daten erlaubt, in Textform im Einzelfall verlangt und dies zu einem der folgenden Zwecke erforderlich ist:

An andere öffentliche und nichtöffentliche Stellen dürfen Daten nach Absatz 1 nicht übermittelt werden. Bei Gefahr im Verzug darf die Auskunft auch erteilt werden, wenn das Verlangen nicht in Textform gestellt wird. In diesem Fall ist das Verlangen unverzüglich nachträglich in Textform zu bestätigen. Die Verantwortung für die Zulässigkeit des Auskunftsverlangens tragen die um Auskunft ersuchenden Stellen.

(3) Stellen im Sinne des Absatzes 1 sind

(4) Derjenige, der geschäftsmäßig Telemediendienste erbringt, daran mitwirkt oder den Zugang zur Nutzung daran vermittelt, hat die zu beauskunftenden Daten unverzüglich und vollständig zu übermitteln. Über das Auskunftsersuchen und die Auskunftserteilung haben die Verpflichteten gegenüber den Betroffenen sowie Dritten Stillschweigen zu wahren.

(5) Wer geschäftsmäßig Telemediendienste erbringt oder daran mitwirkt, hat die in seinem Verantwortungsbereich für die Auskunftserteilung erforderlichen Vorkehrungen auf seine Kosten zu treffen. Jedes Auskunftsverlangen ist durch eine verantwortliche Fachkraft auf Einhaltung der in Absatz 2 genannten formalen Voraussetzungen zu prüfen und die weitere Bearbeitung des Verlangens darf erst nach einem positiven Prüfergebnis freigegeben werden.

§ 15b Auskunftsverfahren bei Passwörtern und anderen Zugangsdaten

(1) Abweichend von § 15a darf derjenige, der geschäftsmäßig Telemediendienste erbringt, daran mitwirkt oder den Zugang zur Nutzung daran vermittelt, die nach § 14 Absatz 1 erhobenen Passwörter und andere Daten, mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder auf Speichereinrichtungen, die in diesen Endgeräten oder hiervon räumlich getrennt eingesetzt werden, geschützt wird, nach Maßgabe dieser Vorschrift zur Erfüllung von Auskunftspflichten gegenüber den in Absatz 2 genannten Stellen verwenden. Für die Auskunftserteilung sind sämtliche unternehmensinternen Datenquellen zu berücksichtigen.

(2) Die Daten dürfen übermittelt werden:

An andere öffentliche und nichtöffentliche Stellen dürfen Daten nach Absatz 1 nicht übermittelt werden. Die Verantwortung für die Zulässigkeit des Auskunftsverlangens tragen die um Auskunft ersuchenden Stellen.

(3) Derjenige, der geschäftsmäßig Telemediendienste erbringt, daran mitwirkt oder den Zugang zur Nutzung daran vermittelt, hat die zu beauskunftenden Daten unverzüglich, vollständig und unverändert zu übermitteln. Eine Verschlüsselung der Daten bleibt unberührt. Über das Auskunftsersuchen und die Auskunftserteilung haben die Verpflichteten gegenüber den Betroffenen sowie Dritten Stillschweigen zu wahren.

(4) Wer geschäftsmäßig Telemediendienste erbringt oder daran mitwirkt, hat die in seinem Verantwortungsbereich für die Auskunftserteilung erforderlichen Vorkehrungen auf seine Kosten zu treffen. Jedes Auskunftsverlangen ist durch eine verantwortliche Fachkraft auf Einhaltung der in Absatz 2 genannten formalen Voraussetzungen zu prüfen und die weitere Bearbeitung des Verlangens darf erst nach einem positiven Prüfergebnis freigegeben werden."

3. Der bisherige § 15b wird § 15c.

4. § 16 Absatz 2 wird wie folgt geändert:

Artikel 6
Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz vom 1. September 2017 (BGBl. I S. 3352) wird wie folgt geändert:

1. § 1 wird wie folgt geändert:

2. In § 3 Absatz 2 Nummer 5 werden nach dem Wort "begründet" ein Semikolon und die Wörter "dabei ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass er gegen den Nutzer, für den der beanstandete Inhalt gespeichert wurde, Strafanzeige und erforderlichenfalls Strafantrag stellen kann und auf welchen Internetseiten er hierüber weitere Informationen erhalten kann" eingefügt.

3. Nach § 3 wird folgender § 3a eingefügt:

" § 3a Meldepflicht

(1) Der Anbieter eines sozialen Netzwerks muss ein wirksames Verfahren für Meldungen nach den Absätzen 2 bis 5 vorhalten.

(2) Der Anbieter eines sozialen Netzwerks muss dem Bundeskriminalamt als Zentralstelle zum Zwecke der Ermöglichung der Verfolgung von Straftaten Inhalte übermitteln,

(3) Der Anbieter des sozialen Netzwerks muss unverzüglich, nachdem er einen Inhalt entfernt oder den Zugang zu diesem gesperrt hat, prüfen, ob die Voraussetzungen des Absatzes 2 Nummer 3 vorliegen, und unverzüglich danach den Inhalt gemäß Absatz 4 übermitteln.

(4) Die Übermittlung an das Bundeskriminalamt muss enthalten:

(5) Die Übermittlung an das Bundeskriminalamt hat elektronisch an eine vom Bundeskriminalamt zur Verfügung gestellte Schnittstelle zu erfolgen.

(6) Der Anbieter des sozialen Netzwerks informiert den Nutzer, für den der Inhalt gespeichert wurde, 4 Wochen nach der Übermittlung an das Bundeskriminalamt über die Übermittlung nach Absatz 4. Satz 1 gilt nicht, wenn das Bundeskriminalamt binnen 4 Wochen anordnet, dass die Information wegen der Gefährdung des Untersuchungszwecks, des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der persönlichen Freiheit einer Person oder von bedeutenden Vermögenswerten zurückzustellen ist. Im Fall der Anordnung nach Satz 2 informiert das Bundeskriminalamt den Nutzer über die Übermittlung nach Absatz 4, sobald dies ohne Gefährdung im Sinne des Satzes 2 möglich ist.

(7) Der Anbieter eines sozialen Netzwerks hat der in § 4 genannten Verwaltungsbehörde auf deren Verlangen Auskünfte darüber zu erteilen, wie die Verfahren zur Übermittlung von Inhalten nach Absatz 1 gestaltet sind und wie sie angewendet werden."

4. Nach § 4 Absatz 1 Nummer 6 wird folgende Nummer 6a eingefügt:

"6a. entgegen § 3a Absatz 1 ein dort genanntes Verfahren nicht oder nicht richtig vorhält,".

Artikel 7
Einschränkung eines Grundrechts

Das Fernmeldegeheimnis ( Artikel 10 des Grundgesetzes) wird durch Artikel 2 Nummer 3 und Artikel 5 Nummer 2 eingeschränkt.

Artikel 8
Inkrafttreten

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

Das am 1. Oktober 2017 in Kraft getretene Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) ist ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung von Hass im Internet und zur Konkretisierung der Verantwortlichkeiten der Anbieter sozialer Netzwerke im Umgang mit strafbaren Hassinhalten. Die sozialen Netzwerke mit mindestens zwei Millionen registrierten Nutzern in der Bundesrepublik Deutschland wurden verpflichtet, nutzerfreundliche Meldewege zur Übermittlung von Beschwerden über strafbare Inhalte einzurichten. Über die Einrichtung und Nutzung der Meldewege sowie das Beschwerdemanagement haben die Anbieter halbjährlich zu berichten. Aus den bisher vorliegenden Berichten dieser sozialen Netzwerke ergibt sich, dass vom ersten Halbjahr 2018 bis zum zweiten Halbjahr 2019 insgesamt 2 921 553 entsprechende Meldungen eingingen. Davon haben die sozialen Netzwerke etwa 28 Prozent (Mittelwert) gelöscht. Jenseits der Löschungen ist es Aufgabe des Staates, dass die Verfasser strafbarer Inhalte auch einer effektiven Strafverfolgung zugeführt werden.

In der derzeitigen Kommunikations- und Diskussionskultur im Netz ist nicht selten ein vergifteter und hasserfüllter Ton festzustellen, der wiederum andere Nutzer davon abhält, ihre Meinung frei und offen zu äußern aus Angst, Opfer von Anfeindungen oder Bedrohungen zu werden. Das große Potential von sozialen Netzwerken, eine breite Diskussion zu ermöglichen, kehrt sich damit ins Gegenteil um. Die große Breitenwirkung, die einer Anfeindung oder Bedrohung im Netz zukommt, verstärkt deren Wirkung und hat das Potential, nicht nur auf die Betroffenen selbst, sondern auch auf Dritte einschüchternd zu wirken. Ein anderes Risiko besteht darin, dass öffentlich ausgesprochene Drohungen dazu beitragen, dass die Hemmschwelle zur Tatausführung beim Verfasser des Inhalts oder bei Dritten, die die Drohung wahrnehmen, sinkt. Wie real dieses Risiko ist, zeigen in der Bundesrepublik Deutschland die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke sowie die Ermordung zweier Menschen im Rahmen des Attentats auf die Synagoge in Halle.

Frauen sind in spezifischer Weise von Hassrede betroffen. Sie sind sexistischen Pöbeleien und Vergewaltigungsdrohungen ausgesetzt. Dies stellt eine besonders schwerwiegende Verletzung von Persönlichkeitsrechten dar und hat als mit digitalen Mitteln ausgeübte Gewalt oft massive körperliche und psychische Auswirkungen. Prominente Fälle von Politikerinnen, Journalistinnen oder sogenannten Netz-Aktivistinnen zeigen anschaulich, dass auf das Geschlecht zielende Herabwürdigungen und Drohungen von besonderer Bedeutung sind.

Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes schützt umfassend die Freiheit des Einzelnen, Meinungen zu verbreiten. Dies gilt auch dann noch, wenn dies in zugespitzter oder aggressiver Form passiert. Dieser Schutz der Meinungsfreiheit ist Grundlage für den pluralistischen und freien politischen Diskurs, der Grundlage der demokratischen Gesellschaft ist. Der Art und Weise, seine Meinung zu vertreten, sind aber auch Grenzen gesetzt. Wenn Äußerungen Bedrohungen oder Volksverhetzungen beinhalten, ist dies nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt. Sofern Tatbestände des Strafgesetzbuches (StGB) erfüllt sind, trifft den Staat die Pflicht, seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen, zum einen indem er die Entfernung des Inhalts veranlasst, zum anderen durch die Ermöglichung der strafrechtlichen Verfolgung. Wenn den Verfassern von strafbaren Inhalten durch Strafverfahren aufgezeigt wird, dass Inhalte wie Morddrohungen oder Volksverhetzung vom Rechtsstaat nicht geduldet werden und sie sich persönlich hierfür zu verantworten haben, kann sich die Diskussion im Netz wieder im Rahmen der als Grundwert der Demokratie unverzichtbaren Meinungsfreiheit bewegen.

Der im Netzwerkdurchsetzungsgesetz verankerten Möglichkeit der Übermittlung von Beschwerden und der sich gegebenenfalls anschließenden Löschung des gemeldeten strafbaren Inhalts muss sich in Fällen, in denen es um einen massiven Eingriff in den öffentlichen, häufig auch politischen Diskurs geht, die Einleitung eines strafrechtlichen Verfahrens anschließen. Bei bestimmten, auf diese Situation abzielenden Delikten hat der Staat unabhängig von einer Anzeige des Betroffenen ein eigenes Interesse an der strafrechtlichen Verfolgung des Täters, um den Rechtsstaat und die demokratisch gesetzten Regeln im Internet durchzusetzen.

Auch die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte verlangt nach einer konsequenten Strafverfolgung. Diese kann einen wichtigen Beitrag leisten, den Markt für Kinderpornografie auszutrocknen. Es soll damit der weiteren Herstellung solcher Missbrauchsdarstellungen sowie der Gefahr entgegengewirkt werden, dass Dritte durch die kinderpornografischen Inhalte zur Nachahmung in der realen Welt angeregt werden. Damit soll zum besseren Schutz der Kinder vor sexuellem Missbrauch beigetragen werden.

Zudem ist zu beobachten, dass die derzeit geltenden Regelungen des StGB nicht immer geeignet sind, alle Formen der neuen Dimensionen von Hasskriminalität in Bezug auf öffentlich begangene Delikte hinreichend zu erfassen. Auch haben antisemitische Straftaten in den vergangenen Jahren wieder signifikant zugenommen (vergleiche näher unter II.). Eine angemessene Erfassung und Sanktionierung solcher Taten - gleich ob mittels oder außerhalb des Internets begangen - gehören daher mit zu einer effektiven Verfolgung von Hasskriminalität, insbesondere mit rechtsextremistischem Hintergrund.

Eine effektive Strafverfolgung setzt weiter voraus, dass die Ermittlungsbehörden zeitnah über gemeldete, von sozialen Netzwerken als strafbar bewertete und aufgrund dieser Einschätzung gelöschte Inhalte informiert werden. Zur vollständigen Erfassung des Sachverhalts gehört auch die Mitteilung der dem Verfasser des Inhalts zuletzt zugewiesenen IP-Adresse. Die Meldung des Inhalts und dieser IP-Adresse soll durch den Anbieter des sozialen Netzwerks an eine vom Bundeskriminalamt (BKA) benannte Stelle im BKA erfolgen und von dort nach Feststellung der zuständigen Strafverfolgungsbehörde im Rahmen der Zentralstellenfunktion des BKA an die örtlich zuständige Ermittlungsbehörde zur Strafverfolgung übermittelt werden. Die Tätigkeit des BKA im Rahmen der Zentralstellenfunktion zur Unterstützung bei der Verfolgung von Straftaten beschränkt sich im Hinblick auf das vorliegende Verfahren auf die Maßnahmen, die erforderlich sind, um die zuständige Strafverfolgungsbehörde auf Landesebene festzustellen. Das BKA übernimmt insoweit selber keine Strafverfolgung. Die Verarbeitung der dem BKA übermittelten Daten unterliegt den für das BKA als Zentralstelle geltenden Vorschriften des Bundeskriminalamtgesetz (BKAG). Die von den sozialen Netzwerken dem BKA übermittelten Daten sind daher vom BKA grundsätzlich zu löschen, sobald der in § 3a NetzDG-E festgelegte Zweck (Ermöglichung der Strafverfolgung) erfüllt ist; dies ist regelmäßig der Fall nach Übermittlung der betreffenden Daten an die zuständige Strafverfolgungsbehörde. Eine Löschung der Daten kann allenfalls dann unterbleiben, sofern nach den allgemeinen Zweckbindungs- und Weiterverarbeitungsvorschriften des BKAG eine Weiterverarbeitung (auch zu anderen Zwecken) zulässig sein sollte. Ergibt sich etwa aus dem BKA mitgeteilten Inhalt Grund zu der Annahme, dass eine Gefährdung besteht, so ist es dem BKA in seiner Zentralstellefunktion zur Unterstützung bei der Verhütung von Straftaten grundsätzlich auch gestattet, die zuständige Gefahrenabwehrbehörde zu informieren, damit von dort gefahrenabwehrende Maßnahmen eingeleitet werden können. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn sich aus einem übermittelten rechtswidrigen Inhalt hinreichend konkrete Anhaltspunkte etwa für ein bevorstehendes Tötungsdelikt ergeben. Hier würde das BKA das zuständige Landeskriminalamt benachrichtigen, damit von dort gefahrenabwehrende Maßnahmen eingeleitet werden können. Damit die Ermittlungsarbeit zeitnah von der zuständigen Ermittlungsbehörde der Länder aufgenommen werden kann, soll das BKA soweit erforderlich auch die zur Identifizierung des Urhebers notwendigen Nutzerdaten vom sozialen Netzwerk anfordern können und diese Daten an die zuständige Staatsanwaltschaft oder das zuständige Landeskriminalalmt weiterleiten. Eine schnelle Aufnahme der Ermittlungen ist notwendig, um beweiserhebliches Material zu sichern und den Urheber zeitnah nach der Veröffentlichung mit der Strafbarkeit seines Inhalts zu konfrontieren.

Die Neuregelungen in der Strafprozessordnung (StPO) schaffen eine rechtssichere Grundlage für die Abfrage von Bestands- und Verkehrsdaten bei Telemediendiensteanbietern. Gleichzeitig werden das Verfahren und die Rechte der Betroffenen klar geregelt. Bisher war die Erhebung von Bestands- und Verkehrsdaten nur für Maßnahmen gegenüber Telekommunikationsanbietern in der StPO speziell geregelt. Diese Regelung wird nun auf die Telemediendiensteanbieter erweitert.

Nach dem geltenden Recht können Privatpersonen und nichtöffentliche Stellen mittels einer einfachen Melderegisterauskunft den Vor- und Familiennamen, Doktorgrad und die derzeitige Anschrift einer Person erfragen. Die bisherige Rechtslage sieht eine Auskunftssperre unter bestimmten Voraussetzungen bereits vor; sie gewährleistet jedoch nicht immer im notwendigen Maße den Schutz vor Anfeindungen oder sonstigen Angriffen, die aufgrund der Erteilung von Melderegisterauskünften folgen können.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

Der Entwurf sieht als eine zentrale Neuerung die Einführung einer Meldepflicht von Anbietern sozialer Netzwerke im Sinne von § 1 Absatz 1 NetzDG, soweit sie nicht unter den Ausnahmetatbestand von § 1 Absatz 2 NetzDG fallen, vor. Diese Anbieter sollen verpflichtet werden, bestimmte strafbare Inhalte an das BKA zu melden. Eine Meldepflicht soll bestehen, wenn Anbieter sozialer Netzwerke durch eine nach dem NetzDG eingereichte Beschwerde ihrer Nutzer auf nach deren Ansicht strafbare Inhalte aufmerksam gemacht werden, die Anbieter die Einschätzung, dass der Inhalt strafbar ist, teilen und auf der Grundlage konkreter Anhaltspunkte ein Tatbestand im Raum steht, der anhaltende negative Auswirkungen auf die Ausübung der Meinungsfreiheit in sozialen Medien haben kann. Die Meldepflicht der sozialen Netzwerkbetreiber fügt sich damit in das bereits durch Einführung des NetzDG etablierte Compliance-System ein, da die Meldepflicht an den Beschwerdeweg und die Löschpflicht anknüpft. Umfangreiche Umstrukturierungen bei den Betreibern der sozialen Netzwerke sind damit entbehrlich.

Bei der Einführung der Meldepflicht sind die Berufsfreiheit des sozialen Netzwerks sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Nutzers einerseits und das Interesse des Staates, rechtsstaatliche Regeln auch im Internet durchzusetzen und die virtuellen Plattformen nicht zu einem rechtsfreien Raum werden zu lassen, andererseits in Einklang zu bringen. Die Durchsetzung der rechtsstaatlichen Ordnung dient zudem der Meinungsfreiheit aller, da sie gewährleistet, dass jedermann auf öffentlichen Plattformen seine Meinung ohne Angst vor Diffamierung und Einschüchterung äußern kann.

Das Gesetz führt entsprechend dieser Abwägung die Meldepflicht für bestimmte Straftaten aus dem Katalog des NetzDG ein, bei denen ein Eingreifen des Staates erforderlich ist, weil es sich um schwerwiegende Fälle handelt, in denen es um den Schutz von Grundwerten unserer Demokratie geht: Die Pflicht betrifft strafbare Inhalte, durch die die Hemmschwelle zur Begehung besonders gefährlicher Straftaten herabgesetzt wird und das Interesse der Allgemeinheit, öffentlich ohne Repressalien Meinungen auszutauschen, betroffen ist. Meinungen frei, unbeeinflusst und offen sagen und austauschen zu können, stellt einen Grundpfeiler der demokratischen pluralistischen Gesellschaft dar, die der Staat zu verteidigen hat.

Der Entwurf sieht daher für die Meldepflicht einen Katalog von Straftaten vor, deren strafrechtliche Ahndung für den Schutz der demokratischen und pluralistischen Gesellschaft von besonderer Bedeutung sind. Die Auferlegung einer Meldepflicht ist sowohl gegenüber und in Abwägung mit den Grundrechten der Anbieter sozialer Netzwerke als auch gegenüber und in Abwägung mit den Grundrechten der Nutzer gerechtfertigt. Im Rahmen des NetzDG sind dies bestimmte Straftaten, die den demokratischen Rechtsstaat gefährden (Dritter Titel des Ersten Abschnitts des Besonderen Teils des StGB) sowie bestimmte Straftaten gegen die öffentliche Ordnung (Siebter Abschnitt des Besonderen Teils des StGB). Hinzu kommen Taten, die wegen der Gefahr der Herabsetzung von Hemmschwellen eine besondere Gefahr darstellen, dass die in ihnen enthaltenen Ankündigungen in Taten umgesetzt werden. Hiervon betroffen sind insbesondere die in § 241 StGB erfassten Fälle der Drohung mit einem Verbrechen, das gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung oder die persönliche Freiheit des Bedrohten oder einer ihm nahestehenden Person gerichtet ist.

Um den Markt für kinderpornografische Inhalte langfristig auszutrocknen und Kinder dadurch besser gegen sexuellen Missbrauch zu schützen, gilt die Meldepflicht auch für das Zugänglichmachen kinderpornografischer Inhalte (§ 184b in Verbindung mit § 184d StGB).

Bei den genannten Delikten ist es erforderlich, dass Anbieter sozialer Netzwerke und staatliche Behörden zusammenwirken, um eine strafrechtliche Verfolgung der Verfasser dieser Inhalte zu erreichen. Die Anbieter sozialer Netzwerke haben daher, wenn ihnen im Rahmen einer NetzDG-Beschwerde ein strafbarer Inhalt bekannt wird, neben seiner Löschung den Inhalt und die dem Nutzer, für den der Inhalt hochgeladen wurde, zuletzt zugewiesene IP-Adresse an eine Schnittstelle beim BKA zu übermitteln. Aufgrund der derzeitigen technischen Situation und der Knappheit der zu vergebenden IP-Adressen bedarf es zur gezielten Identifizierung zudem die vom Provider zugewiesene Port-Nummer. Das BKA wird nach Einschätzung, ob es sich um einen strafbaren Inhalt handelt, die beim sozialen Netzwerk gespeicherten Daten, soweit sie zur Identifizierung des Verfassers erforderlich sind, anfordern und diese Daten der zuständigen Strafverfolgungsbehörde in den Ländern übermitteln. Die Strafverfolgungsbehörden in den Ländern übernehmen die strafrechtliche Verfolgung sodann in eigener Zuständigkeit. Die strafrechtliche Ahndung dient auch mittelbar der Gefahrenabwehr; zudem erfüllt sie die berechtigte Erwartung der Betroffenen, dass der Staat zu ihrem Schutz tätig wird und sie den Bedrohungen nicht reaktionslos ausgesetzt sind.

Kommt ein soziales Netzwerk seiner Pflicht zur Einrichtung eines Verfahrens zur Gewährleistung der Meldung eines Inhalts an das BKA nicht nach, so kann das Bundesamt für Justiz (BfJ) ein Bußgeld gegen das Netzwerk verhängen. Hierdurch soll die Einhaltung der Meldepflicht sichergestellt werden. Gleichzeitig soll der Nutzer, dessen Inhalt gelöscht wurde und gegen den ein entsprechendes Strafverfahren eingeleitet wurde, nach Ablauf einer regelmäßigen Vier-Wochenfrist über die Übermittlung seines veröffentlichten Inhalts und seiner zuletzt zugewiesenen IP-Adresse informiert werden.

Der Katalog der rechtswidrigen Inhalte des § 1 Absatz 3 NetzDG ist zudem um das Delikt der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener nach § 189 StGB zu ergänzen, da die Erfahrungen aus der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke 2019 zeigen, wie sehr Hetze im Netz mittlerweile auch in dieser Form ihren Ausdruck findet. Wie bei anderen Formen von Hasskriminalität gebietet es der Respekt vor der Würde der Verstorbenen und vor der Trauer der Angehörigen, diese Inhalte aus den sozialen Netzwerken zu entfernen. Dies soll mit der Aufnahme des Delikts in den Katalog des § 1 Absatz 3 NetzDG erreicht werden.

Damit der Rechtsstaat angemessen auf die sich in sozialen Medien anzutreffenden Formen der Hasskriminalität reagieren kann, ist im Entwurf zudem vorgesehen, den Straftatenkatalog des § 126 StGB (Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten) dahingehend zu erweitern, dass zukünftig auch die Androhung einer gefährlichen Körperverletzung strafbar sein kann. Auch der Anwendungsbereich des § 140 StGB (Belohnung und Billigung von Straftaten) soll erweitert werden, sodass zukünftig nicht nur die Billigung begangener oder versuchter Straftaten vom Tatbestand erfasst wird, sondern auch die Billigung noch nicht erfolgter Straftaten.

Damit die Strafverfolgungsbehörden auf besonders schwerwiegende Fälle der Beleidigung im Internet angemessen reagieren können, sollen beleidigende Äußerungen, die öffentlich in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Absatz 3 StGB) erfolgen, zukünftig von einem Qualifikationstatbestand in § 185 StGB erfasst werden. Dieser sieht vor, dass die Tat im Höchstmaß nicht wie im Grundtatbestand lediglich mit einem Jahr, sondern mit zwei Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden kann.

§ 188 StGB (Üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens) schützt mit seiner im Mindestmaß erhöhten und im Höchstmaß bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe reichenden Strafandrohung nach herrschender Meinung nicht Personen, die unterhalb der Landesebene tätig sind. Um dem gesteigerten Unrechtsgehalt einer diffamierenden öffentlichen Äußerung auch über solche Personen Rechnung tragen zu können, wird in § 188 StGB zukünftig verdeutlicht, dass dieser Tatbestand auf alle Politikerinnen und Politiker bis hin zur kommunalen Ebene, also einschließlich dieser, anwendbar ist, wenn die Tat mit der Stellung der oder des Betroffenen im öffentlichen Leben zusammenhängt und die Tat geeignet ist, ihr oder sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren.

§ 241 StGB (Bedrohung) wird dahingehend erweitert, dass zukünftig auch die Bedrohung mit einer rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder eine Sache von bedeutendem Wert vom Tatbestand erfasst ist. Gleichzeitig wird die Höchststrafe für die Bedrohung mit einem Verbrechen von einem auf zwei Jahre Freiheitsstrafe angehoben. Zudem soll zukünftig ein Qualifikationstatbestand, der als Höchststrafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vorsieht, ermöglichen, die öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Absatz 3 StGB) begangene Bedrohung sachgerecht zu erfassen.

Darüber hinaus soll zukünftig medizinisches Personal in ärztlichen Notdiensten und in Notaufnahmen strafrechtlich in gleicher Weise geschützt sein wie Hilfeleistende der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder eines Rettungsdienstes. Sie werden daher in den Schutzbereich des § 115 Absatz 3 StGB, der die Gleichstellung dieses Personenkreises mit Vollstreckungsbeamten regelt, aufgenommen. Denn der tatsächliche Einsatzbereich und die Gefährdungslage des medizinischen Personals in ärztlichen Notdiensten und in Notaufnahmen sind mit denen des bisher von dieser Vorschrift geschützten Personenkreises vergleichbar.

Zudem soll der Katalog der Strafzumessungsgründe in § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB ausdrücklich um "antisemitische" Beweggründe ergänzt werden. Diese Ergänzung dient der Klarstellung und Bekräftigung der bereits jetzt geltenden Rechtslage, wonach antisemitische Beweggründe jedenfalls unter die Formulierung "sonst menschenverachtende" Beweggründe fallen und so bei der Strafzumessung grundsätzlich strafschärfend zu berücksichtigen sind (vergleiche Bundestagsdrucksache 18/3007, S. 15 f.; MK-Miebach/Maier, StGB, 3 Auflage 2016, § 46 Rn. 187; Schönke/Schröder-Kinzig, StGB, 30. Auflage 2019, § 46 Rn. 15b; Cremer/Cobbinah, StV 2019, 648, 650 subsumieren diese Motive unter das Merkmal "rassistisch"). Die explizite Aufnahme dieser Beweggründe in den Gesetzestext ist vor allem aus den folgenden Gründen gerechtfertigt:

Sie trägt zum einen der besonderen geschichtlichen Verantwortung Rechnung, welche die Bundesrepublik Deutschland auf Grund der Verbrechen der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft zukommt. Diese Verantwortung folgt - wie das Bundesverfassungsgericht betont - aus dem Unrecht und Schrecken, die die nationalsozialsozialistische Herrschaft in den Jahren 1933 bis 1945 in unermesslichem Ausmaß über Europa und die Welt gebracht haben, und der als Gegenentwurf hierzu verstandenen Entstehung der Bundesrepublik Deutschland und ihrer grundgesetzlichen Ordnung (vergleiche BVerfG, Beschluss vom 4. November 2009, 1 BvR 2150/08, Rn. 52, 64 f, 68, 85, bei juris). Im Zentrum dieses Unrechts steht insbesondere der Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden in seiner ungeheuerlichen und beispiellosen Dimension und Ausgestaltung (vergleiche Bundestagsdrucksache 18/11970, S. 29, 19/444, Seite 1). Vor diesem historischen Hintergrund ist es sachgerecht, wenn der Gesetzgeber auch auf einfachrechtlicher Ebene im Bereich der Strafzumessung explizit zum Ausdruck bringt, dass er seine Verantwortung bei der Bekämpfung des Antisemitismus wahrnimmt und ein klares Zeichen gegen Antisemitismus und judenfeindliche Tendenzen setzt.

Die klarstellende Ergänzung ist zum anderen mit Blick auf die aktuelle Entwicklung antisemitischer Hasskriminalität gerechtfertigt. Nach den statistischen Daten des "Kriminalpolizeilichen Meldedienstes Politisch motivierte Kriminalität" (KPMD-PMK) im Bereich Hasskriminalität ist die Zahl der antisemitischen Straftaten seit 2013 um über 40 Prozent deutlich angestiegen (vergleiche die Fallzahlen der über www.bmi.de abrufbaren Veröffentlichung zur PMK 2018 - Entwicklung der Hasskriminalität 2001 - 2018, Seite 5, 2018: 1 799; 2017: 1 504; 2016: 1 468; 2015: 1 366; 2014: 1 596, 2013: 1 275). Seit 2015 ist auch bei den durch die Staatsanwaltschaften eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen Taten mit antisemitischem Hintergrund - auch jenseits der Äußerungsdelikte nach den §§ 86, 86a, 130, 131 StGB - ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen (Gesamtzahlen 2017: 1 858; 2016: 2 482; 2015: 2 083; 2014: 773; 2013: 691; Erhebung der Landesjustizverwaltungen über Verfahren wegen rechtsextremistischer/fremdenfeindlicher Straftaten in der Bundesrepublik Deutschland - 2013 bis 2017, abrufbar unter www.bundesjustizamt.de). Gleichzeitig entfiel in den vergangenen beiden Jahren nach den polizeilichen Erhebungen der ganz überwiegende Teil der Hasskriminalität auf fremdenfeindliche (2018: 7 701; 2017: 6 434), rassistische (2018: 1 725; 2017: 1 300) und eben antisemitische (2018: 1 799; 2017: 1 504) Straftaten (vergleiche die Veröffentlichung zur PMK 2018 - Hasskriminalität; dabei waren zur präzisen Darstellung der Motivlage jeweils Mehrfachnennungen möglich). Diese drei Arten von Tatmotivationen haben - was ebenfalls weitergehenden Ausweitungstendenzen bei § 46 StGB entgegensteht - mit Abstand die größte praktische Bedeutung innerhalb der Hasskriminalität. Daher ist es konsequent, auch alle drei Arten in § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB explizit zu erwähnen.

Schließlich unterstreicht die Ergänzung nochmals konkret für antisemitische Taten, dass die Ermittlungsbehörden ihre Ermittlungen schon frühzeitig auf solche für die Bestimmung der Rechtsfolgen bedeutsamen Motive zu erstrecken haben (vergleiche bereits Bundestagsdrucksache 18/3007, S. 1 f. und 7).

An der Erfassung und Wichtigkeit anderer "menschenverachtender" Beweggründe und Ziele des Täters ändert diese Ergänzung nichts. Vielmehr bleibt es dabei, dass Tatmotive, die sich zum Beispiel gegen die sexuelle Orientierung oder Identität, gegen eine Behinderung oder gegen den gesellschaftlichen Status (etwa bei Obdachlosen) richten, ebenso von § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB erfasst werden wie islamfeindliche, christenfeindliche, antiziganistische oder sonstige gegen die religiöse Einstellung oder ethnische Zugehörigkeit des Opfers gerichtete Beweggründe des Täters (vergleiche bereits Bundestagsdrucksache 18/3007, S. 15, sowie die 2017 ausgeweiteten Unterthemen im Bereich Hasskriminalität der polizeilichen PMK-Erhebungen). Auch das Geschlecht des Opfers kann ein solcher Beweggrund sein, etwa, wenn jemand eine Straftat gegen eine Frau begeht, weil er Frauen als solche, also aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit, hasst (vergleiche Keiser, ZRP 2010, S. 46: Tat richtet sich als symbolischer, stellvertretender Akt gegen das durch das Opfer mit seiner Gruppenzugehörigkeit symbolisierte Anderssein; vergleiche auch BGH, Beschluss vom 30. Juli 1969, 4 StR 237/69, bei juris Rn. 3: Tötung wegen "tiefen Hasses gegen alle Frauen" als niedriger Beweggrund im Sinne des § 211 StGB).

Der am 29. November 2019 vom Bundesrat beschlossene Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs - Strafzumessung bei antisemitischen Straftaten (Bundesratsdrucksache 498/19(B) HTML PDF ) sieht ebenfalls die explizite Aufnahme von "antisemitischen" Beweggründen in § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB vor.

Schließlich enthält der Gesetzentwurf Änderungen zur Regelung der Auskunftssperre in § 51 des Bundesmeldegesetzes. Der Tatbestand, der für die Eintragung einer Auskunftssperre erfüllt sein muss, wird in Hinblick auf die besondere Schutzbedürftigkeit der betroffenen Personenkreise gesetzlich angepasst. Zudem wird eine Pflicht zur Unterrichtung der betroffenen Person gesetzlich festgelegt.

III. Alternativen

Eine Alternative wäre die Beibehaltung des bisherigen, als unzureichend eingeschätzten Rechtszustands.

Einen alternativen Regelungsvorschlag zu den hier vorgeschlagenen Änderungen der §§ 188 und 241 StGB enthält der am 29. November 2019 vom Bundesrat beschlossene Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes von im politischen Leben des Volkes stehenden Personen (Bundesratsdrucksache 418/19(B) HTML PDF ).

Der Gesetzentwurf zielt auf eine Klarstellung, dass grundsätzlich alle Personen, die auf europäischer Ebene, Bundes- oder Landesebene oder auf Ebene einer für ein Teilgebiet eines Landes oder einer kommunalen Gebietskörperschaft gebildeten Verwaltungseinheit aktiv tätig sind, im Sinne des § 188 StGB im politischen Leben des Volkes stehende Personen sind. Hinsichtlich des Bedrohungstatbestands (§ 241 StGB) sieht der Gesetzesantrag eine Strafschärfung für Taten nach § 241 StGB vor, die sich gegen im politischen Leben des Volkes stehende Personen im Sinne des neu einzufügenden § 188 Absatz 3 StGB-E richten, soweit die Tat mit der Stellung der bedrohten Person im öffentlichen Leben zusammenhängt und geeignet ist, das öffentliche Wirken der bedrohten Person zu erschweren.

Die im vorliegenden Gesetzentwurf vorgeschlagene Ergänzung des § 188 Absatz 1 StGB stellt klar, dass auch bestimmte Äußerungen gegen Personen, die bis hin zur kommunalen Ebene politisch tätig sind, vom Tatbestand erfasst werden und trägt damit dem Anliegen des Gesetzentwurfs des Bundesrats auf andere Weise Rechnung. Die vorgesehene Änderung des § 241 StGB geht insoweit über den im Bundesrat anhängigen Gesetzesantrag hinaus, als sie auch die Bedrohung mit der Begehung bestimmter Vergehen erfasst. Sie sieht eine erhöhte Strafandrohung für alle Bedrohungstaten vor, die öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Absatz 3 StGB) begangen werden. Eine weitere Strafschärfung für die Bedrohung von Personen, die im politischen Leben des Volkes stehen, unter den einengenden Bedingungen des § 188 StGB erscheint nicht angezeigt.

IV. Gesetzgebungskompetenz

Für die Änderung des StGB und der StPO folgt die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes (gerichtliches Verfahren, Strafrecht).

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich für die Änderung des Bundeskriminalamtgesetzes (BKAG) aus Artikel 73 Absatz 1 Nummer 10 des Grundgesetzes (GG).

Das Telemediengesetz (TMG) stützt sich auf Artikel 74 Absatz 1 Nummer 11 GG (Recht der Wirtschaft) in Verbindung mit Artikel 72 Absatz 2 GG. Die hier vorgenommenen Änderungen bei der zulässigen Datenverarbeitung werden von der diesbezüglichen Annexkompetenz getragen. Die bundeseinheitliche Regelung ist erforderlich, um eine Rechtszersplitterung insbesondere bei den Befugnissen zur Gefahrenabwehr und den Ermittlungsbefugnissen der Strafverfolgungsbehörden zu vermeiden.

Bezüglich der Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes ergibt sich die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 11 GG (Recht der Wirtschaft), aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 7 GG (öffentliche Fürsorge), soweit Belange des Jugendschutzes betroffen sind, - jeweils in Verbindung mit Artikel 72 Absatz 2 GG -, und aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 GG (Strafrecht) hinsichtlich der Bußgeldvorschriften (Artikel 6 Nummer 4) sowie hinsichtlich der Stärkung der strafrechtlichen Durchsetzung im Netz. Die einzuführenden Meldepflichten knüpfen an die bestehenden Compliance-Vorschriften des NetzDG an. Zudem unterstützen die einzuführenden Meldepflichten das bei Einführung des NetzDG verfolgte Schutzziel, das sich gegen die Verrohung der Debattenkultur in sozialen Netzwerken richtet durch die Ermöglichung strafrechtlicher Verfolgung, so dass auch Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 GG einschlägig ist. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Bereich der Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken ist gegeben, da hier die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet und die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse mit einer bundesgesetzlichen Regelung erforderlich ist (Artikel 72 Absatz 2 GG) . Durch eine einheitliche Bundesgesetzgebung im Bereich der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken wird verhindert, dass sich innerhalb der Bundesrepublik Deutschland die Lebensverhältnisse auseinanderentwickeln, indem schwerwiegende Hasskriminalität und andere schwerwiegende strafbare Inhalte unter Umständen nicht in jedem Land effektiv verfolgt werden und in Ländern ohne konsequente Verfolgung infolgedessen das friedliche Zusammenleben einer freien, offenen und demokratischen Gesellschaft in Gefahr ist. Die Regelungen können auch deshalb nur durch den Bundesgesetzgeber erfolgen, weil ansonsten die Gefahr einer Rechtszersplitterung bestünde, die sowohl im Interesse des Bundes als auch der Länder nicht hinnehmbar wäre. Eine bundeseinheitliche Ausgestaltung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken gewährleistet die Anwendung einheitlicher Maßstäbe unabhängig vom Standort der Anbieter sozialer Netzwerke und wirkt so Binnenwanderungen und einer gegenseitigen Unterbietung der Länder zur Anlockung von Anbietern sozialer Netzwerke entgegen.

Die Zuständigkeit des Bundes für die Änderung des Bundesmeldegesetzes ergibt sich aus Artikel 73 Absatz 1 Nummer 3 des Grundgesetzes.

V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen

Der Entwurf dient der Verbesserung der Ermittlung, Aufklärung und Verfolgung von Straftaten und enthält hierzu Regelungen zum materiellen Strafrecht, zu den Auskunftsbefugnissen der Diensteanbieter von Telemedien, zu den Auskunftsverlangen von Behörden und zu den Meldepflichten der Anbieter sozialer Netzwerke.

Die in dem Entwurf vorgesehenen Meldepflichten sind mit europäischem Recht vereinbar. Dies gilt insbesondere für die Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt ("Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr") (ABl. L 178 vom 17. Juli 2000, S. 1).

Nach Artikel 15 Absatz 2 dieser Richtlinie können die Mitgliedstaaten den Anbietern von Diensten der Informationsgesellschaft Melde- und Übermittlungspflichten im Hinblick auf mutmaßliche rechtswidrige Tätigkeiten oder Informationen auferlegen.

Hierzu gehört, "die zuständigen Behörden unverzüglich über mutmaßliche rechtswidrige Tätigkeiten oder Informationen der Nutzer ihres Dienstes zu unterrichten". In Ziffer 28 der Empfehlung der EU-Kommission vom 1. März 2018 für wirksame Maßnahmen im Umgang mit illegalen Online-Inhalten (C(2018) 1177 final) werden die Mitgliedstaaten ermutigt, auf dieser Grundlage Meldepflichten von Hosting-Anbietern betreffend schwere Straftaten im Hinblick auf die bei einer Inhalteentfernung erlangten Kenntnisse einzuführen. Auch Artikel 3 Absatz 4 Buchstabe a der Richtlinie erlaubt den Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen, angemessene Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Ordnung, insbesondere Verhütung, Ermittlung, Aufklärung und Verfolgung in Bezug auf Straftaten, einschließlich des Jugendschutzes und der Bekämpfung der Hetze aus Gründen der Rasse, des Geschlechts, des Glaubens oder der Nationalität, sowie von Verletzungen der Menschenwürde einzelner Personen gegen Diensteanbieter aus anderen Mitgliedstaaten zu ergreifen.

Die geplante Regelung ist notifizierungspflichtig nach der Richtlinie (EU) Nr. 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 241 vom 17. September 2015, S.1).

VI. Gesetzesfolgen

1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung

Aspekte der Rechts- und Verwaltungsvereinfachung sind durch den Entwurf nicht betroffen.

2. Nachhaltigkeitsaspekte

Der Entwurf steht im Einklang mit den Leitgedanken der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Mit der Ausweitung des strafrechtlichen Schutzes vor öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften begangenen Beleidigungen und Bedrohungen, der Schaffung einer Sanktionsmöglichkeit für eine auf diese Weise begangene Billigung erheblicher Straftaten und der Ausdehnung des strafrechtlichen Schutzes auf besondere, im Interesse der Allgemeinheit tätige Personengruppen wird dem Prinzip 5 der Prinzipien einer nachhaltigen Entwicklung der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie:

"Sozialen Zusammenhalt in einer offenen Gesellschaft wahren und verbessern" Rechnung getragen. Der Entwurf dient auch dem Ziel, eine diskriminierungsfreie Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Leben zu fördern, und dient damit dem Ziel 10.2 der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen "bis 2030 alle Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht, Behinderung, Rasse, Ethnizität, Herkunft, Religion oder wirtschaftlichem oder sonstigem Status zu Selbstbestimmung zu befähigen und ihre soziale, wirtschaftliche und politische Inklusion zu fördern".

Dieselben Überlegungen gelten für die melderechtlichen Änderungen zur Auskunftssperre.

3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand sind für Bund, Länder und Gemeinden durch den Entwurf nicht zu erwarten.

4. Erfüllungsaufwand

a) Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Keiner.

b) Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Durch die Neuregelungen in StPO und TMG entsteht kein Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft, da es sich bei den Änderungen lediglich um eine normenklare Ausgestaltung der Voraussetzungen und Grenzen der Datenerhebung handelt.

Der Entwurf erweitert die bereits bestehenden Compliance-Pflichten für die vom Schwellenwert des § 1 Absatz 2 NetzDG betroffenen Netzwerke um eine Meldepflicht von Inhalten, die im Rahmen eines durch einen Nutzer eingeleiteten Beschwerdeverfahrens als strafbar angesehen und gelöscht wurden. Da es sich in der vorgeschlagenen Erweiterung um eine Ergänzung des bestehenden Beschwerdesystems handelt und dieses weiterhin vorgehalten werden muss, wird nur der durch diesen Entwurf entstehende jährliche Mehraufwand als Erfüllungsaufwand dieses Entwurfs geschätzt.

aa) Die bereits bestehenden Pflichten der genannten Anbieter sozialer Netzwerke werden um folgende drei Maßnahmen ergänzt:
bb) Daraus ergeben sich folgende Schätzungen:

(1) Einmalige Kosten für die Anbieter sozialer Netzwerke

Die neu eingeführte Hinweispflicht nach § 3 Absatz 2 Nummer 5 NetzDG sowie die Informationspflicht nach § 3a Absatz 6 NetzDG führen zunächst zu einmalig anfallenden Kosten durch Erstellung von Vorlagen, die aber wiederholt und nur im Hinblick auf die künftig einzusetzende IP-Adresse leicht ergänzt verwendet werden können.

Der Text der Information über die Möglichkeit, Strafanträge und Strafanzeigen zu stellen, sowie der Hinweis selbst müssen einmal erstellt werden und können in allen betroffenen Beschwerdefällen verwendet werden. Da die schon heute bestehenden Compliance-Pflichten eine Information an den Beschwerdeführer über die Entscheidung seiner vorgetragenen Beschwerde vorsieht, ist diese Information lediglich zu ergänzen. Ein fallzahlenbezogener Mehraufwand ergibt sich daraus nicht.

Auch die Information an den Inhalteverfasser über die Übermittlung des Inhalts und der IP-Adresse an das BKA bedarf der Erarbeitung einer standardisierten Vorlage, die dann aber in allen anfallenden Fällen verwendet werden kann.

Insgesamt beträgt der einmalige Erfüllungsaufwand daher 300 000 Euro.

(2) Erfüllungsaufwand im Übrigen

Für die Erfüllung der Meldepflicht im Einzelfall sind die bereits dargestellten einzelnen Schritte nach ihrem Aufwand im Einzelnen zu schätzen und sodann mit einer zu erwartenden jährlichen Fallzahl zu multiplizieren.

(a) Die Einordnung, ob ein Inhalt unter den Katalog der Meldepflichten nach § 3a Absatz 2 NetzDG fällt, wird grundsätzlich keinen Mehraufwand auslösen, weil bereits jetzt die erfassten Anbieter sozialer Netzwerke auf eine Beschwerde hin den rechtswidrigen Inhalt beurteilen und einordnen müssen. Nur in manchen Fällen bedarf es einer umfangreicheren Einordnung des Inhaltes, weil gegebenenfalls Abgrenzungen zwischen Tatbeständen erforderlich sein könnten, um die Teilmenge der strafbaren Inhalte zu identifizieren, die unter die Meldepflicht fallen. Eine solche aufwändigere Prüfung ist aber nicht regelmäßig, sondern nur in wenigen Fällen erforderlich, die derzeit auf 20 Prozent der Gesamtfallzahl geschätzt wird. In den übrigen 80 Prozent der Fälle dürfte eine klare Einordnung unter einen Straftatbestand schon innerhalb der bestehenden Compliance-Pflichten nach dem NetzDG erfolgen, so dass kein Mehraufwand entsteht.

Die Schätzung beruht auf den Angaben aus den Transparenzberichten für das erste und zweite Halbjahr 2019. hinsichtlich der dort ausgewiesenen Bearbeitungszeiten für Beschwerden, die eine Maßnahme der Zugangssperrung oder Löschung nach sich zogen. Danach konnten bei Facebook im ersten Halbjahr 2019 80 Prozent (354 von insgesamt 441), bei Instagram 70 Prozent (52 von insgesamt 74), bei Twitter 66 Prozent (30 880 von insgesamt 46 699) und bei Youtube 88 Prozent (62 492 von insgesamt 71 168), im Durchschnitt damit 79 Prozent (93 778 von insgesamt 118 382) der gemeldeten Inhalte, die in der Folge zu einer Löschung führten, innerhalb von 24 Stunden nach Meldung bearbeitet werden. Im zweiten Halbjahr 2019 konnten bei Facebook 83 Prozent (1146 von insgesamt 1383), bei Instagram 47 Prozent (97 von insgesamt 205), bei Twitter 86 Prozent (117 437 von insgesamt 137 171) und bei Youtube 92 Prozent (66 309 von insgesamt 71 907), im Durchschnitt damit 88 Prozent (184 989 von insgesamt 210 480) der gemeldeten Inhalte, die in der Folge zu einer Löschung führten, innerhalb von 24 Stunden nach Meldung bearbeitet werden.

Dies deutet darauf hin, dass der Inhalt in der weit überwiegenden Zahl offensichtlich rechtwidrig war und die Anbieter die Rechtswidrigkeit des Inhalts leicht erkennen konnten. Nur die restlichen 20 Prozent der Fälle bedurften bereits einer längeren Bearbeitungszeit. Selbst dadurch muss allerdings auch nicht zwingend ein Mehraufwand entstehen, weil durch den schon heute erforderlichen erhöhten Zeitaufwand in komplexeren Fällen auch die nunmehr zusätzlich notwendige Prüfung für die gesetzliche Meldepflicht abgedeckt sind. Rein vorsorglich wird für die Aufwandsschätzung aber für 20 Prozent der Fälle von einer zeitintensiveren Prüfung für die nun hinzutretende Meldepflicht ausgegangen.

Nach der Prüfung ist zudem die dem Nutzer zuletzt zugewiesene IP-Adresse zu ermitteln, was durch eine technische Abfrage erfolgen wird, und die IP-Adresse mit dem Inhalt vor der Übermittlung zusammenzuführen. Für diese einzelnen Schritte, die in der untenstehenden Tabelle aufgeführt sind, wird im Durchschnitt eine Bearbeitungszeit von zwei Minuten geschätzt.

Inhalt prüfen auf Katalog des § 3a Absatz 1 Nummer 3Im Regelfall (80 Prozent)
Kein Mehraufwand.
Ausnahme (20 Prozent):
durchschnittlich 60 Minuten
Anfordern der IP-Adresse2 Minuten2 Minuten
Zusammenführung Inhalt und IP-Adresse2 Minuten2 Minuten
Übermittlung an Schnittstelle2 Minuten2 Minuten
Vorbereitung und Vormerkung der Informationspflicht2 Minuten2 Minuten
Erfüllung der Informationspflicht und Kontrolle2 Minuten2 Minuten
Minuten insg.10 Minuten70 Minuten

(b) Insgesamt wird von einer jährlichen Anzahl von ca. 250 000 von den Anbietern gemeldeten Inhalten ausgegangen.

Ausgangspunkt für diese Schätzung bilden ebenso die Transparenzberichte, die die Anbieter sozialer Plattformen halbjährlich zu erstellen haben. Hierbei sind die Transparenzberichte des Anbieters Twitter zu Grunde zu legen. Darin werden die Fallzahlen der Inhalte, die nach einer Beschwerde gelöscht wurden, nach den einzelnen Tatbeständen des § 1 Absatz 3 NetzDG aufgeteilt. In dem Transparenzbericht für das erste Halbjahr weist Twitter für die Zeit vom 1. Januar 2019 bis 30. Juni 2019 insgesamt 29 360 Inhalte auf, die diejenigen Straftatbestände erfüllt haben, die unter den Katalog der Meldepflicht fallen. Dies sind 63 Prozent der insgesamt 46 696 als rechtswidrig betrachteten und damit gelöschten Inhalte in diesem Zeitraum. Für das zweite Halbjahr beträgt diese Anzahl 45 558, was 33 Prozent der insgesamt 137 171 gelöschten Inhalte darstellt.

Zudem werden die Transparenzberichte des Anbieters YouTube für die beiden Halbjahre 2019 als Referenz zu Grunde gelegt. In diesen Berichten sind die gelöschten Inhalte zwar nicht nach den einzelnen Straftatbeständen getrennt ausgewiesen, sondern in sieben Gruppen ("Privatsphäre, Persönlichkeitsverletzung oder Beleidigung", "Ungeeignete oder gefährliche Inhalte", "Pornografische Inhalte", "Terroristische und verfassungswidrige Inhalte", "Hassrede oder politischer Extremismus", "Gewalt") zusammengefasst. Die Gruppen "Privatsphäre" und "Persönlichkeitsverletzung oder Beleidigung" erfassen dabei keine der vom Katalog der Meldepflichten erfassten Straftatbestände und sind somit der Berechnung nicht zugrunde zu legen. Es verbleibt dann bei YouTube eine Zahl von 51 027 im ersten Halbjahr 2019 gelöschten Inhalten, von denen in einem zweiten Schritt noch die Inhalte herausgerechnet werden müssen, die unter die von der Meldepflicht nicht erfassten Straftatbestände der §§ 100a, 111, 166 oder 269 StGB fallen. Im Ergebnis ist danach bei YouTube von schätzungsweise ca. 35 000 Inhalten auszugehen, die im ersten Halbjahr 2019 nach dem Entwurf unter die Meldepflicht fallen würden. Dies sind rund 50 Prozent der insgesamt 71 168 Inhalte, die YouTube als rechtswidrig betrachtet und gelöscht hat.

Im zweiten Halbjahr 2019 fallen auf die genannten Gruppen insgesamt 48 470 gelöschte Inhalte, was einen sehr leichten Rückgang darstellt. Rechnet man aus dieser Zahl wiederum die nicht unter die Meldepflicht fallenden Delikte der §§ 111, 100a, 269 oder 166 StGB heraus, ergibt sich wiederum schätzungsweise eine Zahl von 35 000 Meldungen. Bezogen auf die gesamten im Rahmen einer NetzDG-Beschwerde gelöschten Inhalte von 71 907 bilden die Inhalte, die unter die zukünftige Meldepflicht fallen, eine Quote von wiederum rund 50 Prozent.

Insgesamt liegen die im Rahmen einer NetzDG-Beschwerde gelöschten Inhalte, die in Zukunft der Meldepflicht unterliegen, für die betroffenen Anbieter Twitter und Youtube nach dieser Schätzung bei rund 150 000 Jahr.

Die ermittelten Zahlen liegen im Bereich der vom Branchenverband BIT KOM in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf niedergelegten Zahlen. BITKOM geht auf Grundlage der Transparenzberichte für das erste Halbjahr 2019 von 30 000 Inhalten bei YouTube und 23 000 Inhalten bei Twitter aus, die unter die Meldepflicht fallen.

Aussagen zu den anderen erfassten Anbietern, die einen Transparenzbericht eingereicht haben (Facebook und Instagram), deren Zahlen erheblich niedriger liegen, trifft BITKOM nicht. Facebook löschte insgesamt 165 Inhalte im ersten Halbjahr 2019 und 558 im zweiten Halbjahr 2019, die unter die zukünftige Meldepflicht fallen würden. Instagram löschte insgesamt im ersten Halbjahr 30 Inhalte und im zweiten Halbjahr 17 Inhalte, die unter die Meldepflicht fallen. Für das zweite Halbjahr 2019 hat auch der Anbieter TikTok einen Transparenzbericht veröffentlicht. Danach wurden 34 Inhalte erfasst, die in Zukunft unter die Meldepflicht fallen werden.

Diese Werte weisen eine derart hohe Diskrepanz zu den Werten der Anbieter Youtube und Twitter auf, dass sie einer Schätzung nicht zugrunde gelegt werden können.

Im Rahmen der Schätzung wird ein erheblicher Sicherheitszuschlag im Hinblick auf die zu erwartenden Meldungen der Anbieter Facebook, Instagram und TikTok vorgenommen, wobei auf die unterschiedliche Ausgestaltung der Angebote und den vorrangig angesprochenen Nutzerkreis Rücksicht zu nehmen ist. Dabei wird für den Anbieter Facebook aufgrund der längeren Marktzugehörigkeit und dem Umstand, dass der angesprochene Nutzerkreis dem des Anbieters Youtube am weitesten ähneln dürfte, die für diesen Anbieter ermittelte Beschwerdezahl von 70 000 relevanten jährlichen Meldungen zugrunde gelegt. Bei den beiden weiteren Anbietern ist davon auszugehen, dass aufgrund der kürzeren Marktzugehörigkeit von einer geringeren Anzahl von Nutzern auszugehen ist, so dass hier Meldungen in Höhe von ca. jeweils 15 000 Meldungen pro Jahr zu erwarten sein werden.

Insgesamt ergibt sich hieraus ein jährlicher Wert von 250 000 Meldungen für alle Anbieter insgesamt.

(c) Für die Schätzung des Aufwands pro Jahr ist damit bei den zu erwartenden fünf Anbietern mit einer Zahl von 250 000 Meldungen zu rechnen, wovon entsprechend der dargestellten Verteilung von 80 zu 20 Prozent 200 000 Fälle als offensichtlich rechtswidrig anzusehen sind und 50 000 Fälle als Fälle, die eine aufwändigere Prüfung verlangen.

Inhalt prüfen auf Katalog des § 3a Absatz 1 Nummer 3Im Regelfall (80 Prozent) Kein MehraufwandAusnahme (20 Prozent):
durchschnittlich 60 Minuten
Anfordern der IP-Adresse2 Minuten2 Minuten
Zusammenführung Inhalt
und IP-Adresse
2 Minuten2 Minuten
Übermittlung an Schnittstelle2 Minuten2 Minuten
Vorbereitung und Vormerkung der Informationspflicht2 Minuten2 Minuten
Erfüllung der Informationspflicht und Kontrolle2 Minuten2 Minuten
Minuten insgesamt10 Minuten70 Minuten
Multipliziert mit zu erwartenden Fallzahlen:200 000 x 10 Minuten:
2 000 000 Minuten
50 000 x 70 Minuten
350 000 Minuten
Stunden insgesamt33 333 h58 333 h
Multipliziert mit Stundensatz von 23,30 Euro (Anhang VI, Kategorie N des Leitfadens zur Ermittlung und Darstellung des Erfüllungsaufwands in Regelungsvorhaben der Bundesregierung,
Stand Dezember 2018, mittleres Qualifikationsniveau:
23,20 Euro)
776 658,90 Euro1 359 166, 66 Euro
Summe:2 135 825,56 Euro

Insgesamt entsteht der Wirtschaft daher ein (laufender) Erfüllungsaufwand von ca. 2,1 Millionen Euro jährlich und ein eimaliger Erfüllungsaufwand von 300 000 Euro.

(d) Kleinere und mittlere Unternehmen sind von den Änderungen des Gesetzentwurfs nicht betroffen.

(e) Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten: 50 000 Euro.

(f) Der laufende zusätzliche Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft unterliegt der "One in, one out"-Regel der Bundesregierung. Eine Kompensation erfolgt durch einen Teil der Entlastungen aus dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs.

Durch die Neuregelungen in StPO und TMG entsteht kein Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft, da es sich bei den Änderungen lediglich um eine normenklare Ausgestaltung der Voraussetzungen und Grenzen der Datenerhebung handelt; neue Auskunftspflichten werden dadurch nicht geschaffen.

c) Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Der Entwurf führt zu Erfüllungsaufwand beim Bund und voraussichtlich bei den Ländern bzw. bei den Kommunen. Dabei entstehen für die Bundesverwaltung Kosten für die neuen Aufgaben beim BfJ und beim BKA.

aa) BfJ

Für das BfJ entstehen sowohl durch die im Gesetz neu eingeführte Bußgeldvorschrift bei Nichtvorhalten eines Verfahrens zur Erfüllung der Meldepflicht als auch in der erweiterten Funktion des BfJ, Auskünfte zu verlangen von den Anbietern sozialer Netzwerke über das Verfahren zur Erfüllung der Meldepflicht, Erfüllungsaufwand. Die anfallenden Kosten für das BfJ stellen dabei nur jährlich anfallende Kosten dar. Da das BfJ bereits jetzt Beschwerden von Nutzern annimmt, die die nicht vorgenommene Löschung eines Inhalts durch ein soziales Netzwerk rügen, steht die Kommunikationsplattform für diese Form der Eingänge bereits zur Verfügung.

Mit dem laufenden Mehraufwand ist mit Ablauf des dritten Monats nach Inkrafttreten zu rechnen, da zu diesem Zeitpunkt die Pflicht zur Weitergabe der Informationen für gelöschte Inhalte in Kraft tritt.

(1) Für die neu hinzutretende Bußgeldvorschrift ist von einem Erfüllungsaufwand auszugehen, der der Verfolgung der Ordnungswidrigkeit nach § 4 Absatz 1 Nummer 2 NetzDG entspricht.

Die für diese Verfahren bekannten Bearbeitungszeiten werden der Schätzung daher zugrunde gelegt und verteilen sich auf Arbeitszeiten des höheren, gehobenen und mittleren Dienstes.

Für die Ermittlung der zu erwartenden Fallzahlen ist folgende Schätzung vorgenommen worden: Nach der Einführung des NetzDG gab es im Jahr 2018 insgesamt 684 erfasste Einzelmeldungen, bei denen zu beanstanden war, dass ein Inhalt trotz Beschwerde fehlerhaft nicht gelöscht wurde. Im Jahr 2019 betrug die Zahl dieser Fälle 518. Die zu erwartenden Einzelfälle für die neu eingeführte Pflicht zur Weitergabe von Inhalten nach einer erfolgten Löschung dürften sich in dem Bereich der bisherigen Erfahrungswerte bewegen. Die geschätzte jährliche Fallzahl von Einzelmeldungen wird daher aufgrund der Erfahrungswerte auf 600 geschätzt, was den ungefähren Durchschnittswert der beiden Jahreswerte darstellt.

Der angenommene durchschnittliche Arbeitsaufwand pro Fall beruht auf den bisherigen Erfahrungen mit dem NetzDG.

Hieraus ergibt sich für die Bearbeitung der Einzelfallmeldungen folgender zu schätzender jährlicher Erfüllungsaufwand:

FallzahlFunktion und
Dienst
ArbeitskräfteArbeitsaufwand in Minuten pro Fall im DurchschnittArbeitsaufwand in Minuten insgesamt
600Referent, hD0,45609054 000
600Sachbearbeiter, gD1,0640210126 000
600Geschäftsstelle, mD0,15203018 000

Ein Bußgeldverfahren nach § 4 Absatz 1 Nummer 6a NetzDG(neu) ist erst bei einem systemischen Versagen einzuleiten; dabei ist auf Basis der bisherigen Erfahrungen grob davon auszugehen, dass aus den Einzelfallmeldungen jährlich maximal vier Komplexe zu bilden sind, in denen es zur Einleitung eines entsprechenden Bußgeldverfahrens kommen kann. Hierbei wird davon ausgegangen, dass nicht gegen alle der derzeit verpflichteten Anbieter ein Verfahren einzuleiten sein wird; vorsorglich werden vier Verfahrenseinleitungen der Schätzung zugrunde gelegt. Der hierfür anfallende Aufwand wird aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit dem NetzDG jährlich wie folgt geschätzt:

KomplexeFunktion und DienstArbeitskräfteArbeitsaufwand in Minuten pro Fall im DurchschnittArbeitsaufwand in Minuten insgesamt
4Referent, hD0,0073180720
4Sachbearbeiter, gD0,02556302 520
4Geschäftsstelle, mD0,01092701 080

Zusammengefasst ergeben die angesetzten Tätigkeiten folgenden geschätzten jährlichen Erfüllungsaufwand für die Bearbeitung der Einzelmeldungen und der daraus resultierenden Bußgeldverfahren:

Funktion und DienstGesamte Bearbeitungszeit in
Stunden
Lohnkosten pro StundeSachkosten pro StundeErfüllungsaufwand
Einzelmeldungen und Bußgeldverfahren:
Referent, hD91265,40 Euro59 644,80 Euro
Sachbearbeiter, gD214243,40 Euro92 962,80 Euro
Geschäftsstelle, mD56831,70 Euro18 005, 60 Euro
Summe170 631, 20 Euro

(2) Ebenso fällt beim BfJ Aufwand für die in § 3a Absatz 7 NetzDG vorgesehene Möglichkeit an, dass das BfJ von den Anbietern sozialer Medien Auskunft verlangen kann über die Ausgestaltung des Meldeverfahrens. Diese Aufsichtsbefugnis löst zusätzlichen Personalbedarf aus, wobei maximal von einer Auskunftspflicht in vier Fällen pro Jahr auszugehen ist. Hierbei wird davon ausgegangen, dass nicht gegen alle der derzeit verpflichteten fünf Anbieter ein Verfahren einzuleiten sein wird; vorsorglich werden vier Verfahrenseinleitungen der Schätzung zugrunde gelegt. Dies ist eine großzügige Berechnung, weil nicht in jedem Jahr erneut ohne Anlass nach den entsprechenden Verfahren gefragt werden dürfte.

FallzahlFunktion und DienstArbeitskräfteArbeitsaufwand in Minuten pro Fall im DurchschnittArbeitsaufwand in Minuten insgesamt
4Referent, hD0,0073180720
4Sachbearbeiter, gD0,02556302 520
4Geschäftsstelle, mD0,01092701 080

Hieraus ergibt sich folgender geschätzter zusätzlicher jährlicher Erfüllungsaufwand:

Funktion und DienstGesamte Bearbeitungszeit in StundenLohnkosten pro StundeSachkosten pro StundeErfüllungsaufwand
Einzelmeldungen und Bußgeldverfahren:
Referent, hD1265,40 Euro784,80 Euro
Sachbearbeiter, gD4243,40 Euro1 822,80 Euro
Geschäftsstelle, mD1831,70 Euro570,60 Euro
Summe:3 178,20 Euro

Gesamtsumme für das BfJ: 173 809,40 Euro bb) Zudem entstehen für die Bundesverwaltung Kosten für die neuen Aufgaben beim BKA.

Dem BKA entsteht durch Einrichtung einer zentralen Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet gemäß NetzDG einmaliger Erfüllungsaufwand in Höhe von 27,5 Millionen Euro. Die jährlichen Personalkosten betragen 19 Millionen Euro zuzüglich rund 5,7 Millionen Euro Sacheinzelkosten (für 252 Stellen), die Sachkosten steigen von vier Millionen Euro im Jahr 2021 auf 21,5 Millionen Euro ab 2024.

Durch die Einrichtung einer zentralen Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet gemäß NetzDG wird dem BKA vor dem Hintergrund, dass bisher nach dem NetzDG keine Verpflichtung zur Meldung an das BKA besteht und daher bislang im BKA auch keine entsprechenden Meldungen eingehen, ein neuer Aufgabenbereich im Rahmen der bestehenden Zentralstellenfunktion übertragen. Insofern bedarf die Schaffung der Verpflichtungen von Anbietern zur Meldung an das BKA nach dem NetzDG der Einführung von neuen Prozessen. Hierdurch entstehen Mehraufwendungen durch die erforderlichen fachlichen, personellen, technischen, prozessualen und organisatorischen Anpassungen.

Erfüllungsaufwand für die Jahre 2021-2024 in Tausend Euro:

JahrSachkostenPersonalkosten
einmaligjährlichjährlich
20215 5004 00019 000
20228 5007 90019 000
20238 50014 20019 000
20245 00021 50019 000

Daraus resultiert für das Bundeskriminalamt einmaliger Umsetzungsaufwand in Höhe von rund 27,5 Millionen Euro. Die jährlichen Personalkosten betragen 19,0 Millionen Euro zuzüglich rund 5,7 Millionen Euro Sacheinzelkosten (für 252 Stellen), die Sachkosten steigen von 4 Millionen Euro im Jahr 2021 auf 21,5 Millionen Euro ab 2024.

Im Einzelnen:

(1) Organisation und Personalbedarf

Vor dem Hintergrund der im BKA geplanten Verarbeitung der Meldungen der Anbieter auf Basis einer prozesstechnischen Trennung der beiden Arbeitsschritte "Zentraler Eingang" und "Sachbearbeitung" sollen neben einer zentralen Stelle für die Erstbewertung der Meldungen weitere deliktsspezifisch ausgerichtete Organisationseinheiten geschaffen werden, die eine sich der Erstbewertung bzw. -bearbeitung anschließende fachspezifische Sachbearbeitung sicherstellen sollen.

Die "Zentrale Stelle für die Erstbewertung" soll künftig den Eingang für die eingehenden Meldungen sicherstellen, Grundsatzaufgaben wahrnehmen und zudem erste Bearbeitungsschritte sicherstellen (z.B. Prüfung der Aktualität der IP-Adresse sowie gegebenenfalls der Erfolgsaussichten für eine Bestandsdatenanfrage nach § 10 BKAG).

Weitere neu einzurichtende Organisationseinheiten in den Fachabteilungen sollen nach entsprechender Zuweisung durch die zentrale Meldestelle die fachspezifische Sachbearbeitung der Vorgänge dann vornehmen. Im Einzelnen müssen beispielsweise Bestandsdaten erhoben, die örtlich zuständige Strafverfolgungsbehörde bestimmt und der mit Informationen angereicherte Vorgang an die zuständige Staatsanwaltschaft übermittelt werden. Die Bearbeitungszeiten in den Fachabteilungen variieren in diesem Kontext in Abhängigkeit der fachspezifischen Sachbearbeitung. Der bezifferte Personalbedarf basiert in diesem Kontext auf einer entsprechenden Kalkulation der prozentualen Verteilung des angenommenen Vorgangsaufkommens auf die verschiedenen Katalogstraftaten und damit zuständigen Fachabteilungen.

(2) Sachkosten

Die Bearbeitung von gemeldeten Hasspostings (Rechtswidrige Inhalte gemäß NetzDG) wird voraussichtlich hohe Fallzahlen generieren. Die Bewältigung dieses Vorhabens ist abhängig von der Funktionalität noch zu entwickelnder technischer/teilmaschineller bzw. automatischer Lösungen.

Eine effektive Aufnahme der Aufgaben der neu einzurichtenden zentralen Meldestelle im Rahmen der Zentralstellenfunktion wird mit Blick auf die zu erwartenden Fallzahlen nur durch (IT-)technische Unterstützung möglich sein. Die Ermittlungsarbeit muss schnellstmöglich von der zuständigen Ermittlungsbehörde der Länder aufgenommen werden können. Das BKA muss daher unverzüglich die zur Identifizierung des Urhebers notwendigen Nutzerdaten der Anbieter anfordern können und diese Daten an die zuständige Staatsanwaltschaft oder das zuständige Landeskriminalalmt weiterleiten können. Die dafür technischen Tools und Lösungen müssen entwickelt bzw. beschafft werden. Neben BKA-internen Entwicklungsressourcen wird externes Personal für die Konzeption, Entwicklung, Tests und Support benötigt. Dafür entsteht einmaliger Erfüllungsaufwand in Höhe von 27,5 Millionen Euro und jährliche Sachkosten in Höhe von 2,5 Millionen Euro anteilig von den in der Tabelle aufgeführten 7,9 Millionen Euro ab 2022.

Die jährlichen Sachkosten für Wartung und Pflege steigen - entsprechend der Fortentwicklung - in Höhe von 4 Millionen Euro ab 2021 auf 15 Millionen Euro in 2024 von den insgesamt veranschlagten jährlichen 21,5 Millionen Euro an.

Für das BKA wird nun eine explizite Befugnis zur Abfrage von Bestandsdaten auch gegenüber demjenigen, der geschäftsmäßig eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt, im Rahmen der Zentralstellenaufgabe geschaffen. Hierbei ist von jährlichen Kosten in Höhe von 4 Millionen Euro auszugehen.

(3) Ausgangspunkt für Ressourcenbetrachtung

Aufgrund der angenommenen hohen Fallzahlen (ca. 250 000 pro Jahr) wird eine möglichst hohe - gegebenenfalls auch technisch unterstützte - Standardisierung angestrebt. Dieses wird mit den zu beteiligenden weiteren Behörden (Länder, Justiz) und den Anbietern abzustimmen sein. Möglicherweise kann hierfür der im Bereich Kinderpornografie bereits etablierte NCMEC-Prozess in modifizierter Version als technische Grundlage dienen. Gleichwohl ist von erheblichen manuellen Bewertungstätigkeiten bei der zentralen Meldestelle im BKA auszugehen.

Die Aufwände zur Erfüllung des Gesetzes können höher ausfallen, da noch nicht konkret absehbar ist, wie hoch die Aufwendungen im Einzelfall sein werden, insbesondere wenn das BKA zur Erfüllung seiner Aufgabe als Zentralstelle Bestandsdaten erhebt. Das Bundeskriminalamt würde somit im Rahmen seiner Zentralstellenaufgabe nach § 2 Absatz 1 BKAG zur Unterstützung der Polizeien der Länder bei der (anschließenden) Verfolgung von Straftaten die ersten Maßnahmen vornehmen und einen maßgeblichen Beitrag im Rahmen der Bekämpfung von Straftaten leisten. Dabei kann aber im Einzelfall neben der Unterstützung bei der Strafverfolgung auch eine gefahrenabwehrende Komponente zu berücksichtigen sein, falls in einer Gemengelage bei einer erkannten Gefährdung - insbesondere für Leib, Leben und Freiheit einer Person - die Aufgabe des BKA nach § 2 Absatz 1 BKAG (Zentralstelle) zur Unterstützung der Polizeien des Bundes und der Länder bei der Verhütung von Straftaten wahrgenommen wird bzw. das BKA seine originäre Aufgabe nach § 6 BKAG (Schutz von Mitgliedern der Verfassungsorgane und seiner Gäste) wahrnimmt.

cc) Mehraufwand bei Bundesgerichten steht nicht zu erwarten.

Die meisten Delikte werden in die Zuständigkeit der Strafrichter und Schöffengerichte bei den Amtsgerichten fallen, so dass die Befassung eines Bundesgerichts, abgesehen von Ausnahmefällen, nicht zu erwarten steht.dd) Mehraufwand bei Ländern und vor allem den Kommunen ist zu erwarten, wenn aufgrund der Neufassung von § 51 BMG voraussichtlich eine größere Zahl von Anträgen auf Auskunftssperren erfolgt und in der Folge auch vermehrt eingetragene Auskunftssperren zu bearbeiten sind. Meldebehörden sind nach § 1 BMG die durch Landesrecht dazu bestimmten Behörden; dies sind überwiegend Kommunalbehörden.

dd) Der Mehrbedarf an Sach- und Personalmitteln beim Bund soll finanziell und stellenmäßig im jeweiligen Einzelplan ausgeglichen werden.

Über Einzelheiten zur Deckung des Mehrbedarfs wird im Rahmen kommender Haushaltsaufstellungsverfahren zu entscheiden sein.

5. Weitere Kosten

Auch bei den Landesjustizbehörden sowie den Gerichten entstehen Kosten durch die angestrebte effektive strafrechtliche Verfolgung von Straftaten im Netz. Von den 250 000 Inhalten, die schätzungsweise an die Zentralstelle des BKA gemeldet werden, werden nur solche zu weiteren strafrechtlichen Ermittlungen führen, die auch einen strafbaren Inhalt aufweisen. Zudem können sich Meldungen auf einzelne Inhalte beziehen, die von dem gleichen Nutzer verfasst wurden, die in einem gemeinsamen Ermittlungsverfahren zusammengeführt werden können. Schließlich sind Synergieeffekte möglich durch die Einrichtung von Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften in den Ländern, die eine Zusammenführung von einzelnen Fällen und deren schnellere Bearbeitung ermöglicht.

Im Rahmen der Schätzung ist zunächst von einer jährlichen Anzahl von 250 000 Meldungen auszugehen (siehe oben). Diese Schätzung ergibt sich aus der Auswertung der Transparenzberichte für das erste und zweite Halbjahr 2019, die sich von den höherliegenden Schätzungen vom Land Nordrhein-Westfalen unterscheiden (340 000 Meldungen/Jahr). Sofern diese höheren Schätzungen darauf beruhen, dass mit der eingeführten Definition der "Beschwerde über rechtswidrige Inhalte" mehr Meldungen zu erwarten sind, ist darauf hinzuweisen, dass bei der Schätzung von 250 000 Meldungen bereits ein zu erwartender Anstieg der Meldungen der Anbieter Facebook, Instagram und TikTok berücksichtigt wurde. Zum anderen hat die im Gesetzentwurf aufgenommene Definition einer "Beschwerde" rein klarstellende Funktion und entspricht der jetzigen Rechtslage, so dass hierdurch nicht mehr Meldungen zu erwarten sind.

Dabei ist zudem davon auszugehen, dass sich aus den 250 000 Meldungen rund 150 000 tatsächlich neue Ermittlungsverfahren jährlich ergeben, da sich nicht nach allen Meldungen Ermittlungsverfahren anschließen werden, und zudem bereits jetzt im Bereich Kinderpornographie und bei Meldungen von Beschwerdestellen Ermittlungsverfahren bei den Strafverfolgungsbehörden eingeleitet werden.

Durch das BKA werden im Rahmen der Zentralstellentätigkeit die Inhalte unter anderem auf ihre strafrechtliche Relevanz und die Aktualität der IP-Adresse geprüft. Hierdurch wird sich die Zahl der Meldungen, in denen bei den Staatsanwaltschaften Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, reduzieren.

Es ist im Übrigen zu berücksichtigen, dass auch jetzt schon Fälle von Hass-Postings auf den Plattformen der sozialen Medien auf Anzeige der Betroffenen strafrechtlich verfolgt werden.

Dies betrifft zum einen die Verfahren, die im Rahmen des bereits etablierten NCMEC-Prozesses im Bereich der Kinderpornographie Gegenstand von Bearbeitungen durch die zuständigen Strafverfolgungsbehörden sind. Im Jahr 2018 wurden gemäß Presseerklärung des BKA vom 28. Oktober 2019 auf diesem Weg 70 000 Hinweise auf kinderpornographische Inhalte, unter anderem auch von den Netzwerken Facebook und Instagram, an das BKA gemeldet.

Neben Kinderpornographie ziehen zudem Meldungen an die Strafverfolgungsbehörden, die von Beschwerdestellen eingereicht werden, schon jetzt oft eine Strafanzeige nach sich. Aus den erwähnten Transparenzberichten lässt sich entnehmen, dass die Zahl der Beschwerden, die zu einer Löschung führen, in nicht unerheblicher Zahl von Beschwerdestellen erhoben werden:

Für die zukünftig der Meldepflicht unterliegenden Straftatbestände sind dies in absoluten Zahlen für das Jahr 2019 aufgrund der Zahlen aus den beiden Halbjahresberichten 2019 bei Twitter 2 843 (1 178 + 1 665), bei Facebook 259 (69 + 190), bei Instagram 22 (19 + 3) und bei TikTok 3.

Für den Anbieter Youtube, der bei seinen Angaben der gelöschten Inhalte aufgrund von Beschwerden von Beschwerdestellen nicht nach Deliktsgruppen trennt, ist dabei eine Schätzung vorzunehmen, die wie bereits dargelegt, davon ausgeht, das rund 50 Prozent der vorgenommenen Löschungen im Rahmen einer NetzDG-Beschwerde auf die zukünftigen Delikte, die ein Meldepflicht auslösen, fallen. In absoluten Zahlen für alle zu löschende Delikte nach dem NetzDG entfallen 40 402 (20 714 + 19 688) insgesamt auf gelöschte Inhalte, denen eine Beschwerde von einer Beschwerdestelle zugrunde liegt. Bei einem Wert von 50 Prozent fallen damit circa 20 000 Meldungen/Jahr auf die Delikte, die zukünftig einer Meldepflicht unterliegen werden. Berücksichtigt man, dass ob eine Meldung für eine Beschwerdestelle abgegeben wurde, nur auf der unüberprüften Angabe des Melders beruht, so ist ein Sicherheitsabschlag von 20 Prozent einzurechnen. Somit kann davon ausgegangen werden, dass ca. 16 000 Meldungen von Beschwerdestellen stammen und auch schon derzeit bei den Staatsanwaltschaften eingehen.

Ferner ist zu berücksichtigen, dass Mehrfachmeldungen eines konkreten Inhalts denkbar sind. Zudem entspricht nicht jede einzelne Meldung einem Ermittlungsverfahren, weil ein einzelner Nutzer mehrere strafbare Inhalte nacheinander veröffentlichen kann. Diese können sodann in einem Ermittlungsverfahren zusammengefasst werden.

Von den 250 000 zu erwartenden Fällen, in denen potentiell ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden dürfte, stellen daher voraussichtlich 150 000 Fälle tatsächlich neue Fälle dar, die Mehrkosten bei den Ländern hervorrufen werden. Das entspricht der Schätzung des DRB in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf.

Hieraus werden den Ländern Kosten entstehen durch die Schaffung von insgesamt 180 neuen Stellen bei den Staatsanwaltschaften. Es wird dabei davon ausgegangen, dass aufgrund der neuen Meldungen im Bereich der Staatsanwaltschaft im Jahr durchschnittlich 800 - 850 Fälle durch eine Staatsanwältin oder einen Staatsanwalt zu erledigen sein werden. Diese Schätzung liegt über der Schätzung des DRB und des Landes NRW zur Erledigungszahl, die beide von der durchschnittlichen Erledigung der Fälle in einer politischen Abteilung (550 - 600 Verfahren/Jahr/Staatsanwalt oder Staatsanwältin) ausgehen. Nicht alle der gemeldeten Fälle weisen aber eine derartige Komplexität auf, die den Verfahren in einer politischen Abteilung gleichkommt. So dürften zum Beispiel Fälle einer Bedrohung mit einem Tötungsdelikt nach § 241 Absatz 2 StGB, eine Billigung einer Straftat nach § 138 StGB oder eine Gewaltdarstellung nach § 131 StGB weniger Ermittlungsaufwand mit sich bringen. Zudem betreffen 80 Prozent der von den sozialen Netzwerken gelöschten Inhalte offensichtlich rechtswidrige Inhalte, deren Löschung binnen 24 Stunden erfolgt. Somit dürfte die durchschnittliche Erledigungszahl im Jahr über der in einer politischen Abteilung liegen, wobei von 800 - 850 Fällen/Jahr auszugehen ist.

Hinzukommen neu zu schaffende Stellen in der Strafjustiz. Dabei wird davon ausgegangen, dass ein Drittel der gemeldeten Fälle ein Gerichtsverfahren nach sich ziehen wird. Auch hier ist aber zu berücksichtigen, dass die meisten der Fälle einen offensichtlich rechtswidrigen Inhalt zum Gegenstand haben. Der Schwerpunkt des Verfahrens wird auf der rechtlichen Bewertung des Inhalts liegen, so dass keine umfangreichen Beweisaufnahmen in der Hauptverhandlung zu erwarten sind. Es wird daher von der gleichen Erledigungszahl von 600 - 650 Verfahren/Jahr ausgegangen. Dafür wäre mit der Schaffung von 75 neuen Stellen in der Strafjustiz zu rechnen. Für den Bereich der Koordination käme die Schaffung zehn neuer R 2-Stellen für Abteilungsleiter in den Staatsanwaltschaften, weitere aufsichtführende Richter bei den Amtsgerichten und Stellen für Vorsitzende Richter bei den Landgerichten hinzu.

Die vorliegende Schätzung bewegt sich im Mittel der von den Länderjustizverwaltungen geäußerten Schätzungen. Zwar sieht einerseits das Land NRW einen Stellenbedarf von 127 Arbeitskraftanteilen bei der Staatsanwaltschaft, doch geht die Berechnung dabei von einer Zahl von 340 000 Meldungen und einer Erledigungszahl von 550 Verfahren/Jahr aus, die zu hoch erscheinen (siehe oben). Das Land Bayern schätzt andererseits den Mehrbedarf an R 1-Stellen bei Staatsanwaltschaft und Gericht auf insgesamt zwölf. Diese Schätzung umgerechnet auf das Bundesgebiet würde einen Mehrbedarf an Stellen von ca. 90 R 1-Stellen bundesweit bedeuten. Das Land Saarland erwartet gar keinen entstehenden Mehrbedarf.

StellenPersonalkosten je Stelle/Jahr einschließlich Sachkostenpauschale (Euro)Personalkosten gesamt (Euro)
R1255circa. 90 000,00 Euro22 950 000 Euro
R210circa 100 000,00 Euro1 000 000 Euro
Summe:23 950 000 Euro

Durch die Änderung des Bundesmeldegesetzes entstehen den Meldebehörden der Länder Mehrkosten, die nach einer groben Schätzung circa 99 000 Euro betragen könnten. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass infolge der Änderung vermehrt Auskunftssperren eingetragen werden. Die Bearbeitung einer Melderegisteranfrage, die auf einen Datensatz mit Auskunftssperre trifft, dauert circa 15 Minuten länger als die Bearbeitung eines Falles ohne Auskunftssperre (Quellen: Statistisches Bundesamt, Stadt Düsseldorf) für die Bearbeitungsschritte Anhörung durchführen, Sachverhalt prüfen, Vorgang dokumentieren, entscheiden, ob Auskunft erteilt wird. Nimmt man an, dass künftig in circa 10 000 Fällen mehr als bisher pro Jahr eine Melderegisteranfrage auf eine Auskunftssperre stößt, ergeben sich Mehraufwände von 150 000 Minuten = 2 500 Stunden. Bei einem Lohnsatz von 39,60 Euro ergeben sich Mehrkosten von circa 99 000 Euro.

6. Weitere Gesetzesfolgen

Die Regelungen werden keine Auswirkungen für Verbraucherinnen und Verbraucher haben. Sie sind inhaltlich geschlechtsneutral. Allerdings sind Frauen von Hasskriminalität in besonderer Weise betroffen. Demografische Auswirkungen sind ebenfalls nicht zu erwarten.

VII. Befristung; Evaluierung

Mit dem Entwurf soll der allgemeinen Verrohung des gesellschaftlichen Klimas begegnet werden.

Vier Jahre nach Inkrafttreten wird dieses Gesetz im Hinblick darauf evaluiert, ob das Ziel der Stärkung der Strafverfolgung insbesondere von Hasskriminalität mit rechtsextremistischem Hintergrund, bei Tatbegehungen im Internet, erreicht wurde. Hierzu werden die Auswertungen aus den Transparenzberichten und die Justizstatistik zugrunde zu legen sein.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Strafgesetzbuches)

Zu Nummer 1 (Änderung des § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB)

Aus den im Allgemeinen Teil der Begründung unter II. genannten Gründen wird § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB dahingehend ergänzt, dass neben den bereits erwähnten "rassistischen" und "fremdenfeindlichen" Motiven ausdrücklich auch "antisemitische" Motive als Beispiele für die "menschenverachtenden" Beweggründe und Ziele eines Täters erwähnt werden, die bei der Strafzumessung besonders zu berücksichtigen sind.

Für die Auslegung des Begriffs "antisemitisch" kann an bereits bestehende Definitionen und Begriffsklärungen angeknüpft werden. Als Anknüpfungspunkt kann insbesondere die Begriffsbestimmung durch den Unabhängigen Expertenkreis Antisemitismus dienen. Danach wird Antisemitismus definiert als "Sammelbezeichnung für alle Einstellungen und Verhaltensweisen, die den als Juden wahrgenommenen Einzelpersonen, Gruppen oder Institutionen aufgrund dieser Zugehörigkeit negative Eigenschaften unterstellen" (Bundestagsdrucksache 18/11970, S. 24). Ein solcher Fall liegt insbesondere dann vor, wenn sich die Abneigung gegen eine jüdische Person aus deren Zuordnung zur jüdischen Religionsgruppe ergibt.

Als Orientierungshilfe kann auch auf die von der International Holocaust Remembrance Alliance (IRHA) verwendete Arbeitsdefinition zurückgegriffen werden, die vom Bundeskabinett am 20. September 2017 zur Kenntnis genommen und deren Berücksichtigung in der Schul- und Erwachsenenausbildung sowie bei der Ausbildung in den Bereichen Justiz und Exekutive empfohlen wurde (vergleiche Bundestagsdrucksache 19/484, Seite 30). Sie lautet:

"Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort und Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und / oder deren Eigentum, sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen und religiöse Einrichtungen"(www.holocaustremembrance.com/de/node/196). In den Erläuterungen zu dieser Definition, in der zur Veranschaulichung auch einige Beispiele genannt werden, findet sich auch eine präzisierende Aussage zu antisemitischen Straftaten. Soweit Straftaten nicht bereits als solche vom Gesetz als antisemitische Straftaten bestimmt sind (zum Beispiel in einigen Ländern die Leugnung des Holocausts oder die Verbreitung antisemitischer Materialien), sind danach Straftaten dann antisemitisch, "wenn die Angriffsziele, seien es Personen oder Sachen - wie Gebäude, Schulen, Gebetsräume und Friedhöfe - deshalb ausgewählt werden, weil sie jüdisch sind, als solche wahrgenommen oder mit Juden in Verbindung gebracht werden".

Wesensmerkmal ist mithin - wie bei anderen Motiven der "Hass- und Vorurteilskriminalität" - die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, bei der die vermeintliche Andersartigkeit einer Personengruppe als Rechtfertigung für die Verletzung der Menschenwürde der Opfer missbraucht wird (vergleiche Bundestagsdrucksache 18/3007, Seite 15, 18/11970, Seite 28 f.). Hintergrund der Tat sind weniger persönliche, situationsbedingte Beweggründe, sondern vielmehr die übergreifende Motivation der Ausgrenzung, Unterdrückung und Diskriminierung einer ganzen Gruppe oder Gemeinschaft als Resultat von Abneigung, Vorurteilen oder "Hass" (vergleiche erneut Bundestagsdrucksache 18/11970, Seite 30, sowie Bundesratsdrucksache 498/19(B) HTML PDF , Seite 8, dort auch zum Einfügen der Ergänzung in die anerkannten Grundsätze der Strafzumessung).

Zu Nummer 2 (Änderung des § 115 Absatz 3 Satz 1 StGB)

Die derzeitige Gesetzeslage schützt Hilfeleistende der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder eines Rettungsdienstes, die bei Unglücksfällen, gemeiner Gefahr oder Not tätig werden, gegen Gewalt oder Drohung mit Gewalt (§ 115 Absatz 3 Satz 1, § 113 StGB), sowie gegen tätliche Angriffe (§§ 115 Absatz 3 Satz 2, § 114 StGB) in gleicher Weise wie Vollstreckungsbeamte. Hilfeleistende eines ärztlichen Notdienstes und in Notaufnahmen genießen diesen Schutz bisher nicht, obwohl der tatsächliche Einsatzbereich der Personengruppen und die dabei vorliegenden Umstände grundsätzlich vergleichbar sind. Gewaltbereitschaft tritt vermehrt dort auf, wo in einer Notfallsituation Patientinnen und Patienten, oftmals in Begleitung von Familienangehörigen und anderen Personen, mit medizinischem Personal zusammentreffen und widerstreitende Interessen in emotional aufgeladener Atmosphäre in Einklang gebracht werden müssen. Dem medizinischen Personal wird in diesen Situationen ein schnelles Entscheiden auch im Notfall abverlangt, um Schäden für Leib oder Leben der Patientinnen und Patienten abzuwenden. An der ungehinderten und störungsfreien Organisation und dem sachgerechten Ablauf ambulanter Notfallbehandlungen besteht ebenso ein allgemeines Interesse wie an der effektiven Bekämpfung einer außerhalb eines Krankenhauses oder einer Notfallpraxis bestehenden Gefahrenlage. Mit der Ergänzung des von § 115 Absatz 3 StGB erfassten Personenkreises um Hilfeleistende eines ärztlichen Notdienstes und in Notaufnahmen wird die bisherige, nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber den bereits geschützten Hilfeleistenden beseitigt.

Zu Nummer 3 (Änderung des § 126 Absatz 1 Nummer 3 StGB)

Der Straftatenkatalog des § 126 StGB soll um die Androhung einer gefährlichen Körperverletzung nach § 224 StGB erweitert werden. Solche Taten können, was sich auch in dem erhöhten Strafrahmen des § 224 StGB widerspiegelt, in ähnlicher Weise wie die bereits genannte schwere Körperverletzung (§ 226 StGB) von erheblicher Natur sein. Auch die Androhung einer solchen Tat kann - abhängig von der Weise der Androhung - geeignet sein, den Zustand allgemeiner Rechtssicherheit und des friedlichen Zusammenlebens in der Gesellschaft, sowie auch das im Vertrauen der Bevölkerung in die Fortdauer dieses Zustands begründete Sicherheitsgefühl nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen.

Zu Nummer 4 (Änderung des § 140 StGB)

Gemäß § 140 StGB ist die Belohnung und Billigung von bestimmten Straftaten nach geltender Rechtslage unter Strafe gestellt, sofern die Tat, auf die sich die Belohnung und Billigung erstreckt, begangen oder in strafbarer Weise versucht worden ist. Ziel der Vorschrift ist es, die Allgemeinheit vor der Schaffung eines psychischen Klimas zu schützen, in dem neue Delikte dieser Art gedeihen können (vergleiche Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, 30. Aufl. 2019, StGB § 140 Rn. 1). Handelt es sich jedoch um eine Straftat, die noch nicht begangen oder in strafbarer Weise versucht worden ist, ist § 140 StGB nach bisheriger Rechtslage nicht anwendbar. Die Fälle zukünftiger Straftaten werden heute zumindest teilweise erfasst durch § 111 StGB, der die öffentliche Aufforderung zu Straftaten unter Strafe stellt, und durch § 241 StGB, der die Bedrohung mit einem Verbrechen erfasst. Die Tathandlungen, nämlich die Belohnung und Billigung auf der einen Seite und das Androhen und Bedrohen auf der anderen Seite, sind jedoch nicht kongruent, so dass sich ungerechtfertigte Strafbarkeitslücken ergeben. Deutlich wird das bei dem insbesondere in sozialen Medien zu beobachtenden Phänomen, dass von Nutzern die Begehung einer zukünftigen rechtswidrigen Tat gutgeheißen wird, ohne dass die Tat hinreichend konkret angedroht wird. Wenn beispielsweise der Nutzer eines sozialen Netzwerks unter einen politischen Beitrag eines Verfassers in einem Kommentar zum Ausdruck bringt, dass man den Verfasser "mal einen Kopf kürzer machen müsste", ist dies heute in der Regel ebenso straflos wie die Zustimmung anderer Nutzer zu dieser Idee. Denn selbst eine Drohung im Sinne des § 241 StGB, die erfordert, dass der Täter die von seinem Willen abhängige Begehung eines Verbrechens ins Aussicht stellt (Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Eisele, StGB, 30. Aufl. 2019, § 241 Rn. 4), liegt in solchen Fällen üblicherweise nicht vor. Dennoch sind auch solche billigenden Äußerungen geeignet, den Zustand allgemeiner Rechtssicherheit erheblich zu erschüttern, wenn sie öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften erfolgen.

Daher sieht der Entwurf vor, die Tathandlung der Billigung von Straftaten vom Erfordernis zu lösen, dass die Straftat begangen oder in strafbarer Weise versucht worden sein muss. Dies eröffnet die Möglichkeit, dass die Billigung einer in § 140 StGB genannten Katalogtat vom Straftatbestand auch dann erfasst sein kann, wenn es sich um eine zukünftige Tat handelt. Dabei müssen dem Täter der Billigung nicht alle konkreten Umstände der gebilligten Katalogtat bekannt sein. Es soll vielmehr genügen, wenn der Täter die Katalogtat in ihren wesentlichen Merkmalen umreißt, ohne die Einzelheiten der Katalogtat zu kennen, und in dem Bewusstsein handelt, durch sein Verhalten eine Katalogtat eines ihm nicht notwendigerweise bekannten Haupttäters zu billigen. Eine Billigung kann auch durch ein Gutheißen einer solchen Tat erfolgen, insbesondere durch eine Kundgabe der Zustimmung des Äußernden, durch die er sich moralisch hinter den Täter stellt.

Für die Tathandlung der Belohnung wird hingegen weiter am Erfordernis festgehalten, dass die Straftat begangen oder in strafbarer Weise versucht worden sein muss, da eine Belohnung nach dem üblichen Sprachgebrauch nur für bereits begangene Handlungen erfolgen kann und eine Notwendigkeit zur Ausdehnung der Strafbarkeit insoweit nicht ersichtlich ist.

Bei der Einfügung des Wortes "oder" handelt es sich um eine redaktionelle Klarstellung.

Zu Nummer 5 (Änderung des § 185 StGB)

Die Nutzung sozialer Medien im Internet ermöglicht die Abgabe und Wahrnehmung von Äußerungen binnen kürzester Zeit gegenüber einer unbestimmten Anzahl von Personen, die miteinander zumeist nur durch die Inanspruchnahme derselben Kommunikationsplattform verbunden sind. Hierbei ist zu beobachten, dass in der vermeintlichen Anonymität des Internets und ohne soziale Kontrolle zunehmend Äußerungen mit beleidigenden Inhalten über andere Nutzer oder in der Öffentlichkeit stehende Personen abgegeben werden. Diese Äußerungen können wegen der eingeschränkten Löschungsmöglichkeiten oftmals über einen langen Zeitraum durch einen großen Personenkreis abgerufen werden und wiegen für die Betroffenen deshalb besonders schwer. Sie bieten zugleich den Nährboden für nachahmende oder in ihrer Aggressivität über das Vorhandene hinausgehende Äußerungen, die unmittelbar eine breite Öffentlichkeit erreichen können und oftmals eine den Äußernden bestätigende Reaktion hervorrufen. Hierdurch sinkt zugleich die Hemmschwelle derjenigen, die sich bislang mit beleidigenden Äußerungen zurückgehalten haben, wodurch in der Folge eine Zunahme ehrverletzender Kommentare festzustellen ist. Das bislang im Beleidigungstatbestand vorgesehene Höchstmaß von einem Jahr Freiheitsstrafe erscheint vor diesem Hintergrund nicht immer als ausreichend.

Mit der Anhebung des Höchststrafmaßes für öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Absatz 3 StGB) begangene Taten auf Freiheitsstrafe von zwei Jahren soll den Gerichten ermöglicht werden, auf besonders schwerwiegende Fälle der Beleidigung angemessen zu reagieren. Die Strafandrohung für auf diese Weise begangene Taten wird der der Beleidigung mittels einer Tätlichkeit gleichgestellt und lautet damit auf Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.

Erfasst werden damit Äußerungen, die öffentlich getätigt werden, d.h. von einem größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten oder durch nähere Beziehungen nicht verbundenen Personenkreis wahrgenommen werden können (vergleiche Schönke/Schröder-Eisele/Schittenhelm, StGB, 30. Auflage 2019, § 186 Rn. 19). Wird eine entsprechende Äußerung zum Lesezugriff in das Internet gestellt, so ist die Tat öffentlich begangen, wenn die Äußerung für die Nutzer ohne weiteres abrufbar ist (Schönke/Schröder-Eisele/Schittenhelm a. a. O.). Der erhöhten Strafandrohung unterfallen künftig ferner die in einer Versammlung begangenen Beleidigungen. Eine Versammlung in diesem Sinn ist die räumlich zu einem bestimmten Zweck vereinigte größere Anzahl von Menschen (vergleiche Pegge/Pegel in: MüKo-StGB, 3 Aufl. 2017, § 187, Rn. 23; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben, StGB, 30. Auflage 2019, § 90 Rn. 5). Eigenständige Bedeutung hat das Merkmal vor allem bei geschlossenen Veranstaltungen. Die in zahlreichen weiteren Vorschriften des StGB enthaltene Gleichstellung mit der "öffentlichen" Tatbegehung (zum Beispiel § 80a, 86a, 90, 187, 188 StGB) ist gerechtfertigt, weil Äußerungen vor einem größeren Personenkreis der öffentlichen Kundgabe gleichkommt (Franke, GA 1984, 453, 459). Auch Äußerungen, die durch Schriften (§ 11 Absatz 3 StGB) verbreitet werden, werden erfasst. Hierunter können auch an einen bestimmten Personenkreis in geschlossenen Benutzergruppen getätigte Äußerungen fallen, jedenfalls wenn der sich Äußernde die Weiterverbreitung durch diese Personen nicht kontrollieren kann (vergleiche Fischer, StGB, 66. Auflage 2019, § 184b Rn. 15; BGHSt 13, 257, 258 [zur restriktiven Auslegung des Verbreitensbegriffs bei § 130 StGB bei Weitergabe an eine einzelne Person vergleiche BVerfG NJW 2012, 1498]; zum Merkmal der Öffentlichkeit in geschlossenen Benutzergruppen vergleiche auch BGH, Urteil vom 18. Januar 2012, 2 StR 151/11, bei juris Rn. 13 f.). Für die Vollendung der Tatbestandsvariante des Verbreitens genügt im Internet, dass eine Datei, die eine entsprechende Äußerung enthält, auf dem Rechner des Internetnutzers, sei es im flüchtigen Arbeitsspeicher oder auf einem permanenten Speichermedium, angekommen ist, wobei es unerheblich ist, ob der Nutzer die Möglichkeit des Zugriffs auf die Daten genutzt oder ob der Anbieter die Daten übermittelt hat (vergleiche BGHSt 47, 55, 59, bei juris Rn. 31, 33).

Die vorgeschlagene Änderung orientiert sich an den §§ 187 und 188 StGB, die bereits nach geltendem Recht eine Strafschärfung für öffentlich, in einer Versammlung und durch die Verbreitung von Schriften (§ 11 Absatz 3 StGB) begangene Taten vorsehen, und folgt dem zugrundeliegenden Gedanken, dass eine Abstufung des Unrechtsgehalts dieser Delikte auch im Strafrahmen geboten ist.

Die geplante Modernisierung und Fortentwicklung des Schriftenbegriffs (§ 11 Absatz 3 StGB) hin zu einem Inhaltsbegriff soll als das ganze StGB und Nebenstrafrecht betreffende Aufgabe unverändert einem gesonderten Gesetzgebungsverfahren vorbehalten bleiben (vergleiche Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz für ein ... Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Modernisierung des Schriftenbegriffs und andere Begriffe sowie Erweiterung der Strafbarkeit nach den §§ 86, 86a, 111 und 130 des Strafgesetzbuches bei Handlungen im Ausland, der am 4. September 2019 an Länder und Verbände übersandt wurde).

Zu Nummer 6 (Änderung des § 186 StGB)

Die Ergänzung der qualifizierenden Tatbegehung "in einer Versammlung" dient der Anpassung des § 186 StGB an die Neufassung des § 185 StGB und an den bestehenden Wortlaut der §§ 187, 188 StGB. Ein Sachgrund für eine differenzierende Regelung der qualifizierenden Umstände besteht nicht.

Zu Nummer 7 (Änderung des § 188 Absatz 1 StGB)

Im öffentlichen Leben agierende Politikerinnen und Politiker stehen in der politischen Auseinandersetzung im Fokus der Aufmerksamkeit. Im Internet und insbesondere in sozialen Netzwerken sind sie von diffamierenden Äußerungen, die in der vermeintlichen Anonymität des Internets oftmals mit großer Aggressivität getätigt werden, auf Grund der hohen Verbreitungswirkung und der eingeschränkten Löschungsmöglichkeiten besonders betroffen und werden so in ihrem öffentlichen Wirken behindert. Dies gilt nicht nur für Personen, die auf bundes- oder landespolitischer Ebene tätig sind, sondern auch für Personen, die sich in den Ländern auf regionaler oder lokaler Ebene engagieren wie zum Beispiel in Landkreisen, Städten, Gemeinden, Ortsteilen oder Bezirken.

§ 188 StGB schützt Personen, die im politischen Leben des Volkes stehen. Durch die Rechtsprechung ist die Auslegung des Tatbestands dahingehend begrenzt worden, dass vom Schutzbereich der Vorschrift nur Personen erfasst werden, die sich in führender Position mit grundsätzlichen Angelegenheiten von Staat, Gesetzgebung, Verwaltung, Verfassung oder internationalen Beziehungen befassen und in dieser Funktion das öffentliche politische Leben wesentlich beeinflussen (vergleiche Fischer, StGB, 66. Auflage 2019, § 188 Rn. 2, Schönke/Schröder-Eisele/Schittenhelm, StGB, 30. Auflage 2019, § 188 Rn. 2 m. w. N.). Personen, die zum Beispiel auf kommunaler Ebene politisch tätig sind, wird der politisch erhebliche Einfluss abgesprochen (Schönke/Schröder-Eisele/Schittenhelm a. a. O.). Allenfalls ausnahmsweise, wenn bestimmte Vorgänge eine überörtliche politische Bedeutung haben, weil sie etwa in der Bevölkerung des gesamten Bundesgebiets oder zumindest des gesamten Landes erörtert und dadurch zu einer politischen Angelegenheit "des Volkes" werden, kann der Anwendungsbereich des § 188 StGB eröffnet sein (vergleiche OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.02.1981 - 2 Ss 606/80 ). Diese einschränkende Auslegung des § 188 StGB ist vom Wortlaut der Vorschrift allerdings nicht zwingend vorgegeben. Vielmehr können zum politischen Leben des Volkes durchaus auch Tätigkeiten bis hin zur kommunalen Ebene - also beispielsweise auch auf Ebene der Landkreise, der Städte, Gemeinden und Ortsteile sowie auf Ebene von landesrechtlich geregelten Verwaltungseinheiten, wie etwa im Land Berlin die Bezirke - gezählt werden. Auch hier wird wichtige Arbeit für das demokratische Gemeinwesen geleistet. Hinzu kommt, dass auch Personen, die politisch in Teilen eines Landes oder auf kommunaler Ebene tätig sind, in gleicher Weise wie auf Landes- oder Bundesebene wirkende Personen von diffamierenden Äußerungen, die mit ihrer Stellung im öffentlichen Leben zusammenhängen, betroffen und in ihrem öffentlichen Wirken beeinträchtigt sein können. Dies gilt insbesondere bei Äußerungen, die auf Grund ihrer Verbreitung über das Internet einen hohen Verbreitungsgrad aufweisen. Der bisherige Schutz dieser Personen durch die Anwendung der §§ 186, 187 StGB (Üble Nachrede, Verleumdung) mit einer Höchstfreiheitsstrafe bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe wird auch der Bedeutung etwa des kommunalpolitischen Ehrenamtes nicht gerecht. Dem insoweit gesteigerten Unrechtsgehalt bestimmter diffamierenden Äußerungen über Personen, die sich bis hin zur kommunalen Ebene politisch engagieren, soll die Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes Rechnung tragen.

Zu Nummer 8 (Änderung des § 194 Absatz 1 StGB)

§ 194 Absatz 1 StGB bestimmt, dass die Beleidigung nur auf Antrag verfolgt wird. Die Vorschrift stellt auch die Verfolgung einer üblen Nachrede (§ 186 StGB) und einer Verleumdung (§ 187 StGB) unter die Bedingung des durch die berechtigte Person gestellten Strafantrags und gilt damit auch für die zu ändernde Vorschrift des § 188 StGB. Gerade Äußerungen mit diffamierendem Inhalt gegen politisch aktive Personen die öffentlich, wie zum Beispiel im Internet, erfolgen, bleiben jedoch nicht auf den persönlichen Lebenskreis der betroffenen Person beschränkt, sondern entfalten eine Außenwirkung, die geeignet ist, das Rechtsempfinden der Bevölkerung dauerhaft zu stören. Sie können letztlich auch dazu führen, dass sich auch andere politisch aktive Personen aus der öffentlichen Diskussion zurückziehen oder überhaupt von einem Engagement für das Gemeinwesen absehen. Eine derartige Tat soll deshalb auch verfolgt werden können, wenn der Strafantrag der berechtigten Person nicht vorliegt, die Verfolgung jedoch im besonderen öffentlichen

Interesse liegt. Die berechtigte Person soll allerdings die Möglichkeit haben, durch einen Widerspruch die Strafverfolgung von Amts wegen zu verhindern; dies ist dadurch sichergestellt, dass das bereits für eine andere Fallkonstellation vorgesehene Widerspruchsrecht des bisherigen § 194 Absatz 1 Satz 3 StGB auch in diesen Fällen gilt.

Zu Nummer 9 (Änderung des § 241 StGB)

§ 241 StGB (Bedrohung) schützt den individuellen Rechtsfrieden, indem das Vertrauen des Einzelnen auf seine durch das Recht gewährleistete Sicherheit vor besonders gravierenden Bedrohungen geschützt werden soll, und stellt somit das Gegenstück zu § 126 StGB dar, der dem öffentlichen Rechtsfrieden dient (vergleiche Schönke/Schröder/Eisele,30. Aufl. 2019, StGB § 241 Rn. 2 m. w. N.). Der Tatbestand der Bedrohung ist bisher auf die Bedrohung mit einem Verbrechen beschränkt. Es hat sich jedoch gezeigt, dass auch eine Bedrohung mit der Begehung einer Straftat, die kein Verbrechen darstellt, in empfindlicher Weise auf den Adressaten einwirken kann. Insbesondere bei Bedrohungen mit Sexualstraftaten, Freiheitsberaubungen, einfacher Gewalt gegen die Kinder des Adressaten oder wertvolle Gegenstände (zum Beispiel Fahrzeuge, Immobilien) kann der individuelle Rechtsfrieden erheblich gestört werden. Daher soll zukünftig die Bedrohung mit einer rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder eine Sache von bedeutendem Wert vom Tatbestand erfasst sein, sofern sich diese Tat gegen den Adressaten oder eine ihm nahestehende Person richtet. Die Tat soll mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden können. Hiervon abzugrenzen ist weiterhin die Bedrohung mit einem Verbrechen, die zukünftig in § 241 Absatz 2 StGB geregelt sein soll. Hier ist eine Verschärfung der Rechtsfolgen dergestalt vorgesehen, dass zukünftig Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe verhängt werden kann. Dadurch soll auf die zunehmende Verrohung im zwischenmenschlichen Umgang reagiert werden. Für Fälle, in denen die Tat nach den Absätzen 1 bis 3 öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Absatz 3 StGB) begangen wird, sieht § 241 Absatz 4 StGB-E eine Qualifikation vor, die eine Erhöhung der Strafobergrenze jeweils um ein Jahr Freiheitsstrafe zur Folge hat. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass solche Bedrohungen, die beispielsweise über das Internet öffentlich begangen werden, eine erheblich größere Reichweite entfalten und eine Entfernung deutlich erschwert ist.

Zu den Begriffen "öffentlich", "in einer Versammlung" und "Verbreiten von Schriften (§ 11 Absatz 3)" wird auf die vorstehenden Ausführungen zu Nummer 5 verwiesen.

§ 241 Absatz 5 StGB-E trägt dem Umstand Rechnung, dass durch § 241 Absatz 1 StGB-E auch Antragsdelikte Gegenstand der Bedrohung sein können. Damit könnte es zu einem Wertungswiderspruch dergestalt kommen, dass die Bedrohung mit einem Antragsdelikt (beispielsweise einer Körperverletzung) ein Offizialdelikt darstellt.

§ 241 Absatz 5 StGB-E sieht daher vor, dass die Vorschriften über den Strafantrag bezüglich der angedrohten Tat (bei einer Körperverletzung beispielsweise § 230 StGB) auch für die Verfolgung der Bedrohung entsprechende Anwendung finden. Die Regelung erfasst absolute wie auch relative Antragsdelikte und gilt auch, wenn die Bedrohung öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften begangen worden ist (§ 241 Absatz 4 StGB-E).

Zu Artikel 2 (Änderung der Strafprozessordnung)

Zu Nummer 1 (Änderung der Inhaltsübersicht)

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung: Die Inhaltsangabe ist zu ergänzen, um die Ausdehnung des § 100g StPO-E auf Nutzungsdaten von Telemediendiensten abzubilden (vergleiche hierzu die Begründung zu Nummer 2).

Zu Nummer 2 (Änderung des § 100g StPO)

Die ausdrückliche Erfassung von Nutzungsdaten im Sinne des TMG in § 100g StPO-E sowie des § 101a StPO-E soll eine normenklare und rechtssichere Grundlage für die Erhebung von Metadaten bei Telemediendiensteanbietern schaffen.

Die Bedeutung von Telemediendiensten ist in den letzten Jahren beständig gewachsen.

Zu ihnen gehören sowohl soziale Netzwerke als auch Plattformen und andere Applikationen, die eine Dienstleistung zur Verfügung stellen. Es ist zu beobachten, dass Telemediendienste zunehmend gegenüber den klassischen Telekommunikationsdiensten an Bedeutung gewinnen. Diese Entwicklung wird von der StPO noch nicht ausreichend abgebildet. Bisher waren die ins Digitale zielenden Ermittlungsmaßnahmen der StPO in erster Linie auf Telekommunikation im klassischen Sinne sowie auf die entsprechenden Anbieter zugeschnitten. Insbesondere gibt es bisher keine spezifische Rechtsgrundlage für die Erhebung von Metadaten bei Telemediendiensten. Bisher wurden diese Daten auf der Grundlage von § 100g StPO im Verbund mit § 96 Telekommunikationsgesetz erhoben, soweit der Telemediendienst auch in der Übermittlung von Signalen bestand. In einem Urteil 13. Juni 2019 (C-193/18 [Google LLC/Bundesrepublik Deutschland]) hat der Europäische Gerichtshof jedoch entschieden, dass es für die Einordnung als Telekommunikationsdienst nicht ausreicht, dass Signale übertragen werden. Erforderlich ist vielmehr, dass der Telemediendienst ganz überwiegend oder ausschließlich in der Übertragung von Signalen bestünde. Der Europäische Gerichtshof sieht diese Voraussetzung für E-Maildienste nicht als gegeben an. Dasselbe dürfte auch für Chatdienste gelten. Auch bei Diensten, die funktional ein Äquivalent zu Telekommunikationsdiensten darstellen, kann daher ein Auskunftsverlangen nicht (mehr) auf § 100g StPO in seiner aktuellen Fassung gestützt werden.

Soweit keine Telekommunikation vorliegt (zum Beispiel bei der Nutzung von Plattformen) können Verkehrsdaten bislang ohnehin nur auf der Grundlage von §§ 161, 163 StPO in Verbindung mit § 15 TMG erhoben werden. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die allgemeine Ermittlungsgeneralklausel die Voraussetzungen und Grenzen der Datenerhebung hinreichend normenklar regelt. Nach dem Doppeltürmodell des Bundesverfassungsgerichts muss bei einem Datenaustausch zwischen der Datenübermittlung seitens der auskunftserteilenden Stelle und dem Datenabruf seitens der auskunftsersuchenden Stelle unterschieden werden. Die beiden korrespondierenden Eingriffe bedürfen jeweils einer eigenen Rechtsgrundlage. Diese Rechtsgrundlage muss die Voraussetzungen für die Übermittlung und die Voraussetzungen für die Erhebung jeweils normenklar regeln. Hinsichtlich der Datenerhebung durch die Strafverfolgungsbehörden ist zweifelhaft, ob die Ermittlungsgeneralklausel §§ 161, 163 StPO den Anforderungen genügt, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (BKAG) definiert hat (Urteil vom 20.4.2016 - 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09). Erforderlich ist hiernach insbesondere eine Begrenzung des Eingriffs auf hinreichend gewichtige Rechtsgüter, eine normenklare Ausgestaltung und ein Verfahren, das hinreichende Transparenz und Kontrolle gewährleistet.

Durch die Erweiterung von § 100g StPO auf Nutzungsdaten nach § 15 Absatz 1 TMG wird eine normenklare und verhältnismäßige Rechtsgrundlage für die Erhebung von Metadaten bei Telemediendiensteanbietern geschaffen. Der Begriff der Nutzungsdaten ist in § 15 Absatz 1 TMG definiert.

Der Anwendungsbereich wird auf Anbieter begrenzt, die Telemedien geschäftsmäßig anbieten. Soweit es sich um gemeinnützige oder rein private Angebote handelt, bestimmt Absatz 5, dass sich die Datenerhebung nach den allgemeinen Regeln richtet.

Die Erstreckung des Anwendungsbereiches von § 100g StPO bewirkt insbesondere, dass bei der Erhebung von Nutzungsdaten sowohl die Voraussetzungen von § 100g StPO als auch das in § 100g StPO geregelte Verfahren zur Anwendung kommen.

Nicht erforderlich erschien es hingegen, die Telemedien ausdrücklich in § 100g Absatz 1 Ziffer 2 StPO, aufzunehmen. Der dort verwendete Begriff der Telekommunikation umfasst - wie in § 100a StPO - auch die Kommunikation mittels Telemedien, vergleiche dazu die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Juli 2016 - 2 BvR 1454/13 -, Rn. (34f.). Denn hier geht es nicht um die technische Form der Datenübertragung, sondern unabhängig vom Übertragungsweg und der Übermittlungsform darum, dass die Informationen körperlos befördert werden und dass sie am Empfangsort wieder erzeugt werden können.

Zu Nummer 3 (Änderung des § 100j StPO)

Ebenso wie durch die Erweiterung des § 100g StPO-E soll durch die Erweiterung des § 100j StPO-E eine rechtssichere Grundlage für die Erhebung von Bestandsdaten bei Telemedienanbietern geschaffen werden. Auch hinsichtlich der Bestandsdatenerhebung war bisher nur die Auskunftserteilung durch Telekommunikationsdiensteanbieter ausdrücklich geregelt. Die Begründung zur Änderung von § 100g StPO gilt für die Änderung von § 100j StPO daher sinngemäß. Für den Sonderfall der Abfrage von Passwörtern wird somit der Richtervorbehalt vorgesehen (§ 100j Absatz 1 Satz 2 StPO). Zusätzlich dürfen Passwörter nur abgefragt werden, wenn eine Berechtigung zur Nutzung dieser durch das Passwort geschützten Daten besteht (§ 100i Absatz 1 Satz 2 StPO) und somit auf die durch die Passwörter geschützten Daten zugegriffen werden darf.

Zu Nummer 4 (Änderung des § 101a StPO)

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Zu Nummer 5 (Änderung des § 101b StPO)

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Zu Nummer 6 (Änderung des § 374 Absatz 1 Nummer 5 StPO)

Durch die Änderung in § 374 Absatz 1 Nummer 5 StPO-E werden die Änderungen des § 241 StGB, die dieser Entwurf vorsieht, weitergeführt. Schon nach bisheriger Rechtslage war die Bedrohung ein Delikt, das im Wege der Privatklage verfolgt werden konnte, woran sich im Grundsatz nichts ändern soll. Lediglich wenn es sich um eine Bedrohung nach § 241 Absatz 4 StGB in der Fassung dieses Gesetzentwurfs handelt, mithin eine öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Absatz 3) begangene Bedrohung, soll eine Verweisung auf den Weg der Privatklage nicht möglich sein. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine solche Bedrohung, die beispielsweise über das Internet öffentlich begangen wurde, eine erheblich größere Reichweite entfaltet und eine Entfernung deutlich erschwert ist.

Zu Artikel 3 (Änderung des Bundesmeldegesetzes)

Durch die Änderungen in § 51 des Bundesmeldegesetzes (BMG) sollen insbesondere die Personen besser geschützt werden, die durch ihr berufliches oder ehrenamtliches Engagement, beispielsweise im kommunalpolitischen Bereich, in den Fokus gewaltbereiter Personen oder Gruppen geraten.

Mit der Einfügung des neuen Satzes 2 in § 51 Absatz 1 BMG wird gesetzlich verdeutlicht, dass der Begriff des ähnlichen schutzwürdigen Interesses nach Satz 1 der Vorschrift auch den Schutz vor Bedrohungen, Beleidigungen sowie unbefugter Nachstellung umfasst. Mit dem Begriff der unbefugten Nachstellung wird an den Straftatbestand des § 238 StGB (Stalking) angeknüpft.

Durch den neuen Satz 3 des Absatzes 1 ist im Rahmen der Tatsachenfeststellung nach Absatz 1 Satz 1 künftig zu berücksichtigen, wenn Angehörige einer Personengruppe aufgrund ihrer konkreten beruflichen oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit einer abstrakten oder konkreten Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnlich schutzwürdigen Interessen ausgesetzt sind. Die Überschreitung der maßgeblichen Gefahrenschwelle setzt aber weiterhin in Bezug auf eine konkrete Person eine Darlegung ihrer Verhältnisse voraus. Derart ausdrücklich zu statuieren, dass sich aus der im Einzelfall beruflich oder ehrenamtlich ausgeübte Tätigkeit eine Gefahr im Sinne des Satzes 1 ergeben kann, erfolgt vor dem Hintergrund, dass diesbezüglich durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschlüsse vom 7. März 2016 - 6(B) 11.16, und vom 14. Februar 2017, 6(B) 049/16 (PDF) ) Unsicherheit entstanden war, auch wenn diese sich nur auf ganze Berufsgruppen ohne Bezug zur konkreten Tätigkeit bezogen hatte.

Die Neufassung des Absatzes 3 bewirkt, dass die betroffene Person in jedem Fall und ungeachtet der Pflicht zu ihrer Anhörung durch die Meldebehörde nach § 51 Absatz 2 Satz 1 BMG, ihrer eigenen Auskunftsansprüche (beispielsweise aus Artikel 15 der Datenschutzgrundverordnung - DSGVO) sowie der Unterrichtung oder Anhörung anderer Stellen (vergleiche auch § 51 Absatz 2 und 3 BMG in der geltenden Fassung), über Anträge auf Melderegisterauskünfte unterrichtet wird, wenn eine Auskunftssperre zu ihren Gunsten eingetragen wurde. Dies verstärkt den Schutz der betroffenen Personen auf gesetzlicher Ebene. Derzeit ist untergesetzlich in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Bundesmeldegesetzes (BMGVwV) vom 28. Oktober 2015 (BAnz AT 30.10.2015 B2) bestimmt, dass eine Anhörung nach Nummer 51.2 BMGVwV in allen Fällen des Vorliegens einer Auskunftssperre zu erfolgen hat und nicht verzichtbar ist. Der neuen gesetzlichen Unterrichtungspflicht kann von den Meldebehörden auch nachgekommen werden, indem sie Unterrichtung und Anhörung zusammen vornehmen.

Bei Bestehen einer melderechtlichen Auskunftssperre wird bei der Bekanntmachung von Wahlvorschlägen statt der Privatadresse eine Erreichbarkeitsanschrift angegeben (§§ 38 Satz 4, 43 Absatz 1 Satz 3 BWO; § 37 Absatz 1 Satz 3 Europawahlordnung) und auf Stimmzetteln statt des Wohnortes des Wahlbewerbers der Ort der Erreichbarkeitsanschrift (§ 45 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 Bundeswahlordnung).

Zu Artikel 4 (Änderung des Bundeskriminalamtgesetzes)

Für das BKA wird nun eine explizite Befugnis zur Abfrage von Bestandsdaten im Rahmen der Zentralstellenaufgabe geschaffen. Die zunehmende Nutzung von Telemediendiensten und damit die wachsende Bedeutung dieser Diensteanbieter bei der Aufklärung von Sachverhalten zur Verhütung und Verfolgung von Straftaten mit länderübergreifender, internationaler oder erheblicher Bedeutung muss sich auch in den entsprechenden Datenerhebungsnormen des § 10 BKAG widerspiegeln. Bisher sehen diese Regelungen nur eine Befugnis zur Erhebung von Bestandsdaten bei Telekommunikationsanbietern vor. Für Bestandsdatenabfragen bei Telemediendienstanbietern fehlte es an einer expliziten Befugnisnorm. Diese Lücke soll nun geschlossen werden.

Zu Artikel 5 (Änderung des Telemediengesetzes)

Zu Nummer 1 (Änderung des § 14 TMG)

Zusammen mit der Neuregelung der Nutzungs- und Bestandsdatenerhebung gegenüber Telemediendiensteanbietern in der StPO soll auch das Auskunftsverfahren über Bestands- und Nutzungsdaten gegenüber Behörden neu geregelt werden. Neuer Regelungsstandort ist sowohl für Bestands- als auch für Nutzungsdaten § 15a TMG. Die Regelungen die bisher zur Datenbeauskunftung gegenüber Behörden in § 14 TMG enthalten waren, werden dort daher gestrichen.

§ 14 TMG regelt daher in den Absätzen 2 bis 5 nur noch die Auskunftserteilung im Zusammenhang mit Urheberrechtsverletzungen und der Geltendmachung bestimmter zivilrechtlicher Ansprüche.

Zu Nummer 2 (Einfügung der §§ 15a und 15b TMG)

Zu § 15a TMG:

Aufgrund der zunehmenden Nutzung und gestiegenen Bedeutung von Telemediendiensten, ist die Erhebung von Bestands- und Nutzungsdaten gegenüber Telemediendiensteanbietern sowohl für die Strafverfolgung als auch für die Gefahrenabwehr von zentraler Bedeutung. Dennoch ist das Auskunftsverfahren im TMG bisher nur rudimentär geregelt. Insbesondere fehlen Regelungen zur Auskunft anhand von IP-Adressen, zur Abfrage von Passwörtern, zur Vertraulichkeit der Auskunft und zur Form des Auskunftsersuchens. Die fehlenden Verfahrensregelungen erschweren das Einholen von Auskünften gegenüber Telemediendiensteanbietern, da der genaue Umfang ihrer Verpflichtungen nicht hinreichend klar geregelt ist.

Der neue § 15a TMG regelt daher das Auskunftsverfahren gegenüber Telemediendiensteanbietern neu. Die Regelung orientiert sich hierbei an § 113 des Telekommunikationsgesetzes (TKG). Absatz 1 stellt zunächst klar, dass die Auskunft aufgrund einer Verpflichtung und nur gegenüber den in Absatz 3 genannten Stellen erteilt werden darf. Die Regelung wird ausdrücklich nicht auf Passwörter erstreckt, für die eine eigene Regelung in § 15b TMG geschaffen wird. Außerdem wird die Auskunftserteilung anhand von IP-Adresse geregelt, die das Gegenstück zu § 100j Absatz 2 StPO bildet.

Absatz 2 bestimmt, dass Auskunftsersuchen in Textform zu stellen sind. Dies stellt unter anderem sicher, dass die Rechtmäßigkeit des Auskunftsersuchens überprüft werden kann.

Absatz 3 trifft eine Regelung zu den befugten Behörden. Nur Behörden, die von dieser Regelung erfasst werden, dürfen bei Telemediendiensteanbietern Daten erheben. Diese eindeutige Regelung schafft Rechtssicherheit für die Beteiligten.

Ebenfalls ausdrücklich geregelt wird die Verpflichtung der Telemediendiensteanbieter über das Auskunftsersuchen Stillschweigen zu bewahren. Dies bedeutet nicht, dass der Betroffene oder Dritte nicht informiert werden. Die Information richtet sich jedoch nach den Regelungen der StPO und erfolgt durch die Behörden.

Absatz 5 stellt klar, dass die Kostentragung sich nach den allgemeinen Regeln richtet und durch die Diensteanbieter erfolgt. Außerdem soll zur Gewährleistung der Datensicherheit eine elektronische Schnittstelle eingerichtet werden.

Zu § 15b TMG:

Die Auskunftsbefugnis umfasst auch Passwörter und andere Daten, mittels derer Zugriff auf Endgeräte oder auf Speichereinrichtungen, die in diesen Endgeräten oder hiervon räumlich getrennt eingesetzt werden, geschützt wird, also etwa der Zugriff auf in einer Cloud gespeicherte Daten. Da diese Daten denjenigen, der sie erhält, jedenfalls tatsächlich in die Lage versetzen, Zugriff auf Inhaltsdaten zu erlangen, auch wenn die gesetzlichen Voraussetzungen ihrer Nutzung nicht vorliegen sollten, wird die Befugnis jedoch zur Vorbeugung eines solchen Missbrauchs gegenüber den übrigen Bestandsdaten deutlich eingeschränkt. Bei Telemediendiensten scheint diese Missbrauchsgefahr höher als bei Telekommunikationsdiensten, weil diese so vielgestaltig sind. Die Zahl der Telemedienanbieter in der Bundesrepublik Deutschland ist nicht bekannt, da sie nach § 4 TMG im Rahmen der Gesetze anzeige- und zulassungsfrei betrieben werden können. Telemediendienste im Sinne des Gesetzes sind nach § 1 Absatz 1 TMG alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht bereits als Telekommunikationsdienste nach § 3 Nummer 24 des TMG, die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nummer 25 des TKG oder Rundfunk nach § 2 des Rundfunkstaatsvertrags sind. Unter den Begriff der Telemedien fallen somit zumindest alle Internetseiten von Unternehmen.

Die Zugangsdaten sollen nur zur Verfolgung besonders schwerer Straftaten, wie sie im Katalog des § 100b Absatz 2 StPO genannt werden, sowie zur Abwehr einer konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für den Bestand des Bundes oder eines Landes übermittelt werden dürfen; die Übermittlung muss durch ein Gericht angeordnet worden sein. Der Katalog des § 100b Absatz 2 StPO wurde gewählt, weil er die Voraussetzungen einer Online-Durchsuchung regelt und wegen seiner hohen Grundrechtsrelevanz gemeinsam mit der Wohnraumüberwachung den engsten aller Straftatkataloge in der StPO darstellt. Die Daten müssen so übermittelt werden, wie sie beim Telemediendienst vorliegen. Die Pflicht zur Verschlüsselung bleibt davon unberührt. Insoweit trifft nach Artikel 32 Absatz 1 a DSGVO der Verantwortliche geeignete technische und organisatorische Maßnahmen, um ein dem Risiko angemessenen Schutzniveau zu gewährleisten. Erwägungsgrund 83 dieser Verordnung macht deutlich, dass der Verantwortliche die mit der Verarbeitung verbundenen Risiken ermitteln und Maßnahmen zu ihrer Eindämmung zu treffen hat und benennt dabei ausdrücklich die Verschlüsselung

Wenn die Passwörter ursprünglich zu anderen Zwecken abgefragt und übermittelt wurden, müssen die Voraussetzungen für eine zweckändernde Weiterverwendung der erhobenen Daten erfüllt sein.

Zu Nummer 3 (redaktionelle Folgeänderung)

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Zu Nummer 4 (Ordnungswidrigkeiten)

Entsprechend der vergleichbaren Regelung im Telekommunikationsgesetz soll auch für Telemedienanbieter der Verstoß gegen die Pflicht zur unverzüglichen und vollständigen Übermittlung der in den §§ 15a und 15b genannten Daten eine Ordnungswidrigkeit darstellen.

Zu Artikel 6 (Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes)

Zu Nummer 1 (Änderung des § 1 NetzDG)

Zu Buchstabe a

Die neu gefasste Überschrift stellt klar, dass § 1 neben der Bestimmung des Anwendungsbereichs in Absatz 1 bis Absatz 3 in Absatz 4 nunmehr auch eine Bestimmung für den Begriff "Beschwerde über rechtswidrige Inhalte" enthält.

Zu Buchstabe b

Die Ergänzung der Ausnahmeregelung des § 1 Absatz 2 stellt klar, dass die vorgeschlagene Meldepflicht für Anbieter sozialer Netzwerke mit mindestens zwei Millionen in der Bundesrepublik Deutschland registrierten Nutzern gilt. Da die Meldepflicht an die bereits etablierten Beschwerde- und Löschverfahren anknüpft, die auch nur für Anbieter großer sozialer Netzwerke gelten, ist die Erweiterung der Ausnahmeregelung Ausdruck der Anknüpfung der Meldepflichten an die bestehenden Compliance-Regelungen.

Zu Buchstabe c

Der Katalog der rechtswidrigen Inhalte des § 1 Absatz 3 NetzDG ist zudem um das Delikt der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener nach § 189 StGB zu ergänzen, da die Erfahrungen aus der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke 2019 zeigen, wie sehr Hetze im Netz mittlerweile auch in dieser Form ihren Ausdruck findet. Wie bei anderen Formen von Hasskriminalität gebietet es auch der Respekt vor der Würde der Verstorbenen und vor der Trauer der Angehörigen, diese Inhalte aus den sozialen Netzwerken zu entfernen. Dies soll mit der Aufnahme des Delikts in den Katalog des § 1 Absatz 3 NetzDG erreicht werden.

Zu Buchstabe d

Das NetzDG verwendet an verschiedenen Stellen den Begriff der Beschwerde über rechtswidrige Inhalte (zum Beispiel § 2 Absatz 2 Nummer 2 und 3, § 3 Absatz 1 Satz 1). Auch die in § 3a neu zu schaffende Meldepflicht der Anbieter sozialer Netzwerke gegenüber dem BKA soll an die Beschwerde über rechtswidrige Inhalte anknüpfen. Während der Begriff der rechtswidrigen Inhalte in § 1 Absatz 3 definiert ist, fehlt eine ausdrückliche Definition für den Begriff der Beschwerde über rechtswidrige Inhalte.

Eine solche Definition wird nunmehr durch § 1 Absatz 4 eingeführt, die den schon heute geltenden Rechtszustand nochmals verdeutlicht. Schon heute gilt, dass der Begriff weit zu verstehen ist und eine Beanstandung, mit welcher die notwendige Löschung oder Sperrung eines Inhaltes geltend gemacht wird, im Zweifel als Beschwerde über rechtswidrige Inhalte (NetzDG-Beschwerde) zu verstehen ist und zu einer Prüfung anhand der Maßstäbe des NetzDG führen muss. Anbieter sozialer Netzwerke können daher den Anwendungsbereich des Gesetzes nicht dadurch einschränken, dass sie nur bestimmte, relativ versteckte und kompliziert zu handhabende Meldewege als "NetzDG-Meldewege" ausweisen und nur die dort eingehenden Beschwerden als "NetzDG-Beschwerden" ansehen und nur diese ausgewählte Anzahl von Beschwerden nach den Maßstäben des NetzDG prüfen.

Aufgrund der vorgesehenen Definition in § 1 Absatz 4 ergibt sich zunächst, dass eine Beschwerde über rechtswidrige Inhalte jedenfalls jede Beanstandung ist, welche den Anbieter des sozialen Netzwerks über das eigens für entsprechende Meldungen eingerichtete Übermittlungsverfahren (§ 3 Absatz 1 Satz 2) erreicht. Wenn eine Beanstandung über dieses Verfahren übermittelt wird, soll damit vom Beschwerdeführer erkennbar geltend gemacht werden, dass ein rechtswidriger Inhalt vorliegt.

Daneben ist zu berücksichtigen, dass Beschwerden über rechtswidrige Inhalte, mit denen entsprechend der Vorgaben des NetzDG umzugehen ist (zum Beispiel Berücksichtigung in den Transparenzberichten nach § 2, Prüfpflichten nach § 3 Absatz 2 Nummer 1) nicht zwingend auf Meldungen beschränkt sind, die den Anbieter über dieses Verfahren bzw. diesen Meldeweg erreichen, das heißt etwa auch nach den sog. Flagging-Wegen der sozialen Netzwerke. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 3 Absatz 1 Satz 2 NetzDG. Die Vorschrift stellt sicher, dass der Anbieter überhaupt ein nutzerfreundliches Verfahren zur Verfügung stellen muss, damit ihn Beschwerden über rechtswidrige Inhalte erreichen können. Daraus folgt nicht, dass Erklärungen, die ihn über andere Kommunikationskanäle erreichen, keine solchen Beschwerden sein können.

Auch kann es für das Vorliegen einer Beschwerde über rechtswidrige Inhalte nicht darauf ankommen, ob mit einer Beanstandung tatsächlich und zutreffend ein Inhalt gemeldet wird, bei dem die Voraussetzungen nach § 1 Absatz 3 NetzDG objektiv vorliegen, oder ob der Beschwerdeführer hiervon sichere Kenntnis hat. Das Gesetz geht gerade davon aus, dass erst eine Prüfung der Beschwerden über rechtswidrige Inhalte (§ 3 Absatz 2 Nummer 1) zu einer entsprechenden Feststellung führen kann, ob tatsächlich ein gemeldeter Inhalt rechtswidrig ist oder nicht (vergleiche § 3 Absatz 2 Nummer 1: "ob der [...] gemeldete Inhalt rechtswidrig und zu entfernen [...] ist").

Ob eine Beanstandung des Beschwerdeführers eine Beschwerde über rechtswidrige Inhalte darstellt, hängt damit in erster Linie davon ab, wie diese Erklärung bei objektiver Betrachtung zu verstehen ist. Dem Wortsinn nach ("Beschwerden über [...] Inhalte") und unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des NetzDG sind Mitteilungen gegenüber sozialen Netzwerken schon heute "Beschwerden über rechtswidrige Inhalte", das heißt NetzDG-Beschwerden, wenn aus diesen deutlich wird, dass aus Sicht des Meldenden ein bestimmter auf dem Netzwerk verbreiteter Inhalt zu entfernen oder der Zugang dazu zu sperren ist.

Mit der Definition in § 1 Absatz 4 ist zugleich klargestellt, dass sich die Beschwerde über rechtswidrige Inhalte auf einen konkreten Inhalt bezieht, das heißt inhaltsbezogen zu verstehen ist. Aus diesem Grund kann eine äußerlich einheitliche Mitteilung bzw. ein äußerlich einheitlicher Übermittlungsvorgang (zum Beispiel E-Mail, ausgefülltes Formular) der Übermittlung mehrerer Beschwerden über rechtswidrige Inhalte im Sinne des NetzDG dienen.

Mit Blick auf die neu zu schaffende Meldepflicht nach § 3a wird durch die Begriffsdefinition der "Beschwerde über rechtswidrige Inhalte" sichergestellt, dass in den Fällen, in denen ein Nutzer eine Beschwerde im Sinne des NetzDG absetzt, sich bei Löschung durch das soziale Netzwerk in jedem Fall die Prüfung der Meldepflicht anschließt. Der Maßstab, nach dem die Löschung erfolgt - Community-Standards oder NetzDG-Katalog - ist für die sich anschließende Prüfung der Meldepflicht unerheblich.

Zu Nummer 2 (Änderung des § 3 NetzDG)

Die in § 3a zu schaffende Meldepflicht erstreckt sich auf die Straftatbestände, die in besonderer Weise den offenen Diskurs und die freie und bedrohungslose Auseinandersetzung zum Ziel haben. Erfasst sind daher nicht die Straftatbestände der absoluten Antragsdelikte des § 1 Absatz 3 der Beleidigung (§ 185 StGB), der Verleumdung (§ 186 StGB), der üblen Nachrede (§ 187 StGB), bei denen das Gesetz ein Ersetzen des Strafantrags durch die Annahme eines besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung (Antragssurrogat) nicht vorsieht, und der relativen Antragsdelikte der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a StGB) und der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener (§ 189 StGB). Diese sind zwar im Katalog des § 1 Absatz 3 enthalten, jedoch im Regelfall als Antragsdelikte ausgestaltet, so dass es grundsätzlich dem Betroffenen bzw. den Angehörigen obliegen soll zu entscheiden, ob eine Strafverfolgung stattfinden soll oder nicht. Dadurch, dass die Meldepflicht nicht auf diese Straftatbestände erstreckt wird, wird gewährleistet, dass die grundsätzliche Entscheidungshoheit des Betroffenen bzw. seiner Angehörigen, ob die Tat strafrechtliche Schritte nach sich ziehen soll, nicht durch die Einführung einer Meldepflicht unterlaufen wird.

In Fällen eines solchen Antragsdelikts sollen die Anbieter sozialer Netzwerke aber nach § 3 Absatz 2 Nummer 5 NetzDG-E die Pflicht haben, auf die Möglichkeiten der Strafanzeige (§ 158 StPO) und gegebenenfalls eines erforderlichen Strafantrags (§ 77 ff. StGB) ausdrücklich hinzuweisen. Dieser Hinweis soll gleichzeitig mit der Mitteilung des Anbieters des sozialen Netzwerks über die Entscheidung erfolgen, einen beanstandeten Inhalt zu löschen oder nicht zu löschen. Mit dem Hinweis über die Möglichkeiten zur Strafanzeige und erforderlichenfalls zum Strafantrag soll den Betroffenen auch Hilfestellung bei der frei zu treffenden Entscheidung, ob durch den Strafantrag ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, gegeben werden. Die Informationspflicht knüpft an jegliche Form der Entscheidung des sozialen Netzwerks an; sie besteht sowohl bei der Entscheidung zur Löschung als auch bei der Entscheidung, nicht zu löschen. Im Fall, dass das soziale Netzwerk den gemeldeten Inhalt nicht als strafbar ansieht und deshalb von einer Löschung absieht, dienen die Informationen auch dazu, dass der Nutzer, der den Inhalt gemeldet hat, seinerseits die Ermittlungsbehörden informieren kann. Hierdurch ist gewährleistet, dass die Löschpraxis der sozialen Netzwerke keinen Einfluss auf die sich anschließende strafrechtliche Verfolgung hat.

Zu Nummer 3 (Einfügung des § 3a NetzDG)

Zu Absatz 1

Die sozialen Netzwerke werden verpflichtet, ein Verfahren zur Sicherstellung der Erfüllung von Meldepflichten einzurichten, die in Absatz 2 näher beschrieben werden. Die Verpflichtung knüpft an die bestehenden Compliance-Pflichten an und ergänzt diese, damit schwerwiegende strafbare Inhalte nicht mehr lediglich gelöscht werden, sondern deren Verfasser strafrechtliche Verantwortung für die Inhalte übernehmen müssen. Die Einführung eines Verfahrens zur Erfüllung der Meldepflicht im Einzelfall bildet auch die Grundlage für den neu einzuführenden Ordnungswidrigkeiten-Tatbestand in § 4 Nummer 6a. Hierdurch wird zum einen eine systemkonforme Ergänzung der bußgeldbewehrten Compliance-Pflichten erreicht und zum anderen steht diese Sanktion auch im Einklang mit der sonstigen Rechtsordnung. Diese kennt eine strafbewehrte Pflicht zur Anzeige einer Straftat bislang gemäß § 138 StGB in nur eng umgrenzten Ausnahmefällen. Die Meldepflicht aus diesem Gesetz erfasst eine größere Anzahl von Fällen und Straftaten als der Katalog des § 138 StGB, so dass eine Sanktion bei Verstoß gegen eine Meldung im Einzelfall als unangemessen erscheint. Bei einem organisatorischen Versagen eines sozialen Netzwerkes ist ein Ordnungswidrigkeitsverfahren hingegen angemessen und erforderlich, um die Durchsetzung des Strafrechts auch im Netz zu ermöglichen.

Zu Absatz 2 einleitender Satzteil

Die Meldung des Inhalts und der zuletzt zugewiesenen IP-Adresse dient der Ermöglichung der Strafverfolgung durch die zuständigen Ermittlungs- und Justizbehörden der Länder. Die Übermittlung erfolgt dafür zunächst an eine neu einzurichtende Schnittstelle beim BKA. Die Entgegenahme der Meldungen, Zuständigkeitsermittlung und Weiterleitung an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden der Länder erfolgt in Wahrnehmung der Zentralstellenaufgabe des BKA. Die Reichweite eines Inhaltes im Internet ist nicht auf ein Bundesland oder das Gebiet der Bundesrepublik beschränkt. Zudem kann der strafbare Inhalt von jedem Ort abgesetzt werden, wodurch der Tatort überall innerhalb oder außerhalb der Bundesrepublik Deutschlands liegen kann. Eine Zuständigkeit einer Strafverfolgungsbehörde - etwa am Wohnort des Verdächtigen - kann daher erst nach weiteren Prüfungen bestimmt werden.

Zu Absatz 2 Nummer 1 und 2

Die Meldepflicht stellt für die Anbieter sozialer Netzwerke einen Eingriff in deren Recht auf Berufsausübung nach Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes dar. Der Eingriff muss dabei klar ausgestaltet werden. Hierzu wird die Meldepflicht an das bereits von den Betreibern sozialer Netzwerke eingerichtete Beschwerdemanagement angeknüpft, wodurch die bestehenden Strukturen genutzt werden können. Das für das Beschwerdemanagement eingesetzte Personal ist nach den bereits bestehenden Compliance-Pflichten für die strafrechtliche Einschätzung eines Inhalts zuständig. Kommt der Anbieter nach der ihm obliegenden Prüfung zu dem Schluss, dass ein Inhalt zu löschen ist, schließt sich nunmehr noch die Prüfung an, ob die in diesem Gesetz benannten Straftatbestände, die die Meldepflicht auslösen, erfüllt sind. Diese ergänzende Prüfung erweitert die Pflichten der sozialen Netzwerke in vertretbarem Umfang und sichert gleichzeitig, dass schwerwiegende strafrechtliche Inhalte den Strafverfolgungsbehörden nicht entgehen und die Verfasser dadurch unberechtigterweise ihrer strafrechtlichen Verantwortung entkommen.

Zudem dient die Einschränkung auf gemeldete und gelöschte strafbare Inhalte dem Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Nutzer. Es werden nur die Inhalte an die Schnittstelle beim BKA weitergegeben, die von einem Nutzer gemeldet wurden und zudem vom Anbieter des sozialen Netzwerks als strafbar erkannt wurden. Es steht nicht zu erwarten, dass die Anbieter zu viele Inhalte als strafbar melden. Die bei Einführung des NetzDG geäußerte Befürchtung, dass es zu einem die Meinungsfreiheit verletzenden Overblocking komme, hat sich nach bisherigem Erkenntnisstand nicht bestätigt. Trotz hoher Meldezahlen wird mit 28 Prozent (Mittelwert) nur ein geringer Teil der gemeldeten Inhalte gelöscht, so dass auch bei der Einführung einer Meldepflicht davon auszugehen ist, dass die Anbieter ihrer Prüfpflicht gerecht werden und keine Inhalte weitergeben, die nicht strafbar sind oder nicht unter den Katalog der meldepflichtigen Straftaten fallen.

Zu Absatz 2 Nummer 3 einleitender Satzteil

Die Einführung einer Meldepflicht schränkt die Berufsausübungsfreiheit der Anbieter sozialen Netzwerke ein. Gleichzeitig stellt sie einen Eingriff in das Grundrecht der Inhalteverfasser auf informationelle Selbstbestimmung dar. Diese Grundrechtseingriffe sind nur dann gerechtfertigt, wenn der weitergeleitete Inhalt konkrete belastbare Anhaltspunkte dafür bietet, dass der Tatbestand einer Katalogstraftat vorliegt. Eine Meldepflicht darf daher nicht schon bei der reinen Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung ausgelöst werden, sondern bedarf objektiver, nachprüfbarer und erkennbarer Indizien, die für jedermann die Verwirklichung eines Katalogstraftatbestandes nahelegen. Eine Beschränkung der Meldepflicht auf Fälle eines dringenden Tatverdachts hingegen würde für die Meldepflicht eine strenge juristische Bewertung im Einzelfall erfordern, die nicht den Anbietern sozialer Netzwerke, sondern den Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden obliegt. Die Anknüpfung der Meldepflicht an konkrete Anhaltspunkte schützt einerseits die betroffenen Grundrechte und ist andererseits für die der Meldepflicht unterliegenden Anbieter sozialer Netzwerke auch umsetzbar.

Voraussetzung für den Begriff der konkreten Anhaltspunkte sind objektive, nachprüfbare und für jedermann erkennbare Indizien, die sich aus dem hochgeladenen Inhalt selbst oder den weiteren erkennbaren Umständen ergeben. Weitergehende Ermittlungen zur Klärung von Tatbestandsmerkmalen können den sozialen Plattformen nicht auferlegt werden.

Zu Absatz 2 Nummer 3 Buchstabe a und c

Die Einrichtung der Meldepflicht für soziale Netzwerke stellt einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ihrer Anbieter und ebenso einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ihrer Nutzer dar. Beide Grundrechtseingriffe können im Rahmen der Verhältnismäßigkeit nur zu Gunsten von Verfassungs- oder Rechtsgütern mindestens gleichen Gewichts eingeschränkt werden. Ein solches Rechtsgut stellt die Verfolgung von Straftaten dar. Dies gilt insbesondere für Straftaten, durch die eine unmittelbare oder mittelbare Gefährdung der demokratischen Grundordnung oder der öffentlichen Ordnung hervorgerufen wird.

Eine Erstreckung der Meldepflicht auf alle Fälle der gemeldeten und gelöschten Inhalte erscheint aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht geboten, zumal das System der Antragsdelikte - im NetzDG betrifft dies die §§ 185 bis 187, 189, 201a StGB (Beleidigung, Verleumdung, üble Nachrede, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen) - zu berücksichtigen ist, wonach es grundsätzlich dem Geschädigten selbst bzw. im Fall des § 189 StGB seinen Angehörigen überlassen bleibt, die Voraussetzungen für die strafrechtliche Verfolgung zu schaffen oder dies bewusst zu unterlassen. Dies gilt nicht nur bei absoluten, sondern auch bei relativen Antragsdelikten wie § 201a StGB. Denn auch hier ist es in erster Linie dem Geschädigten bzw. seinen Angehörigen überlassen, die Voraussetzungen für die strafrechtliche Verfolgung zu schaffen. Nur wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung vorliegt, kann die Strafverfolgungsbehörde ein Einschreiten von Amts wegen für geboten halten (§ 205 Absatz 1 Satz 2 StGB).

Als Straftaten aus dem Katalog des § 1 Absatz 3 NetzDG, die eine Meldepflicht rechtfertigen, sind solche einzustufen, die eine gefährliche Wirkung auf das demokratische System und die öffentliche Ordnung haben können. Diese Wirkung ist insbesondere im Hinblick auf die große öffentliche Reichweite von sozialen Medien und deren Folgen für den demokratischen und offenen Diskurs zu bewerten.

Der öffentliche Meinungsaustausch wird durch strafbare Inhalte in Form von beispielsweise Volksverhetzung und Drohungen mit einem Delikt gegen ein persönliches Rechtsgut wie Leben, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Selbstbestimmung oder Freiheit oder solche Aussagen gestört, die entweder aufgrund ihres Inhalts, aufgrund ihrer Intensität und Grausamkeit oder aufgrund ihrer möglichen Auswirkungen auf die Öffentlichkeit einen schädlichen Einfluss auf die politische und öffentliche Diskussion in den sozialen Medien entfalten. Diese strafbaren Inhalte vergiften die Gesprächskultur und verbreiten ein Klima der Angst und Einschüchterung. Die Verfasser solcher strafbaren Inhalte verfolgen meist die Absicht, einen einschüchternden Eindruck sowohl beim Adressaten zu hinterlassen als auch einen solchen in der Öffentlichkeit zu erregen. Durch diesen beabsichtigten Zweck entsteht die Gefahr, dass der Betroffene oder ein Dritter, der die öffentlich getätigte Aussage zufällig wahrnimmt, sich davon abhalten lässt, am demokratischen Diskurs in den sozialen Medien weiter teilzunehmen.

Der Verfasser des strafbaren Inhalts zielt dabei nur auf den ersten Blick auf einen konkreten Adressaten ab. Es geht vielmehr um die Nutzung des öffentlichen Raums zur Verhinderung von Diskussionen, etwa durch massive Einschüchterungen. Diese Zielrichtung des Angriffs auf den demokratischen, offenen und öffentlichen Diskurs rechtfertigt es, dass der Staat unabhängig vom Tätigwerden des Betroffenen gegen den Täter strafrechtlich vorgeht.

Zu den Katalogtaten des § 1 Absatz 3 NetzDG zählen auch Taten, die verfassungswidrige Organisationen, kriminelle oder terroristische Vereinigungen unterstützen und damit die demokratische Grundordnung gefährden. Es handelt sich um § 86 StGB (Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen), § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen), § 129 StGB (Bildung krimineller Vereinigungen), §§ 129a und 129b StGB (Bildung terroristischer Vereinigungen). Zudem sind zu den in den Katalog aufzunehmenden Straftaten solche zu zählen, die die Darstellung oder den Aufruf zu schwersten Gewalttaten beinhalten), da deren öffentliche Darstellung eine Hemmschwelle herabsetzt und dadurch mittelbar deren Umsetzung in die Realität befürchten lässt. Es handelt sich um § 89a StGB (Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat), § 91 StGB (Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat), § 126 StGB (Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten) und § 140 StGB (Belohnung und Billigung von Straftaten).

Zudem sollen Bedrohungen nach § 241 StGB unter die Meldepflicht fallen, in denen mit einem Verbrechen gedroht wird, das sich gegen ein persönliches Rechtsgut wie das Leben, die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit richtet. Hierunter fallen die Bedrohung mit folgenden Verbrechenstatbeständen: Mord nach § 211 StGB und vorsätzlicher Totschlag nach § 212 StGB, der schwere sexuelle Missbrauch von Kindern nach § 176a StGB, der sexuelle Missbrauch von Kindern mit Todesfolge nach § 176b StGB, der sexuelle Übergriff im Fall des § 177 Absatz 4 StGB, die sexuelle Nötigung nach § 177 Absatz 5 StGB, der sexuelle Übergriff, die sexuelle Nötigung oder die Vergewaltigung in den Fällen des § 177 Absatz 7 bis 9 StGB, der sexuelle Übergriff oder die sexuelle Nötigung und Vergewaltigung mit Todesfolge nach § 178 StGB, schwere Körperverletzung nach § 226 StGB, die Verstümmelung weiblicher Genitalien nach § 226a StGB, die Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 StGB, die Zwangsprostitution in den Fällen des § 232a Absatz 3 und 4 StGB, Zwangsarbeit in den Fällen des § 232b Absatz 3 StGB, die Ausbeutung unter Ausnutzung einer Freiheitsberaubung nach § 233a Absatz 3 StGB, der Menschenraub nach § 234 StGB, die Verschleppung nach § 234a Absatz 1 StGB, die Entziehung Minderjähriger in den Fällen des § 235 Absatz 4 StGB, die Freiheitsberaubung in den Fällen des § 239 Absatz 3 und 4 StGB, erpresserischer Menschenraub nach § 239a StGB und die Geiselnahme nach § 239b.

Schließlich sind Delikte, die sich gegen die demokratische Grundordnung und die öffentliche Ordnung richten, das heißt § 130 StGB (Volksverhetzung) und § 131 StGB (Gewaltdarstellung), in den Katalog aufzunehmen.

Manche Straftatbestände des § 1 Absatz 3 NetzDG werden von der Meldepflicht unter Anlegung des genannten Maßstabs nicht erfasst. Das betrifft die landesverräterische Fälschung (§ 100a StGB), weil hier das Schutzgut nicht der öffentliche demokratische Diskurs ist, sondern die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und ihre außenpolitische Handlungsfähigkeit. Dies gilt auch für den Tatbestand der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten gemäß § 111 StGB, weil dieser Straftatbestand auch bei sehr niederschwelligen Straftaten wie etwa dem Erschleichen von Leistungen eingreift. Die Beleidigung von Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsvereinigungen nach § 165 StGB ist von der Meldepflicht ebenfalls ausgenommen, weil dieser Tatbestand nicht in allen Fällen eine Intensität erreichen muss, die zu einer Gefährdung des demokratischen Diskurses führt. Bei schwerwiegenden Fällen des § 111 StGB oder des § 165 StGB dürften aber auch der Tatbestand der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten nach § 126, der Bedrohung nach § 241 StGB mit einem Tötungsdelikt oder der Volksverhetzung nach § 130 Absatz 1 Nummer 2 StGB erfüllt sein, die der Meldepflicht unterliegen.

Der Bedrohungstatbestand des § 241 StGB erfasst neben der Drohung mit Delikten, die sich gegen die Rechtsgüter wie das Leben, die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit richten, die in den Katalog der Meldepflichten aufgenommen sind, auch die Bedrohung mit anderen Verbrechen, zum Beispiel einem Raub. Der Tatbestand betrifft in diesen Fällen das Schutzgut des individuellen Rechtsfriedens, ohne dass eine Einschüchterung einer Person am politischen Diskurs durch die Androhung einhergeht. Daher sollte mit Ausnahme der Fälle der Bedrohung mit den beschriebenen Delikten keine Meldepflicht ausgelöst werden. Zudem unterfallen die schwerwiegenden Fälle der Bedrohung in Telemedien auch regelmäßig dem Tatbestand des § 126 StGB. Die Fälschung beweiserheblicher Daten gemäß § 269 StGB sollte nicht von der Meldepflicht erfasst werden, da hierdurch die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechts- und Beweisverkehrs geschützt werden soll und nicht der demokratische Diskurs.

Zu Absatz 2 Nummer 3 Buchstabe b

Durch die Zugänglichmachung kinderpornografischer Inhalte mittels Telemedien im Sinne des § 184b in Verbindung mit § 184d StGB wird der Markt für diese Inhalte befeuert, denn die Nachfrage nach den Inhalten weckt ein entsprechendes Angebot. Damit besteht die Gefahr, dass Kinder zur Herstellung entsprechender Inhalte missbraucht werden. Außerdem besteht die Gefahr, dass kinderpornografische Inhalte Dritte zur Nachahmung in der realen Welt anregen. Zum Schutz der Kinder vor sexuellem Missbrauch ist es berechtigt, auch die Zugänglichmachung kinderpornografischer Inhalte in die Meldepflicht einzubeziehen.

Das BKA erhält schon heute Hinweise auf kinderpornografische Inhalte im Netz. 96 Prozent aller Informationen aus der Bundesrepublik Deutschland zu inkriminierten Webadressen erhielt das BKA im Jahr 2018 von den inländischen Beschwerdestellen (jugendschutz.net, Hotline des eco-Verbandes der Internetwirtschaft e.V. (eco) und Hotline der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e.V. (FSM)). Insgesamt 5 951

Hinweise auf kinderpornografische Inhalte wurden im Jahr 2018 beim BKA und den Beschwerdestellen erfasst (siehe Bericht der Bundesregierung über die im Jahr 2018 ergriffenen Maßnahmen zum Zweck der Löschung von Telemedienangeboten mit kinderpornografischem Inhalt im Sinne des § 184b des Strafgesetzbuchs, S. 9 und 16). Es ist davon auszugehen, dass bei den sozialen Netzwerken, die nach § 3 NetzDG zu einem Beschwerdemanagement verpflichtet sind, ein Vielfaches an Beschwerden über kinderpornografische Inhalte eingehen. Allein die Transparenzberichte von YouTube und Twitter weisen bereits für das erste Halbjahr 2019 zusammen knapp 50 000 Beschwerden über kinderpornografische Inhalte aus, von denen rund 13 000 Inhalte entfernt oder gesperrt wurden. Um eine konsequente Strafverfolgung zu ermöglichen, soll das BKA von den kinderpornografischen Inhalten, die von den sozialen Netzwerken aufgrund einer Beschwerde gelöscht oder gesperrt wurden, Kenntnis erhalten. Dies wird durch eine entsprechende Meldepflicht der sozialen Netzwerke erreicht.

Zu Absatz 2 Nummer 3 letzter Satzteil

Die Einschränkung auf nicht gerechtfertigte Taten entspricht der Vorgabe in § 1 Absatz 3 NetzDG.

Zu Absatz 3

Absatz 3 definiert den Zeitpunkt, wann die Meldung des sozialen Netzwerks an das BKA erfolgen muss. Die Meldepflicht knüpft an die Pflicht des Anbieters eines sozialen Netzwerks an, den beanstandeten Inhalt innerhalb der in § 3 Absatz 2 Nummer 2 und 3 genannten Fristen zu entfernen oder den Zugang zu ihm zu sperren. Diese Fristen betragen für offensichtlich rechtswidrige Inhalte 24 Stunden, für sonstige rechtswidrige Inhalte in der Regel sieben Tage jeweils nach Eingang der Beschwerde. Hat der Anbieter den Inhalt entfernt oder den Zugang zu ihm gesperrt, schließt sich die Prüfung an, ob gerade einer der in Absatz 1 Nummer 3 genannten Straftatbestände erfüllt ist. Diese Prüfung und die Meldung an das BKA müssen unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, erfolgen.

Zu Absatz 4

Der Begriff "Inhalt" bezieht sich auf das konkrete Posting, das vom Melder als strafbar angesehen wird und das nach seiner Auffassung gelöscht werden soll bzw. zu dem der Zugang gesperrt werden soll. Dies kann grundsätzlich jede Form der inhaltlichen Kundgabe sein, zum Beispiel in Form eines Bildes, eines Textes, eines Videos oder eines Kommentars. Dieser Inhaltsbegriff wird auch in § 3a Absatz 4 Nummer 1 NetzDG verwendet. Der Anbieter muss als Inhalt die Angaben weiterleiten, die er seiner eigenen rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt hat. Dies wird in aller Regel die Inhaltskundgabe als solche sein. In einzelnen Fällen kann sich ein strafbarer Gehalt eines Inhalts aber erst aus der Zusammenschau mehrerer Inhalte ergeben. Dies ist zum Beispiel bei der Billigung von Straftaten nach § 140 StGB der Fall. Billigt ein Nutzer in strafbarer Weise eine Straftat, die in einem anderen Inhalt enthalten ist, beispielsweise einem Bild, ergibt sich die Strafbarkeit erst unter Zusammenschau beider relevanter Inhalte, des ursprünglichen Inhalts und des Inhalts, der auf diesen Bezug nimmt. In dieser Konstellation wird auch der Anbieter bei seiner Prüfung eine gemeinsame Betrachtung der beiden Inhalte vornehmen müssen.

Die Erstreckung der Meldepflicht auf die dem Nutzer zuletzt zugewiesene IP-Adresse, ist erforderlich, da die Meldung eines Inhalts allein eine effektive Strafverfolgung in der Regel nicht sicherstellt. In manchen Fällen mag bereits aus dem benutzten User-Namen und dem übermittelten Inhalt eine Identifizierung des Urhebers möglich sein, doch agieren viele Nutzer sozialer Plattformen nicht unter ihrem Klarnamen oder unter Pseudonymen. Zudem bietet die Nutzung eines User-Namens durch eine Person keinen hinreichenden Beweis für die Tatsache, dass die benannte Person auch Urheber des strafbaren Inhalts ist. Zudem weisen zahlreiche Personen eine identische Kombination aus Vor- und Nachnamen auf.

Zu Absatz 5

Die Meldung hat auf elektronischem Wege zu erfolgen über eine von der Zentralstelle des BKA einzurichtende und dort zu definierende Schnittstelle.

Die weitergehende Umsetzung der Meldepflichten durch die Anbieter eines sozialen Netzwerks bleibt deren Organisationshoheit überlassen.

Nach Inkrafttreten der Regelung beginnt die Meldepflicht der Anbieter damit erst zu dem Zeitpunkt, in dem das BKA den technischen Zugang zur Schnittstelle eingerichtet und freigeschaltet hat.

Zu Absatz 6

Die Anbieter sozialer Netzwerke unterliegen grundsätzlich den datenschutzrechtlichen Informationsverpflichtungen nach Artikel 13 der Verordnung (EU) Nr. 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, ABl. L 119 vom 4. Mai 2016, S. 1, L 314 S. 72, L 127 vom 23. Mai 2018, S. 2). Hieran knüpfen die Rechte des Betroffenen zum Widerspruch nach Artikel 21 der Verordnung (EU) Nr. 2016/679 , das Recht auf Auskunft nach Artikel 15 der Verordnung (EU) Nr. 2016/679 und das Recht auf Berichtigung, Löschung und Einschränkung der Verarbeitung nach den Artikeln 16 bis 18 der Verordnung (EU) Nr. 2016/679 an.

Nach Maßgabe des Artikel 23 Absatz 1 Buchstabe d) der Verordnung (EU) Nr. 2016/679 können diese Informationspflichten zur Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten eingeschränkt werden. Eine solche Einschränkung ist erforderlich, wenn aus Sicht der zuständigen Behörden die konkrete Gefahren besteht, dass ein Täter durch die Information, dass sein verfasster Inhalt und die ihm zuletzt zugewiesene IP-Adresse weitergegeben wurden, seine angekündigte Tat schneller als ursprünglich gedacht, zum Beispiel zur Verhinderung einer Festnahme, umsetzen wird. Dieser Fall wird die Ausnahme darstellen, so dass grundsätzlich eine Informationspflicht der sozialen Netzwerke besteht. Diese wird aber für vier Wochen ausgesetzt, damit das BKA in Zentralstellenfunktion genügend Zeit für die Einschätzung des Sachverhalts, gegebenenfalls die Abfrage weiterer Nutzerdaten gegenüber dem Anbieter und die Zuständigkeitsermittlung hat. Eine Frist von 4 Wochen erscheint hierbei erforderlich und gleichzeitig angemessen im Hinblick auf die Einschränkung des Informationsrechts des Betroffenen. Erhält der Anbieter eines sozialen Netzwerks nach 4 Wochen keine Anordnung vom BKA, informiert es den Nutzer von der Meldung seiner Daten (Inhalt und IP-Adresse). Liegt seitens des BKA oder des für das Strafverfahren zuständigen Landes die polizeifachliche Bewertung vor, dass eine Zurückstellung der Informationspflicht bis zur Offenlegung des Verfahrens erforderlich ist, nimmt das BKA in Zentralstellenfunktion die Informationspflicht für das jeweilige Land wahr, weil nur von dort zu entscheiden ist, wann die Informationspflicht erfüllt werden kann, ohne die Ermittlungen oder wesentliche Rechtsgüter zu gefährden.

Zu Absatz 7

Die Umsetzung der Meldepflichten durch die sozialen Netzwerke bleibt deren Organisationshoheit überlassen. Um eine effektive Überprüfung durch die Verwaltungsbehörde zu ermöglichen, enthält Absatz 7 eine Auskunftsermächtigung gegenüber dem sozialen Netzwerk. Dies bietet einen Ausgleich dafür, dass die Transparenzberichte der sozialen Netzwerke nach § 2 keine Angaben zu den Meldungen gegenüber dem BKA enthalten müssen. Derartige Angaben erschienen in den Transparenzberichten auch deplatziert, da sie Verhältnisse zwischen einer Behörde und einem Unternehmen betreffen. Im Einzelnen kann die Verwaltungsbehörde, also das BfJ, Auskunft verlangen, wie die Verfahren zur Meldung von Inhalten ausgestaltet sind und wie diese angewendet werden.

Zu Nummer 4 (Änderung des § 4 NetzDG)

Zur Durchsetzung der Meldepflichten bedarf es wie bei den anderen Compliance-Pflichten einer bußgeldbewehrten Ordnungswidrigkeitsvorschrift. Eine Bußgeldsanktion knüpft hier daran an, dass das soziale Netzwerk fahrlässig oder vorsätzlich kein wirksames Verfahren eingerichtet hat, das eine Meldung strafbarer Inhalte nach § 3a Absatz 2 im Einzelfall ermöglicht. Im NetzDG finden sich bereits Bußgeldvorschriften für systemische Verstöße gegen Compliance-Pflichten. Die Verletzung der Pflicht, ein Verfahren zur wirksamen Meldung schwerwiegender strafbarer Inhalte einzurichten, ist mit den bereits bestehenden bußgeldbewehrten Pflichten vergleichbar. Daher ist auch der Bußgeldrahmen des § 4 Absatz 2, 2. Fall über den Verweis des § 30 Absatz 2 Satz 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten mit einer Bußgeldhöhe bis zu 50 Millionen Euro als angemessen anzusehen. Verletzt ein soziales Netzwerk seine Pflicht zur Einrichtung eines wirksamen Verfahrens zur Meldung strafrechtlicher Inhalte, so wird der Entwicklung eines rechtswidrigen Zustandes im Netz Vorschub geleistet. Dies ist aus Sicht des Staates und der betroffenen Nutzer des sozialen Netzwerkes nicht hinnehmbar und bedarf daher eines erheblichen Bußgeldrahmens.

Zu Artikel 7 (Zitiergebot)

§ 100j StPO-E und § 15a Absatz 1 TMG-E sehen die Möglichkeit einer Zuordnung von dynamischen IP-Adressen vor. Diese Maßnahme hat das Bundesverfassungsgericht für das Telekommunikationsgesetz ausdrücklich für zitierbedürftig erklärt (BVerfGE 130, 151 Rdnr. 173).

Zu Artikel 8 (Inkrafttreten)

Die Bestimmung regelt das Inkrafttreten. Die Frist von drei Monaten für das Inkrafttreten der Meldepflichten wird als erforderlich, aber auch ausreichend angesehen, um den sozialen Netzwerken einerseits und den betroffenen Bundes- sowie Landesbehörden andererseits die strukturellen und personellen Anpassungen zu ermöglichen, um den sich aus den Meldepflichten ergebenden Mehraufwand zu bewältigen.

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die Meldungen der Anbieter sozialer Netzwerke über eine vom BKA zur Verfügung zu stellende und freizugebende Schnittstelle erfolgen muss. Ohne die Freigabe können die Meldungen nicht an das BKA übermittelt werden; zuvor sind die technischen Details vom BKA vorzugeben. Die Bußgeldregelung des § 4 Absatz 1 Nummer 6a NetzDG soll erst nach sechs Monaten in Kraft treten.

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Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Absatz 1 NKRG: NKR-Nr. 5094, BMJV Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität

Der Nationale Normenkontrollrat hat den Entwurf der oben genannten Regelungsvorhaben geprüft.

I. Zusammenfassung

Bürgerinnen und BürgerKeine Auswirkungen
Wirtschaft
Jährlicher Erfüllungsaufwand:rund 2,1 Mio. Euro
Einmaliger Erfüllungsaufwand:rund 300.000 Euro
davon aus Informationspflichten:rund 50.000 Euro
Verwaltung (Bund)
Jährlicher Erfüllungsaufwand:rund 170.000 Euro
Verwaltung (Länder/Kommunen)
Jährlicher Erfüllungsaufwand:rund 100.000 Euro
Weitere Kosten
Staatsanwaltschaften und Gerichte
Jährliche Personal- und Sachkosten
in einem Korridor vonrund 24 Mio. Euro (Untergrenze)
bis rund 40 Mio. Euro (Obergrenze)
Bundeskriminalamt
Jährliche Personal- und Sachkostenrund 25 Mio. Euro
Jährliche Sachkosten (IT) bis 2024insgesamt rund 48 Mio. Euro
Einmalige Sachkosten (IT)rund 28 Mio. Euro
"One in one out"-RegelIm Sinne der "One in one out"-Regel der Bundesregierung stellt der jährliche Erfüllungsaufwand der Wirtschaft in diesem Regelungsvorhaben ein "In" von rund 2,1 Mio. Euro dar. Kompensation soll durch einen Teil der Entlastungen aus dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs erfolgen.
EvaluierungDie Neuregelung wird vier Jahre nach ihrem Inkrafttreten evaluiert.
Ziel:Verstärkung der Strafverfolgung und Rückgang von Hasskriminalität bei Tatbegehung im Internet.
Kriterien/Indikatoren:Anzahl von NetzDG-Meldungen und Strafverfahren
Datengrundlage:NetzDG-Transparenzberichte und Justizstatistik
KMU-BetroffenheitKleine und mittlere Unternehmen sind von dem Regelungsvorhaben nicht betroffen.
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat den Erfüllungsaufwand nachvollziehbar dargestellt. Der Nationale Normenkontrollrat erhebt im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags keine Einwände gegen die Darstellung der Gesetzesfolgen in dem vorliegenden Regelungsentwurf.

II. Im Einzelnen

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz von 2017 (NetzDG) verpflichtet die Betreiber großer sozialer Netzwerke1 Einträge (Postings), über die ihnen eine Beschwerde zugeht, auf strafbare Inhalte zu überprüfen und ggf. zu löschen.

In vielen Fällen werden die strafrechtlich relevanten Postings zwar gelöscht, bleiben darüber hinaus jedoch ohne weitere Konsequenzen, weil die Strafverfolgungsbehörden hiervon keine Kenntnis erlangen. Mit dem Regelungsvorhaben will das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) deshalb

II.1 Erfüllungsaufwand

Bürgerinnen und Bürger

Für Bürgerinnen und Bürger ergibt sich kein Erfüllungsaufwand.

Wirtschaft

Das NetzDG adressiert die Betreiber sozialer Netzwerke mit mindestens zwei Millionen registrierten Nutzern. Das BMJV geht davon aus, dass das neue Regelungsvorhaben fünf Netzwerke betrifft.

Den betroffenen Unternehmen entsteht einmaliger Erfüllungsaufwand von insgesamt 300.000 Euro: Je 50.000 Euro für die Anpassung an eine vom BKA zur Verfügung gestellte Schnittstelle sowie jeweils 10.000 Euro für die Anpassung standardisierter Texte an die neuen Nutzerinformationen.

Hinzu kommt neuer laufender Erfüllungsaufwand von rund 2,1 Mio. Euro p.a., den das Ressort nachvollziehbar wie folgt ermittelt hat:

Die Netzanbieter erstatten NetzDG-Transparenzberichte, nach deren Auswertung das BMJV mit rund 250.000 melderelevanten Fällen/Jahr rechnet. In rund 80% hiervon ist die strafrechtliche Relevanz bzw. die Meldepflicht offensichtlich (Fallgruppe 1), während die übrigen 20% bzw. 50.000 Postings mit einem Zeitaufwand von 60 Minuten näher geprüft werden müssen (Fallgruppe 2). Im Anschluss an die Prüfung hat das Unternehmen ggf. die beim Login verwendete IP-Adresse festzustellen, mit dem Posting zusammenzuführen und an das BKA zu übermitteln. Der Übermittlung schließt sich nach einer Frist von vier Wochen die Information des Nutzers an. Den mit diesen Arbeitsschritten verbundenen Zeitaufwand quantifiziert das BMJV mit insgesamt 10 Minuten.

In der Fallgruppe 2 ist demnach mit (60 + 10 =) 70 Minuten/Fall zu rechnen, was bezogen auf 50.000 Fälle rund 58.300 Stunden entspricht; in der Fallgruppe 1 beträgt der Zeitaufwand 10 Minuten, bezogen auf 200.000 Fälle also rund 33.300 Stunden.

Der Einsatz von Mitarbeitern mit mittlerem Qualifikationsniveau und Lohnkosten von 23,20/Std. ruft demnach laufenden Erfüllungsaufwand von (58.300 + 33.300 x 23,20 =) rund 2,1 Mio. Euro hervor.

Verwaltung (Bund)

Zur Erledigung der dem Bundesamt für Justiz neu zugewiesenen Aufgaben entsteht jährlicher Erfüllungsaufwand von rund 170.000 Euro.

Verwaltung (Länder/Kommunen)

Die Meldebehörden der Länder/Kommunen werden durch die Einführung der Auskunftssperren für bestimmte Personengruppen mit jährlichem Erfüllungsaufwand von rund 100.000 Euro belastet.

II.2 Weitere Kosten

Die bei den Staatsanwaltschaften und den Gerichten der Länder sowie beim Bundeskriminalamt (BKA) für die Strafverfolgung entstehenden Mehraufwände sind methodisch als Weitere Kosten einzuordnen.

Fallzahlen

Für die Höhe dieser Mehraufwände kommt es auf die Anzahl der NetzDG-Meldungen sowie darauf an, in wie vielen Fällen sich an Meldungen der Netzwerkbetreiber ein Strafverfahren anschließt.

- Bundeskriminalamt

Die rund 250.000 Meldungen der Netzwerkbetreiber, mit denen das Ressort nachvollziehbar rechnet, gehen beim Bundeskriminalamt (BKA) ein, werden dort auf ihre strafrechtliche Relevanz geprüft und ggf. an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet.

- Staatsanwaltschaften und Gerichte

Hinsichtlich der daraus bei den Staatsanwaltschaften und den Gerichten entstehenden Fallzahlen wich der Regelungsentwurf anfänglich deutlich von einer Einschätzung ab, die der Deutsche Richterbund (DRB) dem NKR zugeleitet hatte. Gespräche des NKR mit beiden Seiten sowie Gespräche der Beteiligten untereinander haben dann jedoch zu der übereinstimmenden Annahme geführt, dass die 250.000 NetzDG-Meldungen an das Bundeskriminalamt in 150.000 Fällen (neue) Strafverfahren nach sich ziehen werden. Abzuziehen sind u.a. große Fallgruppen, in denen die (neuen) Straftatbestände nicht erfüllt sind, Strafverfahren bereits laufen, eine Person/IP-Adresse mehrfach betroffen ist oder die IP-Adresse nicht mehr gilt.

Personal- und Sachkosten

Bei den Staatsanwaltschaften und den Gerichten werden Personalkosten, beim Bundeskriminalamt darüber hinaus auch Sachkosten entstehen.

- Bundeskriminalamt

Das Bundeskriminalamt wird die Erfüllung seiner neuen Aufgabe durch die Einrichtung einer Zentralstelle für die Erstbewertung der NetzDG-Meldungen sowie deliktsspezifischer Organisationseinheiten für die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft organisieren. Hierfür entstehen zusätzliche Personal- und Sachkosten von 25 Millionen Euro.

Die Bewältigung der erwarteten 250.000 NetzDG-Meldungen erfordert die schnelle Verfügbarkeit von Informationstechnologie, für deren Entwicklung und dauerhafte Unterstützung neben BKA-internen Ressourcen auch externe Dienstleister herangezogen werden müssen. Der einmalige Entwicklungs- und Beschaffungsaufwand (Sachkosten) hierfür wird auf rund 28 Millionen Euro geschätzt. Hinzu kommen jährliche Sachkosten für Wartung, Pflege und Anpassung der IT an künftige Standards. In einer Projektion auf den Zeitraum bis 2024 schätzt das Ressort diesen Mehraufwand auf insgesamt rund 48 Millionen Euro.

- Staatsanwaltschaften und Gerichte

Während das BMJV davon ausgeht, dass zur Durchführung der 150.000 Strafverfahren bundesweit zusätzlich 180 Staatsanwälte, 75 Strafrichter sowie 10 Leitungspersonen erforderlich sein werden, rechnet der DRB insoweit mit einem Personalbedarf von bis zu 450 Personen. Die Größe der Divergenz geht auf unterschiedliche Annahmen bei den Erledigungszahlen zurück:

Mit der Überlegung, dass die einschlägigen Fälle zum Teil einfach gelagert sein werden, schätzt das BMJV die Zahl der pro Richter/Staatsanwalt und Jahr erledigten Verfahren auf 800 bis 850. Der Richterbund hält die Überlegung des BMJV für "nicht unplausibel", leitet jedoch aus der Justizstatistik eine Schätzung von nur 600 erledigten Fällen ab. Wie groß der Unsicherheitsfaktor tatsächlich ist, zeigen auch Länderstellungnahmen: Während Bayern zwölf zusätzliche Richter und Staatsanwälte für erforderlich und ausreichend hält, sieht Nordrhein-Westfalen seinen Bedarf bei 127 Personen.

Vor diesem Hintergrund können die Schätzung des BMJV als Untergrenze und der Ansatz des Richterbundes als Obergrenze eines Korridors angesehen werden, innerhalb dessen das Regelungsvorhaben Kosten für neue Richter und Staatsanwälte hervorrufen wird:

Ein Richter/Staatsanwalt der Besoldungsgruppe R 1 verursacht jährlich Personal- und Sachkosten von rund 90.000 Euro, ein Aufsicht führender bzw. Vorsitzender Richter/Staatsanwalt (Besoldungsgruppe R 2) von rund 100.000 Euro.

Für die 255 Richter/Staatsanwälte und 10 Leitungspositionen, mit denen das BMJV rechnet, entstehen damit jährlich Kosten von rund 24 Millionen Euro (Untergrenze). Sofern man der Kalkulation des DRB mit 450 Richtern/Staatsanwälten folgt und dabei je Person (nur) 90.000 Euro/Jahr ansetzt, liegt die Obergrenze des Korridors bei rund 40 Millionen Euro.

II.3 "One in one out"-Regel

Im Sinne der "One in one out"-Regel der Bundesregierung stellt der jährliche Erfüllungsaufwand der Wirtschaft in diesem Regelungsvorhaben ein "In" von rund 2,1 Mio. Euro dar. Kompensation soll durch einen Teil der Entlastungen aus dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs erfolgen.

II.4 Evaluierung

Die Neuregelung wird vier Jahre nach ihrem Inkrafttreten evaluiert. Dabei soll festgestellt werden, ob Hasskriminalität im Internet durch verstärkte Strafverfolgung zurückgedrängt wurde (Ziel). Indikatoren hierfür sind Anstieg bzw. Rückgang von NetzDG-Meldungen und Strafverfahren nach den Transparenzberichten der Netzwerkbetreiber und der Justizstatistik (Datengrundlage).

II.5 KMU-Betroffenheit

Kleine und mittlere Unternehmen sind von dem Regelungsvorhaben nicht betroffen.

III. Ergebnis

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat den Erfüllungsaufwand nachvollziehbar dargestellt. Der Nationale Normenkontrollrat erhebt im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags keine Einwände gegen die Darstellung der Gesetzesfolgen in dem vorliegenden Regelungsentwurf.

Dr. Ludewig Dr. Holtschneider
Vorsitzender Berichterstatter