933. Sitzung des Bundesrates am 8. Mai 2015
A
Der federführende Wirtschaftsausschuss (Wi) und der Finanzausschuss (Fz) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 3 (§ 141 Absatz 1 Satz 1, § 147 Absatz 3 Satz 3 - neu - und 4 - neu - AO), Artikel 4 (Artikel 97 § 19a Satz 2 - neu - EGAO)
- a) Artikel 3 ist wie folgt zu fassen:
'Artikel 3
Änderung der AbgabenordnungDie Abgabenordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3866; 2003 I S. 61), die zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 22. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2417) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. § 141 Absatz 1 Satz 1 wird wie folgt geändert:
- a) In Nummer 1 wird die Angabe "500 000" durch die Angabe
"1 000 000" ersetzt.
- b) In den Nummern 4 und 5 wird jeweils die Angabe "50 000" durch die Angabe "100 000" ersetzt.
2. In § 147 Absatz 3 werden nach Satz 2 folgende Sätze eingefügt:
"Bei empfangenen Lieferscheinen, die keine Buchungsbelege nach Absatz 1 Nummer 4 sind, endet die Aufbewahrungsfrist mit dem Erhalt der Rechnung. Für abgesandte Lieferscheine, die keine Buchungsbelege nach Absatz 1 Nummer 4 sind, endet die Aufbewahrungsfrist mit dem Versand der Rechnung." '
- b) Artikel 4 ist wie folgt zu fassen:
'Artikel 4
Änderung des Einführungsgesetzes zur AbgabenordnungArtikel 97 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14. Dezember 1976 (BGBl. I S. 3341; 1977 I S. 667), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 22. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2417) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. § 19 wird wie folgt geändert:
- - wie Nummer 1 bis 3 der Vorlage
2. Dem § 19a ist folgender Satz anzufügen:
" § 147 Absatz 3 Sätze 3 und 4 der Abgabenordnung in der Fassung des Artikels 3 des Gesetzes ... (BGBl. I S. ... [einsetzen: Datum und Fundstelle des vorliegenden Änderungsgesetzes]) gilt für alle Lieferscheine, deren Aufbewahrungsfrist nach § 147 Absatz 3 der Abgabenordnung in der am 31. Dezember 2015 geltenden Fassung noch nicht abgelaufen ist." '
Begründung:
Zu Artikel 3:
Zu Nummer 1:
Die Grenzbeträge für die Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten sollten noch stärker angehoben werden. Mit der im Gesetzentwurf vorgesehenen Anhebung der Grenzbeträge um 100 000 bzw. 10 000 Euro werden nach Einschätzung der Bundesregierung insgesamt 140 000 Unternehmen zusätzlich von den Pflichten befreit. Die Entlastungswirkung könnte durch höhere Grenzbeträge allerdings noch deutlich verbessert werden, was zusätzliche Freiräume für KMU schaffen würde. Um eine größere Entlastungswirkung zu erzielen, sollten die Grenzbeträge daher beim Umsatz auf 1 Million Euro und beim Gewinn auf 100 000 Euro angehoben werden.
Zu Nummer 2:
Lieferscheine sind als empfangene oder abgesandte Handels- oder Geschäftsbriefe nach § 147 Absatz 1 Nummern 2 und 3 AO aufbewahrungspflichtig. Sie sind auch dann aufzubewahren, wenn sich die Angaben aus den Rechnungen ergeben. Die Aufbewahrungspflicht beträgt gemäß § 147 Absatz 3 Satz 1 AO sechs Jahre bzw. zehn Jahre, wenn die Lieferscheine als Buchungsbeleg verwendet werden. Nach § 14 Absatz 4 UStG muss eine Rechnung stets Angaben zu Menge und Art der gelieferten Ware enthalten. Eine Pflicht zur Erstellung von Lieferscheinen besteht nicht.
Die doppelte Aufbewahrung inhaltlich identischer Unterlagen ist aus steuerlichen Gründen nicht notwendig. Mit dem Verzicht auf die Aufbewahrung von Lieferscheinen, deren Inhalt eingangs- bzw. ausgangsseitig durch die entsprechende Rechnung dokumentiert ist, werden Unternehmen von unnötigem Bürokratieaufwand entlastet, ohne dass die Kontrollmöglichkeiten der Steuerverwaltung eingeschränkt werden.
Zu Artikel 4:
Zu Nummer 1:
Die Regelung entspricht dem Artikel 4 des Gesetzentwurfes der Bundesregierung.
Zu Nummer 2:
Die verkürzte Aufbewahrungspflicht soll für alle Lieferscheine gelten, deren Aufbewahrungspflicht nach der bisher geltenden Vorschrift noch nicht abgelaufen ist.
2. Zu Artikel 5 Nummer 01 (§ 6 Absatz 1 Nummer 1b - neu -EStG), Nummer 5 (§ 52 Absatz 12 Satz 1 - neu - EStG)
- a) Der Nummer 1 ist folgende Nummer 01 voranzustellen:
'01. In § 6 Absatz 1 ist nach Nummer 1a folgende Nummer 1b einzufügen:
"1b. Bei der Berechnung der Herstellungskosten brauchen die angemessenen Teile der Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie die angemessenen Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung im Sinne des § 255 Absatz 2 Satz 3 des Handelsgesetzbuches nicht einbezogen zu werden." '
- b) Nummer 5 ist wie folgt zu fassen:
'5. § 52 wird wie folgt geändert:
- a) Dem Wortlaut des Absatzes 12 wird folgender Satz vorangestellt:
" § 6 Absatz 1 Nummer 1b ist auch für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die vor dem ... [einsetzen: Tag nach Verkündung des vorliegenden Änderungsgesetzes]) enden."
- b) Nach Absatz 37 ist folgender Absatz 37a einzufügen:
- wie Vorlage - Begründung:
Zu Buchstabe a:
Durch die Einfügung der neuen Nummer 1b wird das handelsrechtliche Aktivierungswahlrecht für Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung in die Steuerbilanz übernommen. Dies entspricht der langjährigen Verwaltungspraxis, die auch in Abschnitt 6.3 Absatz 4 der Einkommensteuer-Richtlinien 2008 festgehalten ist.
Im BMF-Schreiben vom 12. März 2010 (BStBl. I S. 239) hat die Finanzverwaltung hiervon unter Verweis auf die langjährige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, die bei handelsrechtlichen Aktivierungswahlrechten von einem steuerlichen Aktivierungsgebot ausgeht, Abstand genommen. Die Einkommensteuer-Richtlinien sollen entsprechend geändert werden. Zusätzlich soll für Wirtschaftsjahre, die vor Veröffentlichung der neuen Einkommensteuerrichtlinien im Bundessteuerblatt enden, eine Übergangsregelung gelten, nach der die bisherige Praxis fortgeführt werden kann.
Die geänderte Verwaltungspraxis führt zu einer erheblichen Verkomplizierung der Herstellungskostenermittlung, da die Verwaltungsgemeinkosten sowie die Aufwendungen für soziale betriebliche Einrichtungen und die betriebliche Altersvorsorge durch entsprechende Schlüssel den am Bilanzstichtag zu bewertenden teilfertigen und fertigen Erzeugnissen zugeordnet werden müssen. Dadurch erhöht sich sowohl der bürokratische Aufwand in den Betrieben als auch in der Finanzverwaltung, die um eine Überprüfung der Angemessenheit der berücksichtigten Kostenanteile nicht umhin kommt.
Darüber hinaus bedeutet die verpflichtende Einbeziehung zusätzlicher Bestandteile in die Herstellungskosten eine flächendeckende Steuererhöhung für die Wirtschaft. Dies belastet nicht nur die Liquidität der Unternehmen, sondern bedeutet auch eine Verschlechterung der steuerlichen Rahmenbedingungen des Standortes Deutschland. Durch eine gesetzliche Festschreibung der bisherigen Verwaltungspraxis können diese Nachteile vermieden werden.
Zu Buchstabe b:
Zu § 52 Absatz 12:
Zur Sicherstellung, dass das handelsrechtliche Einbeziehungswahlrecht für allgemeine Verwaltungskosten sowie für Kosten sozialer betrieblicher Einrichtungen und der betrieblichen Altersversorgung in der Steuerbilanz ohne Unterbrechung fortgeführt werden kann, ist § 6 Absatz 1 Nummer 1b auch für die Vergangenheit anzuwenden.
Zu § 52 Absatz 37a:
Die Regelung entspricht Nummer 5 des Artikels 5 des Gesetzentwurfes der Bundesregierung.
- a) Dem Wortlaut des Absatzes 12 wird folgender Satz vorangestellt:
3. Zu Artikel 5 Nummer 4 (§ 51a Absatz 2c Satz 1 Nummer 3 EStG)
Artikel 5 Nummer 4 ist wie folgt zu fassen:
"4. § 51a Absatz 2c Satz 1 Nummer 3 wird wie folgt geändert:
- a) Satz 5 wird wie folgt gefasst:
"Der Schuldner der Kapitalertragsteuer ist vom Kirchensteuerabzugsverpflichteten bei Begründung der Geschäftsbeziehung und in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Kirchensteuerabzugsverpflichteten auf die vorzunehmende Datenabfrage sowie das gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern bestehende Widerspruchsrecht, das sich auf die Übermittlung von Daten zur Religionszugehörigkeit bezieht (Absatz 2e Satz 1), hinzuweisen."
- b) Satz 9 wird gestrichen." Begründung:
Das Verfahren zum automatischen Abruf des Kirchensteuermerkmals enthält derzeit eine jährliche schriftliche individuelle Informationspflicht des Kirchensteuerabzugsverpflichteten über den vorstehenden Datenabruf und das Widerspruchsrecht beim Bundeszentralamt für Steuern. Inzwischen ist dieses Verfahren allseits bekannt, sodass die jährliche Wiederholung der Information des Schuldners der Kapitalertragsteuer entbehrlich ist. Zur Bürokratieentlastung bei den kirchensteuerabzugsverpflichteten Unternehmen kann die jährliche Informationspflicht über die bevorstehende Datenabfrage und das Widerspruchsrecht durch einen einmaligen Hinweis bei Begründung der Geschäftsverbindung und den Hinweis in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Kirchensteuerabzugsverpflichteten ersetzt werden.
Der Bundesrat begrüßt, dass die Bundesregierung dieses Anliegen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf dem Grunde nach aufgegriffen hat. Die vorgesehene Gesetzesänderung in § 51a Absatz 2c Satz 1 Nummer 3 Satz 9 EStG lässt aber offen, zu welchem Zeitpunkt die nunmehr einmalige Information zu erfolgen hat. Demgegenüber regelt die unveränderte Anordnung in § 51a Absatz 2c Satz 1 Nummer 3 Satz 5 EStG weiterhin, dass der Schuldner der Kapitalertragsteuer "Rechtzeitig vor Regel- oder Anlassabfrage" hinzuweisen ist. Daraus kann zum einen geschlossen werden, dass der Hinweis in einem zeitlichen Zusammenhang mit der jeweiligen Abfrage stehen muss. Dies steht aber im Widerspruch zum neuen Satz 9. Zum anderen gibt es für das steuerabzugsverpflichtete Unternehmen das Problem, dass eine Karenzzeit zwischen Abfrage und Auszahlung der Kapitalerträge besteht, die zudem zeitlich nicht bestimmt ist.
Die o.g. Änderung stellt im Interesse der steuerabzugsverpflichteten Unternehmen klar, wann der einmalige individuelle Hinweis zu erfolgen hat. Wenn der Gesetzgeber diesen Zeitpunkt auf die Begründung der Geschäftsbeziehung mit dem Kunden festlegt, ist damit incidenter zugleich geregelt, dass der Hinweis individuell erfolgen muss, wodurch die bisherige Anweisung in § 51a Absatz 2c Satz 1 Nummer 3 Satz 9 EStG entbehrlich wird. Zudem erübrigt sich eine Karenzzeit zwischen Abfrage und Auszahlungszeitpunkt, weil der Kunde seinen Sperrvermerk ohnehin nicht gesondert für jede Geschäftsbeziehung, sondern für alle gegenwärtigen und zukünftigen Kirchensteuerabzugsverpflichteten erteilt.
4. Artikel 5a ( § 33 Satz 1 UStDV)
Nach Artikel 5 ist folgender Artikel 5a einzufügen:
'Artikel 5a
Änderung der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung
In § 33 Satz 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Februar 2005 (BGBl. I S. 434), die zuletzt durch Artikel 6 der Verordnung vom 22. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2392) geändert worden ist, wird die Angabe "150 Euro" durch die Angabe "300 Euro" ersetzt.'
Begründung:
Die Änderung dient dem Abbau bürokratischer Hemmnisse bei der Erteilung von Rechnungen über Kleinbeträge. Durch die Änderung wird die bisher bestehende Grenze des § 33 Satz 1 von 150 Euro auf 300 Euro erhöht.
Durch Preissteigerungen im Laufe der letzten Jahre haben sich Güter und Dienstleistungen verteuert, ohne dass die Grenze des § 33 angehoben wurde. Dem mit der Regelung verfolgten Vereinfachungseffekt wird damit in vielen Bereichen nicht mehr ausreichend Rechnung getragen.
Gewollt ist ein Vereinfachungseffekt vor allem bei der Abrechnung von kleinen, in kurzer Zeitfolge vorkommenden Barumsätzen, insbesondere im Handel mit Lebensmitteln, Papierwaren, Zeitungen, Zeitschriften, aber auch bei Leistungen, die durch Automaten abgerechnet werden, und vor allem bei Verkäufen von Treib- und Schmierstoffen an Tankstellen. Hier wäre die Erteilung von Rechnungen mit allen erforderlichen Pflichtangaben besonders zeitraubend und kostspielig und in der Praxis häufig auch nicht durchführbar.
5. Zum Gesetzentwurf im Übrigen
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Streichung von § 129 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB V zu prüfen, der in Verbindung mit dem Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung Apotheken verbindlich eine Mindestimportquote für Arzneimittel vorgibt.
Begründung:
Die verbindliche Vorgabe einer Mindestimportquote für Arzneimittel wurde seinerzeit eingeführt, weil Importprodukte häufig kostengünstiger waren als heimische Produkte. Ziel der Regelung war es, durch einen höheren Anteil importierter Arzneimittel die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen zu reduzieren. Die Apotheken hatten diese Mindestimportquoten zu dokumentieren.
Aufgrund der zahlreichen Kostendämpfungsmaßnahmen der vergangenen Jahre im Bereich der Arzneimittel ist der Preisvorteil importierter Arzneimittel weitgehend verloren gegangen. Es sollte daher geprüft werden, ob § 129 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB V gestrichen und die Apotheken damit von bürokratischem Aufwand entlastet werden können.
B
- 6. Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten, der Rechtsausschuss und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfehlen dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.